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Tag: 16. Dezember 2016
Gender Pay Gap und Lohndiskrimierung bei den öffentlich rechtlichen Sendern, hier das ZDF?
Eine Journalistin verklagt das ZDF, weil sie meint, dass sie wegen ihres Geschlechts weniger verdient:
In ihrer Redaktion gilt Birte Meier als umgängliche Kollegin, die viel arbeitet, Preise einheimst und große Geschichten ranschafft. Erst unlängst wieder, da hat die Journalistin für das ZDF-Magazin Frontal 21 aufgedeckt, wie sich die SPD Gesprächstermine mit hochrangigen SPD-Politikern von Lobbygruppen bezahlen ließ. Die Affäre schlug unter dem Stichwort „Rent a Sozi“ hohe Wellen. Sie sei eine Leistungsträgerin, heißt es aus ihrem beruflichen Umfeld in Berlin, „eine wertvolle Kollegin“.
Deswegen sollte sie auch angemessen verdienen, findet die Journalistin, die seit neun Jahren für das Politmagazin arbeitet. Zumindest so viel wie ihre männlichen Kollegen. Das ist ihrer Ansicht aber nach nicht der Fall. In Gesprächen will die 45-Jährige herausgefunden haben, dass selbst jüngere wesentlich mehr Geld bekommen als sie. Sie versuchte erst, die Sache mit ihren Chefs zu regeln, dann bei einer Beschwerdestelle des Senders. Als sie nicht weiterkam, verklagte sie im April 2015 das ZDF.
Dagegen ist aus meiner Sicht überhaupt nichts zu sagen. Natürlich muss es ihr gutes Recht sein, die Praxis gerichtlich überprüfen zu lassen und sollte sie eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes nachweisen können, dann ist es nur gerecht, dass ihr das ZDF mehr zahlt.
70 000 Euro Entschädigung fordert Birte Meier vom ZDF. Die Summe sei deswegen so hoch, weil die europäischen Richtlinien zur Gleichbehandlung in solchen Fällen eine „abschreckende Wirkung“ verlangen, so ihr Anwalt. Zudem müsse es eine Kompensation geben für den Druck, dem seine Mandantin ausgesetzt gewesen sei.
Das ist natürlich schon eine stattliche Summe. Geht etwas in Richtung eines Bestrafungsschadens. Ich bin kein Arbeitsrechtler, so dass ich nicht sagen kann, ob die Forderung realistisch ist.
Wie erfolgreich die Journalistin mit ihrer Klage sein wird, ist fraglich. Denn am ersten Verhandlungstag in Berlin wurde vor allem klar: Es ist eine Sache, weniger Geld zu verdienen. Und eine vollkommen andere, nachzuweisen, dass dahinter eine systematische Ungleichbehandlung steckt.
Das muss aus meiner Sicht auch so sein. Denn einfach darauf abzustellen, dass Frauen dort weniger verdienen wäre eine vollkommen unzureichende Analyse. Es muss genau geklärt werden, warum andere Mitarbeiter mehr verdienen, was auch eine Frage der Verhandlung sein kann.
Gelungen ist dies etwa in einer Tochterfirma des Schuhherstellers Birkenstock. Dort bekamen Arbeiterinnen über Jahre gut einen Euro weniger Stundenlohn als ihre männlichen Kollegen, worüber sogar ganz offen bei einer Betriebsversammlung geredet wurde. Eine Mitarbeiterin klagte auf Entschädigung und bekam 2015 in zwei Instanzen recht.
Darüber zu reden ist natürlich wirklich dumm und gehört dann auch, wenn tatsächlich das Geschlecht ein Kriterium für einen geringeren Lohn war, ohne das auf den jeweiligen Mitarbeiter geschaut wurde, entsprechend gestraft. Allerdings hatte es sich wohl um Altlasten aus der Vergangenheit des Unternehmes gehandelt, als die männlichen Mitarbeiter auch noch die körperlich anspruchsvolleren Aufgaben erfüllt haben.
Ein Sprecher des ZDF sagt der Süddeutschen Zeitung, das Geschlecht sei im Sender „kein Differenzierungskriterium“. Feste und freie Mitarbeiter würden nach Tarifverträgen bezahlt, die der Sender mit den Gewerkschaften vereinbart habe. Gemessen würden „die ausgeübte Tätigkeit und die spezifische Berufserfahrung“.
Wenn die Bezahlung aufgrund von Tarifverträgen erfolgt, dann wird es in der Tat schwierig. Dann bliebe ja eigentlich nur noch, dass sie nicht auf einen höheren Posten befördert worden ist.
Zum konkreten Fall will man aus Datenschutzgründen nichts sagen. Vor Gericht beantragte der Sender jedoch, die Klage von Birte Meier abzuweisen. Begründung: Die besser verdienenden männlichen Kollegen der Reporterin würden mehr Berufserfahrung oder eine längere Betriebszugehörigkeit mitbringen.
Das ist gleichzeitig wieder das schlechte an einem Tarifvertrag: Er lässt kaum Raum für eine leistungsgemäße Entlohnung, weil man dann eben keine Sonderzahlungen für besonders engagierte Mitarbeiter leisten kann oder diese anderweitig besser stellen kann.
Der Anwalt der ZDF-Journalistin ist Hans-Georg Kluge, früher Richter am Oberverwaltungsgericht Brandenburg und später Kommunalpolitiker der CDU. Bereits 2008 hat er eine Frau aus der Medienbranche in einem Aufsehen erregenden Fall vertreten. Eine damals 47 Jahre alte Abteilungsleiterin der Gema, der Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte. Sie fühlte sich schlechter bezahlt und bei einer Beförderung übergangen, weil sie eine Frau ist. Vor Gericht sagte sie, dass zwei Drittel der Gema-Beschäftigten Frauen seien, sich in 27 Führungspositionen aber keine einzige finde, weswegen schon die mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Ungleichbehandlung spreche.
Sie bekam recht, allerdings wurde das Verfahren 2014 vom Bundesverfassungsgericht eingestellt. Wäre eine Entscheidung getroffen worden, hätte man es jetzt einfacher, sagt Kluge. So müssten immer noch einzelne Frauen den Mut haben, vor Gericht zu ziehen und damit ihre Karriere aufs Spiel zu setzen. Kluge sieht auch das ZDF in der Pflicht. Als öffentlich-rechtliche Anstalt habe es sich dazu verpflichtet, Benachteiligungen von Frauen durch „besondere Maßnahmen“ zu beseitigen.
Tatsächlich hatte bereits das Bundesarbeitsgericht 2010 in dem Fall gesagt, dass die Statistik nicht ausreichen würde, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe ich nicht gefunden (was nichts heißen muss). Aber natürlich sagt die Anzahl der Beschäftigen nichts darüber aus, wer in die Führungspositionen kommt, dahin können die meisten Beschäftigen eh nie aufsteigen. Die Mathematik sagt da wenig aus, gerade wenn es ein Job mit vielen Überstunden etc wäre.
Und Birte Meier? Sie will sich nicht öffentlich äußern. Ihr Anwalt sagt, sie liebe ihren Job und setze alles daran, weiterhin gute Arbeit fürs ZDF zu machen. Aus Redaktionskreisen heißt es, „die absolut überwiegende Mehrheit“ sei für sie. Es gehe inzwischen eine Unterschriftenliste im Sender herum, die der Kollegin den Rücken stärken soll. Ein Großteil der Unterzeichnenden sind Männer.
Da sieht man es mal wieder: Das Patriarchat lässt die Frauen einfach nicht nach oben kommen. Es unterzeichnet nur Unterschriftenlisten für sie, obwohl die Kriterien und der Tarifvertrag vielleicht gar nicht mehr hergeben.