Annett Meiritz schreibt im Spiegel:
Dabei ist es für den konkreten Fall völlig egal, ob Behrends keine einzige, zwölf oder fünfzig Liebschaften in ihrem Arbeitsumfeld hatte. Denn was genau wäre der Vorwurf, den man aus einem Verhältnis ableiten könnte? Dass Behrends es auf Affären anlegt? Dass sie selbst schuld ist, wenn ihr Umfeld ausgefragt wird, ob sie „gefickt“ werde?
Ich finde diesen Satz absolut erstaunlich. Der Sinn dahinter, dass man nachforscht, ob jemand eine Person unterstützt, weil sie besonders gute Arbeit macht oder weil man mit ihr schläft, ist ja nun wirklich leicht zu erfassen. Und ich zweifele auch nicht daran, dass wir entschiedene Nachfragen von Feministen gehabt haben, wenn sich etwa eine enttäuschte junge Politikerin in einem offenen Brief an die Presse gewandt hätte und entweder:
Ich dachte erst ich wäre etwas besonderes für ihn, er ging mit mir aus, wollte meinen Theorien zuhören, hob mich auf einen Listenplatz, aber im Endeffekt wollte er flirten und war erkennbar sexuell an mir interessiert.
oder
Ich arbeitet seit Jahren für die Partei, klebe bei jedem Wetter Plakate und bin an jedem Infostand dabei, aber aufgestellt hat er eine junge andere Frau, die mit ihm flirtet und mit ihm was trinken war.
geschrieben hätte. Man hätte den Sexismus der Politiker gerügt und ihnen vorgehalten, dass sie Frauen nur als Objekte sehen. Eine Erwiderung wie „Was genau ist denn der Vorwurf, den man aus einem Verhältnis ableiten könnte? Dass der Politiker es auf Affären auslegt? Das er selbst schuld ist, wenn man ihn als Belästiger wahrnimmt“ wäre wohl kaum als berechtiger Einwand gesehen worden.
Über Sex Beziehungen aufzubauen und mit vielen höherstehenden Männern zu flirten ist eben eine Form der Korruption, der Bestechung, die eine faire Auswahl behindert: Statt der politischen Leistung stehen nun mehr sexuelle Gefälligkeiten im Vordergrund. Und natürlich muss das andere Parteimitglieder akzeptieren und sicherlich auch gerade die Frauenunion: Der Gedanke, dass eine Frau, die durch Flirts an anderen Frauen vorbeizieht, das Klima für andere Frauen verschlechtert und deren Chancen mindert, scheint mir geradezu klassisch feministisch.
Man stelle sich vor, was Feminismus zu einem Büro oder einer Partei sagen würde, wo bestimmte Frauen, die dann auch noch befördert werden, mit den Vorgesetzten schlafen. Ein „Klima der Verfügbarkeit“ oder „ein Nachweis für die Rape Culture“ wäre wohl zu erwarten gewesen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man die aggressive Frage „Fickst du die?“ sogar als aggressiven Vorhalt, dass er etwas falsch macht, indem er Sex mit einer jungen Politikerin hat, die er dann evtl auch noch fördert.
Mir ist klar, dass hier verschiedene feministische Punkte reinspielen:
- die Prämisse der unschuldigen Frau: Zu sagen, dass sie ihre Sexualität gezielt eingesetzt hat um sich einen Vorteil zu verschaffen wäre zum einen Slutshaming und zum anderen würde es viele andere Tabus berühren:
- das Tabu der Schönheit: Sie ist schlank und jung, das darf keine Rolle spielen
- das Tabu der unterschiedlichen Sexualität: Es ist erstaunlich, wie oft ich bei dem Thema schon bei einer Diskussion auf Twitter dafür angegriffen wurde, dass ich angemerkt habe, dass Frauen weitaus eher als Männer für Sex Gefälligkeiten und Vorteile bekommen, weil Männer ein vollkommen anderes Verhältnis zu Sex haben als Frauen und das der Vorwurf umgekehrt damit weitaus weniger interessant ist
- das Tabu der Macht der Frau: Frauen, die in einer Männerwelt Sex als Waffe einsetzen sind und damit Akteure sind, die für ihre Handlungen verantwortlich sind darf es nicht geben, Frauen haben Sex, weil sie Spass am Sex haben, und jede andere Sicht, jede Nebenabsicht, ist damit eine Einschränkung ihrer Sexualität
- Das Tabu der weiblichen Sexualität als etwas, was generell nicht angesprochen werden darf.
- Die Prämisse, dass derjenige Recht hat, der Sexismus behauptet der in einer Männerwelt stattfindet, selbst wenn Teile der Akteure Frauen sind.
- Die Prämisse, dass der größere Sexismusvorwurf die größere Solidarisierung erfordert.
Aber abseits dieser Gedanken bleibt ein erstaunliches Doppeldenk, ein Doppelstandard. Natürlich wäre es einem Mann vorwerfbar Sex am Arbeitsplatz zu haben. Natürlich ist auch jeder Frau bekannt, dass Sex ein Machtmittel sein kann und das gerade „als harmlos tarnbare Gesten mit sexueller Bedeutung“ (wie etwa auf „Jedermanns Schoß sitzen“) wunderbar dazu geeignet sind „Orbiter“ zu erzeugen. Das eine Frau mit Männern spielt, dass sie sexuelle Reize bietet, die etwas Hoffnung machen, aber ganz harmlos, neben einer Freundschaft, sexuelle Signale, die man leugnen kann („es war eben kein Stuhl frei, was ist schon dabei, wenn man sich auf seinen Schoß setzt, wir sind ja schließlich Freunde“), dass nehmen Frauen sofort war und reagieren häufig mit Abwertung oder, wenn es sich an die eigenen Freunde richtet, mit Abwehr. Es ist ein Prototyp von Frau, die Unruhe stiftet und am besten in Männergruppen zurechtkommt.
So zu tun als könne man diese Gruppendynamiken nicht ermitteln, als würde Sex keinerlei Auswirkungen über den Spass der Beteiligten hinaus haben können, als würde es nicht einen erheblichen Unterschied ausmachen können, ob jemand in einer Partei mit einem anderen schläft, das finde ich erstaunlich.
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