Wie beurteilt ihr denn die Koalitionskrise?
Aber auch zu allem anderen, was sonst für den Selbermach Mittwoch passend ist
Wie beurteilt ihr denn die Koalitionskrise?
Aber auch zu allem anderen, was sonst für den Selbermach Mittwoch passend ist
Eine alte Erwiderung bei dem Thema Frauenquoten ist, dass die Feministinnen sie nur bei den Statusjobs haben wollen, aber nicht bei der Müllabfuhr.
Anscheinend hat nunmehr jemand beschlossen, dass auch dort eine Quote erforderlich ist und die Berliner Stadtreinigung will mehr Frauen dort anstellen.
Die Soziologin Jutta Allmendinger hat daher an einem Tag getestet, ob sie als Frau den Job durchführen kann.
Grundsätzlich finde ich solche Aktionen gut: Gegen einen Test wird wohl niemand etwas sagen können und es dient dazu, sich ein Bild von der Arbeit zu machen.
Sie erwartet wohl bereits am Anfang einen „Backlash“ gegen das Eindringen in ein „Revier der Männer“, aber alle sind höflich zu ihr (was auch kein Wunder ist, man wird die Leute ja passend ausgesucht haben und sie scheint mir auch eher „offiziell“ dahin gegangen zu sein, also nicht als „Undercovermitarbeiter“ mit dem man täglich zu tun haben wird.
Ihr Fazit:
Der erste Ausstieg, mein erstes Haus. Mit dem Tresorschlüssel komme ich zurecht und öffne die Tür. Zu meiner Erleichterung gibt es hier nur wenige Treppen. Das Schieben der 660-Liter-Behälter geht gut, auch über die Treppen nach draußen. Einhängen kann ich sie gar nicht. Florian und Peter geben mir Tipps, mit dem Knie nachhelfen. Bei Tonne vier jubele ich, es klappt.
Auf dem Tritt tut die kühlende Luft gut, die vier geschafften Tonnen auch, meine Anspannung fällt ab. Ich halte mich wacker. Nur die großen 1100-Liter-Behälter machen mir Probleme. Oft bremst das Kopfsteinpflaster. Manche Tonnen sind mir schlicht zu schwer. Die beiden Männer helfen immer, ganz selbstverständlich. Von Genugtuung keine Spur. Und sie loben. „Sie machen das echt gut“, meint Florian. „Das darf man doch sagen, oder?“ Die Stunden verfliegen, meine zwei Liter Apfelsaftschorle sind schnell weg.
Um 10 Uhr eine Pause in Ruhleben. In der Kantine setzen sich andere Kumpel zu uns: Türken, Italiener, Deutsche. „Bist du ’ne Neue? Fährst du jetzt immer mit?“ Auch hier keine Anmache oder dummen Sprüche. Sie frotzeln, wer der beste Müllmann sei. Ich frage nach. „Wann ist ein Müllmann der Beste?“ – „Das wollen alle sein, und vielleicht sind es alle. Guten Job machen, zu Leuten freundlich sein“, antwortet Florian.
Wir arbeiten weiter. Langsam werde ich Teil des Teams: Peter bietet mir das „Du“ an. Entgegen meiner Zweifel schaffe ich die ganze Tour. Völlig verschwitzt kehre ich um 14 Uhr zum Betriebshof zurück und bin als Erste auf dem Weg nach Hause: Duschen für Frauen gibt es hier nicht.
Was habe ich gelernt? Weit mehr, als ich dachte. Ich weiß mehr um meine Vorurteile und unbegründeten Zweifel, um die Fähigkeiten von Frauen. Und ich habe eine Freundlichkeit unter den Menschen erlebt, die mir so vorher nicht aufgefallen war. Auf dem Tritt ist man sehr sichtbar.
(…)Und die Arbeit selbst? Ganz sicher können Frauen diese erledigen. Mag sein, dass rein weibliche Teams etwas langsamer wären. Im Gegensatz zu meinen Kumpels zog ich nie zwei Tonnen gleichzeitig, die sehr großen schaffte ich nicht. Beides ist in den Dienstanordnungen aber auch nicht vorgesehen. Nicht zuletzt haben mir Peter und Florian gezeigt, wie gut sie als Team funktionieren, über den deutlichen Altersunterschied hinweg. Und mit welcher Selbstverständlichkeit sie mich angelernt und eingegliedert haben. Warum sollte das nicht mit anderen Frauen ebenso gut gehen? Natürlich müssen sie anpacken, um respektiert zu werden. Das tun sie aber auch in jedem anderen Job.
Es wäre jetzt aus meiner Sicht interessant, ob kleinere leichtere schwächere Männer auch sonst bei der Müllabfuhr sind, die auch keine großen Tonnen schaffen und nicht zwei Tonnen nehmen können. Selbst bei schwachen Männern könnten die Unterschiede zu Frauen noch enorm sein:
On average, men have 61% more muscle mass than women (d=3), a sex difference which is developmentally related to their much higher levels of testosterone. Potential benefits of greater male muscle mass include increased mating opportunities, while potential costs include increased dietary requirements and decreased immune function. Using data on males aged 18-59 years from the third National Health and Nutrition Examination Survey and including other relevant variables, fat-free mass (FFM) and/or limb muscle volume (LMV) are significant predictors of the numbers of total and past-year self-reported sex partners, as well as age at first intercourse. On the cost side, FFM and LMV are strong positive predictors of daily energy intake and strong negative predictors of C-reactive protein and white blood cell count, measures of native immunity.
Ellen Naumann von der Gewerkschaft Verdi bezweifelt allerdings genau dies. „So wie die BSR derzeit arbeitet, kann ich mir das nicht vorstellen – die Männer schaffen es ja schon kaum“, sagt Naumann. Die Arbeit sei körperlich belastend und extrem anstrengend. Und aufgrund der gestiegenen Arbeitsverdichtung bekämen die Mitarbeiter typische Gesundheitsprobleme, etwa Rückenbeschwerden, in jüngeren Jahren als früher.
„Die 1100-Liter-Tonne darf man offiziell nur zu zweit ziehen, und von den Standardtonnen soll man nur eine nehmen, aber die Männer nehmen zwei davon, und eine große bewegt einer allein“, sagt Naumann. Wenn die Regeln eingehalten würden, dann würde ein Drittel mehr Personal benötigt.
Man hat hier also letztendlich auf Kosten der Mitarbeiter gespart, die an ihre Gesundheit gehen, weil man nicht genug Leute einstellt und der Job ja gemacht werden muss.
Wenn sie das nicht machen würde, dann würde man ein Drittel mehr Personal benötigen.
Feministisch würde man da wahrscheinlich sagen: Da seht ihr mal, die Männer mit ihrer toxischen Männlichkeit schaden sich selbst. Wenn man Frauen dazu nehmen würde, dann müsste man die Vorschriften einhalten, mehr Leute anstellen und alle hätten weniger Probleme.
Natürlich werden allerdings die Vorschriften für die bisherigen Praktiker auch eher auf Männer ausgerichtet sein und man wird bei den Frauen eher noch mehr Leute brauchen. Anzunehmen ist auch, dass die Männer weiter arbeiten wie zuvor und dann eben mehr schaffen als die Frauen, was auch zu Unzufriedenheit führen kann.
BSR will 50 Prozent Frauen bei Neueinstellungen
Von den 1700 Kräften der Straßenreinigung sind mittlerweile 300 Frauen. Sie schwingen nicht nur Harke und Besen, sondern fahren auch Kehrmaschinen auf Straßen und Kleinkehrmaschinen auf Gehsteigen. Bei Neueinstellungen versucht die BSR hier auf 50 Prozent Frauen zu kommen. Doch warum sollte eine Frau Interesse an dem Job haben? Laut BSR spricht einiges dafür. Laut Ausschreibung wird bei der Kinderbetreuung geholfen, es gibt „familienbewusste Urlaubsplanung“ und eine Bezahlung nach TVöD Stufe 3.
Auch hier bremst Gewerkschafterin Naumann, Fachbereichsleiterin Ver- und Entsorgung beim Landesbezirk, die Euphorie. „Als Alleinerziehende kann man es komplett vergessen“, sagt sie. Wenn die Schicht um 6 Uhr beginne, dann brauche es einen Partner, der die Kinder morgens fertigmache.
Dennoch spricht einiges für den Job: Zum Beispiel ist der Beruf zwar körperlich anstrengend, man trägt aber wesentlich weniger Verantwortung als etwa eine Krankenschwester oder Altenpflegerin. Auch reicht es, die Mindestschulzeit hinter sich gebracht zu haben; eine Ausbildung ist nicht nötig. Der Verdienst ist dem einer Krankenschwester vergleichbar, obwohl diese eine Ausbildung benötigt. Und es ist ein sicherer Arbeitsplatz.
Nur das Gehalt eben viele Frauen weitaus weniger interessiert als Männer. Es muss eher alles passen.
Mal sehen, wie es dort weitergeht. Wahrscheinlich landen die Frauen bei den körperlich weniger belastenden Jobs und die stärkeren Männer eben bei denen, die Kraft erfordern.