Merkel tritt erneut zur Wahl an

Merkel hat gestern mitgeteilt, dass sie sich erneut zur Wahl als Bundeskanzlerin stellen wird.

Ihr Programm:

Die Christdemokraten berieten am Sonntag über einen Leitantrag für den Parteitag, der auf Merkel zugeschnitten ist. Der Titel lautet: „Orientierung in schwierigen Zeiten – für ein erfolgreiches Deutschland und Europa“. Die CDU will enttäuschte Wähler zurückgewinnen. Nötig seien konkrete Lösungen, „auch wenn ihre erfolgreiche Umsetzung manchmal schwierig ist und Zeit braucht“.

Die CDU-Politik soll stärker auf Familien und Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen ausgerichtet und das gesetzliche Eintrittsalters nach dem Willen der Partei offenbar an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Eine Flüchtlingskrise wie 2015 soll sich nicht wiederholen. Integrationsverweigerer sollen mit Sanktionen bis hin zu Leistungskürzungen und Ausweisung rechnen.

Nachdem man vorher den amerikanischen Wahlkampf gesehen hat, mit erbitterten, stark personalisierten Reden, kehren wir damit in eine vergleichsweise langweilige deutsche Politik zurück, was die großen Parteien angeht.

Das Problem wird dabei sein, dass die Zeiten in der Tat schwierig sind, aber die meisten von Merkel keine Lösung erwarten. Und so klingt auch ihr obiger Ansatz: „Orientierung in schweren Zeiten, mit schwierigen, lange dauernden Lösungen“ – das klingt nicht wirklich nach einem Plan, das macht nicht wirklich Mut, das entfacht keine Begeisterungsstürme – es klingt nach „wir schaffen das“ und Durchhalten. Ich schätze mal aus Merkels Sicht will sie Stabilität verkörpern – sie selbst als „bekannt und bewährt“, und nicht irgendwelche Neuen, bei denen man keine Ahnung hat, wie es wird.

Aus Amerika und Großbritanien schwabt gerade eine andere Welle herüber: Wir wissen wie es geht, man muss nur die Grenzen dich machen und sich auf sich selbst besinnen. Und natürlich: Weg mit dem alten, dem Bewährten, Platz für die neuen, die nicht in alten Strukturen stecken, sondern sich das trauen, was andere nicht wagen! Das sind ungleich aktivere Bilder, hinter denen wahrscheinlich viele eher eine positive Zukunft vorstellen können als hinter Merkels „Durchhalten, es wird ein langer Weg“. Merkel ist für viele eine Personifikation der Probleme geworden und sie wird es insofern den Populisten eher einfacher machen ihren Wahlkampf zu führen.

Interessanterweise ist allerdings durch das deutsche Parteiensystem auch die Lage deutlich anders: Wenn die CDU Stimmen verliert und die AfD welche dazugewinnt, dann wird es eher eine große Koalition geben oder aber gar Rot-Rot-Grün. Letzeres wäre dann ein interessanter Ausgang für die AfD-Anhänger: Sie wären damit eher vom Regen in die Traufe gekommen. Das die CDU hingegen mit der AfD eine Koalition eingeht und sie damit zu einer legitimen Partei macht, der sie Regierungsverantwortung zutraut und mit der sie Kompromisse finden muss ist aus meiner Sicht nicht zu erwarten.

Eine interessante Stellungnahme zum Wiederantritt von Merkel kommt von der Tagesschau:

Wenn Angela Merkel im Wahlkampf so weitermacht, wie sie gestern begonnen hat, wird sie scheitern. Sie hat allzu wenig geboten, in der Form wie im Inhalt.

Zuerst zur Form: Alles sah nach Pflicht aus. Sie habe unendlich nachgedacht über eine erneute Kandidatur, sagte Merkel. Sie hätte auch sagen können: Sie hat lange gezögert. Das klingt weder kraft- noch lustvoll.

Jetzt zum Inhalt: Merkel sagte im Wesentlichen, es seien schwierige Zeiten. Und sie habe immer noch Ideen. Das ist dieselbe Botschaft wie 2013. Sie wird niemanden begeistern, der von Merkel nach zwölf Jahren Kanzlerschaft genug hat.

Noch bemerkenswerter ist ein anderer Satz Merkels: Es sei ihr besonders wichtig, für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu werben. Wie bitte? Wieder die alte Harmonie-Nummer? Im Politjargon heißt das: „asymmetrische Demobilisierung“ – die Umarmung des politischen Gegners. Eine erdrückende Umarmung.

Den Eindruck, dass da nicht wirklich etwas neues kommen wird, was aktuelle Probleme löst, habe ich auch. Und „lange gezögert“? Was will sie damit eigentlich aussagen, was für einen Eindruck erwecken? Geht es ihr darum, dass sie dem Vorwurf vorbeugen will, dass sie einfach nur den Rekord von Kohl ablösen will oder dass sie es als selbstverständlich ansieht? Ich muss ja sagen, dass ich, soviel man auch sonst das System der USA kritisiert, die Begrenzung auf zwei Amtszeiten nicht verkehrt finde. Es zwingt den Inhaber los zu lassen und ermöglichst der Partei, sich frühzeitig auf einen Nachfolger zu konzentrieren.

Allerdings sind auch da in der CDU wenig Leute vorhanden, die man an der Spitze sehen würde.

Ein Vorteil vielleicht: Auch bei der SPD ist es es aus meiner Sicht eher mau: Sigmar Gabriel hat aus meiner Sicht keinerlei Charisma und der jetzt ins Gespräch gebrachte Konkurrent Martin Schulz ist innenpollitisch noch nicht wirklich deutlich in Erscheinung getreten.

Bei der Tagesschau heißt es weiter:

Das ist Merkels alte Strategie. Früher funktionierte sie auch. Merkels Gegner von 2009, Frank-Walter Steinmeier, ließ sich gern umarmen. Ihr Gegner von 2013, Peer Steinbrück, hatte nicht die Kraft, sich zu wehren.

Diesmal aber hat Merkel einen anderen Gegner. Einen härteren. Unberechenbaren. Erstens: die SPD. Wer auch immer deren Kanzlerkandidat wird, er wird kämpfen und nicht kuscheln. Zweitens: die AfD. Sie ist überhaupt nur da, weil Angela Merkel so viel umarmt hat früher, nur hatte sie mit ihren Armen dann doch nicht die Spannweite, um auf Dauer wirklich alle Deutschen zu umklammern. Ach ja, und die CSU weiß auch noch nicht genau, wie sie nun Wahlkampf machen soll: mit oder neben oder statt Merkel. Jedenfalls scheint sich nicht mal die eigene Schwesterpartei diesmal der Zusammenhalts-Kanzlerin hinzugeben. Also eine kämpferische SPD, eine brutale AfD, viele genervte Deutsche und eine CSU, die Merkel bestenfalls nur unter den Achselhöhlen kitzelt, während die zu umarmen versucht.

Kurz: Es wächst diesmal nicht zusammen, was nicht zusammengehört. Darum war dieser Wahlkampfauftakt gestern nicht gelungen. Wenn Angela Merkel wirklich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werben will, müsste sie jetzt als Bundespräsidentin kandidieren. Sie ist aber Kanzlerkandidatin! Darum sollte sie nicht für den Zusammenhalt der Gesellschaft werben, sondern für sich und die Union!

 Merkel wird man große neue Ziele nicht abnehmen. Es bleibt immer die Frage, warum sie sie dann nicht bereits umgesetzt hat. Und die Kritiker, die mit der AfD liebäugeln, werden ihr erst recht nicht abnehmen, dass sie ihre Haltung in der Flüchtlingskrise wesentlich ändern wird.
Gleichzeitig allerdings erhält Merkel in Umfragen durchaus positive Werte. Ob diesmal die Umfragen richtig liegen und damit ihrer Strategie recht geben wird sich zeigen.
Interessant für das Thema dieses Blogs, also Geschlechterthemen, ist natürlich auch Merkel an sich:
In den USA wurden mit einer Frau als Präsidentin von vielen Feministinnen höchste Erwartungen verknüpft. Es schien fast als würde damit quasi automatisch der Gender Pay Gap schrumpfen und alle kleinen Mädchen würden ihre Barbiepuppen wegschmeißen und fortan Politikerin werden wollen. Davon merkt man aus meiner Sicht in Deutschland allerdings nichts. Ich glaube nicht, dass sich so viel verändert hat bei den Geschlechtern unter Merkel. Natürlich ist sie auch eine konservative Politikerin, aber wenn die feministischen Theorien stimmen, dann sollte sich eigentlich etwas getan haben. Tatsächlich kann man viele radikale Feministen sehr damit ärgern, wenn man anführt, dass die meisten kleinen Mädchen in Deutschland überhaupt nur eine Kanzlerin Merkel kennen und insofern die These, dass Mädchen nicht genug Vorbilder haben, schwer haltbar ist.
Was erwartet ihr von der nächsten Wahl in Deutschland? Wer wird aus eurer Sicht bei der SPD ins Rennen gehen? Und was wäre die richtige Strategie für CDU und SPD, wenn sie nicht zu viel Stimmen an die AfD verlieren wollen ohne gleichzeitig ihre Stammwähler zu verärgern?