Chart shows Bachelor degrees by gender (2014-15). #Health is female #Engineering male dominated. https://t.co/XAWVYG27SL pic.twitter.com/XYnEcNOe1X
— Simon Kuestenmacher (@simongerman600) August 23, 2017
Tag: 27. August 2017
Schwache Männer für (zu) starke Frauen? Beziehungen im Zeitalter der Emanzipation (Gastartikel)
Kürzlich saß ich einmal mehr mit meinen Freundinnen in trauter Runde zusammen. Wir redeten über dieses und jenes – und irgendwann ging es natürlich um die großen Themen. Beziehungen, um genau zu sein. Und wie sie sich verändert hatten. „Männer sagen mir oft, dass sie Angst vor mir haben“, beklagte sich eine Freundin, die bis heute nach ihrem Prinzen sucht.. „Sie trauen sich häufig gar nicht erst, mich anzusprechen. Oder die Beziehung scheitert über kurz oder lang“. „Wie gut ich Dich verstehen kann!“, fiel eine andere ein. „Mein letzter Freund warf mir vor, dass ich die Hosen anhätte. Und dass er damit einfach nicht klar komme.“
Das Gespräch ließ mich nicht los. Beschäftigte mich noch eine ganze Weile. Und ich dachte über alles nach – über die moderne Frau, den modernen Mann. Unsere Rollen in der derzeitigen Gesellschaft. Ist der Feminismus etwa schuld daran, dass unsere Beziehungen immer kürzer werden? Dass es früher oder später unweigerlich zur Trennung kommt? Doch erst einmal „Hallo“. Mein Name ist Veronika Zintl! Und ich arbeite als Autorin für das Ex zurück Team (hier zu finden)! Wo eben auch genau diese Themen behandelt werden.
Studiert habe ich Politikwissenschaften. Und Themen wie diese beschäftigen mich schon seit längerem! Eigentlich schon immer!
Wer ist eigentlich die „Frau von heute“?
An dieser Stelle eine kleine Vorbemerkung: Ich würde mich nicht als militante und offensive Feministin betrachten. (und auch die Verwendung des Binnen-I ist mir jetzt nicht sonderlich wichtig.)
Ja, ich bin für gleiche Bezahlung, gleiche Rechte, … für Männer und Frauen. Welcher Mensch mit gesundem Verstand wäre das nicht?!? Doch finde ich es falsch, alles auf die Biologie und die (angeblichen) Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu schieben.
Damit macht man sich die Sache zu einfach, denke ich.
Ja also zum Feminismus – im Prinzip. Aber bitte mit Augenmaß! Zumal sich jede( r) erst einmal an der eigenen Nase packen sollte, bevor er (zu) generell wird. Meine Meinung zumindest.
Doch kommen wir nun zur Frage: Wer ist sie eigentlich, die „moderne Frau“? An dieser Stelle muss schon mal eingeschränkt werden: Wir sprechen hier mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von einer Dame, die in einer westlichen Industrienation lebt, die sich eine gewisse (materielle) Unabhängigkeit aufgebaut hat. Die intelligent ist (hoffentlich). Und über eine gewisse Weitsicht verfügt. Was viele, viele (den Großteil?) der Frauen dieser Welt also schon einmal ausschließt. Dennoch wird die „Frau von heute“ als quasi übermächtig, als überall präsent angesehen. Vielleicht, weil sie sich oftmals lauter Gehör verschafft als ihre vielen, vielen schweigenden Geschlechtsgenossinnen? Das würde erklären, warum vor allem Stimmen wie Alice Schwarzer (ja, immer noch), Judith Butler, Femen und Co. (von Männern?) als Maßstab gesehen werden.
DIE Frau von heute gibt es jedoch nicht. Ebenso wenig, wie es DEN Mann von heute gibt.
Vielmehr ist jeder Einzelne ein Individuum, mit eigener Prägung, eigenen Bedürfnissen,
seiner ganz persönlichen Entwicklungsgeschichte. Deshalb sollte man auch in Beziehungssicht stets auf den Einzelfall schauen. Bevor man dem Feminismus die Schuld an der (erneuten) Trennung gibt.
Welche Rollen übernehmen wir heute in Beziehungen?
Aber: Wir sind eben doch geprägt durch die Gesellschaftsstrukturen, in denen wir aufwachsen. Diese bestimmen auch, wie „weiblich“ oder „männlich“ wir uns geben. Wie
sich unsere Rollen in der Beziehung gestalten.
Hinzu kommen andere Faktoren: wie etwa das Bild, das uns unsere Eltern vorgelebt haben. Mama blieb brav zu Hause, während Papa sich nur spät abends und am Wochenende blicken ließ? Nicht mit uns, wir machen das anders! Und wir haben solch eine Angst davor, in diese Rollenfalle zu tappen, dass wir uns gar nicht wirklich auf die Beziehung einlassen können. (Diesen Mechanismus habe ich bei mir selbst entdeckt.)
Oder wir meinen, uns nach einem bestimmten Bild richten zu müssen: Eine Freundin von mir wollte unbedingt eine „Traumbeziehung“ führen, eine Beziehung, in der der Himmel voller Geigen hängt. Deshalb verleugnete sie sich selbst. Stellte die Wünsche ihres Partners über die eigenen. (Obwohl sie in beruflicher Hinsicht sehr erfolgreich war.) Und was tat er? Er verließ sie – weil ihm die Beziehung zu langweilig wurde.
Und da ist meine Schwester, die nicht in eine andere Stadt ging, um zu studieren. Weil sie ein Jahr zuvor ihren Freund kennengelernt hatte. Der bereits studierte, in seiner Heimatstadt (was anderes wäre ihm auch niemals in den Sinn gekommen.). Sie blieb – seinetwegen. Und auch später, als das Studium beendet war und es an die Jobsuche ging, blieb sie bei ihm. Er wollte nicht weg – sie also ebenfalls nicht. Das machte das Finden einer Arbeitsstelle für sie nicht unbedingt einfacher (für ihn kein Problem als Maschinenbauer in einer wirtschaftlich prosperierenden Großstadt). Sie „löste“ das Problem schließlich, indem sie schwanger wurde. Ohne jemals wirklich gearbeitet zu haben.
Frauen machen eine Beziehung eher zum Mittelpunkt ihres Lebens
Das sind meine bisherigen Erfahrungen in dieser Hinsicht. Sie lassen sich intensiver auf den Partner, auf die Beziehung ein. Sie investieren mehr – nicht nur, was den Abwasch und das Putzen betrifft. Sie denken intensiver und länger darüber nach, wie sie die persönlichen Bedürfnisse und Wünsche des Anderen erfüllen können.
Sie neigen eher dazu, ihr Leben zugunsten der Beziehung aufzugeben. Auch hier möchte ich ein Beispiel anführen, stellvertretend unter vielen: Meine beste Freundin lernte nach langen Jahren des Single Daseins ihren (damaligen) Traumpartner kennen. Sie war so verliebt in ihn, dass sie sich immer weniger bei ihren Freundinnen blicken ließ. Sie ging nicht mehr zum Handball, hörte mit dem Singen im Chor auf – es hätte weniger Zeit mit IHM bedeutet.
Stattdessen war sie bei ihm. Ging mit ihm zum Segeln (obwohl sie das nicht mal mal besonders mochte). Unternahm etwas mit ihm und seinen Freunden (mit den meisten wurde sie nicht so recht warm). Weil es ihr in diesem Moment das wert war. Und weil sie dachte, es gehöre eben zu einer funktionierenden Beziehung mit dazu. Wie wenig er zurücksteckte, wie wenig er von seinem bisherigen Leben aufgab, das sah sie nicht.
Bis die Sache auseinander ging. Und sie vor dem vermeintlichen Nichts stand. Zurück in ihr altes Leben konnte sie nicht mehr so einfach: Denn alle waren weg. Alle, bis auf eine: ich.
Gut, das war jetzt ein Beispiel von Milliarden. Ich könnte noch viele weitere anführen. Von meiner Cousine, die bis heute, vier Jahre nach Beginn der Beziehung, darauf wartet, dass ER sich zu ihr wirklich bekennt. Mit ihr zusammen zieht. Stattdessen spricht er davon, ins Ausland zu gehen – ohne sie.
Oder die Bekannte, die studiert hat. Einen guten Abschluss vorweisen kann. Während des Studiums ihren jetzigen Mann kennenlernte. Nach der Heirat zwei Kinder bekam, um die sie sich hauptsächlich kümmert. Er fährt hingegen weiter mit seinen Kumpels in den Urlaub – alte Tradition und so.
Eine weitere Bekannte, die seit drei Jahren eine Affäre mit ihrem Chef hat. Darauf wartet, dass er sich endlich darüber klar wird, was er will. Sich entscheidet. Stattdessen lässt sie sich weiter vertrösten. Wider besseren Wissens. (Warum auch sollte er sich entscheiden? Schließlich hat er ja alles…)
wie feministisch sind die „Frauen von heute“? (m)ein vorläufiges Fazit
Was lässt sich also zu diesem Thema sagen? Der Feminismus ist mit Sicherheit NICHT schuld daran, dass die Beziehungen eine immer kürzere Halbwertszeit haben. Da spielen einfach zu viele andere Faktoren eine Rolle:
- die Angst, dass da draußen noch jemand Besseres sein könnte
- eine generelle Scheu, sich gefühlsmäßig auf jemanden einzulassen
- individuelle Prägungen und Verhaltensweisen
- Verletzungen aus bisherigen Beziehungen, die ein bestimmtes Verhalten
hervorrufen - externe Faktoren (wie etwa finanzielle Schwierigkeiten, Umfeld ist gegen die Beziehung, kulturelle Unterschiede, Unterschiede in Bildung und Gesellschaftsschicht,…)
- etc.
Ja, wir jungen, gebildeten, meist weißen Frauen von heute sind Feministinnen – im Grunde genommen. In dem Sinne, dass wir für gleiche Bezahlung, Rechte und Co sind. Doch wenn es ans Eingemachte geht, sieht die Sache oftmals ganz anders aus. Und so rutschen wir sehr häufig in die „Frauenfalle“. In die schon unsere Mütter und Großmütter tappten. Wir richten uns stärker nach den Launen und (vermeintlichen) Wünschen des Partners, als dieser es tut. Wir neigen dazu, uns mehr aufzugeben, unsere eigenen Interessen und Bedürfnisse zugunsten der Beziehung hintenan zu stellen. Weil wir einfach nur glücklich sein wollen – mit jemandem an unserer Seite.
… ein Ausblick – für erfüllte(re) Beziehungen Sind wir wirklich so unemanzipiert? Nicht unbedingt. Nicht, wenn wir uns dessen bewusst werden. (und natürlich ist nicht jede gleich stark davon betroffen.) Nicht, wenn wir uns klar machen: Eine Beziehung sollte auf Augenhöhe geführt werden. Sie besteht aus zwei gleichwertigen Menschen. Die sich lieben, weil sie sich gegenseitig etwas geben. Und nicht deshalb zusammen bleiben, weil sie Angst vor dem Alleinsein haben. Weil sie das Gefühl haben, den Anderen zu brauchen, ohne diesen nichts zu sein. Wenn wir uns dies immer mal wieder vor Augen führen, wäre schon so viel gewonnen. Wir können unser bisheriges Verhalten überdenken. Es besser verstehen. Über Lösungen nachdenken – am besten gemeinsam mit dem Partner. Und wir können vieles für zukünftige Beziehungen lernen. Die dann umso erfüllter werden. Und die nicht deshalb auseinander brechen, weil der Feminismus in die Quere kam. Denn dies ist meist ein vorgeschobener Grund.
Der die wahren Ursachen überdeckt.