Spielverhalten in der Jugend und sexuelle Orientierung

Eine interessante Langzeitstudie beobachtete Spielverhalten und verglich sie dann später mit der sexuellen Orientierung als Erwachsener:

Abstract
Lesbian and gay individuals have been reported to show more interest in other-sex, and/or less interest in same-sex, toys, playmates, and activities in childhood than heterosexual counterparts.

Yet, most of the relevant evidence comes from retrospective studies or from prospective studies of clinically-referred, extremely gender nonconforming children. In addition, findings are mixed regarding the relationship between childhood gender-typed behavior and the later sexual orientation spectrum from exclusively heterosexual to exclusively lesbian/gay.

The current study drew a sample (2,428 girls and 2,169 boys) from a population-based longitudinal study, and found that the levels of gender-typed behavior at ages 3.50 and 4.75 years, although less so at age 2.50 years, significantly and consistently predicted adolescents’ sexual orientation at age 15 years, both when sexual orientation was conceptualized as two groups or as a spectrum. In addition, within-individual change in gender-typed behavior during the preschool years significantly related to adolescent sexual orientation, especially in boys. These results suggest that the factors contributing to the link between childhood gender-typed behavior and sexual orientation emerge during early development. Some of those factors are likely to be nonsocial, because nonheterosexual individuals appear to diverge from gender norms regardless of social encouragement to conform to gender roles.

Quelle: Childhood Gender-Typed Behavior and Adolescent Sexual Orientation: A Longitudinal Population-Based Study

Ein Junge, der eher mädchentypisches Spielzeug mag, ist also mit einer höheren Wahrscheinlichkeit schwul.

Die Frage ist nun, in welcher Richtung die Kausalität verläuft:

  • macht spielen mit Mädchenspielzeug schwul?
  • spielen Schwule eher mit Mädchenspielzeug, weil sie „weiblicher“ sind

Letzterer Theorie würde gut zu den „Hormontheorien“ passen. Danach entsteht Homosexualität, weil bestimmte Hormone nicht zur richtigen Zeit vor der Geburt, in der die für die sexuelle Orientierung zuständigen Gehirnbereiche angelegt werden, einen bestimmten Hormonstand haben. Die Hormone, insbesondere pränatales Testosteron, regelt, ob man Männer oder Frauen attraktiv findet: Ist zu dieser Zeit ein hinreichend hoher Stand an Testosteron vorhanden (und spielen andere, vielleicht epigenetische Faktoren mit), dann wird der Junge heterosexuell, wenn nicht, dann besteht eine Chance, dass er homosexuell wird. Die gleichen Hormone beinflussen auch die Vorliebe für bestimmte Spielzeuge. Dabei wird davon ausgegangen, dass Spielen eine Vorbereitung auf das Erwachsenenleben sind, so dass es auch sinnvoll ist, dass Personen, die ganz andere Aufgaben im Erwachsenenleben erfüllen werden, sich auch eher für andere Bereiche interessieren, mit denen sie dies spielerisch erlernen können.

Die erste Theorie hingegen würde wohl eher stark konservativen Kräften in die Hände spielen, würde aber immerhin zu einem Blank Slate und Rollentheorien passen: Weil er später lernt, dass es Frauenspielzeug ist, würde er sich eher als Frau verhalten und deswegen auch eher auf Männer stehen. Wäre für mich eher ein sehr gewagter Schluss, der auch nicht dazu passt, dass auch andere Kinder, bei denen man die Hormone gemessen hat, etwa CAH-Mädchen ein von der Geschlechterrolle abweichendes Verhalten zeigen und lieber mit dem anderen Geschlecht und dessen Spielzeug spielen.

Hier die Werte:

sexuelle Orientierung und Spielverhalten Mädchen

sexuelle Orientierung und Spielverhalten Mädchen

sexuelle Orientierung und Spielverhalten jungen

sexuelle Orientierung und Spielverhalten jungen

In Beiden sieht man, dass die Unterschiede immer größer werden. Mit etwas unter 5 Jahren erreichen die 100% heterosexuellen Mädchen einen Wert bei „männliches Spielverhalten“ von 34,79 und die 100% lesbischen Mädchen einen Wert von 53,97

Bei den Jungs ist es für „männlicheres Spielverhalten “ bei den älteren Kindern bei den Heteros 63,79 und bei den Homosexuellen 54,83.

Es ist auch interessant, dass sich die Unterschiede im Spielverhalten bei den Jungs durchgehend mit dem „Grad“ der späteren sexuellen Orientierung hin zum gleichen Geschlecht vergrößern.

Bei den Mädchen ist dies weniger eindeutig, der große Sprung kommt erst bei denen, die 100% lesbisch sind. Das übrige Feld liegt teilweise recht dicht beieinander.

Das könnte damit zusammenhängen, dass die notwendige „Schwelle“ in den Hormonen bei Frauen höher liegt.

Die Studie passt aus meiner Sicht sehr gut zu den biologischen Erklärungen und es scheint mir schwer zu sein, sie in ein soziales Modell zu bringen. Wer dazu eine Idee hat, der kann es gerne in den Kommentaren darstellen.

In der oben verlinkten Tabelle ist auch noch am Ende eine Auswertung der Daten zu einzelnen Aktivitäten vorhanden: Mit dem gleichen Geschlecht Händchen halten zeigt geringere Unterschiede im Spielverhalten als tatsächlicher Sex, gerade bei Männern.