Broad agreement across essentially all groups that PC is a problem. https://t.co/CYgDA5jYK4 pic.twitter.com/XQ8iIeTzOR
— Emil OW Kirkegaard (@KirkegaardEmil) September 21, 2017
Tag: 25. September 2017
„Homosoziale Männergemeinschaften reproduzieren sexistische Strukturen“ oder wenn Männer unter sich Bier trinken ist das Sexismus
Alina Herbing schreibt über Männergruppen an Universitäten und warum das Sexismus ist:
Die Grundsituation schildert sie wie folgt:
Die Seminarsituationen sind ansonsten so, wie ich sie von anderen Universitäten schon kenne: Wenige männliche Studierende melden sich sehr viel öfter zu Wort als die Kommiliton*innen, dominieren die Diskussionen mit jeder Menge Namedropping, Filmwissen und Philosophen-Zitaten. Die Lehrenden sind fast ausschließlich männlich, lustig und viel unterwegs. Unter den Studierenden sind die Frauen, zumindest zu Beginn des Studiums, mit 70 bis 80 Prozent in der Überzahl, meist vorsichtig und weniger präsent.
Eigentlich ja interessant und man könnte meinen, dass dann eben die Studentinnen eher das Wort ergreifen und sich mehr einbringen müssten. Wobei „Sich einbringen“ ja sehr relativ ist. Man lernt nicht unbedingt mehr, wenn man beteiligt und mündliche Noten gibt es im Studium üblicherweise auch nicht.
Wir sind 32 Studierende in meinem Jahrgang, davon lediglich acht Männer. Im ersten Semester verlassen zwei Studentinnen den Studiengang, nach dem zweiten Semester sind zwei oder drei weitere weg, ein paar sind kaum noch in den Seminaren zu sehen, nach dem dritten Semester bin ich als einzige Frau in meiner Anfangsclique übrig geblieben. Während „die Jungs“ mit den jüngeren Dozenten Fußball spielen oder gucken, lege ich viel Wert darauf, wenigstens beim Biertrinken danach dabei zu sein. Außerdem bin ich Hiwi der Institutsleitung und so halte ich mich in den kommenden Jahren fast nur noch in Männergruppen auf, als einzige oder eine von wenigen Frauen, was ich natürlich bemerke, aber lange nicht reflektiere.
Was macht sie also? Trommelt sie Frauen zusammen, die dann dazu kommen oder bemüht sie sich anderen Frauen den Wert davon, sich nach der Uni noch mit den Dozenten zu treffen zu vermitteln?
Michael Meuser hat auf der Basis von Reawyn Connels Theorie der hegemonialen Männlichkeit Zusammenkünfte untersucht, in denen Männer weitestgehend unter sich sein wollen, „homosoziale Männergemeinschaften“ 1, die immer wieder entstehen, wenn Männer es – bezogen auf unterschiedlichste Kontexte – als besonders angenehm empfinden, in Gesellschaft ihrer Geschlechtsgenossen Zeit zu verbringen. Dies verstärke nicht nur den Zusammenhalt der Gemeinschaft, es reproduziere auch die Dominanz gegenüber Frauen, die von diesen Zusammenkünften und damit oft auch „von wichtigen Bereichen der sozialen Welt ausgeschlossen werden.“ Männer würden dort Bestätigung finden, sich gegenseitig der „Angemessenheit der eigenen Weltsicht“ vergewissern, umso effektiver, je weniger ihnen genau diese Intention selbst bewusst ist. Eine typische Antwort auf die Frage nach der Absicht ihres Zusammentreffens, lautet dementsprechend auch einfach „‚Spaß haben‘ und ‚blödes Zeug reden‘.“ 2
Nein, sie deutet es natürlich in etwas um, bei dem Frauen per se ausgeschlossen sind und bei dem Männer Macht herstellen. Das beide Geschlechter schlicht verschieden sind und deswegen auch gerne einmal unter sich kommt darin nicht vor. Das es angenehm sein kann, wenn man einfach mal blödes Zeug reden kann ohne das eine Frau den Ton kritisiert oder einen Themenwechsel will scheint ihr auch nicht in den Sinn zu kommen. Dabei machen Frauen das eben genauso. Auch Frauen gehen gerne unter Frauen weg. Beispielsweise wahrscheinlich sogar ihre Kommilitoninnen.
Meuser geht davon aus, dass diese Männerrunden gerade im Zuge einer Verunsicherung durch feministische Forderungen innerhalb der Gesellschaft neue Popularität erlangen. Am ausgeprägtesten fänden sich diese Gemeinschaften im Sport, in Clubs oder an Stammtischen, aber auch an Arbeitsplätzen sowie in Seminaren an Hochschulen.
Ja, wer hätte auch jemals von Männertreffen vor dem Feminismus gehört. Gab es davor überhaupt gleichgeschlechtliche Gruppen oder mischte sich alles bunt?
Mit ein wenig nachdenken hätte man recht leicht darauf kommen können, dass ein freies Mischen der Geschlechter eine sehr junge Erscheinung ist, schlicht weil es früher nicht „ziemlich“ oder „sittenhaft“ war. Man brauchte erst gut funktionierende Verhütungsmittel und die industrielle Revolution und den daraus folgenden Wohlstand, damit sich das änderte
„Homosoziale Männergemeinschaften“ existieren zweifellos, auch an der Universität Hildesheim, aber der Begriff reicht nicht ganz aus, um die Strukturen am dortigen Literaturinstitut ausreichend zu beschreiben. Er evoziert eine Homogenität, die es natürlich ab und zu gibt, aber nicht nur, und nicht so klar abgegrenzt, wie man denken könnte. Quantitativ sind die Männer in der Minderheit, zumindest unter den Studierenden. Treffender ist es, von einer männlich dominierten Gemeinschaft zu sprechen, Lehrende und Studierende eingeschlossen, in der Frauen zwar auch unterstützt, aber bewusst und unbewusst immer wieder von Schlüsselpositionen ferngehalten werden, oder eben aus Gruppen ausgeschlossen sind, in denen die wichtigen Entscheidungen getroffen werden.
Oder: In denen Männer eher an Posten in Führungspositionen interessiert sind, sich eher auf diese bewerben, sich eher einem entsprechenden Wettbewerb stellen und auch eher das Risiko einer Karriere im Wissenschaftsbetrieb eingehen.
Es ist schon erstaunlich, dass sie in dem Artikel ganz selbstverständlich davon berichtet, dass sie Teil der Gruppe ist und keinerlei Hindernis für Frauen nennt, an diesen Runden teilzunehmen, soweit auch keine besonderen Vorteile gerade dieser Runden mit den jüngeren Dozenten nennt, aber dennoch nahtlos dazu übergeht, dass Frauen ferngehalten werden und dort wichtige Entscheidungen getroffen werden.
So entsteht ein Hierarchieverhältnis, in dem eine überwiegend weibliche Mehrheit abhängig ist von einer überwiegend männlichen Minderheit. Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse wie diese begünstigen die Reproduktion von Diskriminierung, unter anderem da sich die Betroffenen aus Angst vor Nachteilen im Studienverlauf oft nicht zur Wehr setzen. Das alles ist nichts Neues, nichts Literaturinstitutsspezifisches, es findet sich überall in unserer Gesellschaft, und darüber hinaus. Das macht es so unauffällig, aber noch lang nicht erhaltenswert.
Dann bringe Freundinnen mit. Motiviere andere Frauen dort teilzunehmen. Veranlasse Frauen sich auf HiWi-Stellen zu bewerben.
Sommer 2011, Hildesheim: Ich wurde gerade in die Redaktion einer jungen Literaturzeitschrift gewählt. Mit mir kommen zwei weitere Kommilitoninnen neu in die Redaktion, um die ausscheidenden zu ersetzen. Drei Studierende aus den Jahrgängen über uns bleiben noch für ein, zwei Ausgaben, um uns alles zu erklären. Bei einer der ersten Textbesprechungen bemerkt einer von ihnen – natürlich nicht ernst gemeint – es sei kein Wunder, dass der vorliegende Text so schlecht ist, da die Autorin vor kurzem Mutter geworden sei. Aus unerfindlichen Gründen verlören Frauen mit der Geburt ihres ersten Kindes die Fähigkeit, gute Texte zu schreiben. Das hätten sie im Zuge ihrer Redaktionstätigkeit schon des Öfteren festgestellt.
Es sind keine unerfindlichen Gründe sondern leicht nachvollziehbare: Wenig Schlaf, weniger Zeit um neben der Kinderbetreuung noch entsprechende Texte zu erstellen. Südländerin regte sich aus gleichen Gründen ebenfalls gerade über eine junge Mutter auf, die Kollegin von ihr ist und gegenwärtig in der Hinsicht erheblich eingeschränkt ist.
Ich kenne damals keine Frau, die gleichzeitig Mutter und erfolgreiche Schriftstellerin ist und die ich damit als Gegenbeweis hätte anführen können. Bei den Debatten um die eingereichten Texte bin ich sowieso relativ erfolglos darin, meine Favoriten durchzusetzen. Die Männer in unserer Redaktion sind rhetorisch deutlich versierter und schaffen es viel leichter, die anderen von ihren Argumenten zu überzeugen. Wenn die Redaktionssitzungen zu anstrengend werden, holen wir Bier vom Späti und essen Pizza auf dem warmen Asphalt vor dem Büro.
Erstaunlich immerhin für einen solchen Text, dass sie den Männern positive Eigenschaften zugesteht, die diese besser sein lässt als die anwesenden
Elisabeth Hanzl und Sissi Luif haben sich, ausgehend von Connell und Meuser, in ihrem Essay „Das Biertrinken und die männliche Hegemonie“ 3 mit hegemonialer Männlichkeit in linken, unipolitischen Gruppen auseinandergesetzt. Sie haben bemerkt, dass dort Männlichkeiten, die gesamtgesellschaftlich eher marginalisiert werden, mitunter hegemonialen Charakter bekommen (was nicht heißt, dass nicht auch Frauen* hegemoniale Rollen einnehmen). Dabei würden sich die Studierenden selbst als antisexistisch bezeichnen, jedoch trotzdem Strukturen reproduzieren, die Männer bevorzugen. Dies geschehe vor allem im informellen Bereich, wenn sich nach den Sitzungen ein Teil der Gruppe noch zum Biertrinken in eine Kneipe zurückziehe. Unter den Biertrinkenden seien die Männer meist von Beginn an in der Überzahl, je später es werde, desto weiter verschiebe sich das Geschlechterverhältnis allerdings vollends zu Gunsten einer männlichen Dominanz.
Das sind auch immer so beliebige Angaben, gänzlich ohne stützendes Argument. Männer benehmen sich im Schnitt männlich schlicht weil sie Männer sind. Ihnen das sogleich als „reproduzieren von Strukturen“ anzulasten bringt wenig. Es ist auch immer wieder faszinierend, dass die Autorin nie auf die Idee kommt, dass dann eben Frauen das Produzieren von Gegenstrukturen eben lernen müssen. Man schmollt, dass die Männer eben selbst in solchen Gruppen Männer sind.
Es geht Hanzl und Luif nicht darum, das Biertrinken zu verbieten, gerade den informellen Bereich halten sie sogar für besonders wichtig hinsichtlich Vernetzung und Motivation, sie stellen jedoch fest, dass diese Zusammenkünfte stark meinungsbildend wirken und sexistische Strukturen begünstigen. Die Autorinnen bemerken einen Mangel an Reflexionsfähigkeit, wenn es um Sexismen innerhalb der eigenen Gruppe geht. Man grenze sich zwar schnell von einem gesamtgesellschaftlichen Sexismus ab, ohne jedoch das eigene Verhalten zu hinterfragen. Das müsse sich ändern. Antisexismus solle „radikal am eigenen Verhalten ansetzen“, fordern sie. Man müsse sich immer wieder bewusst machen, „wie sich auch innerhalb der eigenen Zusammenhänge hegemoniale Männlichkeit konstruiert,“ nur das führe schließlich zur Dekonstruktion sexistischer Strukturen.
Vielleicht sind da auch schlicht keine Strukturen und sie sind auch nicht sexistisch. Aber es ist eben immer einfacher sich seiner Passivität hinzugeben, bei der man nichts ändern muss und die anderen für alles verantwortlich zu machen. Die sehen halt nicht ein, dass sie Rücksicht nehmen müssen und verdammte Sexisten sind, wenn sie sich ganz normal verhalten.
Man möchte dazu eigentlich immer dieses Video einblenden, wenn Feministinnen so etwas sagen:
Pfui Männer, dass ihr da nicht Rücksicht auf Frauen nehmt und statt dessen einfach mit Kumpels Bier trinkt und Spass habt. Widerlich!
Genau dieser Schritt des Bewusstmachens ist das Schwierige. Zum einen glauben Viele, entsprechende Gesetze hätten die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in unserer Gesellschaft längst beseitigt. Zum anderen ist die Sensibilisierung oft nicht da, subtilere Formen von Sexismus bei sich und anderen zu erkennen und zu reflektieren sowie Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in ihrer Tragweite wahrzunehmen.
Vielleicht liegt auch schlicht bei ihr eine Übersensibilisierung vor, die sie Probleme sehen lässt wo keine sind.
Frühling 2017, Stade: Ich habe gerade aus meinem Roman gelesen, die Veranstaltung ist zu Ende, und wie so oft kommt eine Frau an meinen Tisch, die mir sagt, wie sehr sie mich darum beneide, dass ich am Hildesheimer Literaturinstitut hätte studieren können. Sie fragt, wie es denn gewesen wäre und ich sage natürlich, dass es toll war und signiere schnell ihr Buch, damit die Leute hinter ihr in der Schlange nicht zu lange warten müssen. „Ich habe viel gelernt“, sage ich, aber eigentlich müsste ich auch sagen, dass das nicht alles was mit Literatur zu tun hatte, ich müsste sagen, dass Hildesheim mich zur Feministin gemacht hat und damit meine ich nicht, dass ich dort mit Gender-Studies in Berührung kam oder mit feministischen Theorien, stattdessen schlage ich den Roman zu und schiebe ihn zurück über den Tisch.
In der Tat, ein grauenhaftes Schicksal, welches sie erlitten hat: Die Männer haben sie in ihre Runde integriert, ihr anscheinend keine Probleme gemacht, aber anscheinend waren andere Frauen nicht daran interessiert und haben sich andere Kreise gesucht. Diese anderen Kreise behandelt sie nicht, hat anscheinend auch keine Kenntnisse von ihnen, sie wägt nichts ab, sie überlegt nicht, ob diese anderen Kreise vielleicht auch Vorteile geboten haben oder das „Abhängen“ mit den Dozentin so wichtig war. Sie sieht schlicht einen unglaublichen Sexismus darin, dass Männer Bier trinken.
Klingt als habe sie wirklich etwas gelernt.