Um so später der Abend, um so schöner der Selbermach Mittwoch!
Tag: 22. Februar 2017
Was sich durch Kinder bei einer Feministin verändert und feministische Erziehung von Jungen
In einem Interview mit Melanie Trommer fand ich zwei Passagen interessant:
Zum einen die Antwort auf die Frage, was sich durch ihre Kinder verändert hat:
Bezogen auf meine feministische Einstellung hat sich aber auch einiges verändert. Gehörte ich vorher eher in die Kategorien „Gleichheits- oder Karrierefeministin“, also eine, für die das feministische Ziel ist, den Männern gleichgestellt zu sein und Erfolg im Job zu haben. Inzwischen denke ich viel mehr auf anderen Fragen rum: Wie soll Sorgearbeit generell in einer Gesellschaft aufgeteilt sein und welchen Wert messen wir dem zu? Warum wird Erfolg so sehr an beruflichem Aufstieg gemessen und nicht zum Beispiel daran, ob man das tut, was man liebt? Ich bin immer noch Feministin, ganz besonders seit ich Kinder habe. Aber ein paar Annahmen haben sich eben geändert: Statt als Ziel zwei vollzeitarbeitende Elternteile zu setzen eher die Frage, wie wenig Lohnarbeit (für Beide!) reicht aus um gut zu leben, die eigenen Kräfte für Lohn- und Sorgearbeit zu bündeln und gerecht untereinander aufzuteilen. Darüber hinaus auch, wie man Alleinerzieherinnen unterstützen kann und wie man Familie auch gesetzlich unabhängig von biologischer Verwandtschaft denken kann.
Finde ich geradezu klischeehaft. Mit den Kindern wird sie plötzlich zur Mutter und will das auch sein. Die frühere Einstellung, die wahrscheinlich auch umfasste, dass eine Frau schnell wieder in den Beruf einsteigt und Karriere macht weicht nun einem „meine Arbeit als Mutter sollte anerkannt werden“.
Wenn man einer „Karriere-Feministin“ sagen würde „warte mal, bis du Kinder hast, dann verschieben sich die Prioritäten“ dann wäre man ein sexistisches Schwein. Aber es ist wahrscheinlich gar nicht so selten der Fall. Und das ist vielleicht auch etwas, was viele Feministinnen ohne Kinder im jungen Alter schlicht nicht nachvollziehen wollen: Der Perspektivewechsel nach dem Kinderkriegen, der viele Frauen eben genau von der Karriere abhält.
Und dann über die Erziehung ihrer zwei Jungs:
MT: Das Wichtigste: Statt davon auszugehen, dass sie bestimmte Sachen mögen oder nicht mögen beobachte sie und versuche sie individuell zu betrachten. Also statt anzunehmen, weil sie Jungs sind spielen sie lieber mit Autos als mit Puppen biete ich ihnen beides an. Oder greife auf, was sie an Bedürfnissen zeigen. Der Große hat zum Beispiel in der Zeit, in der er Laufen lernte, auf den Spielplätzen den anderen Kindern immer die Puppen-Buggies „geklaut“, sich dran festgehalten und ist dann losmarschiert. Ich wollte dann, dass er zum Geburtstag auch einen bekommt. Tja und da fing das Problem an: Keiner aus meiner Verwandtschaft bzw. Freundeskreis wollte ihm sowas schenken. Und damit fangen die Probleme auch schon an…(siehe nächste Frage).
Das ziehe ich mal thematisch passend vor:
SW: Es ist sehr schwer, bei Spielzeug nicht in die Gender-Falle zu tappen. Wie umgehst du das Problem?
MT: Ich weiß nicht – wir haben hier viele Autos, Eisenbahnen, Baukästen…ich vermute, wir sind irgendwann voll in die Falle getappt. Der Große hat seit etwa anderthalb Jahren aber auch sehr konkrete Vorstellungen von Jungs- und Mädchenspielzeug. Im Kindergarten und durch den Kontakt mit anderen Kindern hat sich unser Einfluss da leider sehr relativiert. Aber goldenen Glitzernagellack will das Kind immer noch J.
Auch mal wieder eine genderneutrale Erziehung, die gescheitert ist. Die anderen Jungs sind schuld. Interessanterweise schaffen es CAH-Mädchen, sich diesem Einfluss zu entziehen. Sie sind zwar äußerlich Mädchen, spielen aber lieber mit den Jungs und mit deren Spielzeug. Bei ihren Jungs wird es aber nicht daran gelegen haben, dass sie das Spielzeug der Jungs einfach interessanter fanden, sondern es war nur der Einfluss der Gesellschaft und der Geschlechternormen.
Und zweitens versuche ich grade meine Jungs für das Thema Konsens und Einvernehmlichkeit zu sensibilisieren. Dass sie nie zu Jungs werden, die Mädchen bedrängen Dinge zu tun, die diese nicht wollen.
Konkret heißt hier nein zum Beispiel immer nein, besonders wenn es um ihre Körper geht. Sie selber sollen erfahren, dass ein Nein akzeptiert wird. Wenn ich sie zum Beispiel kitzel und es ihnen zu viel wird, hör ich direkt auf und mach nicht weiter, weil´s ja „nur Spaß ist“. Wenn Tante Klothilde oder Oma Trude einen Kuss von ihnen wollen aber meine Jungs sie eben nicht küssen wollen, dann wende ich mich an beide und sage, dass sie das nicht tun müssen. Da werde ich dann gegebenenfalls auch ungehalten. Ich hoffe, wenn sie erfahren, dass sie selber über ihre Körper entscheiden dürfen, dass sie auch bei anderen nie in die Versuchung geraten, Grenzen zu überschreiten.
Das ist ja auch grundsätzlich vollkommen okay. Aber dennoch traurig, dass eine Feministin wohl nicht darum herumkommt, dass sie ihre Jungs als potentielle Vergewaltiger sieht. Sie hofft, dass ihre Jungs nie in die Versuchung kommen. Man darf gespannt sein, wie sie auf pubertierende Jungs reagieren wird und wie diese dann zu ihrer Mutter stehen.
SW: Glaubst du, dass feministische Erziehung von Jungs anders funktioniert als von Mädchen?
MT: Eigentlich nicht. Eigentlich stehen die individuellen Bedürfnisse des Kindes im Fokus. Ist ein Kind sehr bewegungsfreudig, dann sollte ich das fördern. Und bevor ich den Jungen beim Fußball und das Mädchen beim Ballett anmelde vielleicht mal nachfragen und ein paar Stunden ausprobieren lassen, was ihnen denn so gefällt.
Die einzige Ausnahme ist für mich eben das Thema Rücksicht und Konsens. Das liegt mir einfach am Herzen, dass meine Söhne nicht zu grenzüberschreitenden Arschlöchern werden, sondern zu Menschen die Respekt vor den Grenzen anderer haben.
Was für eine fürchterliche Sicht auf Männer da wieder deutlich wird.