Die Süddeutsche enthielt gestern mal wieder interessante Feststellungen:
Aggressiv, vulgär, obszön. Der Finger, wie ihn Briten und Amerikaner knapp und deutlich nennen, ist eine Beleidigung, auch im juristischen Sinn, es drohen Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Seit der Antike ist er ein beliebtes Mittel, um seinem Gegenüber die eigene Geringschätzung zu verdeutlichen. Über die Kulturgeschichte dieser Schmähgeste hat der Romanistikprofessor Reinhard Krüger ein Buch geschrieben. Die Wirksamkeit des „Stinkefingers“ erklärt er sich über die klare Signalwirkung der Geste als sexuelles Symbol. Der ausgestreckte Mittelfinger stellt den erigierten Penis dar, es geht – wie so oft – um Dominanz, um die Frage, wer den größeren hat. Ein Vergleich der Stellvertreter also, der schon bei den römischen Gladiatoren beliebt war.
Das der Finger den Penis entspricht scheint eine der üblichen Deutungen zu sein, die so auch in der Wikipedia zu finden ist. Sexuelles und obszönes bot sich schon immer an für Beleidigungen, weswegen „Fick dich“ wohl auch die Worte sind, die heute mit den Zeigefinger gern verbunden werden.
Interessanter finde ich dann die folgende Deutung:
Der Mittelfinger ist eine eindeutig sexualisierte Geste. Der Mittelfinger ist auch eine eindeutig männliche Geste. Sicher, Hollywood-Star Elizabeth Taylor grüßte aufdringliche Paparazzi mit ausgestrecktem Mittelfinger und auch Rapperin M.I.A. unterlegt ihre politischen Botschaften gerne mit eindeutigen Fingerspielen. Aber erlebt man außerhalb der Kunstszene wirklich viele Frauen, die sich dieser Geste bedienen? Nein, denn der „Stinkefinger“ ist nicht mehr nur eine aggressive Dominanzgeste. Er ist in seiner postmodernen Variante vielmehr eine Geste der Hilflosigkeit. Eine Geste der Hilflosigkeit weißer alter Männer.
Ich finde es faszinierend wie hier auf eine völlig unnötige Weise und auch quasi ohne Argumente eine Abwertung des Lieblingsfeindbildes erfolgt, des „weißen alten Mannes“. Als Argument – bei bereits erheblicher Dehnung dieses Wortes – wird dabei lediglich angeführt, dass Frauen diese Geste weniger verwenden. Frauen mögen vielleicht allgemein weniger zu obszöner Sprache neigen, aber ist das für diese Reduzierung auf Männer ein Argument? Für die frechere rebellische Frau ist der „Stinkefinger“ wahrscheinlich sogar eher die Geste der Wahl:
Ich finde es interessant, dass er eine Geste, die bei den antiken Griechen und Römern entstanden ist nunmehr einfach so zu einer weißen Geste erklärt, und auch, wie er darauf kommt, dass es eine Geste alter Männer ist wäre interessant: Üblicherweise dürften gerade Ältere die Geste für wesentlich unanständiger halten als jüngere und sie daher nicht verwenden.
Es ist insofern ein billiger Aufhänger, der dazu dient, Sigmar Gabriel, der eben ein „alter weißer Mann“ ist, abzuwerten. Und ihn dieser Gruppe zuzuordnen und die Geste mit dieser Gruppe in Verbindung zu bringen, dass scheint für den Autoren bereits alles an Abwertung zu enthalten:
Wer einem anderen den Mittelfinger zeigt, der hat keine Argumente mehr. Er distanziert sich ganz ironisch von einem Konflikt, er macht sich unangreifbar und ist doch eigentlich verzweifelt.
Wie er darauf kommt, dass das so sein muss, was sein Argument dafür ist, aus dem er seinen Schluss herleitet, dass legt er leider nicht dar: Es ergibt sich wahrscheinlich irgendwie aus dem Zusammenhang damit, dass Sigmar Gabriel eine Geste für alte weiße Männer verwendet, denn die haben eben keine Argumente mehr und sind verzweifelt. Das es einfach eine Geste ist, die Ablehnung signalisiert, auch weil Sigmar Gabriel schlicht deutlich machen wollte, dass er Nazis ablehnt, und kaum mit ihnen diskutieren wird, dass kommt anscheinend dem Autoren nicht in den Sinn. Man diese Geste von einem Politiker und ihre Angemessenheit sicherlich diskutieren, aber warum muss man von einem Signal der Ablehnung von Nazis dazu kommen, dass der sie verwendende wegen seiner Hautfarbe, seinem Alter und seinem Geschlecht abgelehnt wird?
Mich erstaunt einfach mit welcher Unbekümmertheit und Selbstverständlichkeit eine große Tageszeitung wie die Süddeutsche eine solche Abwertung über die Gruppe „Mann“ bei sich aufnimmt und was dort einfach so daran festgemacht werden kann, ohne das man wirklich Argumente verwendet.
Gut, die Prantl-Prawda war schon immer ein unerträgliches Käseblatt. Allerdings ist es schon auffallend, wie unreflektiert linke, amerikanische Analysen und rassistische Weltbilder auch in Deutschland Einzug halten. Könnte man das Weißen-Bashing in den USA noch als als postmoderne Variante des amerikanischen Kulturkriegs deuten, ist er hierzulande, mit einer Bevölkerung von 95 Prozent Weißen, geradezu masochistisch obszön.
Dass (ältere) Männer angegriffen werden, daran hat man sich ja mittlerweile gewöhnt.
Dekadenz in Reinkultur.
@Adrian
Du schreibst, „hierzulande, mit einer Bevölkerung von 95 Prozent Weißen,“ sei dies Gerede „geradezu masochistisch obszön.“
Eigentlich ist es noch schlimmer.
Es zeigt m.E. vor diesem Hintergrund a. ein ausgeprägtes Desinteresse an der tatsächlichen Zusammensetzung der hiesigen Gesellschaft bei der Wahl seiner Argumente.
Denn vor dem Hintergrund unserer Gesellschaft sind diese – wie du richtig schreibst – absurd.
Es zeigt b. ein *plagiatorisches* Interesse an Diskursen, die aus den USA stammen, ohne deren gesellschaftliche Hintergründe zu verstehen.
Viele hier im Forum werfen der Linken antiamerikanische Ressentiments vor – die andere Seite der Medaille ist jedoch die naive Überzeugung, was aus den USA kommt sei irgendwie „neu“ und „modern“ (Kennt ihr das noch? „Jetzt neu! Aus USA!“).
Somit ist c. in *dieser* denkfaulen Gedankenwelt „copy and paste“ angemessen (doppelt: sie kopieren aus den USA und schreiben dann voneinander ab).
Immerhin werden einige Begriffe sogar eingedeutscht – bei den „GAAAANZ neu aus USA“, wie „hate speech“ geben sie sich noch nicht einmal Mühe.
Sicher könnte man den Zeitdruck für Journalisten und die Erfordernisse des „clickbait“ als Entschuldigung heranziehen.
Aber ist es nicht auffällig, dass die Schwarmblödheit immer in Gestalt der poststrukturalistisch-feministischen Ideologie auftritt?
Wenn ich nun a-c zusammen betrachte, dann hat das nichts mit „Dekadenz“ zu tun, sondern mit einer dummdreisten Arroganz der Macht.
Die dahinter steckende Haltung ist m.E.: „Intellektuell wird gefressen, was auf den Tisch kommt! Und das bestimme ich.“
Nicht ganz zufällig immunisiert die poststrukturalistisch-feministischen Ideologie gegenüber Kritik.
Das ideologische Angebot lautet in diesem Fall: „Wie recht du mit deinem Artikel hast zeigt doch gerade die Kritik! Dass der alte, weiße Mann so bald wie möglich sterben soll, wird er sich doch widerspruchsfrei sagen lassen müssen!“
Leszek hat geschrieben, diese POMOL (postmoderne Linke) seien nützliche Idioten und diese Einschätzung teile ich.
So lange es „moralisch gerechtfertigt“ ist, Menschen wegen ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe herabzusetzen, kommt diese Gesellschaft von Sexismus und Rassismus nicht los.
D.h. POMOL haben in meinen Augen eine Funktion, nämlich genau diese.
Wer andere Menschen auf Basis biologisch invarianter Merkmale der gesellschaftlichen Verachtung und Erniedrigung preis gibt, ist ein inhumaner Biologist, Rassist und Sexist.
Aber nie und nimmer Linker.
Gruß crumar
„Aber nie und nimmer Linker.“
@Adrian
Seit wann ist Eigen- und Fremdwahrnehmung denn identisch?
Nur weil du *glauben willst*, was sich als „links“ vorstellt sei auch links, müssen alle anderen deine religiösen Überzeugungen doch nicht teilen.
Entweder es gibt Kriterien, nach denen eine politische Orientierung festgestellt werden kann oder jeder pappt sich einfach irgendein label auf.
Wenn du unter einer liberalen oder libertären Fahne läufst und dich dann für Zensur einsetzt, würde ich ebenfalls nachhaken, wie glaubwürdig deine vorgetragene Gesinnung eigentlich ist.
Deshalb stellte ich fest:
„Wer andere Menschen auf Basis biologisch invarianter Merkmale der gesellschaftlichen Verachtung und Erniedrigung preis gibt, ist ein inhumaner Biologist, Rassist und Sexist.
Aber nie und nimmer Linker.“
Wenn ein paar Karrieristen und Opportunisten den Sommerschlussverkauf für linke Prinzipien und Ideale einleiten, dann lasse ich mir das nicht als mein Problem oder das meiner Überzeugung andrehen.
Gruß crumar
„Könnte man das Weißen-Bashing in den USA noch als als postmoderne Variante des amerikanischen Kulturkriegs deuten, ist er hierzulande, mit einer Bevölkerung von 95 Prozent Weißen, geradezu masochistisch obszön.“
Im Ausland ist es mittlerweile auch nicht ohne, zu sagen, dass man Deutscher ist. Dann sieht man sofort entgeisterte Gesichtsausdrücke und Haare Raufen
@crumar
Das stimmt. Es geht nicht mehr um Argumente, es geht um ideologische Stellung und Diffamieren.
Vor Allem finde ich es interessant, weil die, die immer sagen, dass sie holier than thou sind, zeigen, dass sie kein Stück besser sind, als die, die sie bekämpfen.
Bei einem Auftritt von diesem Milo Yaniadopolous haben sie z.B versucht, eine Menschen-Mauer zu bilden, um die Gäste von dem nicht rein zu lassen (sind aber gegen Grenzen und Mauern).
Oder sie schreien dazwischen, hauptsächlich wüste Beleidigungen, und lassen einen nicht ausreden, sind aber für free speech usw.^^
Im Grunde ist das doch wirklich eine der letzten Stufen bevor man sich tatsächlich an die Gurgel geht oder nicht?
allerdings finde ich offfen aggressive sjw immer noch besser als solche
@Atacama
Ich habe mir alle Auftritte von Milo an den US-Universitäten angesehen und der Zustand der *postmodernen Linken* in den USA ist anscheinend ein Desaster.
Dass Milo unverfroren sagen kann, diese postmoderne Linke sei denkfaul und hätte keine auf Fakten basierende Argumentation gegen ihn zu bieten liegt offensichtlich daran, dass dies zutrifft.
Milo ist ein (rechts-) libertärer Provokateur und kann natürlich in dieser Rolle nur wirken, weil er offensiv schwul auftritt und schwarze Liebhaber bevorzugt.
Die liebsten „Argumente“ gegen eine Mann, er sei homophob oder rassistisch gehen also offensichtlich ins Leere.
Wer das gegen ihn verwendet, macht sich lächerlich.
Damit wendet er die Identitätspolitik der postmodernen Linken gegen diese selbst.
Gruß crumar
„und schwarze Liebhaber bevorzugt.“
Das muss nichts heissen.
Wenn er oben liegt = Kolonialistische Reininszenierung der gewalttätigen Dominanz des weißen Mannes über den farbigen.
Wenn er unten liegt = exotistische Nutzung des „Wilden Mannes“ ohne ihm gleichberechtigte Partizipation an der Gesellschaft bieten zu wollen. Ein Zuchthengst, den man in de Stall stellt, wenn man wieder in die gehobene Gesellschaft zurück möchte.
@Atacama
Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut wir alle inzwischen diese Denkweise und den Jargon drauf haben.
An dich ein sattes Kompliment!
Kafka-trapping vom feinsten! 🙂
Gruß crumar
Wenn, dann ist das die Geste der alten, weißen Männer. 😀
(verflixt, wie embedded man hier Medien im Kommentar?)
Arsch hinhalten ist als Geste des Spottes auch interessant. Sexuell dürfte sie ja wohl kaum sein (für mich schon).
Was hat es damit auf sich?
Wikipedia weiß es nicht.
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Mooning
Slate behauptet, der erste historisch belegte Mooning Fall sei eine Furz-Geste gewesen.
http://www.slate.com/blogs/browbeat/2012/06/27/mooning_a_history_when_did_people_start_baring_their_butts_as_an_insult_.html
Find ich plausibel
Ja, das ergibt Sinn.
Da siehste Mal, wie schwul ich denke 😁
Es könnte ja auch sein, mit der Bedetung „Den krisste nich :-p“, nur die Feulletonisten denken nicht schwul genug.
Von Hokusai:
Fart-War
Es fängt ja meist mit Stinkefinger an oder einer Geste die an der geistigen Zurechnungsfähigkeit des Gegenübers zweifeln lässt.
Irgendwann kommt dann „Arschloch“ oder „Leck mich am Arsch“ noch besser funzt das N-wort.
Aber, Adrian, wo wir schon beim Thema sind, wie findest Du den Ausdruck „Für den würde ich mir nicht den Arsch aufreißen“ (kleiner Tipp: stammt von den alten Kriechen).
🙂
Kommt drauf an, wer es sagt.
nochwas:
Wurde gestern im Qualitäts-tv besprochen und als Geste von einer öffentlichen Person mit Verantwortung als inakzeptabel angeesehen.
Bei Gabriel wurde die Geste verteidigt weil er sie gegen Neo-nazis richtete.
Ich dachte immer Stinkefinger kommt von Petting. Also ist damit wohl die fehlende Hygiene der Frau an sich gemeint. Vor allem alte weise Männer haben allzuoft diesen Käse-Fisch-geruch erdulden müssen. Also eher eine Geste der Hilflosigkeit fehlender Hygiene gegenüber…. 😉
Uff geht doch ……. 😦
Heute auf 3sat 20:15h WUNDERWERK PENIS
https://www.kaffee-netz.de/proxy.php?image=http%3A%2F%2Fup.picr.de%2F23913603ar.jpg&hash=3f050fdc31bb0f4dde25ee6024e9ce52
Im Grunde auch eagl ob weiße alte Männer diese Geste in der Realität am häufigsten machen oder nicht. Behauptet wird es sowieso.
Ob es nun ums Lügen geht oder darum wer mehr „frauenfeindliche“ Kommentare im Internet ausspuckt, wenn Männer und speziell weiße Männer das machen ist das viel schlimmer.
Man muss sich nur mal diesen Text hier ansehen:
https://www.theguardian.com/commentisfree/2015/jun/05/women-lie-untruths-human
Studien zeigen Frauen lügen häufiger. Der Text will das relativieren, Frauen sind einfach netter. Würde die Studie zeigen das Männer diejenigen sind, die häufiger lügen, würde der Text von der verlogen
des Natur des Mannes handeln.
Oder bei Kindesmord durch die Mutter wird sich gefragt warum die das tat und wo war der Vater? Ist der Vater der Täter, wird gefordert endlich was gegen Männergewalt zu unternehmen.
Ist halt ein Doppelstandart. Feministen und SJWs habe da ja auch extra eine Theorie zu entwickelt damit man sexistisch und rassistisch gegen Weiße Männer sein kann ohne das man als Rassist oder Sexist bezeichnet wird.
Da führt dann dazu das diese Leute, die ständig Hass versprühen, diesen Hass bei sich selber nicht mehr als das wahrnehmen als was es ist.
@Adrian
Black Lives Matter protestieren jetzt auch schon in Schweden.
Nun ja, Black Lives Matter ist ne rassistische Terrorgruppe, denen es um Aufmerksamkeit geht.
Der Guardian Artikel ist ja geil:
Der Rest ist kein Stück intelligenter. Wusste gar nicht, dass Semikolon für den Guardian schreibt.
Nenene, der alte weiße Mann ist nicht mehr das Hauptfeindbild. Es taucht immer mal wieder auf, wenn es um alte Griechen und erigierte Penisse geht, obschon bei alten Männern die Erektion eher chemischen Ursprungs ist. Hehe
Aber das echte Feindbild sind die jungen Anti-Feministen, Komtenträumer und TOR-Netzwerk-machos, Wikileaks-ficker mit chemiefreien Erektionen.
Was mir wirklich Angst macht sind die vielen künstlich angelegten Fichtenwälder mit ihren erigierten Stämmen, und das nicht nur zur Sommerzeit sondern auch zur Winterzeithaben sie das Christfest phallisiert. Schon der Weg zur Christmette mit dem erigierten Kirchturm triggert mega http://gabriele-uhlmann.de/wordpress/der-turm-ein-phallussymbol/
Es soll unübersehbar ein neues Feindbild aufgebaut werden, und das von Leuten, die selber weiß sind, als wenn man durch den gebrauch dieses Vokabulars zum Schwarzne ehrenhalber würde.
Wird man aber nicht; die Schwarzen verachten solche Leute, die sich selber zu ihrem Sprecher ehrenhalber ernennen.
Der Autor:

Julian Dörr, geboren 1988, aufgewachsen im Saarland. …. Hat in Mainz Publizistik und Filmwissenschaft studiert. … Zwischendurch immer mal wieder Kaffee gemacht. … Liebt nur eine Sache mehr als Pop und das sind: dicke Katzen.
niedlich
Das scheint die Assoziation zu sein, auf die er aus ist.
anbiedernd
Wenn man den Text liest.
Ich weiß jetzt gar nicht, ob ich das Foto oder seine (Selbst-)Beschreibung lächerlicher finden soll.
Ich finde, es ist ein Gesamtkunstwerk und hat es dadurch verdient, hier rezipiert zu werden.
Ja, der gute alte Ned sieht ähnlich aus, ist mir aber mit all seinen Macken wesentlich sympathischer als der billige Rassist und Sexist Dörr.
Hm.
Also als ich kürzlich die Standpunkte von Philip Davies zusammenstellte, wurde mir u.a. von euch beiden vorgeworfen, unsachlich und vom Thema abschweifend zu sein („Nebelbomben“ nannte david das glaub ich).
Aber bei dem Autor ist das jetzt was anderes?
Ah! Natürlich! Er ist Feminist und mag Katzen. Klar. Hätt ich drauf kommen können.
Hm.
Wenn du die Befürworter von Männerrechten „menschliche Totalausfällen“ und Wichser nennst und die feministischen „menschlichen Totalausfällen“ nicht erwähnst, kann man das doch schon als Vernebelung bezeichnen. Wenn man so lieb ist, wie ich.
Aber was hat das jetzt damit zu tun? Wir haben ihn nicht als menschlichen Totalausfällen (vielleicht ist er das ja, wer weiß) bezeichnet und auch nicht als Wichser. Dass er Rassist und Sexist ist, ist ja klar, wenn er alte weiße Männer runtermacht. Und sein Foto wie auch seine Beschreibung werden sicherlich noch viele andere lächerlich finden.
Du hast Davies‘ Biografie zitiert statt inhaltlich auf seinen Vortrag einzugehen.
Ich habe Dörrs Selbstdarstellung ergänzend zitiert.
Du hast Davies Biografie zitiert, um vom Inhalt seines Vortrags abzulenken. Ich habe Dörrs Selbstdarstellung zitiert, um zu zeigen, dass zwischen seiner Inszenierung und seinem Artikel keinerlei Widerspruch zu finden ist.
Ein deutscher Borat …?!
@Christian
schöne Bilderstrecke, btw.
Den würde ich noch nachreichen wollen:

Ein dicker alter weißer Kater und von Julian Dörr geliebt.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Beitrag von mir einstellen, den ich vor längerem in einem anderen Forum geschrieben habe. Dreht sich um Critical Whiteness.
Man sollte sich bei Bewertung der ganzen “Critical Whiteness“-Geschichte immer wieder vor Augen halten, dass es sich um ein spezifisch amerikanisches Konzept handelt, das von WEIßEN amerikanischen Theoretikern (die beiden Hauptvertreter, David Roediger und Noel Ignatieff sind jedenfalls weiß) entwickelt wurde, um bestimmte konkrete Fragen zu beantworten. In erster Linie ging es darum, zu erklären, warum es in der Geschichte der amerikanischen Arbeiterbewegung nie zu einer Verbrüderung oder auch nur Kooperation von weißen und schwarzen Proletariern gekommen ist, und in zweiter Linie darum, zu erklären, warum seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts so viele weiße Arbeiter Reagan und Bush gewählt haben.
Diesen Ansatz auf die Situation in Deutschland zu übertragen ist, denke ich, völlig verfehlt, denn:
“In moving beyond a binary treatment of race, it is important to keep in mind that African Americans‘ experience of race differed qualitatively from that of other ethnic groups because of the involuntary nature of their immigration, their enslavement, and the unparalleled virulence of the racism directed against them.”, so der Historiker Peter Kolchin.
https://pantherfile.uwm.edu/gjay/www/Whiteness/kolchinreviewessay.htm
Das ist der entscheidende Punkt. In den USA kommt niemand auf die Idee, einen Schwarzen zu fragen, wo er herkommt oder wo er sein gutes Englisch gelernt hat, weil alle wissen, dass die Schwarzen seit Jahrhunderten im Land sind und nicht freiwillig hergekommen sind. Die ach so kränkende Erfahrung, die deutsche „PoC“ mit diesen Fragen machen, bleibt ihnen also erspart. Andererseits gibt es in den USA inzwischen durchaus eine (wenn auch nicht sehr große) schwarze Mittelschicht, schwarze Unternehmer und konservative bis reaktionäre schwarze Politiker und Richter, usw., die so in Deutschland natürlich fehlen. Und letztere haben durchaus ein Interesse daran, dass die schlechte Situation der schwarzen Mehrheit nicht durch politökonomische Analysen erklärt wird, sondern durch den „Rassismus“ der Weißen
.
Entsprechend werden die „Whitenesss-Studies“ von schwarzen Linken in den USA heftig kritisiert. Zwei Beispiele: Adolph Reed, Politologe von der Universität Pensylvania:
“Insistence on the transhistorical primacy of racism as a source of inequality is a class politics. It’s the politics of a stratum of the professional-managerial class whose material location and interests, and thus whose ideological commitments, are bound up with parsing, interpreting and administering inequality defined in terms of disparities among ascriptively defined populations reified as groups or even cultures. In fact, much of the intellectual life of this stratum is devoted to shoehorning into the rubric of racism all manner of inequalities that may appear statistically as racial disparities.”
http://nonsite.org/editorial/django-unchained-or-the-help-how-cultural-politics-is-worse-than-no-politics-at-all-and-why
Oder Barbara Fields. Historikerin von der Columbia-University:
“By its insistence upon marking and naming and making visible, whiteness scholarship first strews race and races everywhere and then, mirabile dictu, discovers them everywhere. Race then becomes so ubiquitous as to lose determinate shape. …
As an organizing concept, whiteness leads to no conclusions that it does not begin with as assumptions. Whiteness is a racial identity; therefore, white people have a racial identity. Whiteness equals white supremacy; therefore, European immigrants become white by adopting white supremacy. Whiteness entails material benefits; therefore, the material benefits white people receive are a reward for whiteness.“
Klicke, um auf barbara-fields-article.pdf zuzugreifen
Oder besonders gut hier:
“Probably a majority of American historians think of slavery in the United States as primarily a system of race relations—as though the chief business of slavery were the production of white supremacy rather than the production of cotton, sugar, rice and tobacco.”
“Those who create and re-create race today are not just the mob that killed a young Afro-American man on a street in Brooklyn or the people who join the Klan and the White Order. They are also those academic writers whose invocation of self propelling ‘attitudes’ and tragic flaws assigns Africans and their descendants to a special category, placing them in a world exclusively theirs and outside history—a form of intellectual apartheid no less ugly or oppressive, despite its righteous (not to say self-righteous) trappings, than that practised by the bio- and theo-racists; and for which the victims, like slaves of old, are expected to be grateful. They are the academic ‘liberals’ and ‘progressives’ in whose version of race the neutral shibboleths difference and diversity replace words like slavery, injustice, oppression and exploitation, diverting attention from the anything-but-neutral history these words denote. They are also the Supreme Court and spokesmen for affirmative action, unable to promote or even define justice except by enhancing the authority and prestige of race; which they will continue to do forever so long as the most radical goal of the political opposition remains the reallocation of unemployment, poverty and injustice rather than their abolition.”
Klicke, um auf fields.pdf zuzugreifen
es handelt sich also um ein eindeutig auf amerikanische Verhältnisse bezogenes Konzept, dass nichts mit Rassismus in Europa zu tun hat.
@Mocho
„… ein eindeutig auf amerikanische Verhältnisse bezogenes Konzept, dass nichts mit Rassismus in Europa zu tun hat.“
Dieses Urteil sticht nicht. Zwar wurde CW zum guten Teil auf die US-Verhältnisse bezogen „erfunden“. Aber das Dogma, dass die „Weissen“ allesamt „kolonialistische Unterdrücker“ sind, kann genausogut auf jeden Europäer wie US Amerkaner angewendet werden. Fast nochmehr übrigens auf jeden Israeli, die Ursprünge der CW liegen im antikolonialistischen „Antizionismus“, der die allerschlimmste Art des europäischen, weissen Kolonialismus darstellen würde und als Grundgedanke hinter den ganzen antisemitischen Äquivalenzen mit „Nazis“, „Apartheit“ steht.
Wie auch im klassischen Rassismus von damals wird also dem Hass auf Juden ein besonderer Platz eingeräumt, was die geschichtliche Parallelität zum „progressiven“ Rassismus gegen die „Weissen Männer“ besonders unheimlich macht.
Wie verblendet muss man eigentlich sein, diese Parallele auszublenden und den neuen Rassismus noch als „Antirassismus“ hinzustellen?
Demjenigen, der schon den Sexismus des Feminismus als „Antisexismus“ sieht, dürfte das mit diesem Rassismus jedenfalls reinlaufen, ist ja das gleiche Schema – die Zwillingsschwester.
Zitiere mein Post von oben: „African Americans‘ experience of race differed qualitatively from that of other ethnic groups because of the involuntary nature of their immigration, their enslavement, and the unparalleled virulence of the racism directed against them“.
Ich denke das trifft schon wesentliches. Schwarze (oder andere „Persons of Color“) in Deutschand sind in den letzten 30 – 40 Jahren ins Land gekommen, entweder als Flüchtlinge oder als Partner von Deutschen. Eingeführte Sklaven gab es in D niemals; es geschah alles nach dem III. Reich und der daraus resultierenden generellen Ablehnung des Rassismus. Farbige Deutsche beschreiben es als besonders kränkend, wenn sie in D gefragt werden, wo sie herkommen oder wo sie ihre gutes Deutsch gelernt haben? Psychologisch durchaus verständlich, wenn man hier gebohren ist und Deutsch als Muttersprache hat. In 20 – 30 Jahren wird niemand mehr solche Fragen stellen.
„White Privilege“ biete eine Erkärung dafür, warum arme Weiße in den USA sich nie mit armen Schwarzen solidarisch verhalten haben: Bei aller Armut haben sie immer noch die bessere Hautfarbe, und die amerikanische Rechte appelliert immer noch nicht ohne Erfolg daran, s. Affirmative Action usw.
Es gibt sogar ein Buch mit dem Titel „How the Irish became white“, das die Tatsache zu erklären versucht, dass irische Einwanderer in den USA praktisch genauso diskriminiert wurden, wie Schwarze (was der Theorie ja wiederspricht).
Das ist wie gesagt alles ein ganz anderer Kontext, und um so unangemessener ist die Übertragung dieser Theorie auf europäische Verhältnisse.
ich habe aber mal einen Kupferstich von Dürer gesehen, „Die Mohrin Katharina“. Es muss also sie also auch in Deutschland gegeben haben.
http://thumbs.imagekind.com/2345918_450/Portrait-of-Mohrin-Katharina.jpg?v=1400526849
„Farbige Deutsche beschreiben es als besonders kränkend, wenn sie in D gefragt werden, wo sie herkommen oder wo sie ihre gutes Deutsch gelernt haben? “
Ok, aber würde man mich das in Afrika nicht fragen, wenn ich perfektes Suaheli sprechen würde? Weil ich da geboren bin?
Ich glaube, wenn ich einen Menschen mit slawischen Gesichtszügen danah frage und er dann sagt, dass die Eltern halt Tschechen sind, würde der wohl nicht so beleidigt sein, oder?
Ja natürlich, in den USA kommt wie gesagt niemand auf die Idee, einen Schwarzen zu fragen, wo er herkommt oder wo er sein Englisch gelernt hat,
Aber bei uns ist das (noch) anders. Als ich in die Schule kam, gab es nur weiße Deutsche in der Klasse (und im Viertel und in der Stadt). Nach ein paar Jahren hatte ich dann einen Spanier und einen Griechen dabei, und in der Realschule gab es dann auch schon Türken usw.
Wenn ich heute morgens mit der Bahn zur Arbeit fahre, sehe ich die Schüler, Deutsche, Türken (bzw. Deutschtürken), Asiaten und Schwarze. Alle sprechen das gleiche Deutsch und kleiden sich gleich, und sie gehen ungezwungen miteinander um. Diese Generation wird solche Fragen nicht mehr stellen, weil sie es aus eigener Erfahrung besser weiß.
Und alles ohne Hilfe selbsternannter Antirassisten.
@Mocho
Das mit der „Whiteness“ ist ein Produkt des Schwarms der „postmodernen Dekonstruktionen“ des westlichen Gesellschaftsverständnisses.
Der Vorläufer der „Critical Whiteness“ ist der „Postkolonialismus“, der aus dem marxistisch/kommunistischen „Antiimperialismus“ (natürlich nur auf den bösen Westen gemünzt) entstand und den Westen als böse Imperialismus darstellen sollte (und das Sowjetmachstreben als personifizierte Unschuld und Abwehrhaltung dagegen). Das fing mit Israel an und später wurde das auf den ganzen Westen erweitert, wobei eine „revolutionäre Mobilisierung“ der „Schwarzen“ in den USA versucht wurde, Black Panthers & heute Black Lives Matter sind deren Resultate.
Der sogenannte „Intersektionalismus“ wurde nicht erst neulich erfunden, sondern ist von Anfang an Realität der vom Vorbild der Sowjetunion inspirierten Linken seit Ende der 1960er gewesen!
Feminismus, Antikolonialismus, jetzt dafür Anti-Weissheit und von Anfang an Anti-Zionismus und Islamophilie sind alle nur Ausdrucksformen der gleichen politischen Grundeinstellung.
@El_Mocho und @Alex
El_Mocho zuerst:
Herzlichen Dank für deinen aufklärerischen Beitrag!
Aber man sollte m.E. die „Progressiven“ in den USA auch nicht rundweg verdammen und sich bewusst machen, wie institutionell abgesichert der Rassismus in den USA war, lange nachdem die Sklaverei abgeschafft worden ist.
Meines Wissens gab es noch bis Ende der 60er Bundesstaaten, die „gemischtrassige“ Ehen verboten haben.
Dann sollte man auch nicht vergessen, wie perfide der Feminismus die schwarze Bürgerrechtsbewegung gekapert hat und auch verbal enteignet: racial segregation > gender secregation, marriage is *slavery*. Es traute sich niemand mehr die Frauenförderung, Frauenförderung und Frauenförderung zu kritisieren, die affirmative action geworden war.
Dann zu Alex:
Die zeitliche Abfolge deiner Hypothesen passen nicht.
Die Postmodernen Ideologen begannen erst Ende der 70er an Einfluss zu gewinnen.
Da hatten sich imperialistische Theorien schon insofern an Einfluss verloren, als nach dem 2. Weltkrieg eine ganze Reihe von Ländern ihre Kolonialherren loswerden konnten und unabhängig wurden.
Dann zum „Anti-Zionismus“; ich nehme dir ab, dass du mehr über den Zionismus weißt als der Durchschnittsdeutsche, aber hier geht mir bei dir unter, es handelt sich um eine politische Ideologie, die ein Spektrum von ganz links bis ganz rechts aufweist.
Du bist doch kein Revionist, oder?! 😉
Diejenigen, die „Anti-Zionismus!“ brüllen können sich in der Regel darauf verlassen, dass die Anti-Zionisten keine Ahnung haben, gegen was sie eigentlich sind.
Mich beunruhigt etwas, dass hier wieder haargenau derselbe Gewöhnungseffekt eintritt wie bei „Antisemit!“.
Nachdem die Antideutschen und Pro-Israelis diesen Vorwurf inflationär (und durchaus als politische Waffe) eingesetzt hatten, war er irgendwann nichts mehr wert.
Gruß crumar
@crumar
„Die zeitliche Abfolge deiner Hypothesen passen nicht.
Die Postmodernen Ideologen begannen erst Ende der 70er an Einfluss zu gewinnen.“
Die Linke entdeckte den „Postmodernismus“ als Begriff für sich recht spät, vorher nannte man das nur nicht so. So ein Vorläufer war zB der „Existenzialist“ Satre, der den „Antikolonialismus“ /“-imperialismus“, zur unbedingten angeblich linken, kommunistischen Sache popularisierte.
Satre würde wenigstens ich unbedingt als „Postmodernisten“ ansehen, der Relativismus des „Existenzialismus“ wäre das Entscheidene. Seine Gefährtin, die für den Feminismus zuständig war, sehe ich nicht anders.
Die zeitliche Verzögerung, dass die linke, postmoderne Ideologie erst später in Erscheinung tritt liegt halt daran, dass Ideologie hinter der gelebten Praxis der Ideen so häufig hinterherhinkt. Hier wäre als „antikolonialistisches“ Schlüsselwerk dann vielleicht das erst 1978 Buch „Orientalismus“ von Said zu nennen. Erst viel später wurde das zur allgemeinen „critical whiteness“, die ganze „weisse Zivilisation“ als Hort des Bösen hinzustellen.
Der sogenannte Antizionismus war von Anfang an nichts weiter als bemüht maskierter Antisemitismus und hier nahm alles seinen Anfang mit der „postmodernen Linken“.
Die Bürgerechtsbewegung war ausserdem kein homogener Block, sondern völlig heterogen. Bezeichnenderweise musste sich zB der ML King mit diesem Phänomen des „neuen“ Antisemitismus schon seit Anfang rumplagen. Ganz einfach, weil eine kleine Minderheit der Bürgerechtsbewegung den kommunistischen Vorgaben folgte (1967, Sechs-Tage-Krieg -> Israel ist die Vorbastion des westlichen Imperialismus und die islamische Welt ist unser Verbündeter), der entscheidene Impulsgeber der postmodernen Linken.
„Nachdem die Antideutschen und Pro-Israelis diesen Vorwurf inflationär (und durchaus als politische Waffe) eingesetzt hatten, war er irgendwann nichts mehr wert.“
Es wird doch fast jeden Tag deutlicher, dass diese Einschätzung komplett richtig war und ist.
@Alex
Hmmmm…
Die „Linke“ „entdeckte“ für „sich“ den Postmodernismus erst „spät“?
Ok. In WELCHER Galaxie?
In meiner, LINKEN Galaxie dachte ich, mit der Sokal-Kritik wäre DIE erledigt gewesen.
MEINE Irritation speist sich aus dem Umstand, dass dem nicht so war.
DIESE „Irritation“ ist Pi mal Daumen 21 Jahre alt.
Gruß crumar
Postmoderne war immer auch horror vacui der Linken. Das ist keine enthusiastische Eigenbeschreibung.
„In meiner, LINKEN Galaxie dachte ich, mit der Sokal-Kritik wäre DIE erledigt gewesen.“
An den meisten sich irgendwie links fühlenden ist das bestimmt vorbeigegangen. Das war auch weniger eine politische, sondern eine wissenschaftliche Angelegenheit. Und wie das immer so ist, die „Geisteswissenschaftler“ haben das weitgehend ignoriert. Nur unter Naturwissenschaftlern und natürlich besonders Rationalisten ist Sokal ein Fixstern am Himmel.
Die Produktion von „WIssensschaft“ a la Sokal, geradezu eine ungewollte Parodie darauf und völlig unhinged läuft heute full throttle:
Und alles steht unter einer linken Agenda des Handelns zur Verbesserung dieser Welt und aller Aspekte des Lebens! Weitgehend unangefochten und als Wissenschaft von „der Politik“ und allem anerkannt.
Leider hat Sokal nichts erreicht. Dass die Postmoderne ein intellektueller Rohkrepierer war, darüber sind wir uns ja wohl einig. Und dass es in keiner Weise „links“ sein kann, wohl auch.
@Alex
Noch einmal zu deinen Thesen aus einem vorigen Kommentar:
„Der sogenannte Antizionismus war von Anfang an nichts weiter als bemüht maskierter Antisemitismus und hier nahm alles seinen Anfang mit der „postmodernen Linken“.“
Zunächst einmal ist *eine These*, es gäbe einen „sekundären Antisemitismus“, der sich hinter dem Anti-Zionismus verbirgt.
Und wie so oft gilt auch hier, der Nachweis muss erbracht werden, dass dies im Einzelfall zutrifft.
Einfach global zu unterstellen, „Wer auch immer den Zionismus kritisiert, ist auch Antisemit!“ führt zur erstens zur Frage, ob diejenigen Juden, die den Zionismus *praktisch* kritisieren, indem sie die Gelegenheit NICHT nutzten nach Israel auszuwandern demnach alle Antisemiten sind (oder „selbsthassende Juden“).
Ich verwende diese Zuspitzung, um die (politische) Unterstellung zu demaskieren: Judentum=Zionismus.
Diese ist a. offensichtlich *falsch* und *unwahr*.
Daher unterstelle ich b. dieser Unterstellung politisch motiviert zu sein, insofern hier Zionismus als *das* jüdische Projekt an sich ausgegeben wird, was es nicht ist und nie war.
Zweitens ist das unverdächtige Gerede über „den Zionismus“ die Unterstellung eines politisch monolithischen Blocks und wir beide wissen, das ist grober Unfug.
„Der“ Zionismus war politisch weitgehend links bis Ende der 70er und wurde danach von der politisch Rechten übernommen.
Ebenso wie die Regierungspolitik Israels mit dem Antritt von Begin.
Aktueller hat Netanjahu nie (und auch öffentlich nicht, was neu ist) einen Zweifel daran gelassen, er hätte lieber Romney als Obama gehabt.
Von daher hat sich auch „Pro-Israel“ politisch verschoben bis zu dem Punkt, dass AIPAC in den USA von der politischen Orientierung auf die Republikaner mit dem tatsächlichen Wahlverhalten der Juden in den USA nichts mehr zu tun hat.
D.h. hinter dem inflationären Gebrauch von „Antisemitismus“ und „Anti-Zionismus“ steckt eine politische Agenda, diese als politische Waffe einzusetzen.
Und auch diese Agenda schadet m.E. der „guten Sache“ wesentlich mehr als sie nützt.
Gruß crumar
lieber crumar, du machst wirklich eine „Büchse der Pandora“ auf, zahllose komplizierte Probleme, alle schon wichtig. Und auch interessant, die Diskussion darüber lässt sich leicht auf andere Bereiche übertragen und hat den Vorteil, dass hier schon viele „vorgekaut“ worden ist.
„Einfach global zu unterstellen, „Wer auch immer den Zionismus kritisiert, ist auch Antisemit!“ ….“
Das ist sehr bedenklich und ein Stil, der unbedingt zu vermeiden ist. Auch wer antisemitische Ideen hegt, ist nicht unbedingt gleich Antisemit zu nennen. Dies sollte tendenziell für die vorbehalten sein, die voll und ganz von diesen Ideen ausgefüllt oder bestimmt werden. Wir sollten also eine Idee diskutieren und das weniger an den Trägern dieser Ideen festmachen.
„… führt zur erstens zur Frage, ob diejenigen Juden, die den Zionismus *praktisch* kritisieren, indem sie die Gelegenheit NICHT nutzten nach Israel auszuwandern …“
„Kritisieren“ ist das falsche Wort, sie folgen einfach nicht der Verheissung oder haben es nicht nötig aus ihrem Land, in dem sie sich befinden abzuhauen. Das macht man vor allem, wenn man bedrängt wird. Kann man ja gut beobachten, wie das abläuft, zB Frankreich oder Schweden …. Ich denke, es ist in keiner Weise gerechtfertigt, eine negative Einstellung zur „Heimkehr“ dann so zu interpretieren:
“ … demnach alle Antisemiten sind (oder „selbsthassende Juden“).“
Letzteres geht immer um intellektuelle Inhalte, um Pläne und Konzepte (zB die infame „Ein-Staaten-Lösung“).
Das mit dem „Selbsthass“ ist allerdings ein dummes Argument und verstellt mehr als es erklärend ist. Hört sich erst plausibel an, aber das ist kein „Selbsthass“, denn diese Leute identifizieren sich nicht mit dem Objekt ihrer negativen Obzessionen, sie stehen dem eher fremd gegenüber.
Meme Chose bei den komischen männlichen Feministen, nebenbei gesagt.
Jetzt zu dem mit der These vorher:
„Zunächst einmal ist *eine These*, es gäbe einen „sekundären Antisemitismus“, der sich hinter dem Anti-Zionismus verbirgt.“
Warum sekundärer? Der steht einfach hinter dem letzteren und ist eher „primär“ zu nennen. Natürlich ist der A-S nicht von Anfang an da, sondern entsteht durch die positive Rezeption von Trägern dieses Konzepts wie dem A-Z. Nur insofern kann man den A-S schon als „sekundär“ bezeichnen. Niemand wird als glühender Vertreter irgendwelcher Ideen geboren, diese werden entwickelt und verfestigt, über die Zeit.
„Und wie so oft gilt auch hier, der Nachweis muss erbracht werden, dass dies im Einzelfall zutrifft.“
Besonders absurd ist das mit den „pinkwashing“-Vorwürfen, nur mal so ein Beispiel.
Wie bei jedem anderen Vorurteil auch, reisst irgendwann die Logik und die Contenance und dann kann man von „Nachweis“ reden. Ansonsten muss man Ideen und Bilder vergleichen und den Nachweis indirekt führen. Deshalb ist es auch so wichtig, auf der Basis von Ideen zu denken und das nicht auf eine persönliche Ebene zu stellen.
Ein krasses Negativ-Beispiel aus einem anderen Bereich:
Du kennst sicher die Studien, die nachweisen wollen, wie „rassistisch“ Babys seien, weil sie angeblich die ihnen ähnlicher seienden Personen als Bilder länger ansehen würden. Dies ist natürlich ein völlig tendenziöser Missbrauch indirekter Methoden, der scharf zu verurteilen ist.
„… insofern hier Zionismus als *das* jüdische Projekt an sich ausgegeben wird, was es nicht ist und nie war.“
Es ist schon sehr wichtig, da hier ein „sicherer Hafen“ geschaffen wird. Prinzipiell kann man dagegen mE nichts haben.
Teil2:
„hat sich auch „Pro-Israel“ politisch verschoben“
Ja, hier kommt wieder die leidige links-rechts Dichotomie ins Spiel. Die Linken Israels sind aber vielfach noch „postmoderner“ oder „regressiv“ als die anderswo und das macht die Sache umso schwerer. Diese Linke ist in Israel aber schon längst ins gesellschaftliche Abseits gelaufen, da muss sie bei uns erst noch hinkommen (ist aber auf dem besten Weg).
„mit dem tatsächlichen Wahlverhalten der Juden in den USA“
Angeblich sind die ja typischerweise mit Leib und Seele Demokraten. Was mir völlig unverständlich ist… vor allem beim jetzigen Präsi. Aber der wirkt ja immerhin sympathisch und kann gut reden, das wird wohl der Grund sein.
„Und auch diese Agenda schadet m.E. der „guten Sache“ wesentlich mehr als sie nützt.“
Ich habe keinen Zweifel, dass dies iA völlig angemessen ist und reinen defensiven Charakter hat. Das merkt man an der Zurückhaltung, die iA geübt wird, besonders was die Schlussfolgerungen angeht. Die Analysen vieler „pro-Israel“-sites meine ich sind da das beste, was im Netz so existiert. Ist natürlich nicht pauschal gemeint.
@Mocho
„Das ist wie gesagt alles ein ganz anderer Kontext, und um so unangemessener ist die Übertragung dieser Theorie auf europäische Verhältnisse.“
Du musst diese „Theorie“ im Gesamtzusammenhang sehen, ihre Entstehungsgeschichte beachten. Dass auf einmal zahllose Neo-Rassisten auftauchen und zB fabulierten, dass irische Einwanderer sich in die angeblich weisse rassistische US Gesellschaft einfanden, ist ein spätere Entwicklung (das besagte Buch ist von 1995).
„kann genausogut auf jeden Europäer wie US Amerkaner angewendet werden.“
Echt? Juden, Finnen, Basken, Sorben, Iren, Griechen und Ungarn?
Das kann man nur schreiben, wenn man die kulturelle Ausdifferenziertheit Europas nicht kennt, wie das bei den meisten Amerikanern der Fall ist. Die wissen zum Beispiel nicht, daß bis 1860 ein Drittel Europas von Türken beherrscht wurde. Daher faseln sie von Europäischen Kolonialismus. Wenn man ihnen dann erläutert, daß die europäische Fremdherrschaft die arabische und türkische in Afrika ablöste dann ist allen Begreifens ein Ende. Und wenn man die Unterdrückung der Kabylen (immerhin eine weiße blonde Rasse) durch die Araber erwähnt, dann brechen Welten zusammen.
„Das kann man nur schreiben, wenn man die kulturelle Ausdifferenziertheit Europas nicht kennt“
Die wollen gar nicht sowas zur Kenntnis nehmen. Dieses überkommene „Wissen“ war ja alles nur „Kontrukt des Weissen Mannes“ und Unterdrückungs-Instrument für den Kolonialismus…. Muss jetzt im postmodernen, postkolonialen Zeitalter radikal und ganz neu gefasst werden.
Aber das ist natürlich wie mit dem 1000 Geschlechtern, ersthaft wird dieser Geschichtsrevisionismus natürlich nie durchgezogen werden und die Postmodernen werden sich für sowas wie die Sorben vermutlich nie interessieren.
Denn nur darauf kommt es an:
Männer sind böse. Weisse sind böse. Kapitalismus ist böse. Auf die Feinheiten sonst kommt es nicht an, besser gar nicht erst anschneiden.
Versuch lieber irgendeinen christlichen Fundamentalisten zur liberalen säkularen Weltanschauung zu bekehren, die sind weniger antiintellektuell drauf 😀
„.. bis 1860 ein Drittel Europas von Türken beherrscht wurde.“
Da wüsste ich mal gerne in welcher Einheit? In Fläche ist das schonmal grob falsch.
Achja…Penis…Dominanzgeste…weiße Männer…
Solche Erklärungen finde ich immer ganz wunderbar esoterisch. Warum nicht einfach das naheliegenste:
Der Mittelfinger ist einfach der Finger in der Mitte der Hand, was bei Ausstrecken eine besondere Symmetrie der Faust zeigt, zwei Finger zur linken, zwei zur rechten.
Symmetrie ist Macht. Symmetrie ist Herrschaft. Symmetrie ist aber auch Schönheit.
Denkt mal nur herrschaftliche Inszenierugen von Macht, Militärparaden oder Paläste zum Beispiel. Da muss alles symmetrisch sein. Utopia, also eine Stadt die sympathisch auf den Königssitz im Zentrum bezogen ist, gilt als der Inbegriff absoluter Herrschaft (z.b. Karlsruhe).
Die Interpretation „irgendetwas langes = Penis“ ist von so einer unfassbaren intellektuellen Profanität und Verkopftheit gekennzeichnet, dass es kein Wunder ist, dass dieser Autor auch gleich zu Hautfarben überleitet. Diese Interpretation scheitert schlicht daran, dass niemand bewusst einen Mittelfinger zeigt, weil er zeigen möchte das er der größten Penis in der Gruppe ist. Ich halte es für viel plausibler, dass gezeigt wird, ich verachte euch so sehr, dass ich darauf verzichten kann euch die kampfbereite geballte Faust zu zeigen, sondern stattdessen eine symmetrische Handanordnung.
Kurz: Autor schreibt Schwachsinn.
Bin zwar kein Romanistik-Professor und auch nicht Wikipedia, alledrings habe ich auch keine solche paranoide Penis-Fixierung..
Meines Wissens stammt der STINKE-Finger ursprünglich von der linken, der ‚unreinen‘ Hand, weil man in Zeiten lange vor Erfindung des Toilettenpapiers und in gegenden, wo Wasser selten und wertvoll ist sich traditionell nach dem Geschäft mit der linken Hand und dem linken Zeigefinger sein Hinterteil säuberte.
Darum reicht man in Wüstenländern niemals die Linke Hand (eben weil unrein)
und genau diesen unreinen, stinkenden Finger präsentirert man dann halt als Geste der Abwertung und Beleidigung.
Ursache – Wirkung. Oder doch andersrum?
Welch Botschaft der Stinkefinger-Eigentümer aussenden will, ist dich völlig unerheblich.
Die Frage ist doch, wieso der Empfänger diese Geste als Beleidigung auffasst…
Selten so ein blödes Geschreibsel gelesen.
„Anders als mit dem Sommerloch lässt es sich nicht erklären: […] Einfach mal ein „Fuck you“ in“ Artikel“form raushauen?“
„Der ausgestreckte Mittelfinger stellt den erigierten Penis dar, “
Überschäumende Sexualphantasie.
„Wer ihn aus der Sicherheit seiner Fahrerkabine oder von der anderen Seite einer Gartenmauer zeigt, der distanziert sich, der will nicht Teil der Lösung sein, dem ist am Ende alles egal.“
Was für ein hilfloses Gefasel.
„Der ausgestreckte Mittelfinger ist heute weniger ein wütendes „Fuck you“ und mehr ein schulterzuckendes „Mir doch wurscht“.“
Die Beschreibung trifft eher auf seinen Artikel zu.
Was für ein hilfloses Gefasel. erinnert mich an Jack Sparrow….. 😉
Für die Rassisten vom „Süddeutschen Beobachter“ nicht ein, sondern besser gleich zwei Finger!
http://lifecheating.com/2014/05/30/how-to-flip-the-bird-around-the-world/
Genau, zwei Finger braucht es schon, denn es sind ja nicht nur Rassisten, sondern auch Sexisten. Das haben sie sich verdient.
Ganz genau….
„….. The ‘up yours’ gesture is made with the index and middle finger raised and parted, and the palm facing towards yourself. It has similar connotations to the ‘middle finger’ gesture, but with an added element of defiance.“
https://stronglang.wordpress.com/2015/10/08/up-yours-the-gesture-that-divides-america-and-the-uk/
Ein anderes groteskes Beispiel für den latenten Rassismus des „Süddeutschen Beobachters“ scheint dieser aktuelle, langatmige Artikel zu sein, der in Aussicht stellt zu erklären, „Warum die Brasilianer buhen und pfeifen“, bei der Olympiade.
http://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-spezielle-heimspiel-atmosphaere-im-fernsehland-1.3125198
Dass deren Unfairness etwa auf Chauvinismus, der sogar Rassismus-verdächtig sein könnte („Gringos“), beruhen könnte, diese glasklare, straighte Deutung findet man natürlich nicht, aber auch keine andere. Der Artikel beantwortet die Eingangsfrage nämlich überhaupt nicht, sondern schwurbelt nur rum. Chauvinismus und Rassismus sind ja schliesslich exkulsive Probleme des „Weissen Manns“ und nicht der als irgendwie als „PoC“ zu deutenden Brasilianer, die nach wie vor die „Dritte Welt“ verkörpern müssen.
Besonders lustig ist (da die sportliche Fairness ja schliesslich als „british“ gilt) noch dieser Versuch die Brasilianer schön zu reden:
„Was ihre Fähigkeit zur Selbstironie angeht, liegen die Brasilianer fast auf einer Stufe mit den Briten.“
Mit diesen Beispielen, die folgen:
„Ärger gibt es, wenn sich andere über sie lustig machen. Das hat Hope Solo bei jedem Abschlag zu spüren bekommen. „Ooooohh, Zikaaa!“, schallte es da durch die Stadien. Aktueller Großaufreger in Brasilien ist eine Polemik aus der New York Times, in der Rios berühmte Keksspeise „Biscoito Globo“ als langweilig und geschmacklos bezeichnet wird.“
Das sind natürlich beides echte Topbeispiele für die britisch anmutende Selbstironie-Fähigkeit der Brazilianer…
Und grade in diesem Fall ist es auffällig, dass praktisch alle brasilianischen Sportler weiß sind, in einem Land mit 30% aifrikanischstämmigen Einwohnern. Während von den bisher vier Medaillen für Kolumbien drei von schwarzen Sportlern gewonnen wurden.
Hat aber sicher mit Rassismus nichts zu tun.
Also, ich habe gerade Wasser aus einem Glas getrunken.
Erzähl mehr! Hat dich das empowert?
Etwas Eigenartig im Geschmack, aber eigentlich gar nicht schlecht.
Gerade zum Vergleich noch ein Schlückchen Red-Bull gehabt – schmeckt zwar widerlich (meiner meinung nach), aber bezüglich Empowerment vermutlich doch durchaus überlegen.
Die Dose kann ich demnächst irgendwo in den Wald werfen, schließlich muss ich doch mein Schäflein dazu beitragen, dass die Grünen ihre Existenzberechtigung nicht verlieren.
🙂
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