Statt einer freien, durchsetzungsfähigen Frau wird im Feminismus das Bild eines ständig schutzbedürftigen Wesens propagiert.

Bereits häufig waren hier ehemalige Feministen Thema, die den Fehler des modernen Feminismus erkennen.

Einen weiteren Artikel, über den auch schon Genderama berichtete, gab es im Freitag:.

Als Linker reagiere ich reflexartig mit Widerstand auf Macht und Übermacht, wie sie so oft von Männern verkörpert wird, insbesondere auch von solchen, die der Meinung sind, ihre sexuellen Vorlieben durch ihre Machtpositionen ohne Rücksicht auf ihr Gegenüber befriedigen zu dürfen.

Macht ist es jedoch auch, den öffentlichen Diskurs zu beherrschen bis zu einem Punkt, an dem die Reputation einer Person nachhaltig zerstört werden kann, ohne dass der Betroffene gegenüber der öffentlichen Meinung eine faire Möglichkeit erhält, sich zu verteidigen, den Kontext zu erläutern oder voll rehabilitiert zu werden, sollten sich Vorwürfe nicht erhärten.

Der Vorhalt im Feminismus, dass Frauen keine Macht haben ist in der Tat erstaunlich angesichts der Art und Weise wie sie Diskurse führen und jeder Widerspruch als Angriff auf Gleichberechtigung und damit Frauen umgemünzt werden kann. Es ist auch einer der wesentlichen Fehler des intersektionalen Feminismus, dass er nur „Macht“ oder „keine Macht“ kennt, nicht etwa Macht in bestimmten Bereichen. Aber das ist eben mit einer Theorie, bei der man eine reines Gut-Böse-Schema einhalten möchte, kaum möglich. Macht würde bedeuten, dass Frauen auch als Frauen diskriminieren können, also Männer diskriminiert sind.

Im folgenden führt er dann an, dass man ein „Nein“ auslegen muss, dass man differenzieren muss nach der „Schwere der Tat“, dass also eine Hand auf dem Po nicht gleich so behandelt werden muss als wäre dafür eine Gefängnisstrafe erforderlich und spricht sich für die Unschuldsvermutung aus.

Die dortige Wertung finde ich interessant:

Der Feminismus in seiner derzeitigen Ausprägung läuft, wie schon so viele Bewegungen zuvor, Gefahr, das Gegenteil dessen zu erreichen, was die ursprünglichen Ziele waren. Ultrakonservative und teils gefährlich intelligente Meinungsführer wie Ben Shapiro haben Rückenwind und fordern eine Rückbesinnung auf einen quasi-sakralen Charakter der Sexualität angesichts einer Gesellschaft, die alles zur Ware macht. Die Beobachtung der Vergeldlichung aller Lebensbereiche, einschließlich der Sexualität, ist dabei im Kern richtig, die gezogenen Konsequenzen machen mir jedoch Angst, dabei unterscheidet sich die Argumentation von Shapiro nicht wesentlich von der vieler feministischer Meinunsgführer*Innen. Ihre Lehre ist rein, bietet simple Antworten und beansprucht die absolute moralische Deutungshoheit. Statt einer freien, durchsetzungsfähigen Frau wird das Bild eines ständig schutzbedürftigen Wesens propagiert. So legitim dies in Bezug auf physische Macht angesichts der körperlichen Überlegenheit der meisten Männer gegenüber den meisten Frauen ist, so illegitim ist es in allen anderen Bereichen, wo gleiche Rechte mühsam erkämpft wurden und vorhanden sind.

Der Feminismus von heute kann nur überleben, wenn Frau die ihr zugewiesene Opferrolle auf Ewigkeit akzeptiert. Vielleicht werde ich einfach nur alt aber ich verurteile die Teils grotesken Züge dieser Tendenz, denn Frauen sind keine Opfergemeinschaft, und insbesondere widersetze ich mich jeglichen Bestrebungen, die Unschuldsvermutung implizit oder explizit zu untergraben.

Ich glaube, dass das viele Frauen sich ebenfalls nicht so sehen: Sie wollen nicht Opfer sein, sie lehnen daher auch den modernen Feminismus ab. Es ist auch eine der Äußerungen, mit der man sehr gut in eine Diskussion ziehen kann, weil sie zunächst erst einmal positiv ist: Man macht deutlich, dass man Frauen nicht als Opfer sehen will und sie stärker findet als der Feminismus meint.