Ein Beitrag in der Süddeutschen behandelt Mütter, die Väter wenig Raum geben:
Am Anfang dachte Jonathan Heilmann*, es sei nur eine Phase, dass seine Freundin ihm das gemeinsame Baby so gut wie nie anvertraute. Sie sei eben so glücklich, mit 41 doch noch ein Kind bekommen zu haben, dass sie es keine Sekunde aus den Augen lasse. „Löwenmutter“ nannte der Hamburger seine Freundin damals zärtlich. Er war auch ein wenig stolz, sie waren nun eine richtige Familie, noch dazu eine moderne, die sich Betreuungszeiten und -aufgaben teilen würde. So hatten sie das jedenfalls vorher besprochen.
Nach vier Monaten war Jonathan Heilmann verwirrt. „Ich fühlte mich komplett überflüssig“, erzählt er, „und ich erkannte meine Freundin kaum wieder.“ Aus der attraktiven, unbekümmerten Schauspielerin, die für ihren Beruf brannte, war, so empfand es ihr Partner, eine „150-Prozent-Mami“ geworden, die sich nur noch für Stillmahlzeiten, Verdauungsprobleme und Einschlafrituale zu interessieren schien.
Nach einem Jahr gab es Jonathan Heilmann dann auf, ein gleichberechtigter Vater sein zu wollen: „Ich erinnere mich an eine Szene auf einer Gartenparty, da riss meine Freundin mir das Kind förmlich aus den Armen“, sagt er. „Nicht einmal wickeln durfte ich es mehr. Wenn ich sie darauf ansprach, blockte sie ab. Ich hatte das Gefühl, nur noch zu stören.“
Das ist auch etwas, was gerne zu kurz kommt: Mütter, die die Rolle an sich reizen und den Vater nichts mehr machen lassen:
Jeder, der selbst Kinder oder zumindest öfter Kontakt mit Müttern hat, kennt solche Fälle. Die Freundin, die „so gerne“ endlich mal wieder einen Abend für sich hätte, aber angeblich schafft es der Papa nicht alleine, den Nachwuchs ins Bett zu bringen. Oder der Spielplatz-Bekannte, der geduldig die viertelstündlichen Kontrollanrufe seiner Frau entgegennimmt, während die Tochter vor seiner Nase friedlich Sandkuchen backt. Der Mutter-Satz, der jedes väterliche Engagement im Keim erstickt: „Lass, ich mach das schon“.
Auch hier kann es natürlich ein Sache sein, die beide Seiten erfordert: Eine Mutter, die zuviel will und ein Mann, der es zulässt, nicht weil er mit dem Kind nicht zu tun haben will, sondern weil er sich gegen die Mutter nicht durchsetzen kann und ihr nicht frühzeitig Grenzen setzt. Das kann aber natürlich auch dadurch erschwert sein, dass gerade ein Vater, der nur ein Umgangsrecht hat, das Leben durch die Mutter sehr schwer gemacht werden kann.
Zu den Gründen:
Die Wissenschaft erforscht das Phänomen des mütterlichen Kontrollbedürfnisses seit beinahe zwanzig Jahren und hat dafür den Begriff des „maternal gatekeeping“ geprägt. So belegte eine amerikanische Untersuchung aus dem Jahr 1999, dass 20 bis 25 Prozent aller verheirateten Mütter in die Gatekeeping-Kategorie fallen. Eine Langzeitstudie des deutschen Familien- und Sozialforschers Wassilios Fthenakis kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Etwa jede fünfte Frau blockiert das väterliche Engagement im Familienleben.
Die gängige These, warum sie das machen, lautet: Gatekeeper-Mütter sehen im Vater keinen gleichberechtigten und kompetenten Elternteil. Sie verteidigen ihre Herrschaftsdomäne mit allen Mitteln, auch, weil sie daraus einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Selbstbewusstseins ziehen. Schließlich haben in den meisten Fällen ja sie und nicht die Väter beruflich zurückgesteckt, da wollen sie wenigstens zu Hause Chefinnen sein.
Ein sehr interessantes Zitat, auf das ich denke ich noch einige Male verweisen werde: Es ist etwas, was im Feminismus sträflich ausgeblendet wird: Macht in der Familie und der aktive Kampf von Frauen bei deren Erringung und Bewahrung. Es ist natürlich auch innerhalb der feministischen intersektionalen Theorie kaum möglich, dass die Frauen hier (strukturell bedingte) Machtpositonen haben, aus denen sie heraus handeln.
Auch interessanter Erklärungsversuch:
Beim „maternal gatekeeping“ geht es aber gar nicht um die Kinder, sondern um die Beziehung der Mutter zu ihrem Partner. „Wir haben es hier mit einer Bindungsstörung zu tun“, sagt die Münchner Paar- und Familientherapeutin Gabriele Leipold. Gatekeeperinnen seien – meist aufgrund eigener frühkindlicher Erfahrungen – unfähig, sich auf eine Beziehung mit mehr als einer Person einzulassen. Wenn in so eine Zweierbeziehung ein Kind geboren wird, kommt eine Gatekeeper-Mutter damit nicht zurecht und versucht, eine der Personen aus der neuen Dreierkonstellation hinauszudrängen – in den allermeisten Fällen den Vater. Gabriele Leipold: „Die betroffenen Frauen versuchen verzweifelt, für das Kind der wichtigste Mensch zu sein und darin den Vater, den sie als Bedrohung empfinden, zu übertreffen.“ Dabei setzten sie derart hohe Betreuungsstandards, dass der Vater, wenn er doch mal übernehmen darf, zwangsläufig scheitert.
Das Zustandekommen dieser Störung erklärt die Therapeutin tiefenpsychologisch: Nach der an sich gesunden Mutter-Kind-Symbiose finde gegen Ende des ersten Lebensjahres die sogenannte „frühe Triangulierung“ statt. „Das Kind nimmt wahr, dass da noch eine zweite Person ist, nämlich der Vater, der mit der Mutter eine innige Beziehung führt, die das Kind partiell ausschließt.“ Diese Erfahrung sei unter anderem deshalb wichtig, damit das Kind keine narzisstischen Größenfantasien entwickelt und sich als Mittelpunkt des Universums begreift: „Hat die Mutter das in ihrer frühen Kindheit selbst nicht erlebt, kann sie es später auch nicht leben.“
Ich bin immer etwas skeptisch, was diese „es liegt an der Beziehung zur Mutter und frühkindlichen Traumata“ Erklärungen angeht. Sie scheinen mir als „Just-So“ Geschichten, wenn jemand Belege dafür kennt, dann wäre ich interessiert. Der Prozess kann denke ich auch schlicht so bestehen und eine Persönlichkeitssache zu sein (weswegen sich sicherlich aufgrund des Umstandes, dass die Mutter eben genetisch stark mit der Tochter verwandt ist auch Gemeinsamkeiten im Verhalten beider finden lassen, die aber nicht kausal sein müssen)
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