Zu weißen Männern als Gruppe und ihrer „Schuld“

Zwei Texte, die sich dagegen wehren „weißen Männern“ die Schuld an allem zu geben:

Jochen Bittner in der Zeit

Mir wird immer etwas mulmig, wenn sich Beobachter des Zeitgeschehens darüber beklagen, dass irgendwo immer nur „weiße Männer“ oder „alte weiße Männer“ auftreten. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, überall mehr Frauen zu sehen, junge Frauen gar, und Menschen anderer Hautfarbe. Ich frage mich bloß immer: Muss man denn die einen herabwürdigen, um die anderen zu emanzipieren?

In der Beschwerde über „weiße Männer“ steckt ja mehr als die Abwehr von offener oder unterschwelliger Diskrimierung. Sie ist eine Unterstellung, die selbst auf eine Diskrimierung hinausläuft: Jemand, der weiß ist, männlich und ein gewisses Alter hat, bringt höchstwahrscheinlich ein bestimmtes, nämlich falsches Denken mit.

Ich persönlich kenne eine Menge älterer weißer Männer, das bleibt in Deutschland ja nicht aus. Und wenn man ein paar von denen auf ein Podium setzen würde, stritten sie sich, dass die Fetzen flögen. Was mich auf den total radikalen Gedanken bringt: Wir alle, ob weiß, braun, schwarz, männlich, weiblich, alt, jung, sind Bürger mit demselbem Anspruch auf Gehör, Achtung und Differenzierung. Und dieser selbe Achtungsanspruch verbietet es, irgendwen wegen nicht veränderbarer Eigenschaften anzugreifen oder in ein Lager einzusortieren. Natürlich gilt das auch gegenüber weißen Männern.

Claudia Klinger in ihrem Blog:

INHALTLICH habe ich nichts gegen diese Kritik (soweit sie bestimmte Autoren meint), teile sie sogar immer mal wieder. Voll daneben ist jedoch das verallgemeinernde Anprangern von „alten weißen Männern“, als gäbe es im breiten Spektrum dieser Personen zwangsläufig Gemeinsamkeiten abseits von Hautfarbe, Lebensalter und Geschlecht. Dass Seemann gleich zu Beginn kokett darauf verweist, dass er „seine eigene Identitätsgruppe“ kritisiere (weil er grade mal 40 geworden ist!), macht die Sache nicht besser. Warum?

Schlimm, dass man es heute wieder sagen muss: Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Alters oder Geschlechts zu diskriminieren, ist eine Gemeinheit! Ein Übel, das zumindest unter allen, die sich im weiten Sinne „links“ einordnen, überwunden schien. Taten und Meinungen sind in einer Demokratie selbstverständlich kritisierbar, aber Hautfarbe, Alter, Geschlecht? Im Ernst?

Nie hätte ich gedacht, dass diese Denke wieder akzeptabel werden könnte! Aber es passiert und greift immer weiter um sich. Personen, die ich eigentlich für intelligent halte, nutzen das „alte-weiße-Männer-Bashing“ und erkennen nicht einmal, warum sie auf dem falschen Dampfer sind. Beispiel: Auf ZEIT ONLINE hat sich ein „alter weißer Mann“ mit dem Artikel Identität ist kein Argument gegen diese gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit gewehrt.

Eigentlich ist das auch etwas ganz klares: Wenn man die meisten Menschen danach fragt, was Rassismus ist, dann werden sie antworten, dass es Abwertungen aufgrund der Hautfarbe sind und bei Sexismus eben Abwertungen nach dem Geschlecht.

Das etwas so normales dennoch im intersektionalen Sexismus so schwer zu verstehen ist, ist traurig