Mira Sigel: Warum ich Feministin bin

Mira Sigel, die auch bei den Störenfridas schreibt, schildert, warum sie Feministin geworden ist:

Manchmal fragen mich Männer, die ich von früher kenne, warum ich Feministin bin. „Ist doch klar, dass der Kapitalismus an der Unterdrückung der Frau schuld ist“, sagen dann die, mit denen ich früher in verrauchten Keller zusammen saß und über die Weltrevolution diskutierte, mir auf Demos die Stimme heiser brüllte, die Fingerspitzen blau von der Farbe auf unseren Flugblättern und das Herz voll Leidenschaft für die Rettung der Welt.

„Wenn der Widerspruch in den Produktionsverhältnissen überwunden ist, dann endet auch die Unterdrückung der Frau.“ Das sagen sie und lächeln, ganz so, als sei es fast schon traurig, mir nach all den Jahren noch immer oder schon wieder das Offensichtlichste erklären zu müssen, ein wenig nachsichtig, denn ich bin ja eine Frau und außerdem habe ich Kinder und bin eigentlich schon lange ein wenig bürgerlich und ich sehe sie an, diese nicht mehr ganz jungen Männer, von denen ich die meisten schon früher ziemlich dämlich und langweilig fand und die heute noch viel langweiliger sind und in mir steigt Wut auf.

Also die Unterdrückung der Frau als Nebenwiderspruch des Kapitalismus. Gibt es auch andersrum: Der Kaptialismus als Nebenwiderspruch des Feminismus (weil er männlich ist und man die Herrschaft der Männer besiegen muss, dann fällt der Kapitalismus weg). Ist aber natürlich beides falsch.

Ich finde es witzig, weil sie im Prinzip genauso geworden ist, wie die, die sie oben kritisiert, nur, dass ihre Ideologie eben eine andere ist. Und sie würde eben auch die Augen rollen und den anderen für blöd halten, wenn er ihre Wahrheiten, also die Unterdrückung der Frau nicht teilt.

 

Ich erinnere mich an jene Zeit, in den Kellern, auf den Demos. Ich erinnere mich daran, dass es immer die Männer waren, die sprachen, laut, mit dröhnender Stimme, die uns in endlosen Monologen darzulegen versuchten, wie sehr sie den Durchblick hatten, jeder von ihnen mindestens ein neuer Rudi Dutschke oder gleich Che Guevara.

Von uns Frauen, von uns ganz jungen Frauen, sprach nur selten eine. Wir waren nur Zierde, wir durften nur dabei sein, um zu bewundern und um Kuchen zu backen. Sprach eine von uns, so musste sie damit rechnen, von den Männern, den alten und den jungen, regelrecht auseinander genommen zu werden. Zu viel Gefühl, zu wenig revolutionäre Attitüde.

Wir Frauen, wir bringen es einfach nicht. Hormone, PMS und all das. All das schwang immer mit, wenn sie sich diese männerbündischen Blicke zuwarfen, mit spöttisch zuckenden Mundwinkeln. Die wenigsten unter uns ertrugen das, die meisten liefen rot an, begannen zu stottern und sagten nie wieder etwas. Das Diskutieren überließen wir lieber wieder den Männern.

Meine Vermutung wäre, dass ein Teil der Unterdrückung auch ihrem Frame geschuldet ist. Denn tatsächlich könnte es schlicht eine Gleichbehandlung gewesen sein, bei der jeder, der etwas sagte, was nicht der wahren Lehre entsprach auseinandergenommen worden ist. Nur das Männer üblicherweise mehr Spass an solchen harten Diskussionen haben.

Dann gab es die Wochenenden, die „Teach-Ins“, in denen wir „Das Kapital“ lasen und viel tranken und rauchten und wenn es dunkel und spät wurde, dann teilten die Männer die Frauen unter sich auf, denn Eifersucht und so, ey, das ist voll bürgerliches Besitzdenken, das müssen doch auch wir verstehen.

Am nächsten Morgen saßen sie dann zusammen, die Männer, und belobten einander für ihre Eroberungen, ihre Verachtung und ihr Sexismus gegenüber den Frauen, mit denen sie die Nacht verbrachten, kaum verhohlen, und wenn die Frauen dann dazu kamen, dann schwankten sie zwischen Scham und Trotz, doch die meisten gingen mit geknickter Würde und zerstörtem Ruf, denn noch bevor der Fairtrade gehandelte Kaffee in den Bechern kalt wurde, wusste jeder der anwesenden Männer, ob sie rasiert war und ob sie es auch anal gemacht hatte.

Den linken Ansatz, dass man auch bei Sexualpartnern kein Besitzdenken haben sollte und die Frauen daher Sex mit jedem, jedenfalls aber mit einem selbst haben sollten, erinnert mich immer etwas an Gurus oder Anführer einer Sekte, die auch gerne feststellen, dass Sex mit ihnen der wahre Weg zur Befreiung ist.

Meines Wissens nach hat es dann aber häufig nicht geklappt, weil die Frauen eben allenfalls lieber mit bestimmten Männern schlafen wollten, aber keineswegs mit allen.

Ihre Schilderungen werfen eigentlich eher ein schlechtes Licht auf die Frauen, denn es hat sie ja niemand gezwungen in dieser linken Gruppe zu bleiben und sich von den dortigen Männern aufteilen zu lassen. Sie hätten auch einfach gehen können und sich andere Männer suchen können.

Schon damals war ich wütend. Ich wusste es nur noch nicht. Als gute Antikapitalistin verriet ich meine Genossen nicht. Ich war ihnen zu Diensten, stellte ihnen meine Vagina zur Verfügung, damit sie an und in mir ruhen und rasten konnten nach dem erschöpfenden Kampf gegen Nazis, die imperialistische Weltverschwörung und all die Bösen da draußen, ich organisierte und backte, vor allem aber schwieg ich.

Sie war also nicht die hellste oder eben den passenden Geschichten auf dem Leim gegangen und man darf vermuten, dass die Männer das zwar gerne angenommen haben, sie aber nicht unbedingt der Favorit war. Jedenfalls klingt es so als habe man sie benutzt und sich nicht weiter mit ihr beschäftigt

(…)

Geschlechterrollen wurden in linken Kreisen höchstens pro forma in Frage gestellt, für einen echten Wandel traten nur die wenigsten ein und so blieb und bleibt auch unter linken (und damit auch grünen) Idealisten alles, wie es seit Jahrtausenden ist. Als der Mann begann, das Vieh zu züchten, als er Land für sich beanspruchte und begann, Kriege gegen andere Männer zu führen, da begann er auch, seine Frau zu unterwerfen, für seine Nachkommen zu benutzen, für sein Vergnügen.

Oh das dürfte weit vorher auch bereits geschehen sein. Denn auch zur Zeit der Jäger und Sammler gab es ja genug Kampf und Krieg und vermutlich auch Frauen als Beute und natürlich waren auch dort schon die Männer stärker und konnten Frauen unterwerfen, wenn ihnen danach war.

Aber viel häufiger wird es zu allen Zeiten auch viel Miteinander gegeben haben zwischen den Geschlechtern. Könige mögen ihre Harems gehabt haben, aber der einfachste Mann war wahrscheinlich eher ein Team mit seiner Frau, mit der er sich und seine Kinder über den Tag bringen musste.

Frauen wurden zum Unterpfand, die ersten Sklaven waren Frauen, aus Sklaven wurden Prostituierte. Ganz gleich welche Art von Reformierung, Liberalisierung, Aufklärung, Transformation und Erneuerung die Welt seither erlebt hat, der Frauenhass hat sie alle überlebt. Es gibt keine Utopie, in der sich die Misogynie nicht findet.

Frauen waren gewiss beliebte Sklaven. Und Sklavenhaltung dürfte sich auch in der Tat noch viel mehr gelohnt haben als man sesshaft geworden war, weil man dann eher den Essensüberschuß produzieren konnte, der Sklaveneinsatz lohnenswert macht. Aber Männer werden genauso Sklaven geworden sein, dann eben in Bergwerken oder bei anderen unangenehmen arbeiten oder sie wurden eben getötet.

Sie ist so selbstverständlich, so tief verwurzelt in unserer Gesellschaft, in unseren Beziehungen, in uns selbst, dass es bereits unendliche Kraft kostet, sie zu erkennen. Frauen werden vergewaltigt, als Kinder verheiratet, verstümmelt, erniedrigt, ermordet, geschlagen, geschwängert, zur Abtreibung gezwungen, zur Schwangerschaft gezwungen, geschlagen, betatscht, gestalkt, beschimpft, schlechter bezahlt, ausgegrenzt und diskriminiert – immer durch Männer.

Oh, auch reiche Frauen hatten Slaven, hielten Sklaven, ließen sie auf jede Art und Weise, auch als Prostituierte arbetien etc. Und einem männlichen Arbeitssklaven ging es auch nicht gerade rosig.

Aber das wichtigste wäre: Das hat nichts mit der Gegenwart zu tun.

Der Frauenhass hat so viele Gesichter, er begegnet uns in so mannigfaltiger Form, dass er allein durch seine Vielfalt und seine Omnipräsenz in der Selbstverständlichkeit unsichtbar zu bleiben vermag, dabei ist er überall, sogar in uns drin, zeigt sich in unserem Selbsthass auf unsere Körper und in unserem mangelnden Vertrauen in unsere Fähigkeiten.

Auch eine interessante Überleitung: Von der Sklavenhaltung ausgehend die Feststellung des allgemeinen Frauenhasses überall in der anscheinend heutigen Gesellschaft. Wo soll da der Zusammenhang sein?

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