Gene, die in der Pubertät aktiviert werden und Geschlechterunterschiede bewirken

Eine interessante Studie beschäftigt sich mit einem Mechanismus für das Timing der Ausgestaltung von Geschlechterunterschieden im Nervensystem (in Würmern):

The molecular mechanisms that control the timing of sexual differentiation in the brain are poorly understood. We found that the timing of sexually dimorphic differentiation of postmitotic, sex-shared neurons in the nervous system of the Caenorhabditis elegans male is controlled by the temporally regulated miRNA let-7 and its target lin-41, a translational regulator. lin-41 acts through lin-29a, an isoform of a conserved Zn finger transcription factor, expressed in a subset of sex-shared neurons only in the male. Ectopic lin-29a is sufficient to impose male-specific features at earlier stages of development and in the opposite sex. The temporal, sexual and spatial specificity of lin-29a expression is controlled intersectionally through the lin-28/let-7/lin-41 heterochronic pathway, sex chromosome configuration and neuron-type-specific terminal selector transcription factors. Two Doublesex-like transcription factors represent additional sex- and neuron-type specific targets of LIN-41 and are regulated in a similar intersectional manner.

Quelle: Timing mechanism of sexually dimorphic nervous system differentiation

Aus einer Besprechung der Studie:

Scientists have identified a group of genes that induces differences in the developing brains of male and female roundworms and triggers the initiation of puberty, a genetic pathway that may have the same function in controlling the timing of sexual maturation in humans.

The study, led by Columbia University researchers, offers new scientific evidence for direct genetic effects in sex-based differences in neural development and provides a foundation to attempt to understand how men’s and women’s brains are wired and how they work.

In der Pubertät wird insbesondere die Hormonproduktion angekurbelt, ein Prozess, der irgendwie gestartet werden muss. Anscheinend spielen hier verschiedene Faktoren hinein, nicht nur bei dem Start der Hormonproduktion sondern auch bei der Aktivierung bestimmter Gene.

The research was published Jan.1 in eLife, an open-access journal founded by the Howard Hughes Medical Institute, the Max Planck Society and the Wellcome Trust.

Das scheint mir nicht die höchste Publikationsstufe zu sein, aber ich finde die Studie dennoch interessant.

Scientists have long known that puberty is accompanied by substantial changes in the brain characterized by the activation of neurons that produce hormonal signals. But what causes the brain to start releasing the hormones that switch on puberty remains elusive.

„In this paper we show that a pathway of regulatory genes acts within specific neurons to induce anatomical and functional differences in the male versus female brain,“ said lead study author Oliver Hobert, professor in Columbia’s Department of Biological Sciences and a Howard Hughes Medical Institute investigator. „Remarkably, we found that each member of this pathway is conserved between worms and humans, indicating that we have perhaps uncovered a general principle for how sexual brain differences in the brain are genetically encoded.“

Man kann also beim Wurm einen bestimmten Mechanismus nachweisen, der dort die Pubertät startet und der gleiche Mechanismus scheint auch beim Menschen vorhanden zu sein, auch wenn dort der Nachweis, dass dieser in gleicher Weise arbeitet noch nicht angegangen wurde.

For their study, the researchers worked with the transparent roundworm C. elegans, which in 1998 became the first multicellular organism to have its genome sequenced. The worm’s genetic makeup is remarkably similar to that of humans, making it one of the most powerful research models in molecular genetics and developmental biology.

The research team singled out C. elegans with a mutation in a single gene known as Lin28. More than a decade ago, scientists had discovered a link between mutations in the Lin28 gene and early-onset puberty in adolescent humans, a highly heritable condition that affects about 5 percent of the population. Conversely, overexpression of Lin28 is also associated with a delay in puberty.

Wieder einmal bringt eine bestimmte besondere Konstellation bei bestimmten Menschen die Forschung auf dem Gebiet voran. Es gibt also bestimmte Menschen, die eine frühe Pubertät habe, weil bei ihnen eine Mutation eines bestimmten Genes vorliegt. Eine Überexpression des Genes scheint dagegen die Pubertät nach hinten zu verschieben. Anscheinend ist dort also ein gewisser Mechanismus vorhanden, der die Pubertät drosselt, bis sie letztendlich eintreten soll und bei dessen Abhandensein die Pubertät früher beginnt und bei dessen „Überbetätigung“ sie später eintritt.

„We knew the gene existed in humans, mice and worms, but we didn’t understand how it controlled the onset of puberty,“ Hobert said. „Did Lin28 work directly with the brain? In what tissue type? What other genes did Lin28 control?“

Man hat also ein Gen gehabt, welches bei verschiedenen Tieren und auch dem Menschen die Pubertät bewirkt. Es bot sich an, diesen Mechanismus dann zunächst bei dem einfachsten Wesen mit wahrscheinlich auch der schnellsten Pubertät zu testen.

In analyzing mutant C. elegans strains, the researchers found that worms with early-onset puberty carried the mutated Lin28 gene, similar to humans. They also discovered three additional genes associated with premature sexual maturation—the most interesting, the fourth gene, called Lin29.

Lin29 turned out to be present only in the male brain and expressed in the central neurons, establishing a distinct difference in the neural structures of males and females. Even more significant, male C. elegans missing the Lin29 gene had a male appearance but moved and behaved more like females.

Das klingt auch sehr interessant. LIN29 ist nur im männlichen Gehirn aktiv und sorgt dort für eine bestimmte neurale Struktur. Würmer, die kein LIN29 aufwiesen sahen männlich aus, aber bewegten und benommen sich eher wie Weibchen.
Da wäre Forschung bei Menschen natürlich sehr interessant.

 „If you look at animals, including humans, there are dramatic physical and behavioral differences between males and females, including, for example, how they move,“ Hobert said. „The Lin29-deficient male worms, in essence, were feminized.“

Laura Pereira, the paper’s first author and a postdoctoral fellow in Columbia’s Department of Biological Sciences, said the study is important because it makes the case that specific genes exist that control sex differences in neural development. „It opens up new questions about whether differences in male and female behavior is hardwired in our brains,“ she said.

Da würde ich ihr zustimmen: Es eröffnen sich sehr interessante neue Fragen, die auf Erforschung warten. Wenn bestimmte Bereiche im neuronalen Netzwerk durch ein Gen, welches nur bei Männern vorhanden ist, ausgestaltet werden, dann spricht dies eben für weitere biologische Unterschiede.

Wer weitere Forschung, gerade bei Menschen, zu dem Bereich kennt, ich bin sehr interessiert.

 

12 Gedanken zu “Gene, die in der Pubertät aktiviert werden und Geschlechterunterschiede bewirken

  1. Die Pupertät ist generell geeignet, um Fragen nach „nature vs. nurture“ zu besprechen. Die ganzen Veränderungen und die weitere Ausdifferenzierung zwischen den Geschlechtern findet messbar ja in genau der Zeit statt. Mich würde auch interessieren, ob sich die Geschlechter im hohen Alter wieder angleichen (den Eindruck hat man optische ja manchmal). Wenn ja, wäre das ein Beweis für einen starken biologischen Einfluss der Biologie. Denn welche Gesellschaftliche Komponenten sollte in der Pupertät für eine Ausdifferenzierung und im Alter für eine Nivellierung der Geschlechter verantwortlich sein können?

    • Wie gnadenlos und unmenschlich die Unmenschenlobby vorgeht lässt sich auch sehr schön am Beispiel von Danielle Bunten Berry und diesem ominösen Hashtag GamerGate sehen.

        • Zahlen hätte ich keine, aber den Eindruck teile ich.
          Danielle – deshalb wäre es so wertvoll gewesen die Frau nicht mundtot zu machen – hatte dazu ein paar gute Dinge gesagt.
          Ich glaube aber nicht, dass die über alle Felder gleich verteilt sind.
          Ungeachtet dessen, die Leistungen Danielle Bunten Berrys waren ein Meilenberg.

  2. In meinem sehr speziellen Berufsfeld sind mir zumindest Lynn Conway und Ashawna Hailey bekannt mit sehr unterschiedlichen Gender-Biographien. Von beiden Biographien habe ich erst Jahrzehnte nach der professionellen Wahrnehmung erfahren. Immerhin war Lynn’s Buch (mit Carver) eine entscheidene Weichenstellung in meinem Studium.
    Ich persönlich vermute das Beruffelder die sich mit abstrakten Objekten beschäftigen ein Ausweichfeld bieten für Menschen die in ihren sozialen Umfeld desidentifizerit sind, insbesondere im jugendlichen Alter. Wenn die erlebte und zugewiesene soziale Rolle nicht mit dem eigenen Erleben übereinstimmend erfahren wird. Es ist dann im weitesten Sinne der sozialen Rollenverlust der auf beiden Seiten, dem Zugewiesenen und den Zuweisenen. Wenn in dieser Phase die Beschäftigung mit abstrakten Objekten Erfüllung verschaft hat wird in vielen Fällen die abstrakten Objekte den Platz einer sozialen Rolle übernehmen.
    Ich vermute das das Missempfinden in gleicher Weise, vielleicht auch in kongruenter Ausprägung, auch in der Geschlechtsidentität sich ausdrücken kann. Von daher ist es möglich das eine Häufung in beide, gegenläufige Richtungen, der Identität geben kann.
    Es gibt noch einen anderen Aspekt der damit vielleicht in Zusammenhang steht. In der Mathematik sind häufig zwei unterschiedliche Begabungen bezüglich Theoreme zu finden. Begabungen zu mathematischen Vermutungen und Begabungen diese methodisch zu beweisen. Es wäre interessant Hirnscans bezüglich der weiblich/männlich ausgespägten Strukurierung zu korrelieren.

    • „… die sich mit abstrakten Objekten beschäftigen ein Ausweichfeld bieten für Menschen die in ihren sozialen Umfeld desidentifizerit sind“

      Ah, die gute alte „Männer sind kaputte Frauen“ These.

      Faszinierend, dass selbst wenige Tage alte Jungs dieses soziale Problem schon zeigen. Und männliche Rhesusäffchen auch!

      • Ich denke die Studie, die du evt. meinst, ist nicht aussagefähig genug um intra-geschlechtliche Differenzen der Gehirnprägung zu zeigen. Wichtig ist ja der Hormonspiegel in den ersten 6 Wochen, wie ich mich erinnere. Richtig ist das meine Argumente primär auf die vorgeburtlichen hormonellen Prägungen des Gehirns abheben und nicht wie die der Überschrift in der Pubertät. Es könnte natürlich sein das die pubertäre mehr oder weniger späte Hormonversorgung in Kombination mit geringerer früher vorgeburtlicher Hormonversorgung zu veränderten Verhalten und Empathisierungen führt.

        Die These „Männer sind kaputte Frauen“ kenne ich nicht. Link?

        • Wieso „intra-geschlechtlich“?

          Männliche Primaten sind weit mehr an Dingen interessiert als weibliche. (Da gibt es massiv viele Forschung zu und nicht nur „eine“ Studie.)
          Du machst aus diesem verschiedenen Interesse einen Defekt und nennst das „desidentifiziert“. Als wolltest du sagen, dass „normale“ oder gar „psychisch gesunde“ Menschen selbstverständlich kein primäres Interesse an „abstrakten Objekten“ haben könnten.

          • Die Rangordnung wird intra-sexuell hergestellt. Wenn eigene z.B feminine Eigenschaften identifiziert werden die jedoch von innerhalb des eigenen Geschlechts als auch vom anderen Geschlecht abgelehnt werden fehlt eine Möglichkeit sozial befriedigend innerhalb und ausserhalb der Gruppe zu agieren.
            Ich bestreite auch nicht das vorgeburtliche biologische Unterschiede existieren. Meine Argumente zielen eher darauf das es unter z.B unter Programmieren mehr Transfrauen als unter Anwälten und Ärzten gibt. Das wird nicht daran liegen das die Akzeptanz sich im beruflichen Umfeld stark unterscheidet.

            Wo bleibt der Link zu der These: „Männer sind kaputte Frauen“

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