Das Kind entscheiden lassen, ob es Umgang mit dem anderen Elternteil will

Eine Idee, die mitunter bei Gesprächen um Umgang auftaucht, ist die, dass das Kind doch einfach selbst entscheiden können soll, wie viel Umgang es mit dem anderen Elternteil haben soll.

Das kann auch durchaus eine gute Idee sein, wenn beide Eltern ganz unkompliziert den Umgang befürworten, unterstützten, dass das Kind eine gute Bindung zu beiden Elternteilen hat und nahe genug aneinander wohnen, dass das Kind dementsprechend verfahren kann. Gerade bei älteren Kindern kann das auch sehr gut klappen und einem 17jährigen wird man auch, weil mit steigenden Alter der Wille des Kindes immer mehr Bedeutung erlangt, eine gewisse Autonomie zugestehen müssen.

Eine weniger gute Idee ist es, wenn die Eltern zerstritten sind und gerade die Hauptbezugsperson nicht wirklich glücklich damit ist, dass der andere Umgang hat oder sich in einem Wettstreit um die Kunst des Kindes sieht. Denn hier die Regelung des Umganges der Entscheidung des Kindes zu überlassen kann dazu führen, dass das Kind eben nicht eine Entscheidung darüber trifft, ob es gerne den anderen Elternteil sehen möchte, sondern darüber, wo seine Loyalitäten liegen und welchen Elternteil er lieber mag.

Zur Erläuterung kann man die Lage des Kindes nach Schulz von Thun und seinem Kommunikationsquadrat betrachten:

  • Die Sach-Ebene beinhaltet die reinen Sachaussagen, Daten und Fakten, die in einer Nachricht enthalten sind.
  • In der Selbstoffenbarung vermittelt der Sprecher bewusst oder unbewusst – etwas über sein Selbstverständnis, seine Motive, Werte, Emotionen etc.
  • Auf der Beziehungs-Ebene wird ausgedrückt bzw. aufgenommen, wie der Sender zum Empfänger steht und was er von ihm hält.
  • Der Appell beinhaltet einen Wunsch oder eine Handlungsaufforderung.

Auf der Sachebene sagt die Mutter demnach „ich will, dass du selbst entscheidest, wann und ob du zum Vater möchtest“

Auf der Selbstoffenbarungsebene kann die Kommunikation lauten „Ich will viel Zeit mit dir verbringen und ich finde der andere Elternteil ist ein schlechter Mensch. Ich mag ihn nicht, weil er mir sehr weh getan hat. Ich will dich nicht davon abhalten, dass du den anderen Elternteil siehst, aber ich wünschte du würdest es gar nicht wollen“

Auf der Beziehungsebene kann dabei ausgedrückt werden: „Du bist mein Kind, wir sind das Team, welches wichtig ist, ich bin die, die täglich für dich sorgt, willst du nun wirklich mich verlassen und mich zurückweisen, wenn auch nur für kurze Zeit? Willst du mich alleine machen, obwohl ich alles für dich mache, obwohl ich dein Lieblingsessen für dich koche, dich versorge, wenn du krank bist, dir Spielzeug kaufe und dich zum Kindergarten bringe? Bist du in meinem Team oder in Seinem? Ich will dich glücklich sehen, willst du mich traurig machen? Ich dachte du bist auf meiner Seite, und  nicht auf seiner

Und der Appell kann sein „wähle mich statt ihm“.

Der Elternteil, der zumindest innerlich gegen den Umgang ist, wird betonen, dass er dem Kind ja gerade die Wahl lässt, also den Umgang will. Er wird betonen, dass man ja nun auch den Wunsch des Kindes respektieren sollte und es nicht zwingen wolle, wenn man das Beste für das Kind will. Er wird darauf abstellen, dass seine Aussage auf der Sachebene doch ganz eindeutig ist, und dabei die anderen Ebenen ausblenden.

Die Kommunikation auf den anderen Ebenen kann aber dennoch um so deutlicher sein. Gerade dann wenn immer wieder betont wird, dass das Kind auch kurzfristig absagen kann, wenn es keine Lust hat, wenn das Kind immer wieder aufgefordert wird, zu sagen, ob es diesmal den Umgang will und der Umgang vor der Entscheidung je nach Signal des Kindes eisiger/trauriger/weniger umsorgend/ängstlicher oder eben liebevoller und glücklicher.

Die Metakommunikation kann sich auch verstärken, gerade in der Übergabesituation, wenn der betreuende Elternteil immer wieder fragt, ob das Kind auch wirklich will, ängstlicher wird, trauriger etc. Und auch, wenn das Kind dann verunsichert ist und Angst zeigt, und der betreuende Elternteil es daraufhin mit Liebe und Zuneigung überhäuft, um es zu trösten und einen sehr großen Akt daraus macht, dass der Umgang stattfindet.

Wenn man dem Kind hier die Entscheidung überlässt, ob es Umgang will oder nicht, dann ist das häufig nicht fair, weil es als abhängige Person, die zudem mental stark unterlegen ist, nicht einfach seinen Willen äußern kann, der die Sachebene betrifft, sondern sich in einem ggfs unbewußten Loyalitätskonflikt sieht.

Deswegen kann es gerade bei Problemen zwischen den Eltern sehr wichtig sein, dass das Kind keine eigene Entscheidung treffen darf und damit auch nicht muss. Sondern, dass die Erwachsenen dem Kind diese Entscheidung abnehmen, gegebenfalls über einen Richter. Auch die Ausweitung von Umgang sollte nicht von dem Willen des Kindes abhängig gemacht werden, sondern abstrakt davon, wie der Umgang sonst läuft.

Natürlich bedeutet das für denjenigen, der Umgang will, auch, dass der beste Weg dahin, dass zu vermeiden, immer noch ist, dass man sich auch nach der Trennung mit dem anderen Gut stellt und zumindest auf der Elternebene funktioniert.

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