Antje Schrupp: Dass sich der Feminismus wie die Inquisition verhält schadet dem Feminismus

Antje Schrupp schreibt in der Zeit zu den Reaktionen auf den hier besprochenen Artikel:

Sicherlich kann man gegen Kuchlers Text vieles einwenden, vor allem gegen die problematische Verknüpfung ihrer Schminke-Kritik mit der #MeToo-Debatte. Aber muss man ihr, der promovierten Soziologin, jegliche Kompetenz absprechen, sich zu dem Thema zu äußern?

Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass

  1. Feministinnen selbst keine Ahnung vom Feminismus haben. Natürlich müssen (intersektionale) Feministinnen jeden Versuch, Victim Blaming zu betreiben oder Frauen für etwas verantwortlich zu machen, hart angreifen.
  2. Sie im Folgenden noch nicht einmal versucht, die Kompetenz der promovierten Soziologin darzulegen, sondern einfach ein Kompetenzargument bringt.

Es ist nachvollziehbar, dass feministische Aktivistinnen den Impuls haben, sich von Positionen zu distanzieren, die „Feminismus“ nur als Label nutzen oder sogar für ganz andere Zwecke instrumentalisieren. Sie machen damit nur dasselbe, was weltanschauliche Gruppierungen im Westen schon immer gemacht haben, nämlich bestimmte Positionen als häretisch zu definieren und ihre Anhängerinnen und Anhänger dann vor die Wahl zu stellen, entweder die offizielle Linie zu übernehmen oder als Verräterin ausgeschlossen zu werden. Diese Praxis entstammt der Inquisition, überlebte dann aber quietschfidel die Säkularisierung sowie sämtliche Revolutionen und wurde später über die Studentenbewegung leider auch an die Frauenbewegung weitergereicht.

Das hat sie immerhin erkannt. Aber nicht wie tief verwurzelt dieses Element im modernen Feminismus ist. Der Feminismus lebt vom Feindbild, vom Kampf der Gruppen gegeneinander und davon, dass er ein einfaches Bild errichtet, von Gut und Böse, von wir gegen die, ein rein gefühlsgeleitetes Schema, welches einer Glaubensgemeinschaft sehr stark ähnelt. Wenn man rationale Argumente ablehnt, dann bleibt eben nur noch das Bekenntnis zur Gruppe, die Identitätspolitik.

Der moderne Feminismus WILL sein wie die Inquisition: Faire Prozesse sind nicht gewünscht, die Anklage ersetzt das Urteil. Die Gruppenzugehörigkeit ist bereits Beweis. Opfer werden für die gute Sache in Kauf genommen.

Es ist höchste Zeit, damit zu brechen, auch weil dieses Vorgehen dem Feminismus mehr schadet als anderen sozialen Bewegungen. Erstens verlieren wir dadurch originelle Köpfe – ich erinnere nur an Katharina Rutschky, die in den 1990er Jahren wegen ihrer These vom „Missbrauch mit dem Missbrauch“ von anderen Feministinnen so angefeindet wurde, dass sie sich schließlich ironisch selbst als Antifeministin bezeichnete (und sich zugegebenermaßen dann mitunter auch so benahm). Allerdings: Vieles von dem, was sie in den 1990ern am Emma-Feminismus und der damaligen Gleichstellungspolitik kritisierte, ist inzwischen Allgemeingut, unter anderem ihre Ansicht – Achtung, Pointe – dass Schminke und feminine Kleidung kein Beleg für die Unfreiheit ihrer Trägerin seien.

Es ist eine interessante Frage, wie stark sich der moderne Feminismus verändern müsste, damit er Kritik zulassen könnte und über Meinungen diskutiert statt alles, was nicht in die eigene Theorie passt wüst kreischend anzugreifen oder jedenfalls auszugrenzen.

Wie soll das in einer Theorie funktionieren, in der Virtue Signalling eine derart starke Bedeutung hat, die Kleinigkeiten als Bestätigung des großen sieht und sich in einem „Race to the bottom“ befindet wer mehr Diskriminierungen finden und anprangen kann und sich bezüglich dieser als der größere Nichtdulder zeigt?

Natürlich gibt es klaren Antifeminismus auch unter Frauen. Aber er ist selten.

Das wäre die Frage. Es wäre interessant eine Umfrage unter Frauen durchzuführen, welcher der Thesen des modernen Feminismus sie zustimmen.

Die meisten würden vermutlich viele der dortigen Theorien ablehnen, wenn sie auch gleichzeitig der These zustimmen würden, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sein sollen. Aber da würden die allermeisten zustimmen.

Dieses Etikett sollte eher jenen männerrechtlerischen und rechtsnationalistischen Positionen vorbehalten sein, die mit klarer politischer Agenda den Feminismus aktiv bekämpfen.

Alles andere wäre auch durchaus fatal, denn damit wäre die Gruppenidentität Feminismus=Frauen erheblich in Mitleidenschaft gezogen

Allen anderen gegenüber ist der Vorwurf unangebracht. Nicht einmal Frauen, die sich neuen Sichtweisen rundheraus verweigern, sind unbedingt Antifeministinnen. Vielleicht sind sie nur ein bisschen stur. Da kann einem jemand wie die Schauspielerin Nina Proll, die zurzeit in jedes erreichbare Mikrofon erzählt, wie doof sie die #MeToo-Kampagne findet, tausendmal lieber sein als eine, die feministische Aktionen bloß deshalb unterstützt, weil das zurzeit alle so machen.

„Die wissen eben noch nicht, was gut für sie ist“. Im klassischen Feminismus würde man vielleicht noch das Stichwort des „internalisierten Sexismus“ in den Raum werfen können. Sie sind eben durch das böse Patriarchat zu sehr beeinflusst um zu erkennen, was der richtige feministische Weg ist.

Nicht der Antifeminismus ist die größte Gefahr für die Freiheit der Frauen, sondern der Konformismus. Wenn wir Frauen, um die Gefahr des Konformismus zu bannen, in unseren Reihen ein paar „Antifeministinnen“ ertragen müssen, dann ist das eben so.

Nur müsste der Feminismus dazu die radikalen Feministinnen, die bei jedem Widerspruch und jedem „Nichtächten“ von nach deren Ansicht bestehenden Diskriminierungen sofort denjenigen selbst dem Feindeslager zuweisen, rausschmeißen. Und das schafft er nicht. Denn das wäre ein harter Kampf, bei dem man gegen die eigenen Radikalen vorgehen müsste.

Schrupp versteht nicht, dass „Antifeministinnen“ zu dulden bedeutet, dass man mitunterdrückt. Es kann keine Toleranz geben, jede kleinste Abweichung ist eine Stärkung des Feindes. Ich habe das ja gerade selbst erfahren als ich mit FeminismusDE auch Blogs verlinkt habe, die einen Penis nicht auch als weiblich ansehen können.