Tag: 23. Oktober 2016
Jenna Behrends: Planender als gedacht?
Ein interessanter Artikel beleuchtet noch weitere mögliche Bereiche bezüglich Jenna Behrends:
Währenddessen sammelten Parteimitglieder Informationen über die junge Frau. Wer ist sie wirklich? Wer hat sie in welcher Bar gesehen, zu welcher Uhrzeit, mit welchem Politiker? Ihr Lebenslauf wurde genau durchleuchtet: Rotary Club, Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung, journalistische und juristische Praktika. Im Jahr 2014 sei sie aus dem Nichts in der CDU aufgetaucht und war plötzlich überall anzutreffen, auf fast jeder Parteiveranstaltung.
Einen solchen Brief, mit dem man sich mit einer großen Organisation anlegt, sollte man in der Tat nur schreiben, wenn man sicher ist, dass die eigenen Leichen sehr tief im Keller vergraben sind. Es ist klar, dass dann Leute nachschauen werden, ob man selbst sauber ist.
Sie hat als studentische Hilfskraft bei einem CDU-Abgeordneten gearbeitet. Auch bei Philipp Lengsfeld hatte sie Interesse an einer Mitarbeit bekundet – jenem Abgeordneten, der seinen Wahlkreis in Berlin Mitte hat und den sie später bezichtigte, er habe Gerüchte über sie verbreitet. Zu einer Zusammenarbeit mit Lengsfeld kam es aber nicht, ein Mitarbeiter riet ihm davon ab.
Zweifelhafte Selbstdarstellung einer Quereinsteigerin
Jener Mitarbeiter, dem sie von Anfang an unheimlich war, beschreibt, wie er zufällig in der Bundestagskantine mit ihr ins Gespräch gekommen sei. Sie habe erst so getan, als würde sie zum ersten Mal von ihm hören. Doch im Laufe des Gesprächs habe er festgestellt, dass sie sich ganz genau auf ihn vorbereitet hatte, wo er gearbeitet und was er studiert hat.
Das zeichnet natürlich ein wesentlich berechnenderes Bild von Behrends. Als würde sie eben zunächst darauf setzen, dass jeder gerne mit einer offenen jungen Frau redet, die ganz ungezwungen Kontakt sucht, aber gleichzeitig dabei versuchen die Leute zu manipulieren – das hinterlässt dann eben keine gutes Gefühl.
Behrends kontaktierte auf Facebook systematisch andere Parteimitglieder im Kreisverband Berlin Mitte, wo sie selbst wohnt. Wollte sich auf einen Kaffee verabreden oder kam spontan zu privaten Treffen anderer dazu. Sie sendete die gleiche Nachricht an mehrere Leute, mit der Bitte, ihr die Kontaktdaten zu schicken, sie hätte die gar nicht, ein Skandal!
Nun geht es ja in der Politik genau darum: Netzwerken, Leute treffen, Mehrheiten organisieren. Aber es passt nicht ganz zusammen mit der Selbstdarstellung der Quereinsteigerin, die auf ihrem Blog im Juni schrieb: „Ich wollte nie Parteimitglied werden.“ Und es lässt die Sexismus-Klage wie einen Medien-Coup und eine gezielte Attacke erscheinen. Dass es ihr nicht darum gehe, speziellen Leute zu schaden, sagte Behrends in Interviews, um dann später doch alle Namen zu nennen – den des ohnehin schon geschwächten Frank Henkel, aber auch den von Lengsfeld, dem Behrends in ihrem Text unterstellt, er sehe sie als Konkurrenz an und habe Angst um seine Kandidatur.
Also die Unschuld vom Lande, die eigentlich gar nicht in die Politik wollte, aber einfach musste, weil sie etwas bewegen wollte! Wäre keine schlechte Geschichte, daraus kann man durchaus was machen. Und dahinter dann vielleicht auch einiges an Kalkül verbergen, was einem andere gar nicht zutrauen. Aber es ist natürlich Spekulation.
Lengsfeld ist Physiker, ein ruhiger, zurückgezogener Typ, der Wert auf gesicherte Informationen legt. Er tratscht und lästert nicht. So beschreiben ihn seine Parteifreunde. Bei dem Treffen mit ihr am Montag war er auch kurz da. Er soll nur kurz gesagt haben, dass er keine Gerüchte verbreiten würde, und sei dann wieder gegangen, noch bevor das Gespräch begann.
Aus meiner Sicht eine kluge Entscheidung. So wenig wie möglich mit ihr zu tun haben und sich gar nicht weiter in die Sache reinziehen lassen.
Gute Kontakte ins Konrad-Adenauer-Haus
Um zu verstehen, was die Aktion von Jenna Behrends sollte, muss man sehen, wer sie dabei unterstützt hat. Da ist Florian Nöll, der erfolglos in Moabit für das Abgeordnetenhaus kandidierte. Seine Slogans: „Politiker machen Angst. Nöll macht Mut.“ Und: „Politiker predigen Vielfalt. Nöll lernt türkisch.“ Das war ziemlich abgekoppelt vom Wahlkampf der restlichen Partei. Auch er war am Montag bei dem Klärungsgespräch dabei. Ob er mit der Veröffentlichung des Behrends-Briefs etwas zu tun habe, wurde Nöll gefragt.Schließlich habe er Kontakte zur Chefredaktion von „Edition F“. Das gibt er selbst zu, auch im Gespräch mit der F.A.Z., sagt aber, Behrends habe den Text ohne sein Zutun dorthin gegeben. Er war aber dabei, als der Spruch mit der Maus fiel. Und er war, neben Peter Tauber, einer der ersten, der Behrends nach ihrem Brief öffentlich beisprang, mit den Worten: „Und wisst ihr was? Es ist in Wahrheit noch schlimmer. Für die Partei ist es die Chance, sich einem ernsthaften Problem zu stellen.“
Das wäre ja interessant. Ich hatte auch eine Diskussion mit Nöll auf Twitter, er verteidigte Behrends dabei nachhaltig. Es würde immerhin den Weg erklären, den der Brief genommen hat. Aber das an sich wäre ja noch nicht einmal zu beanstanden, wenn er tatsächlich davon ausging, dass ihr unrecht geschehen ist.
Sowohl Nöll als auch Behrends haben gute Kontakte ins Konrad-Adenauer-Haus. Einige Parteimitglieder sehen hinter dem Konflikt einen innerparteilichen Machtkampf, das Konrad-Adenauer-Haus gegen den einflussreichen Kreisverband Berlin Mitte. So soll sich Frank Henkel, der auch Kreisvorsitzender ist, am Wahlabend in einer Runde im Adenauer-Haus über die Politik der Kanzlerin beschwert haben.
Auch sein Vertrauter Sven Rissmann, parlamentarischer Geschäftsführer der Berliner CDU-Fraktion, den Henkel angeblich nach einem Verhältnis mit Behrends befragt hat, ist ein Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik. Tauber verteidigt die Linie der Kanzlerin dagegen aus Überzeugung. Bei einer parteiinternen Diskussion Ende November 2015 soll er laut einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ gesagt haben: „Wer hier nicht für Angela Merkel ist, ist ein Arschloch und kann gehen.“ Tauber sagt dazu, er könne sich an seine genaue Wortwahl nicht erinnern, entschuldigt sich aber, sollte er das so gesagt haben.
Zufall oder Machtkampf?
Zu dieser Zwei-Lager-Theorie passt, dass zwei Vorstandsmitglieder der Frauen-Union ebenso enge Verbindungen ins Konrad-Adenauer-Haus haben: Beide legten ihr Amt nieder, um gegen die öffentlichen Angriffe der Frauen-Unions-Vorsitzenden auf Jenna Behrends zu protestieren. Eine der beiden war persönliche Referentin von Tauber.Wenn Tauber tatsächlich seine Finger mit im Spiel hatte, könnte er sich jetzt über den Schaden freuen, der im Gegenlager angerichtet wurde. Aber Tauber hat inzwischen seine eigene Affäre am Hals. Seit einer Woche wird ein Detail nach dem anderen bekannt. Zuerst tauchte ein zehn Jahre altes Mobbingpapier auf: „Operation Kaninchenjagd“. Nach der so benannten Anleitung sollte die damalige CDU-Geschäftsführerin im Main-Kinzig-Kreis auf übelste Art schikaniert und aus dem Amt getrieben werden.
Tauber war seinerzeit Kreisvorsitzender. Er sagt, er habe das Schreiben nicht verfasst, es aber gekannt, so wie viele andere auch. Wenige Tage später – Tauber hatte sich gerade in die Sexismus-Debatte eingeschaltet und „mehr Sensibilität“ gefordert – die nächste Enthüllung: ein E-Mail-Austausch Taubers mit männlichen Parteifreunden aus dem Jahr 2012. Darin beraten sie sich in leicht machohaftem Sprachduktus über die Neubesetzung des Vorsitzes der Frauen-Union.
Das „Kaninchen-Papier“ und Jenna Behrends Brief wurden am selben Tag veröffentlicht. Das könnte Zufall sein – oder Teil eines größeren Machtkampfs in der Partei.
Es ist immerhin eine interessante Theorie, wenn auch gegenwärtig noch sehr dünn und in keiner Weise belegt. Es ist mir momentan noch etwas viel Aluhut. Mal sehen ob der ausgerufene Frieden hält oder ob weiteres an die Öffentlichkeit kommt.
vgl auch: