Schoppe zu Beauvoir und Hausarbeit vs. Erwerbstätigkeit

Schoppe kommentierte interessantes unter einen Artikel zum Thema „Hausarbeit vs. Erwerbstätigkeit“ im Feminismus

Wir können sehr gut den *bürgerlichen Feminismus* an Hand der Erfahrungen identifizieren, die dieser NICHT gemacht hat.“ – „*Individualneid*, Neid auf die Herausbildung von *männlicher Autonomie*, ohne zu begreifen, was das eigentlich heißt.“ (Crumar)

Das passt exakt zu der Logik DES Schlüsseltextes der zweiten Welle, de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ – im Original ja eigentlich „Das ZWEITE Geschlecht“.

Vor dem Hintergrund des Existenzialismus hat der Begriff der Selbstverwirklichung eine etwas genauere Bedeutung als die esoterisch-gefühlige, die er längst umgangssprachlich angenommen hat. Da wir radikal in die Freiheit geworfen seien, hätten wir auch die Freiheit, uns selbst zu entwerfen, seien durch nichts dabei gebunden. Wir könnten diese Entwürfe aber nur VERWIRKLICHEN; wenn wir etwas tun, wenn wir handeln, arbeiten.

Die (männliche) Arbeit ist so also Bedingung für die Selbstverwirklichung – die Frau aber, die sich vom Mann abhängig macht, sei in diesem Sinne gar kein wirklicher Mensch, sondern gleichsam Anhängsel der Wirklichkeit des Mannes: das zweite Geschlecht eben, nicht nur das „andere“. Entsprechend radikal verachtungsvoll äußert sich de Beauvoir dann auch über bürgerliche Hausfrauen.

Natürlich hat die Tochter aus gutem Hause dabei selbst ein äußerst privilegiertes Bild von der (Erwerbs-)Arbeit, ohne dass sie sich dieser besonderen Perspektive bewusst wäre. Die radikalen Abhängigkeiten, die Quälereien, die massiven Einschränkungen der Freiheit, die Reduktion auf eine Funktion innerhalb eines Gesamtsystems: Diese Aspekte der Erwerbsarbeit sind grundsätzlich nicht entscheidend für den Gang ihrer Argumentation.

Sie berichtet von einer Befragung proletarischer Frauen, die doch tatsächlich in einer deutlich überwiegenden Mehrheit eine Präferenz hätten, die de Beauvoir eigentlich gar nicht ins Konzept passt: Wenn sie die Wahl hätten, würden sie als Hausfrauen zu Hause bleiben und nicht in der Fabrik arbeiten. Die Autorin erklärt sich das nicht etwa dadurch, dass die Frauen die Fabrikarbeit als quälend empfunden hätten – sondern dadurch, dass sie aufgrund der fehlenden männlichen Mithilfe im Haushalt eine doppelte Arbeit hätten. Hätten sie die nicht, würden sie gewiss für die Erwerbs- und gegen die Hausarbeit optieren.

Die guten Gründe der Frauen für eine Option GEGEN die Fabrikarbeit sind der Autorin überhaupt nicht präsent, oder nicht wichtig. In meinen Augen ist das allgemein übrigens ein wesentlicher Grund für die weitgehende Kommunikationsunfähigkeit (und -unwilligkeit) heutiger Feministinnen: Ihre Position baut grundsätzlich auf der Ausblendung großer, wesentlicher Teile der sozialen Wirklichkeit auf. In jeder offenen Diskussion wären sie in Gefahr, dass diese Aspekte in ihr Weltbild einbrechen.

So erklärt sich dann auch die Dauermoralisierung, der Moral-Priapismus, der politische Diskussionen heute oft so nervtötend macht: Die Unterdrückung einer wirklich offenen Diskussion lässt sich auf Dauer nur legitimieren, wenn die ausgegrenzten Positionen so scharf wie möglich diskreditiert werden.

Das der Feminismus große Teile der sozialen Wirklichkeit ausbremsen muss ist aus meiner Sicht richtig. Es ist schon erstaunlich, wenn eine eigentlich linke Philosophie nicht auf die Idee kommt, dass neben Geld eben auch andere Faktoren die Berufsentscheidung und die „Work-Life-Balance“ bestimmen kann und das es nicht Ziel des Einzelnen sein muss, dass er die Gruppe voranbringt, sondern viele ihr eigenes Leben mit gänzlich anderen Prioritäten voranbringen will.

Natürlich hat das die dritte Welle noch etwas unlogischer gemacht: Im Intersektionalen Feminismus kann man auch Hausfrau sein wollen, nur sollte man es nicht wollen oder muss es irgendwie umdeuten als Reclaimen von Weiblichkeit. Man muss auch nicht Karriere machen wollen, aber dennoch steht einem eine entsprechende Position zu, weil alles andere sexistisch wäre. Insofern wäre die Ausblendung der sozialen Wirklichkeit eher noch größer geworden.