Einige der am beständigsten festgestellten Ergebnisse in der Psychologie

 

Sind Ostdeutsche eine marginalisierte Minderheit?

Bekanntlich übersehen Privilegierte ja gerne, dass sie privilegiert sind. Hier möchte ich einmal die These darstellen, dass Ostdeutsche gegenüber Westdeutschen eine marginalisierte Minderheit sind und insofern wegen ihres „ostseins“ abgewertet werden:

Bekanntlich funktioniert Diskriminierung über Macht und Vorurteile.

1. Macht

Demnach müsste also geschaut werden, ob die „Wessis“ Macht haben und die „Ossis“ nicht.

Dafür spricht einiges. Denn natürlich sind im Bundestag auch mehr Wessis (nur 14 Ossis), in Firmen sitzen mehr Wessis in wichtigen Positionen, die Ossis arbeiten länger und erhalten einen niedrigeren Lohn:

Die Spaltung am Arbeitsmarkt halte auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wende an, sagte Linke-Sozialexpertin Sabine Zimmermann. „Die Bundesregierung hat sich offensichtlich mit einem Sonderarbeitsmarkt Ost abgefunden. Das ist nicht akzeptabel.“

Ein wesentlicher Schlüssel für eine Angleichung sei eine Stärkung der Tarifbindung im Osten. Niedrigstlöhnen und prekärer Beschäftigung müsse deutschlandweit der Kampf angesagt werden, unter anderem durch eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde, forderte Zimmermann.

Im Schnitt am längsten gearbeitet wurde 2017 der Statistik zufolge in Thüringen mit 1371 Stunden. Es folgen Sachsen-Anhalt mit 1362 Stunden und Mecklenburg-Vorpommern mit 1353 Stunden je Arbeitnehmer. Am wenigsten Arbeitsstunden waren es in Nordrhein-Westfalen (1261), im Saarland (1259) und in Rheinland-Pfalz (1255).

Als Ursachen für Unterschiede gelten unter anderem tarifliche Regeln. Wochenarbeitszeiten von 40 Stunden hatten im Westen noch acht Prozent der Tarifbeschäftigten, im Osten aber 40 Prozent, wie eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2017 ergab. Einfluss haben etwa auch die Zahl der Feiertage und der Anteil von Vollzeit, Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung.

Bei Löhnen und Gehältern je Arbeitnehmer war Hamburg mit 40.771 Euro brutto im vergangenen Jahr der Spitzenreiter. Es folgen Hessen (37.832 Euro) und Baden-Württemberg (36.786 Euro). Am wenigsten verdienten Arbeitnehmer demnach im Schnitt in Mecklenburg-Vorpommern mit 27.520 Euro, Sachsen-Anhalt (28.607 Euro) und Brandenburg (28.715 Euro).

Zwar ist ein Ossi Bundeskanzler, aber Frauen sind ja auch eine marginalisierte Minderheit, das ist also nicht so stark zu gewichten.

Ossis sind also nahezu von allen Positionen der Macht abgeschnitten, die Wessis machen die Regeln und setzen diese um. Ihre Gehaltsunterschiede sind sogar größer als bei den Frauen, so verdient ein Ossi in Meck-Pom nur 67% des Einkommens eines Hamburgers, also nur etwa 2/3. Und man darf annehmen, dass das, wenn man Einkommen an sich und nicht nur die Löhne an sich sieht, sogar noch größer ist.

Ossis sind also im wesentlichen machtlos, der Gnade der Wessis ausgeliefert.

Das wird natürlich auch daran deutlich, dass deren Regeln und Institutionen nahezu vollständig durch westliche Regeln und Institutionen ersetzt worden sind und damit die gesamte Ostdeutsche Kultur ausgelöscht wurde.

Das Problem dürfte sogar noch dadurch verschärft werden, dass viele wichtige Positionen bei der „Wende“ schlicht durch Wessis besetzt worden sind, die ihr Westprivileg da voll ausspielten.

b) Vorurteile

Zu den Vorurteilen hier eine interessante Schilderung eines Betroffenen:

Es gibt Leute, die sagen: „Wir Westdeutschen haben die DDR besiegt!“ Das ist ein tief sitzendes Gefühl der Überlegenheit. Ich war vor einiger Zeit in einem Comic-Laden in Hamburg und bekam mit, wie sich zwei Frauen über Ostdeutschland unterhielten. „Die sind doch alle Nazis da drüben“, sagte die eine. Ich habe diese Frauen angesprochen und ihnen gesagt, dass wir uns hier gar nicht vorstellen können, wie es ist, wenn ein Land von einem Tag auf den anderen verschwindet, inklusive der Arbeitsplätze und all dessen, was den Alltag ausgemacht hat.

Unvergessen auch diese Schmähung:

Gabi meine erste Banane

Gabi meine erste Banane

Selbst bevor die Westler die Macht im Osten übernommen haben, machte man sich schon über Ossis lustig:

Und hier etwas, was ganz klar die Privilegierung und die Vorurteile zeigt:

Eine Umfrage ergab immerhin, dass 30 % der Deutschen glauben, dass Ossis zu viel jammern, Wessis nur 17%. Eine andere Befragung beweist: Zwar denken noch 66 % der Ostdeutschen geteilt, aber 78 % der Westdeutschen sehen nicht mehr die Wessis und Ossis. Es gibt also noch Hoffnung, dass 25 Jahre nach der Einheit trotz aller Klischees zusammenwächst, was zusammengehört!

Der Ossi kritisiert berechtigterweise, dass der Wessi ihn marginalisiert und der Wessi tut es eben als „Gejammer“ ab und führt dann noch an, dass er „keine Zonenzugehörigkeit mehr sehe„. Ähnlich wie der Ausspruch keine Rasse mehr zu sehen entwertet das natürlich den Struggel der Marginalisierten und kann so eben auch nur Privilegierten passieren.

3. Was folgt daraus

Wessis müssen demzufolge natürlich ihre eigene Privilegierung hinterfragen und Ostdeutschen wesentlich mehr Raumzugestehen und ihnen insbesondere zuhören. Sie dürfen ihre Entscheidungen nicht kritisieren und hinterfragen, denn nur die Marginalisierten wissen, wie sich die Marginalisierung auswirkt und wie man sie bekämpft.

Gerade ist wieder eine Zeit angebrochen, in der Wessis ungehemmt ihren Privilegien frönen und über Westdeutsche herziehen. Diese Zurschaustellung von Privileg macht einen traurig. Sofern Gewalttaten von Ostdeutschen angesprochen werden wäre das natürlich auch nur ein Wehren gegen ihre Unterdrückung. Es ist verständlich, wenn Unterdrückte irgendwann die beständigen Zurücksetzung nicht mehr ertragen und dann entsprechend reagieren. Folge kann nur sein, dass man seine eigenen Privilegien hinterfragt und sich nicht über berechtigte Wut aufregt!

 

(*Nein, ich denke nicht, dass die Privilegientheorie und Deutungshoheit gut funktionierende und damit anzuwendende Theorien sind. Aber sie lassen sich sehr gut auf Ostdeutsche übertragen und dann könnte man damit so ziemlich alles entschuldigen („die Flüchtlinge wurden gegen den Willen der Ostdeutschen von Westdeutschen bei ihnen abgesetzt etc“) und Kritik abwerten. Warum sind Ossis insofern anders zu behandeln als andere Minderheiten ohne Macht)