Selbermach Samstag 215 (03.12.2016)

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade?

Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs? (Schamlose Eigenwerbung ist gerne gesehen!)

Welche Artikel fandet ihr in anderen Blogs besonders lesenswert?

Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Für das Flüchtlingsthema gibt es andere Blogs

Ich erinnere auch noch mal an Alles Evolution auf Twitter und auf Facebook.

Die Oppression Olympics im intersektionalen Feminismus

Aus einem Blog über den intersektionalen Feminismus bzw einem innerfeministischen Meinungsstreit:

In netzfeministischen Kreisen bin ich nicht gesellschaftsfähig. Ich eigne mich nicht zur SJW. Ich habe es ernsthaft versucht, aber es ging mir dabei wie mit dem Rauchen: ich krieg’s einfach nicht hin. Bei der Mädchenmannschaft hat man mich deshalb mit Fug und Recht aus dem Kommentariat weggebissen.

Das Kommentariat auf Rebellmarkt und auch eine Diskussion von zwei Netzfeministinnen* über die Hierarchie von Opfern gesellschaftlicher Unterdrückung (die ich zufällig mitbekam) haben mich an unangenehme Zeiten erinnert. Zeiten, in denen ich einmal einer schwarzen, dicken, lesbischen, behinderten** Frau entnervt schrieb: „Wenn Du jetzt auch noch jüdisch wärest, hättest Du die Oppression-Olympics endlich gewonnen.“

Das ist in der Tat eine der unangenehmen Nebenfolgen der intersektionalen Theorien: Die Person mit den  zahlreichsten Mitgliedschaften in diversen Gruppen, die als Unterdrückt anzusehen sind, kann immer anführen, dass ein besonderer bei ihr vorliegender Aspekt noch nicht hinreichend berücksichtigt ist und man ihr daher nicht widersprechen sollte. Intersektionaler Feminismus lädt zur internen Unterdrückungsolympiade ein und dazu alle anderen abzuwerten, weil sie in deren Kategorien entweder Angehörige einer unterdrückten Gruppe oder eben Unterdrücker bzw Privilegierte sind.

Ich bin nicht stolz auf diesen Satz, aber ich stehe dazu, denn manchmal gehört auf einen groben Klotz auch ein grober Keil. Dieser grobe Klotz, eine hochbegabte und -intelligente Person nutzte (nutzt?) ihr Talent und ihre Kenntnisse in erster Linie, um andere Feministinnen niederzumachen. Bitte sehr, das darf sie tun. Selbst eine Reichweite von 2000 regelmäßigen Blogfollowern ist nichts, vergleicht man sie mit der Anzahl der Einwohner_innen dieses Landes. Sie mag der Hecht im Karpfenteich sein, aber der Karpfenteich ist nicht das Meer. Nur fürchte ich, sie weiß das nicht.

Das ist auch eine interessante Beschreibung der eigenen Welt innerhalb der viele SJWs stecken und in der dann eigene Gesetze gelten. Innerhalb derer ziehen ihre Hinweise auf Privilegien, darauf, dass man als Nichtprivilegierter Definitionsmacht etc haben soll. Aber so groß diese Blase auch ist: Sie endet schnell an der realen Welt. In dieser kennt kaum jemand die Privilegientheorien. Dennoch scheinen sie den SJW die Welt zu sein. Aus der gleichen Blase entstand vielleicht auch das Unverständnis für Trumpwähler: Das Leuten Arbeitsplätze evtl sogar ihrer Männer wichtiger sind als abstrakte sexuelle Belästigungen oder die Positionen von Lena Dunham muss dort unverständlich sein.

Die Eindrücke der letzten Zeit lassen mich vermuten, dass intersektioneller Feminismus nicht immer und überall möglich ist. Es gibt Belange, da haben unterschiedliche Gruppen mit Recht unterschiedliche Interessen. Verhandeln, Toleranz, Solidarität und gegenseitige Rücksichtnahme wären Dinge, die ich in solchen Momenten gerne sähe. Statt dessen erinnern mich manche Diskutant_innen an Kleinkinder, die sich brüllend auf den Teppich werfen und mit den Beinen strampeln, weil Mama ihnen den zusätzlichen Lutscher nicht geben will.

Der Vergleich mit Kleinkindern, die heulend und strampelnd mehr fordern kommt bei SJWs sehr häufig. Und er liegt aus meiner Sicht auch nahe. Denn so simple Punkte wie das Einsetzen für eigene Interessen und nicht das orientieren an einer festen Einteilung in Opfer und Unterdrücker erscheint da bereits als Verrat an der Sache.

Ich bin eine Praktikerin. (Deshalb habe ich übrigens seinerzeit auch Angewandte Sprachwissenschaft studiert, und nicht vergleichende***.) Ich sehe Dinge, die nicht gut laufen, ich schaue, ob ich helfen kann, ich packe an oder auch nicht. Der theoretische Überbau  ist wichtig, aber in dem Moment, in dem die Theorie so völlig den Bezug zur Praxis und sogar zur gesellschaftlichen Realität verliert, verflüchtigt sich mein Enthusiasmus.

Das ist für eine Feministin, die in dem Theoriebau fest verankert ist und dort Virtue Signalling betreibt wahrscheinlich unvorstellbar. Die Nachteile eines Verstoßes gegen die Glaubenssätze der Theorie sind für sie als Mitglieder einer ideologischen Sekte eben wichtiger als die Lösung tatsächlicher Probleme

Aufgabe jeder gesellschaftsbezogenen Wissenschaft ist es meiner Meinung nach, ihre Forschungsergebnisse so zugänglich zu machen, dass nicht nur ein paar Professor_innen einen (finanziellen) Nutzen davon haben. Tut sie das nicht, lässt sie die Basis, die sie ja gleichzeitig für ihre Forschung nutzt, am langen Arm verhungern. Andererseits braucht die Basis den wissenschaftlichen Überbau, um daran die eigenen Aktionen zu überprüfen. Das kann aber nicht funktionieren, wenn man vom Elfenbeinturm aus die Graswurzeln mit dem Flammenwerfer bearbeitet, sobald sie sich nicht theoriekonform verhalten.

Auch hier wieder: Forschung und Ideologie vertragen sich eben nicht. Forschung erfordert, dass man Theorien überprüft und zur Not verwirft, Ideologie verlangt, dass man entgegenstehende Fakten einfach ausblendet.