„Ein Ministerium für Frauen behindert die Gleichstellung“

Larissa Holzki schreibt in der Süddeutschen:

Wer immer in der künftigen Regierung den höchsten Posten im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zugesprochen bekommt, sollte als Erstes das Wort „Frauen“ aus dessen Namen streichen. Damit wäre keinesfalls gesagt, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern nunmehr realisiert ist: Das Zeitalter der Gleichstellung könnte überhaupt erst anfangen.

Wer Frauen in einer Reihe nennt mit Kindern, Jugendlichen und Senioren, stellt ihre Autonomie in Frage. Bis zum Alter von 18 Jahren dürfen Menschen in Deutschland nicht wählen, weil ihnen nicht zugetraut wird, ihre Interessen wahrzunehmen. Sie dürfen ohne die Zustimmung ihrer Eltern auch keinen Arbeitsvertrag abschließen und ihren Wohnort nicht selbst bestimmen. Deshalb muss jemand für ihre Rechte einstehen. Ältere Menschen verlieren zwar ihre Recht auf Teilhabe nicht, können sie bedingt durch Altersschwäche oder Demenz jedoch in vielen Fällen nur noch bedingt selbst wahrnehmen. Weil stützende familiäre Netzwerke heute keine Selbstverständlichkeit mehr sind, muss sich mehr denn je jemand dafür einsetzen, dass sie nicht vereinsamen und in der digitalisierten Welt unsichtbar werden.

Für die ansonsten eher im Opferfeminismus zuhause seiende Süddeutsche schon ein erstaunlicher Artikel.

Frauen in Deutschland sind hingegen selbstbestimmt und mächtig wie nie zuvor. Dass mal ein Mann das Kanzleramt geführt hat, daran können sich Abiturienten von heute kaum erinnern. Barrieren auf dem Arbeitsmarkt werden nicht zuletzt durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen durchbrochen: Bedingt durch den demographischen Wandel können Unternehmen auf Frauen schon jetzt nicht mehr verzichten; Aber der globale Wettbewerb verbessert die Chancen von Frauen noch mehr: Wenn Kreativität und Talent gleich verteilt sind – zwischen Geschlechtern und Nationen, dann muss ein kleineres Land wie Deutschland bald in Geburtsvorbereitungskursen Führungskräfte rekrutieren, um mit der Konkurrenz aus China, Indien und Russland mithalten zu können. Unternehmensberatungen sprechen schon jetzt von einem „War for Talents“ – auch und vor allem um Frauen, die bisher gezwungen oder aber gewillt waren, Familienarbeit zu leisten.

Frauen können die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt also mehr und mehr diktieren, egal ob es um Bezahlung, Arbeitszeiten oder Kinderbetreuung geht.

„Frauen haben die Macht“ und „Frauen können die Bedingungen diktieren“. Die männlichen Feministen wie Dörr werden spätestens hier in Schnappatmung verfallen und sich sicherheitshalber selbst geißeln, irgendwie sind sie sicherlich auch schuld, dass so etwas in der Zeitung geschrieben werden darf

Das zu erkennen, wird ihnen jedoch schwer gemacht. Zum Beispiel weil Konzerne behaupten dürfen, es gäbe nicht genug qualifizierte Frauen, um Führungsgremien paritätisch zu besetzen. Das verdreht die Tatsachen und schadet dem Selbstbewusstsein des ganzen Geschlechts. Viele Frauen zweifeln deshalb selbst an ihrer Eignung und streben höhere Positionen erst gar nicht an.

Und da sind wir dann wieder beim internalisierten Sexismus. Die Frau könnte alles haben, wenn sie nur an sich selbst glauben würden.

Das mangelnde Selbstvertrauen hat aber auch mit dem Namen des Ministeriums für „Frauen und Gedöns“ (Altkanzler Schröder) zu tun. Denn ein Schulkind, das lernt, dass es ein Frauenministerium gibt, verinnerlicht: Jungs können für sich selbst sorgen, um Mädchen muss sich jemand kümmern. Ein solches Rollenbild lässt Frauenquoten aussehen wie Hilfsprojekte.

Auch ein interessanter Ansatz, der aber dann eigentlich weiter gedacht werden müsste: Wenn Frauen Förderung brauchen, wenn ihnen immer wieder erzählt wird, dass alle Männer sie unterdrücken, wenn es einen Feminismus gibt, dann lernen Frauen, dass sich jemand um sie kümmern muss. Gerade dann, wenn dieser immer wieder die Opferrolle betont. Der männliche Feminist als Retter, der Mann, der sich ändern muss, damit es der Frau besser geht, das alles ist höhst passiv. Einen wirklich aktiven Feminismus, der also Frauen auffordert, dass sie etwas verändern, weil nur sie die Veränderung bewirken können und bei dem sie sich in Konkurrenz mit den Männern durchsetzen müssen und nicht darauf hoffen können, dass man für sie Sonderregelungen einführt, gibt es nicht.

Oder die Kinder nehmen den Frauenminister eher als Vertreter wahr. Dann prägt sich viel mehr ein, dass Frauen jemanden brauchen, der für sie spricht. Es ist gruselig, wenn für diese Aufgabe ein Mann ausgewählt wird. Es wird aber kaum besser, wenn eine Frau alle anderen repräsentiert.

Diese Überbewertung solcher einfachen Punkte finde ich ja immer wieder erstaunlich. Als ob alles an der Person hängen würde. Als ob Leute nicht einen Schritt weiter denken und dieses einfache Bild des Mannes oder eben der Frau im Frauenministerium ihnen ausreicht, damit sie in absolute Hilflosigkeit und Passivität verfallen. Dekonstruktive Sozialkonstruktivisten haben da häufig ein sehr sehr einfaches Bild, quasi eine stark vereinfachte Black Box, in der nicht tausende von Vorlieben, Wünschen, Planungen zum Leben, Fertigkeiten, Reaktionen anderer etc eingehen, sondern schlicht ein Bild einer Frauenministerin, das den Schalter auf Passivität umlegt.

Was für eine ungeheuerliche Reduzierung! Die Landwirte haben einen Minister, die Soldaten haben einen Minister und die Frauen eben auch. Als wären sie eine gesellschaftliche Gruppe mit besonderen Bedürfnissen. Etwa die Hälfte der Gesellschaft ist weiblich. Wer an einem Ministerium für Frauen festhält, der sorgt dafür, dass Männer die Norm bleiben.

Herrlicher Satz. Mal wieder ein Beleg, dass alles sexistisch sein kann, eine Sonderbehandlung, aber auch eine Gleichbehandlung. Ein durchaus richtiger Gedanken: Frauen sind keine Minderheit. Aber dann wieder in etwas eingebettet, was sozialkonstruktivistisch ist und eine Unterdrückung herbeiredet. Hört auf Frauen zu unterdrücken, indem ihr sie fördert, als wären sie förderungsbedürftig!

Das Argument, Frauen bräuchten trotz alledem Schutz, weil sie schwanger werden könnten, häufiger mit dem Kind alleingelassen und von Arbeitgebern schon prophylaktisch gemieden würden, darf nicht gelten. Diese Denkweise versucht immer nur eine Benachteiligung auszugleichen, die sie selbst verursacht, weil sie alle Herausforderungen von Schwangerschaft bis Erziehungsverantwortung bei der Frau verortet – auch wenn sie diese davon entlasten will. In einem Gesellschaftsmodell, in dem die Kinder von wenigen Bürgern die Renten von allen bezahlen müssen, muss aber radikal umgedacht werden: Dass Kinder geboren werden und sich gesund entwickeln können, liegt in der Verantwortung von Wirtschaft und Gesellschaft – nicht primär bei den Frauen und der Familie. Fragen der Vereinbarkeit mit der Berufstätigkeit wären deshalb beim Arbeitsministerium besser aufgehoben – sie betreffen Arbeitgeber ebenso wie Arbeitnehmer.

Die Frau hat eben den Nachteil, dass sie diejenige ist, die schwanger wird und den Kosten damit wesentlich schlechter entfliehen kann. Wobei das eben auch eine Frage der gesellschaftlichen Normen ist: In Frankreich sind die Unterbrechungen wegen Schwangerschaft deutlich kürzer.

Frauen aber brauchen nicht eine Ministerin oder einen Minister, sondern ein gesamtes Kabinett – genau wie die Männer. Für die Gleichstellung müssen alle Ministerien gemeinsam eintreten, ob Arbeit, Wirtschaft, Justiz oder Verteidigung. Solange es aber einen Regierungsvertreter gibt, der ganz explizit damit betraut ist, wird das nicht geschehen, weil alle auf das Bundesministerium für Familie, Jugend, Frauen und Senioren verweisen können.

Ihre Argumentation scheint zu sein: Frauen brauchen Förderung (sie will ja Gleichstellung), aber man darf kein spezielles Dezernat dafür einrichten, sondern muss in allen Dezernaten eben diese Förderung mitdenken. Allerdings dürfte das in der Praxis wohl heißen, dass es spezielle Mitarbeiterinnen dafür gibt, die das im Auge behalten, denn zum einen werden die entsprechenden Feministinnen ihre Posten behalten wollen und zum anderen will der Feminismus ansonsten ja gerade die Opferrolle haben. Es könnte ein vernünftiger Ansatz sein, wenn es nicht schlicht zu Unterabteilungen führt, die dann nur einfach aus der Sicht sind. Denn sonst wäre ja auch ihr Ansatz nach hinten losgegangen: Man hätte kein Frauenministerium mehr, aber Frauenabteilungen in jedem Ministerium, was dann den Frauen nach ihrem obigen Ansatz ja noch mehr das Gefühl geben müsste Opfer zu sein.

Das Frauenministerium hat eine Feigenblattfunktion. Anders lässt es sich nicht erklären, dass das Arbeitsministerium unter seinen Themen auf der Internetseite das Thema Gleichstellung nicht mal nennt. Wenn Gleichstellung erreichbar werden soll, darf es im nächsten Kabinett keinen Frauenminister mehr geben.

Sie will also anscheinend schlicht mehr Frauenförderung, in jedem Bereich, aber dezentraler, damit die Frauen es nicht merken und sich deswegen nicht als Opfer fühlen.