Frauenanteil in den Parteien und der fehlende Appell an Frauen

Der neue Bundestag soll einen sehr niedrigen Frauenanteil haben. Anscheinend 30,7%.

Bei der Wikipedia findet sich eine Tabelle über den Anteil der Frauen in vorherigen Bundestagen:

Frauenanteil im Deutschen Bundestag seit 1949

Frauenanteil im Deutschen Bundestag seit 1949

Gegenwärtig sieht es so aus:

  • Grüne 58%
  • Linke 53%
  • SPD 42%
  • CDU/CSU 24,5%
  • FDP 22,5%
  • AFD 12%

(Wenn die Zahlen, die ich über Twitter gefunden habe, stimmen)

Interessant ist, dass der Frauenanteil ab 1983 steigt, anscheinend als Reaktion auf die Grünen und später dann die Linken.

Der Anteil der Frauen in Parteien ist allerdings auch nicht sehr hoch:

Frauenanteil in den politischen Parteien in Deutschland 2016 Statistik

Frauenanteil in den politischen Parteien in Deutschland 2016 Statistik

Tatsächlich wären Frauen damit eher übervertreten.

Ein Artikel in der Huffington-Post  

Laut Bundeswahlleiter waren von den 61,5 Millionen Wahlberechtigten bei dieser Bundestagswahl 31,7 Millionen Frauen – und nur 29,8 Millionen Männer.

Also sogar mehr Frauen, die als stärkste Partei eben nicht die mit dem höchsten Frauenanteil wählten, sondern die CDU.

Im Artikel heißt es weiter.

Der hohe Frauenanteil von SPD, Linken und Grünen hat nicht etwa den Grund, dass es in diesen Parteien einfach mehr Frauen gibt – sondern daran, dass diese Parteien eine Quote haben.

1986 führten zunächst die Grünen das sogenannte Frauenstatut ein. Seitdem mussten die Hälfte der Listenplätze bei der Partei mit Frauen besetzt sein, wobei den Politikerinnen immer die ungeraden Plätze zufallen – also auch der Spitzenplatz.

1988 zog die SPD mit einer 40-Prozent-Quote nach, bei den Linken gilt seit 2011 eine 50-Prozent-Quote für die Wahllisten.

Einer der ersten beiden Plätze muss mit einer Frau besetzt werden, danach fällt jeder ungerade Platz einer Frau zu. Bei der CDU gibt es seit 1996 ein so genanntes Frauenquorum. Das empfiehlt eine Quote von 30 Prozent – verpflichtend ist sie jedoch nicht. FDP und AfD sperren sich gegen jede Form der Quotierung.

Also folgende Quoten:

  • Grüne: 50% für Frauen + Spitzenplatz
  • Linke: 50% für Frauen
  • SPD:40%
  • CDU: 30% (Empfehlung)
  • FDP: –
  • AfD: –

Wie man sieht entspricht die jeweilige Sitzverteilung auch in etwa diesen Quoten.
In dem Artikel heißt es:

Doch die neu im Bundestag vertretenen Parteien und der geringe Anteil der weiblichen Mitglieder sind nicht die einzigen Gründe für den niedrigen Frauenanteil. Es sind die Strukturen, die in der deutschen Politik stark männlich geprägt sind.

Politik ist, wie viele Bereiche in der Wirtschaft auch, ein Business der Männer. Viel wird in Hinterzimmern und auf Kumpelbasis ausgehandelt. Kurz: Frauen haben es weitaus schwerer als Männer, sich in einer Partei hochzuarbeiten.

So landen sie oft auf den weniger aussichtsreichen Listenplätzen und nicht auf den Plätzen für die Direktmandate.

Auch ein anderer Artikel zeigt diesen Unterschied auf:

So zeigt sich etwa: Sämtliche Parteien stellen in den Wahlkreisen deutlich mehr Männer als Direktkandidaten auf, als sie Frauen auf die Landeslisten setzen. Das gilt auch für die Grünen und die Linkspartei, bei denen auf der Liste zwar eine strikte Quotierung herrscht. Wenn es um die Auswahl eines Direktkandidaten geht, fällt die Entscheidung jedoch meist zugunsten eines Mannes. 51 Prozent aller Listenkandidaten der Linkspartei sind Frauen, aber nur 33 Prozent der Wahlkreisbewerber. So groß ist der Unterschied sonst nur noch bei der CDU. Dort belegen Frauen 40 Prozent aller Listenplätze, stellen aber nur 22 Prozent der Direktkandidaten.

Was dabei etwas übergangen wird: Direktmandate sind in vielen Fällen auch wesentlich arbeitsintensiver und kostenträchtiger:

Aus einem anderen Artikel:

Die großen Parteien erwarten von Bewerbern für ein Direktmandat im Bundestag offensichtlich eine erhebliche Eigenbeteiligung an den Wahlkampfkosten. Das zeigen Recherchen des ARD-MagazinsMonitor. Laut einer Studie geht es dabei um bis zu 70.000 Euro.

Tausende Hände schütteln, an fremden Türen klingeln, Menschen anspreche: Barbara Roth aus München hätte all das gerne gemacht, im Wahlkampf vor der bayrischen Landtagswahl 2013. Landtagsabgeordnete zu werden war ihr Traum. Doch dann erfuhr sie, dass ihre Partei, die CSU, eine Eigenbeteiligung an den Wahlkampfkosten erwartete: „Von verschiedenen Delegierten ist mir gesagt worden, dass das schon sinnvoll wäre, so circa 100.000 Euro mit in den Wahlkampf zu bringen, und ob ich die überhaupt zur Verfügung stellen könnte.“

(…)

Die parteiunabhängigen Kosten für den Wahlkampf beziffern die befragten Vertreter von CDU, CSU und SPD mit „mindestens 10.000 bis nicht selten 70.000 Euro“. Kosten, die offensichtlich die Bewerber bezahlen sollen, so die Studie: „Die Kreisvorsitzenden betonten, dass daher die notwendigen Ressourcen für den Wahlkampf ein zentrales Thema der Sondierungsgespräche seien.“

Auf einem Listenplatz ist man also weitaus weniger in der Verantwortung, muss auch weniger ausgeben, hat dafür, wenn man für eine große Partei antritt, die ein Direktmandat erhalten kann, auch weniger Chancen. Das dürfte bei der CDU auch erklären, warum die Frauenquote trotz 30% Soll geringer ausgefallen ist: Bei den Direktkandidaten sind mehr Männer vorhanden gewesen.

Natürlich ist es aber nicht nur wichtig, auf der Liste zu sein, der Platz ist insbesondere wichtig. Um so höher um so eher hat man tatsächlich Aussicht auf einen Platz, in den hintersten Plätzen sind die Aussichten hingegen sehr gering. Hier findet sich eine Übersicht, inwieweit Frauen auf aussischtsreichen Listenplätzen zu finden sind.

Bei den Grünen haben Frauen überproportional aussichtreiche Plätze, bei den Linken leicht überpropotional, bei der SPD und der FDP recht proportional und bei der CDU ist es etwas schlechter.

Wie bereits mitgeteilt scheint aber der Frauenanteil für viele Wählerinnen nicht so interessant gewesen zu sein. Sonst wären die Grünen nicht bei 10% und die CDU nicht bei 36% der Stimmen der Frauen gelandet.

Was ich immer wieder erstaunlich finde:

Es gab nach der Wahl diverse Tweets und viele Artikel, die anführten, dass Frauen unterrepräsentiert sind, weil sie 50% der Bevölkerung darstellen.

Dafür wurden die sexistischen Parteien oder wer auch immer verantwortlich gemacht und allgemein gefordert, dass dieses Verhältnis angepasst werden müsste und ein Skandal sei.

Was aber vollkommen fehlt ist jeder Hinweis darauf, dass Frauen im wesentlichen etwas machen müssen, wenn sie Veränderung wollen. Wie man sieht bewegen sich auch konservative Parteien mit den Plätzen etwa in den Prozentsätzen, die sie auch an Mitgliedern haben. Wer mehr Frauen will, der wird damit nicht darum herum kommen, dass mehr Frauen Parteien beitreten und dort aktiv mitarbeiten wollen. Ebenso, dass Frauen auch für Listenplätze bereit stehen müssen.

Selbst bei den Grünen war es ja anscheinend schwer für den Vorstand mehr als eine Frau zu finden, die zu einer Kandidatur bereit war.