„Mit Männern zu schlafen macht mich nicht zu einer schlechteren Feministin“

Vielleicht als Antwort auf diesen Artikel von Nadine Lantzsch bei der Mädchenmannschaft oder auf ähnliche stellt eine Autorin der Störenfridas klar, dass es okay für eine Feministin ist mit einem Mann zu schlafen.

Die Störenfridas kommen eben aus einer ganz anderen Richtung, sie sind weniger intersektional, sondern eher dem „Alten Feminismus“ zugetan, bei dem der zwar Männer der Feind sind, aber eben auf eine andere Art.

Interessanterweise führt man hier anscheinend die Biologie der sexuellen Anziehung an:

Sexuelle Orientierung ist keine freie Entscheidung. “I was born this way” von Lady Gaga funktioniert in beide Richtungen. Wen wir begehren, ist keine Frage bewusster Wahl, sondern inhärent in uns angelegt.

Das würde für Lantzschi wohl schon Hochverrat sein, denn dort ist natürlich auch die Sexualität wählbar und die richtige Entscheidung ist, dass man als Frau mit Frauen schläft. Weil Unterdrückung in der Heterosexualität.

Sexualität wird durch viele Faktoren geprägt und wer anfängt, Menschen für das, was sie lieben oder wollen zu attackieren, der begibt sich auf ganz dünnes Eis. So wie lesbische Frauen nicht für ihre Vorlieben angegriffen werden wollen, so gilt das andersherum auch für heterosexuelle Frauen. Auf Männer zu stehen, setzt weder meine intellektuellen Fähigkeiten in der Analyse struktureller Unterdrückung herab, noch führt Sex mit Männern dazu, dass ich auf wundersame Weise durch ihr Sperma fremdgesteuert werde. Verstand und Kritik existieren unabhängig von unserem Begehren, sonst wären wir ja alle nur triebgelenkte Wesen, dem eigenen Verlangen hilflos ausgeliefert. Mit Männern zu schlafen oder Beziehungen mit ihnen zu führen, macht uns nicht zu Unterstützerinnen unser eigenen Unterdrückung. Im Gegenteil: Zu schlafen und zu lieben, wen man möchte, ist Teil unserer individuellen Freiheit und der Freiheit von uns Frauen als Klasse. Wir treten an, um genau dafür zu kämpfen: Freiheit. Liebe zehn Männer oder nur einen, liebe Frauen und Männer, liebe Frauen, aber lass dir nicht von irgendwelchen äußeren Normen hineinreden. Das gilt für die bürgerliche Moral ebenso wie für feministische Strukturen.

Das ist ja durchaus mal eine positive Einstellung, man kann ihr da durchaus zustimmen. Jeder hat die sexuelle Orientierung, die er eben hat, und sexuelle Orientierung an sich hat schlicht nichts mit Unterdrückung zu tun.

Aber ganz ohne Tücken ist es eben auch für sie nicht:

Being heterosexual and a feminist sucks

Ja, das stimmt. Es ist anstrengend, Feministin zu sein und heterosexuell. So ziemlich 100 Prozent der Männer, auf die frau trifft, stehen auf Pornos. Viele waren schon mal im Puff. Die meisten haben auf irgendeine Weise irgendein sexistisches Verhalten verinnerlicht und legen es auch an den Tag. Einen zu finden, mit dem man in die Auseinandersetzung zu seinem Verhalten gehen kann, ist schwer.

Bei der Mädchenmannschaft wurde das Problem so formuliert:

klar, wer möchte schon zugeben, dass er_sie im herzen dabei ist (literally), welche körper und identitäten als begehrenswert vorgestellt und hergestellt werden oder welche menschen objekte deines creepy fetischs sind?! wer möchte schon gerne zugeben, sich berechtigterweise über typen von mansplainer bis mörder und vergewaltiger und die normalität von patriarchalen gewalt/verhältnissen aufzuregen, aber kein problem damit zu haben typen in unserem leben raum zu geben und ihre existenz in unserem leben mit kackscheiße als feministisch zu verteidigen. aber die rechtfertigung „ich bin halt so“??? wow, stell dir vor, du bist so ignorant, dass deine kognitive dissonanz dir nix anhaben kann.+

und wo es bei dem intersektionalen Feminismus gleich hart zur Sache geht, mit mansplainern, Mördern und Vergewaltiger, sind es bei den Störenfridas Pornos und Prostituierte, die ein großes Problem darstellen. Und sexistische Verhaltensweisen, die man verinnerlicht hat.

Das wäre dann im Vergleich eine fast schon positive Einstellung. Wir erinnern uns an einen anderen Artikel bei den Störenfridas einer“ Gastautorin“, die damals das gefühl hatte, ihren Freund fast überführt zu haben:

Er lachte kurz. „Aber kleine Penisse kann man nur mit einer OP verändern. Frauen können trainieren. Mit Vaginalkegeln.“
„Mit was?“ Was zur Hölle sind Vaginalkegel? Irgendein lächerliches Sexspielzeug wie die Liebeskugeln in Fifty Shades of Grey? Meine Stacheln waren gestellt. Endlich also würde mir mein Freund zeigen, was für ein mieser Sexist er in Wirklichkeit war. Er hatte sich nur verstellt, all die Zeit.

Leider hatte sich das dann nicht bewahrheitet, schade.

Es wird aber auch noch romantischer:

Und trotzdem: Niemand kann etwas daran ändern, warum der Geruch des Einen eben Herzklopfen auslöst, während Händchenhalten mit einer Frau einfach nur eine freundschaftliche Geste ist. Die Absage an die Heterosexualität, die Verweigerung, ist keine Lösung, sie ist eine weitere Beschränkung von Frauen, die zu akzeptieren ich nicht bereit bin.

„Eine weitere Beschränkung von Frauen“ ist in den Gedanken einer Feministin wahrscheinlich die beste Verteidigung: Wenn ich mir selbst die Heterosexualität vorenthalten muss, weil Männer scheiße sind, dann ist das eine Benachteiligung der Frau, und das darf es nicht geben, also darf ich Heterosexuell sein“

Mal ganz davon abgesehen: Ich ziehe einen Sohn groß. Wäre ich nicht davon überzeugt, dass aus ihm mal ein “Guter” wird, wie sollte ich dann seine Mutter sein?

Oh weh, ein Sohn, dann wollen wir mal hoffen, dass er sie nicht enttäuscht und deutlicher „umerzogen“ werden muss. Gut, Prostituierte und Pornos sind glücklicherweise ja im jungen Alter noch kein so großes Thema und auch ansonsten würde man ja seine Pornovorlieben nicht seiner Mutter mitteilen. Würde mich aber interessieren, was sie macht, wenn sie feststellt, dass er mit 14 Jahren dann zB gerne Pornos schaut

In einem patriarchalen System wird eine Beziehung zu einem Mann immer aus Kompromissen bestehen. Doch die Alternative “politisches Lesbentum” ist nicht so einfach, wie das gerne hingestellt wird.

In der Tat – eben weil die Partnerschaftskriterien und damit auch die Vorliebe für Männer oder Frauen biologisch bereits fest verdrahtet worden ist und durch sexuelle Selektion entstanden sein dürfte. Was bereits viele, viele feministische Theorien arge Probleme machen würde.

Ich kenne die reflexhaften Antworten, die auf meine Argumente folgen. Dass ich mir das mit den Männern schönrede, weil ich gerne weiter mit meinen Unterdrückern schlafe. Dass ich an einer Art Stockholm-Syndrom leide. Aber wisst ihr was? Spart euch diesen Scheiß einfach. Er ist übergriffig und er ist vor allem völlig inhaltsleer. Er reduziert das, was zwischen zwei Menschen geschieht einzig und allein auf das System, innerhalb dessen sie agieren.

Ach schau an. Das wäre ja mal eine Einsicht. Der Feminismus reduziert eben alles auf ein System, üblicherweise ein Nullsummenspiel um Macht verschiedener Gruppen.

Und da wird ganz einfach eingeteilt, entweder die eigene Gruppe hat Macht oder sie hat keine Macht. Eine andere als diese binäre Aufteilung gibt es nicht. Allenfalls kann man weitere Kategorien und Gruppen bilden, wenn man ins Intersektionale geht.

Ja, es stimmt. Männer unterdrücken Frauen und auch die Männer, die Frauen nicht aktiv unterdrücken, profitieren vom System der Unterdrückung. Ja, alle Männer, ausnahmslos. Aber wir Menschen sind keine eindimensionalen Wesen. Unsere Identität lässt sich nicht nur entlang der patriarchalen Ordnung verorten, sondern viele andere Faktoren spielen dabei auch noch eine Rolle. Wir sind auch Individuen mit einem freien Willen und der Fähigkeit, sich zu entwickeln und zu wachsen. Der Schlüssel dazu ist Ehrlichkeit. Sei dir im Klaren darüber, dass in einer Beziehung zu einem Mann immer auch sexistische Muster eine Rolle spielen werden – und zwar auf beiden Seiten. Auch du wirst dich der Macht der Normen beugen und dich dabei ertappen, wie du dich in diese Rollen hineinpressen lässt oder er sie von dir fordert. Wie sollte ein Mann, der im Patriarchat sozialisiert wird, sich auch anders verhalten?

Will man nicht sofort eine Partnerschaft mit dieser Frau haben oder sie heiraten? Alle Männer profitieren von der Unterdrückung, es wird in der Beziehung immer Sexismus geben und dein Freund droht immer dich in Rollen zu pressen. Klingt doch ganz harmonisch.

Doch das bedeutet nicht, dass er sie nicht reflektieren kann. Sei ehrlich und erkenne, ob er dazu bereit ist, dann wirst du nicht auf Dauer Kompromisse schließen, mit denen du nicht glücklich bist. 

Er wird reflektieren müssen und eben ein besserer Mensch sein müssen, der ausnahmsweise nicht unterdrückt. Wie die ganzen anderen Männer. Und sonst macht man eben Schluss.

Ich vermute mal etwas ist dieser Text auch eine Rechtfertigung: Denn sie muss ja ein Dilemma auflösen, welches aus dem tiefen Männerhass der feministischen Richtungen für die heterosexuelle Feministin entsteht: Der Mann ist der Feind, jeder Mann unterdrückt und profitiert von der Unterdrückung, aber man will dennoch eine Partnerschaft. Also muss man anführen können, dass er anders ist und das man sonst natürlich nichts mit ihm anfangen würde. Für die lesbische Lantzsch stellt sich das Problem nicht, so dass sie höhere Maßstäbe anführen kann und natürlich auch bei den Freunden anderer Feministinnen immer wieder „Toxische Männlichkeit“ feststellt.

Trotzdem: Liebe und Begehren funktionieren auf einer nicht bewussten Ebene. Uns schlecht dafür zu fühlen, was wir begehren, löst Scham und Selbsthass aus und das ist so ziemlich das Letzte, was Frauen brauchen können.

Ein Werkzeug der Unterdrückung

Scham ist ein Mittel patriarchaler Unterdrückung. Frauen werden beschämt, wenn sie mit zu vielen Männern schlafen, wenn sie zu dick sind, wenn sie ihre Tage haben, wenn sie zu laut reden, wenn sie vergewaltigt werden. Mit der sexuellen Gewalt ist die Scham das mächtigste Instrument der sexistischen Unterdrückung. Sie wird bereits gegen uns eingesetzt, wenn wir noch gar keine Frauen sind. Sie wird von Generation zu Generation weitergegeben und sorgt dafür, dass Frauen in der Spur bleiben. Beschämt zu werden ist soziale Disziplinierung. Frauen schämen sich viel häufiger und viel intensiver als Männer. Sie schämen sich für ihre Sexualität, ihre Körper, ihre Menstruation, ihre Stimme. Scham ist ein so machtvolles Werkzeug, weil sie uns bereits in unserer Kindheit eingepflanzt wird und dann ihre zerstörerische Saat unser ganzes Leben lang ausbreiten kann. Sie hält uns davon ab, so zu leben, wie wir es möchten. Sie nimmt uns die Freiheit, sie errichtet ein unsichtbares, inneres Gefängnis. Einen anderen Menschen zu beschämen, kann zerstörerischer sein als ihn zu schlagen. Warum tun wir Frauen uns das gegenseitig an? Warum verwenden wir die Werkzeuge unserer Unterdrückung, indem wir uns gegenseitig für unser Begehren beschämen, nur um in einer Debatte die Oberhand zu behalten? Um uns als die besseren Feministinnen zu profilieren? Scham einzusetzen, heißt, verinnerlichte Unterdrückung gegen andere Frauen auszuleben, sich zur Handlangerin des Patriarchats zu machen, also genau das zu sein, was heterosexuellen Feministinnen vorgeworfen wird.

Ein wunderbarer Absatz. Scham ist das Patriarchat, deswegen darfst du, meine feministische Schwester, es nicht gegen mich verwenden. Dann lass mich doch lieber mit jemanden eine Beziehung haben, der vielleicht ein mieser Pornoschauer oder gar Nuttengänger ist und von der Unterdrückung aller Frauen profitiert.

Weise mich nicht darauf hin, dass ich einen solchen Mann nicht begehren darf, denn das wäre ganz schlimm. Lass mich einfach vergessen, dass Männer Schweine sind, weil ich sie ja begehre.

Toxische innerfeministische Debatten

Mir fällt immer wieder auf, wie unfähig Feministinnen sind, auf einer inhaltlichen Ebene zu diskutieren und Argumente auszutauschen.

Mir auch.

 

Stattdessen wird sehr schnell auf die persönliche Ebene gewechselt. Die Bemerkung “Solange du mit Männern schläfst, kann ich dich als Feministin nicht ernst nehmen” ist ein klassisches ad hominen Argument und damit ein Mittel der schwarzen Rhetorik. Mit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Positionen innerhalb des Feminismus hat es nichts zu tun und ist überdem ein Instrument sprachlicher Gewalt. “Ich mache dich mundtot” sagt man eigentlich damit. Wollen wir als Feministinenn so miteinander umgehen? Ist das die berühmte Sisterhood?

Wo hat sie sich denn hier ernsthaft mit der Position auseinandergesetzt? Sie vertritt gleichzeitig, dass alle Männer profitieren und das einzelne Männer vielleicht mit sich reden lassen und das hinterfragen. Sie hat, statt tiefer in die Sache einzusteigen, ihr vorgehalten, dass sie sie beschämt und das das eine unlautere Taktik wäre, die MÄNNLICH ist. „Du verwendest die gleichen fiesen Methoden wie diese unterdrückenden Biester, wenn du so weitermachst, dann bist du ein schlechter Mensch“ ist auch ad hominem.

Ich lasse mich nicht beschämen. Ich schlafe, mit wem ich will und wie ich es will. Das zu leben und zu äußern ist nicht nur ein individueller Akt, sondern auch eine politische Handlung. Frauen lieben, wen sie wollen. Das lassen wir uns weder von den Spießern noch von anderen Feministinnen vorschreiben. Lebt damit und behaltet eure schwarze Rhetorik und eure Versuche, uns zu beschämen, für euch.

Es mag eine politische Haltung sein. Aber aus der Sicht der anderen Seite ist es eben ein schlafen mit dem Feind.