Eine Studentin berichtet, warum sie sich in den Gender Studies ausgeschlossen fühlt:
Über die Gender Studies ist schon viel gemeckert, geschrieben und gezetert worden. Die AfD hat es sich sogar zur Aufgabe gemacht, das Fach ersatzlos aus der Hochschullandschaft zu verbannen.
Es wird angesichts der Unwissenschaftlichkeit zurecht gezetert und gemeckert. Mit einem echten Wissenschaftsanspruch und unter Aufgabe der Scheuklappen könnte Gender Studies ein interessantes Fach sein (wobei dann die Überschneidungen mit der evolutionären Geschlechterbiologie groß sein müssten). So könnte es ohne Verlust gestrichen werden.
Trotzdem zieht es immer wieder viele junge Menschen zu dem Fach der sozialen und biologischen Konstruktionen – so auch mich. Ich studiere an der Humboldt-Universität zu Berlin Deutsche Literatur und Gender Studies im mittlerweile vierten Fachsemester. Immer wieder bin ich konfrontiert mit allerlei Vorurteilen zum Thema, sodass ich mir eine Erwähnung meines Zweitfaches vor manch eine*r Kommiliton*in schon verkniffen habe.
Das freut mich. Es macht deutlich, dass die meisten eine realistische Einschätzung des Faches haben.
Obwohl ich nach wie vor von der Sinnhaftigkeit meiner Fachwahl überzeugt bin, gibt es leider auch einiges zu bemängeln. So fiel es mir in den vergangenen zwei Jahren vergleichsweise schwer, in den Gender Studies Anschluss zu finden. Nun könnte man zunächst meine soziale Kompetenz in Zweifel ziehen. Dazu sei gesagt, dass ich derlei Probleme aus dem Studiengang Deutsche Literatur überhaupt nicht kenne.
Ein Studiengang, der eigentlich voller Schutzräume ist und Inklusivität bringen soll macht es schwer, Anschluß zu finden. Woran könnte das liegen?
Im ersten Semester habe ich zusammen mit einer Trans*-Person einen Vortrag gehalten. Ich selbst bin weiß, erkennbar nicht trans*-positioniert und verhalte mich wohl leider meistens meiner weiblichen Genderrolle entsprechend. Beim ersten Referatstreffen hat sich diese Person äußerst reserviert mir gegenüber verhalten, immer in der Erwartung, dass ich gleich womöglich etwas Verletzendes sagen könnte.
Gender Studies erlaubt eben über die Privilegientheorie recht einfach die Abwertung von „Nichtunterdrückten“, da diese ja damit automatisch „Unterdrücker“ sind. Die Privilegierten werden eben nicht einfach akzeptiert, schon gar nicht, wenn sie ganz der Norm entsprechen, sondern müssen dazu schon deutlich machen, dass sie ihre Privilegien hinterfragen und eine gewisse Demut zeigen
Ich musste also erst beweisen, dass ich kein intolerantes Arschloch bin, sondern durchaus dazu imstande, mein Gegenüber nicht jedes Mal komisches anzusehen, nur weil er zu seinem Busen einen leichten Bartflaum trägt. Nach dem Referat bekam ich dann von meinem Kommilitonen erstaunliches Feedback: Die Arbeit mit mir habe ihm doch (überraschenderweise!) viel Spaß gemacht und sei auch für ihn lehrreich gewesen.
Ich dachte für Nichtdiskriminierung gibt es keine Kekse?
Selbstverständlich muss hier berücksichtigt werden, dass diese Person diskriminierende Erfahrungen gemacht hat, die ich nicht mal ansatzweise nachvollziehen kann. Dennoch hätte ich es toll gefunden, wenn man auch mir vorurteilsfrei begegnet wäre.
Da hat sie aus meiner Sicht den ideologischen Gehalt dieses Faches und ihren Platz in der Ideologie noch nicht verstanden.
Es entsteht ein Gefühl des Ausgeschlossenseins
Dieses Verhaltensmuster entdecke ich immer wieder bei anderen Gender-Studierenden. Mit einer echten Kontaktaufnahme wollte es einfach nicht so recht klappen.
Vielleicht hätte sie sich „queerer“ Verhalten müssen, sich also an die dortige Norm anpassen sollen, damit sie akzeptiert wird. Was interessant ist in einem Studium, welches letztendlich gerade gegen Normen ist.
Eine Kommilitonin erzählte mir, dass sich in ihrem Gender-Tutorium eine Studentin offen beklagt hätte, dass sie unter den Studierenden einfach keinen Anschluss fände. Und ohne diese Studentin verurteilen zu wollen: Sie war ziemlich blond, stark geschminkt und trug lange künstliche Fingernägel. Die Kommilitonin, die mir von dieser Geschichte erzählt hat, war nach einem Semester so enttäuscht und desillusioniert von diesem Ausschluss in den Gender Studies, dass sie schließlich ihr Zweitfach wechselte.
Ganz offen für alle Lebensweisen (solange sie eben nicht den verdammten Geschlechterrollen entsprechen)
Als ich schließlich selbst in diesem Tutorium saß, wurde mir bewusst, dass ich das Gefühl des Ausgeschlossenseins ziemlich gut nachvollziehen konnte. Zwar wurden die Studierenden immer wieder zur Teamarbeit angeregt. Das führte in meinem Fall jedoch nur zu noch mehr Unsicherheit, da ich das Gefühl hatte, dass man mit mir unter normalen Umständen gar nicht geredet hätte.
Wir sind voller Inklusivität (solange du nicht ein widerlicher Unterdrücker bist, der sich nicht nach unseren Normen, also queer verhält)
Schließlich kam es zu einer Schlüsselsituation, die bezeichnend war – für alles, was ich bisher erlebt hatte. Ich beschloss, einfach in der nächsten Sitzung des Seminars mal die Sitzreihe zu wechseln, um dort vielleicht mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die ich bisher noch nicht kennengelernt hatte. An der eigenen Unzulänglichkeit müssen ja nicht immer zwingend die Anderen schuld sein. Kurz vor Beginn des Seminars wurde ich dann auch tatsächlich von einem Kommilitonen angesprochen. Nachdem ich fast dachte, dass mein genialer Schachzug sofort Wirkung zeigen würde, bat er mich, den Platz zu wechseln. Seine Freundin wolle dort neben ihm sitzen.
Erstaunlich finde ich, dass sie die Verbindung nicht deutlich herstellt und daraus etwas über das Fach ableitet.
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