Auf andere Herabblicken zur Selbstwertsteigerung

Der Blog Asemann weißt auf einen interessanten Artikel im Spiegel hin, in dem es darum geht, dass wir es mögen, auf andere herabschauen zu können:

Eine andere Belohnung dagegen ist praktisch für jedermann und auf den ersten Blick völlig kostenlos zu haben. Und damit nähern wir uns der Frage, woher all der Hass kommt, der unsere Gesellschaften im Moment zu zerfressen scheint.

Die Sozialpsychologie kennt eine einfache Methode, mit der sich nahezu jeder Mensch in nahezu jeder Situation gleich ein bisschen besser fühlen kann. Diese Methode heißt, wenig elegant, abwärtsgerichteter sozialer Vergleich.

Es wirkt auf Menschen belohnend, auf andere herabzublicken. Das ist kein schöner Wesenszug, aber in bestimmten, klar umgrenzten Bereichen ein durchaus zielführender: In meine Strohhütte regnet es nicht hinein, in deine schon. Auf meinem Feld wächst mehr Weizen, meine Kühe sind fetter als deine – das waren viele Jahrtausende lang durchaus sinnvolle Kriterien für Erfolg. Und sinnvolle Motivatoren für die Unterlegenen, doch endlich mal das Dach zu flicken oder vielleicht vor der Aussaat doch auch mal das Feld zu pflügen. Der ganze Kapitalismus von heute funktioniert nur, weil abwärtsgerichteter sozialer Vergleich – mein Erfolg, dein Misserfolg – ein so effektiver Motivator ist.

Hassen, um sich besser zu fühlen

Unglücklicherweise brauchen wir aber fürs Abwärtsvergleichen gar keine realen, handfesten Begründungen. Es kann schon reichen, jemand anderen einfach nur um des eigenen Wohlbefindens willen blöd zu finden.

Auf dieser Form des abwärtsgerichteten sozialen Vergleichs – ich erhebe mich über dich, weil du einer aus meiner Sicht niederen Gruppe angehörst – basieren ganze Staatsgebilde und politische Systeme. Der politisch-gesellschaftliche Kulminationspunkt des abwärtsgerichteten sozialen Vergleichs ist der Faschismus: Ganze Völker erklären sich selbst für wertvoller, andere für minderwertig. Solche Ideologien bringen Begriffe wie „Untermensch“ hervor, gewissermaßen der begriffgewordene abwärtsgerichtete soziale Vergleich. Am Ende, so paradox das klingt, hassen Menschen andere Menschen – Juden, Schwarze, „Ausländer“, wen auch immer – um sich selbst besser zu fühlen. Verachtung als Methode der Selbstwertsteigerung.

Diese Methode ist nicht vom persönlichen wirtschaftlichen oder sonstigen Erfolg des Einzelnen abhängig. Es gibt schwerreiche Rassisten, antisemitische Filmstars und frauenfeindliche Spitzensportler. Allerdings, so ehrlich muss man sein, ist es wahrscheinlicher, dass jemand das Auf-andere-Herabblicken zur Steigerung des eigenen Wohlbefindens einsetzt, wenn es ihm nicht so gut geht. Auch ein arbeitsloser, einsamer Mann Ende vierzig hat immer noch die Option, die bösen Muslime zu verachten, wenn er auf der Suche nach einer schnellen Dosis abwärtsgerichteten sozialen Vergleichs ist.

Der Mechanismus ist in der Tat einfach: Wir vergleichen uns insbesondere mit den Menschen um uns herum. Wir sind gerne etwas besser, weil Status aus evolutionären Gründen eine hohe Bedeutung für Menschen hat. Wir gehören gerne zu den besseren, zur Oberschicht. Und dazu kann man eben nur gehören, wenn man auf andere herabblicken kann.

Das Denken führt auch dazu, dass Millionäre unzufrieden sind, wenn sie sehen, dass ihr Nachbar, der auch Millionär ist, die etwas größere Yacht hat, auch wenn sie immer noch beide reicher sind als die meisten anderen Menschen.

In einem lesenwerten Artikel überträgt Asemann das auf den Feminismus und die dortige Einteilung in „die Guten“ (feministische Frauen) und „die Bösen“ (die weißen heterosexuellen Männer):

Allerdings erklärt der Artikel für mich auch sehr gut, warum dritte-Welle-Gender-Feministinnen den „weißen heterosexuellen Mann“ zum Hassobjekt auserkoren haben und keine Gelegenheit auslassen auf ihm herumhacken.

Wenn man jemand ist, der keine wirtschaftlich relevanten Fähigkeiten besitzt, und komplett von öffentlicher Förderung abhängt, die jederzeit gestrichen werden kann, dann ist das Bedürfnis, auf irgendjemand anderen herabzublicken, natürlich groß. Aber alle Minderheiten scheiden als Opfer und Hassobjekt aus, wenn man den links-progressiven, toleranten Habitus bewahren will; sie sind sakrosankt.

Also gibt es für den Gender-Feminismus nur die Misandrie, den Männerhass als Ausweg zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Geltung. Bei der Suche nach jemandem, auf den man „guten Gewissens“ herabblicken und den man verachten kann, bleibt niemand anderes übrig als der weiße, heterosexuelle Mann. Das starke Bedürfnis, jemanden verachten zu können führt zu der absurden Stilisierung des WHM, der natürlich mehr für Frieden, Wohlstand und Frauenrechte getan hat als irgendwer sonst, zum ultimativ bösen, zum jahrtausende-langen Unterdrücker, zur Quelle allen Übels, zum Förderer von Rape-Culture etc. pp..

Dass finde ich einen interessanten Gedanken. Danach würden Feministinnen schlicht ein politisch zulässiges Hassobjekt brauchen, welches sie entsprechen ausbauen müssen, um es auch wirklich legitim hassen zu können. Man muss also den Mann, beziehungsweise den weißen heterosexuellen Mann entsprechend zum Hassobjekt aufbauen: Er unterdrückt, er errichtet ein Patriarchat, er hält die Frauen zurück, er gibt nichts ab. Darauf kann man herabblicken. Daraus kann man stärke ziehen. Und wenn man dann noch alle anderen Minderheiten, auch dann wenn sie männlich sind, ausnehmen kann, dann kann einem auch keiner was vorwerfen. Dann darf man hassen und abwerten. Und sich dabei gutfühlen.