Paula-Irene Villa, Genderprofessorin, hat ein FAQ zu Mythen über die Gender Studies erstellt. Ich wollte sie nach und nach hier besprechen:
Heute:
Wollen die Gender Studies das Geschlecht abschaffen?
Die Gender Studies wollen insgesamt weder Geschlecht abschaffen noch, wie manchmal auch vermutet wird, es allen aufzwingen. Vielmehr wollen die Gender Studies forschend herausfinden, wo wie für wen warum in welcher Weise und mit welchen Folgen Geschlecht überhaupt eine Rolle spielt (oder auch nicht). Dabei hat sich im Laufe der Forschung, insbesondere in historischer Hinsicht gezeigt, dass ‘Geschlecht’ im Laufe der Geschichte sehr Verschiedenes bedeutet hat
Eine sehr ausweichende Antwort. Denn die Gender Studies wollen es ja weniger erforschen, sie haben eine sehr klare Meinung davon, was „Geschlecht“ eigentlich ist und sie sehen es üblicherweise als eine rein soziale Konstruktion, bei der zwar gewisse Körperliche Gegebenheiten vorhanden sind, alles darum aber sozial „erfunden“ worden ist. Hier wird dann auch wieder nicht zwischen Geschlecht und Gender unterschieden, wobei diese Unterteilung letztendlich im radikaleren „Trans-Feminismus“ auch irrelevant wird, weil man dort ist, was man selbst festlegt und fühlt und eine Aussage wie „Männer haben einen Penis, Frauen eine Vagina“ transfeindlich und falsch wäre.
Auch in diesem Absatz wird schon eine Beliebigkeit vorgetäuscht, die so in der Geschichte eben gerade nicht vorhanden war: Selbst in frühsten Überlieferungen kennt man die Einteilung in Männer und Frauen und selbst wenn Transsexuelle oder „männlichere Frauen“ und „weiblichere Männer“ vorhanden waren ändert das nichts an der ganz wesentlichen Einteilung in zwei Geschlechter.
Letztendlich ist die angebliche Unsicherheit hier eine relative:
Biologisch ist männlich, wer die kleineren Geschlechterzellen produziert und weiblich, wer die größeren Geschlechterzellen produziert, eben beim Menschen Spermien und Eizellen. Das geschlechtliche Verhalten hingegen entsteht im wesentlichen unter der Wirkung pränataler und postnataler Hormone, deren Menge graduell schwanken kann, aber üblicherweise bei den Geschlechtern schon deswegen festgelegt ist, weil Männer eben Hoden haben, die sehr viel Testosterone produzieren und Frauen Eierstöcke, die sehr viel Östrogene etc produzieren.
(z.B. in Bezug auf Männlichkeit https://www.univie.ac.at/igl.geschichte/maennlichkeiten/Mueller/literatur_maennlichkeiten.htm; Waldner o.J. für die Altertumswissenschaften; https://www2.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes2/Waldner/text.pdf), auch körperlich (z.B. Laqueur 1993) sein kann. Auch im regionalen Vergleich, oder entlang von religiösen oder kulturellen Differenzen kann Geschlecht enorm variieren. Zudem hat sich in empirischen Studien gezeigt, dass ‘Geschlecht’ ganz Unterschiedliches und nicht etwas immer Gleiches meinen muss (eine Übersicht zur Forschung in der Anthropologie bei Shahrokhi o.J.: https://www.eolss.net/sample-chapters/C04/E6-20D-68-22.pdf oder für die Ethnologie S. Schröter http://www.bpb.de/apuz/135446/grenzverlaeufe-zwischen-den-geschlechtern-aus-ethnologischer-perspektive?p=all): Geschlecht bezieht sich im Alltag auf Gefühle, Sexualität, Körper, Tätigkeiten, Lebensentwürfe, Identität, Zuständigkeiten usw. All’ dies zusammen genommen bedeutet, dass es gar nicht so klar ist, wie und als was ‘das Geschlecht’ fest zu machen ist.
Auch da eine klassische Taktik: Leichte Abweichungen, die teilweise enorm selten vorkommen, und üblicherweise Vermischungen der beiden Geschlechter darstellen, werden als Argument dafür genommen, dass die zwei Hauptkategorien nicht bestehen. Aber selbst wenn Abgrenzungen nicht genau sind kann man Kategorien bilden (Fuzzy Sets) und dies natürlich erst recht, wenn in geringen Fällen „Vermischungen“ in den Randbereichen vorliegen. Nur weil es zB Kreuzungen von Eseln und Pferden gibt bedeutet das nicht, dass es Esel und Pferde nicht als Kategorie gibt.
In diesem Link verweisen sie auf Mead, deren Forschung sich im wesentlichen als falsch herausgestellt hat, weil die Eingeborenen ihr Geschichten erzählt haben
In diesem Text geht es um Frauenfeste im antiken Griechenland
Und dieser Text führt bestimmte Formen „dritter Geschlechter“ (im wesentlichen Transsexuelle oder Sonderformen der Hormonverläufe) und deren Namen in bestimmten Regionen an.
All das kann wie gesagt die grundsätzliche Einteilung in Mann und Frau wenig angreifen.
Geschlechtlichkeit ist, wie manchmal in der Forschung gesagt wird, prekär oder fragil; eine hoch wirksame und wichtige ‘Uneigentlichkeit’ gewissermaßen. Diese Uneigentlichkeit hat Folgen. Auch wenn Geschlecht bei näherer Betrachtung gar nicht so eindeutig ist, zeigen sich dann aber oft eindeutige Folgen in Bezug auf soziale Ungleichheit (Pay Gap, Pension Gap, Zeitverwendung auf unbezahlte und bezahlte Arbeit). Gender Studies wollen also weder Geschlecht wichtiger machen als es ist, noch es abschaffen, sondern herausfinden, wieso etwas, das gar nicht so einfach und eindeutig und immer gleich bestimmbar ist, sich in sozialer Ungleichheit verhärtet.
Das große Problem ist eben, dass sie eben nicht herausfinden wollen, wieso etwas ist: Sie haben die Antwort bereits gefunden: Männer sind aufgrund ungerechter sozialer Konstruktionen der Gesellschaft privilegiert, Frauen benachteiligt. Gerecht ist nur Ergebnisgleichheit. Unterschiede zwischen den Geschlechtern aus ihrer Biologie heraus in Interessen und Fähigkeitsausprägungen werden ignoriert.
Manche (nicht alle!) Positionen in den Gender Studies möchten tatsächlich dazu beitragen, die großen Folgen des ‘kleinen Unterschieds’ abzumildern oder ganz zu überwinden. Das hieße dann nicht, ‘das Geschlecht abzuschaffen’, sondern dessen ungleichen Folgen auf dem Arbeitsmarkt, beim Einkommen, in der Lebenserwartung oder der Gesundheit usw. Wenn etwa bei Karrieren oder der Berufswahl tatsächlich die Geschlechtszugehörigkeit gar keine Rolle spielte oder bei der Frage, wer sich hauptsächlich um den Haushalt und die Kinder kümmert. Man kann sich ja durchaus zudem die Frage stellen, was gewonnen – oder verloren – wäre, wenn Geschlecht ein derart relativ unwichtiges Merkmal wäre wie, sagen wir, die Form des Ohrläppchens. Solche Phantasien gehören aber eher in das Reich der Belletristik.
„Wenn etwa Geschlechtszugehörigkeit keine Rolle spielte…“ eine sehr vorsichtige Formulierung, die deutlich macht, dass man hier Feld und Festung betreibt. Denn ein Ansatz, der das tatsächlich hinterfragt, gibt es ja bei den Gender Studies nicht: Geschlechtszugehörigkeit DARF keine Rolle spielen.
Insofern mal wieder ein Text, der Kritik entkräften soll, dabei aber unehrlich vorgeht und wenig Argumente bringt.
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