(siehe auch bei Der Doktorant)
Tag: 13. September 2016
„Die Gendertheorie ist ein kollektiver Irrtum“
Im Cicero findet sich eine interessante Kritik an den Gendertheorien:
Zur Frage der sozialen Konstruktion an sich.
Zunächst: Gemeinschaften sind keine Subjekte. Sie können nichts vereinbaren, verabreden oder konstruieren. Nur Individuen können untereinander Konventionen ausbilden. Das aber ist etwas ganz anderes.
Individuen werden in Konventionen hineingeboren. So ein Konventionskonglomerat nennen wir Kultur. Die Frage lautet also: Was ist kulturell erlernt und was nicht?
Kulturell erlernt sind zunächst alle rein kulturellen Größen: Normen, Werte, Institutionen, Regeln. Da wir solche Dinge mit Substantiven bezeichnen, behandeln wir sie sprachlich als Gegenstände. Das ist irreführend. Es „gibt“ keine Werte. Sie sind tatsächlich soziale Konstruktionen.
Bleiben Dinge oder Eigenschaften in Zeit und Raum. Theoretiker, die behaupten, unsere Realität sei durchweg konstruiert, nennt man radikale Konstruktivisten. Soziale Konstruktivisten sind nicht notwendigerweise radikale Konstruktivisten. Sie behaupten lediglich, dass es Gegenstände oder Eigenschaften gibt, die wir als natürlich wahrnehmen, obwohl sie eigentlich rein kulturell bedingt sind – etwa Krankheiten oder eben das Geschlecht.
Die Frage, wie sich das Patriarchat abspricht, um zu unterdrücken, finde ich ohnehin interessant: Im Feminismus wird gerne so getan als würden (hegemonaile) Männer als Einheit handeln und Normen festlegen, was aber in der Tat gar nicht so einfach ist. Normen entstehen aus der Interaktion von Personen, die jeweils ihre eigenen Interessen und die Interessen ihrer Freunde, ihrer Familie, ihrer Kinder und ihrer Liebhaber durchsetzen wollen. Da ist eine Verschwörung einfach so gegen Frauen gar nicht so einfach.
Zu der Frage der Abgrenzbarkeit im Geschlechterbegriff:
Soziale Konstruktivisten machen häufig den Fehler, von „nicht eindeutig definierbar“ auf „sozial konstruiert“ zu schließen. Doch so funktioniert Sprache nicht. Viele alltägliche Begriffe sind an ihren Bedeutungsrändern äußerst unscharf. Was noch eine Tasse ist und was schon ein Becher, ist manchmal nicht klar zu entscheiden. Das ändert aber nichts daran, dass die Ausdrücke „Becher“ und „Tasse“ überwiegend sinnvoll und eindeutig verwendet werden können.
Hinzu kommt, dass nicht alle Begriffe unscharf sind. Es gibt eine Reihe von Dingen, die aufgrund eindeutiger Merkmale trennscharf zu bezeichnen sind. Eine Flüssigkeit etwa, deren Moleküle aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom besteht, ist Wasser. Eindeutig.
Ähnlich sieht es mit dem Geschlecht aus. Es mag unromantisch und reduktionistisch klingen, doch die Ausdrücke „Mann“ und „Frau“ verweisen auf eine spezifische Kombination von Makromolekularen Komplexen in den Zellkernen, den Chromosomen. Damit sind Menschen eindeutig einem der beiden Geschlechter zuordenbar, und auch jene, die eine Chromosomenanomalie haben, sind eindeutig identifizierbar. Die Ausdrücke „Mann“ und „Träger von XY-Chromosomen“ sind bedeutungsgleich, egal was der Mann für Kleidung trägt oder er operativ mit sich machen lässt.
Geschlechter sind ebenso wenig eine soziale Konstruktion wie die Methode ihrer Bestimmung, auch wenn diese wissenschaftshistorisch gewachsen ist.
In der Tat sind Geschlechter sehr eindeutig biologisch konstruiert und die Zuordnung fällt in den allermeisten Fällen sehr leicht. Der Einzelfall kann komplizierter sein, die Fälle, wo dies der Fall ist, sind aber sehr selten. Teilweise beruhen die Schwierigkeiten schlicht darauf, dass man eine Vermischung von „Geschlecht“ und „Gender“ vornimmt und Personen, die körperlich einem Geschlecht zugeordnet sind, aufgrund bestimmter Verhaltensweisen nicht diesem Geschlecht zuordnen will. Sicherlich stellen dabei Transsexuelle und Intrasexuelle eine gewisse Herausforderung da, sie betreffen aber nicht das Vorhandensein von 2 Geschlechtern, sondern lediglich gewisser Ausprägungen und Vermischungen dieser. Die Geschlechter bilden eben eine „unscharfe Menge„, was aber nicht bedeutet, dass eine Zuordnung nicht möglich ist. Etwas anderes ist es, dass man Transsexuellen zugesteht, dass sie dem anderen Geschlecht zugehörig sind.
Ideologische Konstruktivisten sind genötigt, ihren Konstruktivismus-Vorwurf zu erweitern. Um etwa zu zeigen, dass das Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, muss man wiederum die Wissenschaft als Konstruktion entlarven.
Typisch für den ideologischen Konstruktivismus ist daher auch sein Entlarvungsgestus. Wie die Psychoanalyse, unterscheidet er zwischen dem oberflächlichen Schein und dessen tieferen Ursachen, die es zu demaskieren gilt. Wer dem widerspricht, bestätigt die Theorie nur, da er zeigt, wie sehr er in ideologischen Mustern befangen ist.
Wenn es ein wissenschaftliches Konzept gibt, das offensichtlich sozial konstruiert ist, dann ist es der radikale soziale Konstruktivismus selbst. Er ist ein pseudowissenschaftlicher Taschenspielertrick zu Durchsetzung (wissenschafts-) politischer Interessen. Man sollte sich nicht von ihm beeindrucken lassen.
Der Entlarvungsgestus ist interessant. Er wird von vielen Gruppen angewendet und ist häufig schlicht ein bestimmtes Framen, ein Einordnen in eine ganz spezielle Sicht. Das war schon bei Religionen so, die alles als Handeln Gottes oder Beeinflussung des Teufels gesehen haben, aber auch „Red Pill“-Ansichten können in diese Richtung gehen, ebenso wie klassische Verschwörungstheorien wie „Chemtrails“ die „Deutschland-GmbH“ der „“Reichsbürger“ oder andere Theorien dieser Art.
Es ist aber durchaus eine interessante Feststellung, dass der Genderbegriff heute tatsächlich eine Menge entgegenstehende Wissenschaft ausblenden muss und sich in der Tat dazu eines recht einfachen „Enlarvungsgestus“ bedient: Die Wissenschaft ist eben patriarchisch und dient lediglich deren Zwecken. Die weibliche Perspektive komme hingegen zu kurz. Hält man dem Kritiker dann weibliche Forscher entgegen, die genau das gleiche vertreten (was in der Biologie recht einfach ist, da diese einen sehr hohen Frauenanteil hat), dann ist es eben internalisierte Frauenfeindlichkeit dieser Frauen und sie dienen auch nur dem Patriarchat. Richtig ist nur, was ideologisch richtig ist. Alles andere ist lediglich ein Versuch der Männer ihre Macht zu erhalten.