Jenna Behrends und unfaire Gerüchte über Affären

Die Debatte um den Brief von Jenna Behrends hat aus meiner Sicht noch einmal eine sehr interessante Wendung hingelegt. Die Vorsitzende der Frauenunion, Frau Cegla und die Femen-Deutschland-Gründerin Zana Ramadani haben eine gemeinsame Presseerklärung zu den Vorfällen herausgegeben.

In dieser heißt es

Aber – Die von Jenna Behrends erhobenen Vorwürfe und schlüpfrigen Andeutungen bedürfen einer genaueren Einordnung. Sie selbst spricht in ihrem Blog-Beitrag „Warum ich nicht mehr über den Sexismus in meiner Partei schweigen will“ über ihr angeblich angedichtete Affären. Wie nach und nach in den Medien zu lesen ist, soll es sich dabei u.a. um Dr. Peter Tauber, Sven Rissmann oder Florian Schwanhäuser handeln. Jenna Behrends betont jedoch, dass es keine Beziehungen, die über ein geschäftliches oder freundschaftliches Verhältnis hinaus gehen, gibt. Dies steht jedoch im Widerspruch zu Äußerungen, schriftlich wie mündlich, die Jenna Behrends uns gegenüber gemacht hat.

Sandra Cegla: “Jenna Behrends und ich hatten uns bei der Klausurtagung der CDU Berlin Mitte am 15. April 2016 ein Zimmer geteilt. Obwohl wir außerhalb der Partei keinen Kontakt haben, sagte Jenna Behrends zu mir: `Mit dem Peter Tauber, das muss jetzt aber unter uns bleiben, die Gerüchte stimmen. Ich hatte ein Verhältnis mit ihm.ʼ Ich war sehr irritiert über diesen Kommentar, habe ihn als grenzüberschreitend empfunden und daher nicht weiter nachgefragt. Ich werde ungern ungefragt zur Mitwisserin in intimen Angelegenheiten gemacht. Die unvermittelte Äußerung seitens Jenna Behrends lässt für mich nur den Schluss zu, dass sie entweder die Grenzen anderer Menschen nicht klar erkennen und achten kann, oder dass ihre Aussage gezielt in meiner Gegenwart gemacht wurde, um Gerüchte erst entstehen zu lassen.“ Hierzu kann ich eine Versicherung an Eides statt abgeben.

Sie hat also nach dieser Darstellung selbst die Gerüchte mitgestreut, während sie sich an anderer Stelle als Opfer eben dieser Gerüchte dargestellt hat.

In der ganzen Sache geht es bislang nur um Behauptungen und Anschuldigungen. Gerade da wäre es doch richtig und zu erwarten, dass vermeintlich interne Probleme auch zunächst intern angesprochen und so, wenn nötig, gemeinsam behoben werden. Jenna Behrends hatte auch mich als Kreisvorsitzende der Frauen Union Berlin Mitte über Verdächtigungen gegen sie informiert. Mein Rat war, dass sie in solchen Fällen zunächst das direkte Gespräch mit den vermeintlichen Absendern suchen solle. Ob es dazu gekommen ist, weiß ich allerdings nicht.

Es wäre interessant zu wissen, wie die zeitliche Einordnung einer möglichen Affäre zu ihrer Platzierung auf der Liste war. Hier wäre es interessant, ob dazu weitere Einzelheiten auftauchen sollten.

Interessant auch, warum sie es der Vorsitzenden erzählt hat. Brauchte sie einfach jemanden, mit dem sie das teilen konnte oder wollte sie nur deutlich machen, dass sie wichtig ist und die Protektion einer wichtigen Person in der Berliner CDU besitzt und die Vorsitzende sich insofern auch besser gut mit ihr stellt?

Zana Ramadani: „Jenna Behrends war mir eigentlich gar nicht bekannt. Sie hat mich über Facebook geaddet. Am 27. September 2015 hatte ich ein Foto gepostet, was mich in einem Cafè in Berlin Mitte mit zwei Parteifreundinnen gezeigt hat. Darauf schrieb mir Jenna Behrends eine Nachricht: `Seid Ihr noch beim Rosenburger? Ich würde spontan auf eine Cola rumkommen…` Ich habe mich zwar gewundert, weil ich sie ja nicht kannte, aber lud sie dennoch ein. Wenige Minuten später saß sie bei uns am Tisch. Es war eine lockere Atmosphäre, wir hatten die üblichen Frauengespräche. In den nächsten Tagen tauschten wir uns dann in Sachen Parteiveranstaltungen aus. Am 3. Oktober 2015 meldete sie sich schließlich spät abends erneut bei mir. Zu meiner Verwunderung ging es da plötzlich um sehr intime Dinge. Da ging es zunächst um Herzschmerz, den ich hatte, sie schrieb darauf: `Können ja eine es-istkompliziert-Leidensgruppe gründen`. Zunächst deutete sie an, dass es sie verwirren würde, verliebt zu sein, dieser Mann zuerst sehr bemüht um sie gewesen sein soll, sich dann drei Wochen Zeit gelassen habe, lieber joggen würde. Schließlich offenbarte sie mir, dass es sich bei diesem Mann um Dr. Peter Tauber handeln soll. Und dass er sexuell stark auf sie reagiere. Weiter schrieb sie, dass er ihr glaubhaft gemacht haben soll, dass sie ihm nicht unwichtig sei.“

Der vollständige Chat-Verlauf ist als Beweis gesichert.

Auch da stellt sich die Frage, warum sie nun damit bei der ihr ansonsten nicht bekannten Zana Ramadami erzählt. Vielleicht einfach, weil sie in einer ähnlichen Lage gewesen ist. Eine andere Version wäre, dass Herr Tauber gemerkt hat, dass sie sehr vielen Leuten davon erzählen möchte, dass sie eine Affäre mit einem wichtigen Mann hat und es deswegen lieber hat sein lassen, weil er keine junge Mutter mit Kind, die dazu noch etwas zu redselig ist und klammert, haben wollte, sondern evtl nur Sex. Aber das wäre reine Spekulation.

Jenna Behrends hat in ihrem Blog-Beitrag selbst angeprangert, dass ihr Affären angedichtet werden. Dann steht in diesem Zusammenhang ein Name im Raum, gemeint ist Dr. Peter Tauber. Auf eine angebliche Affäre mit ihm angesprochen, verneint sie es öffentlich. Da habe ich mich doch sofort gefragt: Was ist Wahrheit, was ist Lüge? Lügt sie, indem sie diese Affäre bestreitet? Oder hat sie mir ein Märchen erzählt? Und wenn das ein Märchen sein sollte: Warum, mit welcher Intention? Wie glaubhaft kann Jenna Behrends so überhaupt sein? Die Frage nach möglichen Intrigen und Machtspielen möchte ich dabei noch gar nicht stellen.

Zudem misst sie mit zweierlei Maß: Sie prangert als Sexismus an, dass sie angeblich von Frank Henkel als „große süße Maus“ angesprochen worden sein soll – im Kontext mit den Worten Henkels zu ihrer dreijährigen Tochter, die er zuvor als „kleine süße Maus“ angesprochen haben soll. Auf der anderen Seite tituliert sie sich selber als „Mitte-Mädchen“, ein Attribut, dass ihr angeblich ein „Herr aus der CDU“ verliehen haben soll. Diese Bezeichnung ist doch nicht weniger herabsetzend-verniedlichend, denn als „süße Maus“ von einem reifen Parteikollegen tituliert zu werden. Ich bin bekanntlich nicht in vielen Dingen einer Meinung mit Frank Henkel. Aber klar ist für mich: Indem sie dieses wichtige Thema Sexismus für sich instrumentalisiert, verhöhnt sie jedes wahre Opfer von Sexismus.

Ich fand es schon nach den ersten Berichten interessant, dass keiner der Journalisten sich die Frage getraut hat oder in seinem Artikel thematisiert hat, welche Anzeichen für eine Affäre es denn gegeben haben könnte, die erzählt worden sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei einem Mann ähnlich gewesen wäre, der sich darüber beschwert hätte, dass man ihm immer Affären mit jungen Politikerinnen aus seiner Partei andichtet. Da wäre zumindest den Gerüchten nachgegangen worden.

Ich hatte dazu den folgenden Tweet geschrieben:

Einer Frau vorzuwerfen, dass sie Anlass für solche Gerüchte gegeben hat, indem sie etwa flirtend oder sonst unangemessen Körperkontakt suchend mit anderen gesichtet worden wäre, das wäre wahrscheinlich ein zu großer Affront gewesen, weil es an einem Tabu rüttelt, nachdem eine Frau nicht in dieser Weise verdächtigt werden kann

Diese Fragen bleiben bislang offen:

+ Wenn es keine Affäre gegeben haben soll – Warum macht Jenna Behrends es gegenüber uns zu einem Tuschel-Thema, bestreitet aber öffentlich eine Affäre?

+ Warum klingt es nicht nach einem Dementi, wenn Jenna Behrends im Berliner Kurier (ET: 24. September 2016) auf die Frage: „Hatten Sie mit einem Mitglied Ihrer Partei ein Verhältnis?“ antwortet: „Klar gab es mal Leute wie meinen Ortsvorsitzenden, die ich mal privat getroffen habe. Aber man kann das nicht als Affäre bezeichnen.“?

+ Wie glaubhaft ist Jenna Behrends?

Das sind gute Fragen und ich bin gespannt, ob dazu Antworten erfragt werden.

Auch in einem Artikel in der Welt erschienen interessante weitere Informationen:

Die Sexismus-Debatte um die frisch gewählte CDU-Bezirksverordnete Jenna Behrends (26) und Parteichef Frank Henkel wird zur innerparteilichen Schlammschlacht. Sandra Cegla (37), Vorsitzende der Frauen Union in Mitte, wirft ihr Intriganz und Verlogenheit vor – und den zielgerichteten Einsatz ihrer „weiblichen Reize“.

Cegla sagte dem KURIER: „Sie kam vor etwa einem Jahr zu uns, war ein, zwei Monate sehr aktiv und fing dann an, gegenüber Mitgliedern des Vorstands über andere Mitglieder zu lästern.“ Das hätten ihr mehrere Frauen berichtet.

Offen gelogen habe Behrends nach einem Treffen mit CDU-Stadtrat Carsten Spallek. Der habe von ihr verlangt, 50 Texte für eine Wahlkampfbroschüre zu schreiben und dazu Fotos zu beschaffen. Cegla: „Die 50 hat sie vor Zeugen mehrfach wiederholt.“ Cegla fragte bei Spallek nach: „Er zeigte mir eine Mail an Jenna. Darin ist von fünf Texten die Rede, die vorformuliert waren. Und es gab den Hinweis, Fotos lägen vor.“

Empört ist Cegla, dass Behrends sich als Vorkämpferin gegen Sexismus darstelle: „Ausgerechnet Jenna, die ihre weiblichen Reize spielen ließ und den Männern halb auf dem Schoß saß – ein Hohn.“ Cegla will mehrfach auf dieses Verhalten angesprochen worden sein.

Das wäre eine interessante Version und es bedient viele klassische Elemente intrasexueller Konkurrenz unter Frauen. Das Lästern über andere ist, wenn es akzeptiert wird, ein gutes Mittel prosoziale Dominanz zu errichten. Zur Erinnerung noch einmal ein Text, wie prosoziale Dominanz unter Frauen zur Rangausbildung unter diesen genutzt wird:

Mädchen gehen eher indirekt vor. Sie suchen bei anderen Mädchen Anerkennung, die sie entweder erhalten oder die ihnen verweigert wird. Aggression äußert sich kaum brachial, sondern vor allem als sogenannte Beziehungsaggression, die im Wesentlichen auf soziale Ausgrenzung abzielt. Zwei reden beispielsweise abfällig über eine dritte oder ein Mädchen droht einem anderen Mädchen an, es nicht mehr mitspielen zu lassen oder es nicht zum Geburtstag einzuladen, um so seinen Willen durchzusetzen. Typisch für Mädchen mit Ranganspruch ist ferner, daß sie sich um das seelische Wohlbefinden der anderen kümmern, sie also im Fall von Kummer zu trösten suchen. Dieses Sich-kümmern kann schnell einmal die Form ungefragter Ratschläge annehmen. Die Psychologie spricht hier von “prosozialer Dominanz”, wobei es sich um eine Mischung aus Besorgtheit einerseits und Bevormundung andererseits handelt. Schon kleine Mädchen im Kindergarten erklären anderen gern, was gut für sie ist und was sie machen dürfen und was nicht.

Lästern und der spätere Ausschluss von Jenna Behrends aus Vorstandssitzungen sind damit klassische Mittel der prosozialen Dominanz unter Frauen und damit auch der intrasexuellen Konkurrenz untereinander. Auch das Spiel „ich komme besser bei wichtigen Männern an“ und „Mich unterstützen wichtige Männer“ dürfte eine sehr alte Form intrasexueller Konkurrenz sein, genauso wie der ewige Konflikt inwieweit man sexuelle Reize einsetzen darf um voran zu kommen.

Die Bild berichtete:

Jenna Behrends hat in der CDU-Mitte eine Blitz-Karriere hingelegt: Eintritt im April, im November intern höchst umstritten für das Bezirks-Parlament aussichtsreich nominiert, vor acht Tagen gewählt.

Die Einzelheiten ihrer Nominierung fehlen leider bisher auch noch oder hat da jemand was zu. Wer hat sie auf die Liste gesetzt und wer hat sich für sie eingesetzt? Ich bekomme auch die Zeiten noch nicht ganz zusammen: Eintritt April müsste 2015 gewesen sein, November 2015 dann auf die Liste gesetzt., im Oktober 2015 sagte sie Zana Ramadani, dass da was läuft. Sie hatte die Affäre damit anscheinend jedenfalls schon vor der Wahl, bezeichnete sich dort noch als unglücklich verliebt und führte an, dass er lieber joggen geht. Dann im April 2016 sagt sie Cegla, dass sie eine Affäre hatte, was also immerhin 7 Monate später war. Wenn die Aussagen stimmen, dann scheint er sich entweder das Joggen noch einmal überlegt zu haben. Und die Affäre hätte sich dann ganz schon lange hingezogen zu haben.

In der Bild heißt es weiter:

Reaktion Behrends am Sonntagabend zu BILD: „Krass, es geht darum, mich zu vernichten. Eine Schmutzkampagne. Ich habe Peter Tauber über Facebook kennengelernt. Wir fanden uns sympathisch und waren zweimal etwas trinken. Aber dann hat sich das verlaufen und es wurde klar, dass daraus nichts wird.“

Eine Version, die Tauber bestätigt: „Jenna Behrends und ich haben uns kennengelernt und auch geflirtet. Aber es war für mich recht schnell klar, dass es rein freundschaftlich bleibt.“

Das ist immerhin ein Detail, welches ihren gesamten Brief in ein etwas anderes Licht rückt. Es ist allerdings nicht so recht mit den Stellungnahmen der anderen beiden Frauen in Einklang zu bringen, wobei es mit dem Gespräch mit Zana Ramadani noch hinkommen würde, da davor die beiden Ausgehtermine stattgefunden hätten, es wäre aber nicht mit der Schilderung von Frau Cegla in Einklang zu bringen, dass sie im April 2016 noch eine Affäre hatten. Das kann natürlich daran liegen, dass auch der Vorwurf ein „leichtes Mädchen“ zu sein und sich „hochzuschlafen“ gut geeignet ist, prosoziale Dominanz zu erzeugen, da man gut „spielt nicht mit dem Schmuddelkind“ daraus machen kann: Die alte Unterscheidung in anständige Frauen und Schlampen, die auch gut zu dem Vorwurf passt, dass sie „halb auf jedem Schoß saß“.

Natürlich kann es auch ein Versuch der anderen Seite sein, dass ganze etwas herunterzuspielen, lieber eine kürzere Affäre zugeben als eine längere.

Eine interessante Sicht auf die Sache fand ich auch dieses Artikel in der Welt:

Und natürlich hat Jenna Behrends recht. Parteien ziehen sie an wie Motten das Licht: Männer, die machtgeil sind. Männer, die nächtelang zusammenhocken, um Bünde zu schmieden, Fallen zu stellen. Die unermüdlich versuchen, auf der Parteienpyramide höher zu krabbeln, möglichst bis an die Spitze. Männer, die gern laut reden und laut lachen und auf Fluren tratschen. Und immer geht es darum, den Dolch zu stoßen, ehe er im eigenen Herz steckt.

Ja, Jenna Behrends hat recht. Parteien ziehen Frauen an, die eher nicht dazu prädestiniert sind, Mutter Teresa zu beerben. Sondern Frauen, die wissen, wo der Hammer hängt, die Intrigen spinnen und Verbündete erst suchen und dann fallen lassen. Frauen, die Rhetorik lernen, um Inhalte zu meiden. Die solidarisch nur dann sind, wenn es darum geht, andere zu Fall zu bringen. Die Gerüchte erfinden und verbreiten. Ja. Klar. Auch diese Frauen haben alle das gleiche Ziel – nach oben.

Und natürlich hat Jenna Behrends unrecht. Sie ist nicht anders als die braven Parteisoldaten, über deren tristes Dasein sie sich in ihrem Brief verständnisvoll erhebt und die anders als sie, die Quereinsteigerin, eine Ochsentour hinter sich gebracht haben.

Quereinsteiger gibt es überall. Sie kommen an der Hand des Chefs rein in den Laden. Sie haben es nicht nötig, sich in der Schlange anzustellen – jedenfalls nicht hinten. Sie kriegen aus Gründen, die sehr verschieden sein können, ein besonders saftiges Stück vom Braten. Der Preis, den sie dafür zahlen, ist überall der gleiche. Isolation, üble Nachrede und fragiler Halt.

Natürlich sind nicht alle Quereinsteiger talentlos. Genauso wenig wie die, die ein bisschen grau und geduldig in der Schlange stehen. Es verbindet aber viele Quereinsteiger, dass sie Protektion mit Talent verwechseln und dass sie, wenn der Chef den Griff lockert, tiefer fallen, nämlich von ganz oben nach ganz unten.

Das ist durchaus eine passende Sicht: Männer und Frauen, die in die Politik gehen, spinnen Intrigen, alle wollen nach oben, alle verwenden erhebliche Energie darauf. Und Leute, die neu in das System kommen und an ihnen vorbei ziehen, die steigen in ein Konkurrenzsystem ein, in dem man versucht, diesen unberechtigt günstigen Einstieg selbst zu nutzen oder wieder auf das richtige Maß zurückzustutzen. Auch der letzte Absatz ist passend: Wer denkt, dass alles nur Talent ist, wer nicht bemerkt, dass es an anderen Umständen gelegen hat, der wird noch tiefer fallen. Dass Jenna Behrends das anscheinend gar nicht gesehen hat, dass hatte ich bereits im ersten Artikel geschrieben.

Im Fall von Jenna Behrends war es ein bisschen anders. Bei ihr kam die Protektion von dem, der sie später mit den Worten „große süße Maus“ an die Grenze ihrer Toleranz gebracht hat. Jenna Behrends hätte sich die Bemerkung verbitten können. Alternativ hätte sie darüber lachen können – so was passiert täglich tausendfach, wenn Männer und Frauen versuchen, in gestanzter Betriebsausflugsheiterkeit miteinander umzugehen.

In der Tat ist es gerade in Kontext mit ihrem Kind und dem Umstand, dass sie sich sonst „Mitte-Mädchen“ nennt, ein aus meiner Sicht eher harmloser Spruch, über dem sie gut hätte stehen können. Oder bei dem sie mit einer Bemerkung hätte deutlich machen können, dass sie nicht als „süße Maus“ bezeichnet werden will. Er hätte sich dann wahrscheinlich entschuldigt und wäre in Zukunft vorsichtiger gewesen.

Hier aber war es so, dass nicht Henkel Behrends fallen ließ, sondern Behrends, nach einem Jahr offenbar schon Parteiprofi, den Dolch zog – denn nichts anderes ist ja so ein Brief. Henkel wird dahin fallen, wo er herkommt – zurück in den Berliner CDU-Sumpf, wo er allerdings nach der missglückten Berlin-Wahl sowieso gelandet wäre.

Behrends’ Fazit geht ungefähr so: In diesem Zustand ist die Berliner CDU. Ihr Fazit ist richtig. Die Berliner CDU ist sogar in einem noch viel schlimmeren Zustand. Könnte es sein, dass Behrends ganz gut in den Laden hineinpasst?

Es gibt ja auch das Gerücht, dass man auf diese Weise Henkel und evtl andere stürzen wollte. Das wäre eine interessante Intrige. Aber auch eine riskante, gerade wenn sie weiterhin eine Affäre haben sollte. Aber auch das ist natürlich Spekulation. Es könnte genauso sein, dass sie die Maßnahmen gegen sie tatsächlich als Sexismus sah, der sie trotz ihres Talents ausbremst und am arbeiten für die Sache hindert. Dann wäre sie sehr naiv.

Das sie hier den Dolch gezogen hat, dass werden viele andere CDU-Politiker auch so sehen. Sie hat Unruhe in die Partei gebracht und sie hat deutlich gemacht, dass sie Kleinigkeiten an die Presse bringt und aufbauscht. Natürlich hat sie gleichzeitig eine gewisse Aufmerksamkeit, was direkte Aktionen gegen sie nicht möglich macht. Und sie wird vielleicht auch – für das Anstoßen einer „wichtigen Debatte“ – Unterstützer gewonnen haben. Aber ich vermute, dass einige sie vorsichtig meiden werden und ungern mit ihr zusammen arbeiten werden.

Interessant fand ich auch noch diesen Abschnitt aus einem Interview in der Taz:

Im Programm der Bundespartei stehen viele tolle Dinge. Wenn ich mir das durchlese, bin ich stolz auf meine Partei. Es ist leider noch nicht ganz durchgedrungen. Ich habe erst letzte Woche in meinem Ortsverband den Antrag gestellt, zusätzlich zum Sitzungsbeginn auch ein Sitzungsende festzulegen. Das ist wichtig, wenn zu Hause der Babysitter wartet. Man kann Dinge durchaus in anderthalb Stunden besprechen, finde ich.

Das spricht eher für eine sehr naive Sicht auf die Politik. Denn alle anderen sind eben bereit, die Sache auch über die Zeit auszufechten und Diskussionen etc zu führen. Gleichzeitig benennt sie damit wahrscheinlich einen wichtigen Faktor, der Frauen tatsächlich abhält: Politik kostet sehr viel Zeit und erfordert sehr viele Überstunden, die man von der Familienzeit abknapsen muss.

Ich erinnere mich auch an eine Politikerin, die als ihre große Weisheit sagte, dass der größte Fehler, den man machen kann, der ist, dass man meint, man kommt in der Politik weiter, wenn man früher geht. Denn sie sei oft am Anfang nach dem offiziellen Teil gegangen, die Männer noch geblieben und dam nächsten Tag hätte man ihr dann gesagt, dass man doch alles ganz anderes geregelt hätte und neue Pläne gemacht habe. Von da an sei sie immer bis zum bitteren Ende geblieben und habe selbst die entsprechenden Änderungen mitgeplant und sei dadurch vorangekommen (ich meine es war Heide Simonis, aber ich finde es gerade nicht). Politik ist nicht nett. Politik ist ein Machtspiel, in dem vieles über Beziehungen geht. Ein Sitzungsende festzulegen wird nur dazu führen, dass man die Arbeit ins inoffizielle, in die kleine Runde verlagert.