Die Gender Studies Professorin Katja Sabisch wehrt Kritik an den Gender Studies ab: (in Bezug auf diesen Artikel in der Süddeutschen)
Dabei stellt sie durchaus gute Fragen:
Dabei bleibt aber eine grundsätzliche Frage offen: Wenn Gender-Forschung unwissenschaftlich ist, warum ist sie dann an deutschen Universitäten etabliert? Gibt es etwa ein Leck in der Qualitätskontrolle? Drückt die DFG bei der Gender-Forschung ein Auge zu? Sind die Berufungsstandards bei Professuren mit Gender-Denomination andere? Kurz: Ist das deutsche Wissenschaftssystem dem Untergang geweiht, da Gender Studies berücksichtigt werden?
Aus meiner Sicht ist das beste Einfallstor gewesen, dass sie üblicherweise unter „Philosophie“ laufen, die eben andere Qualitätsstandards hat und bei der man natürlich Forschung über bestimmte philosophische Richtungen vornehmen kann ohne das man damit deren Wahrheitsgehalt hinterfragen muss. Es ist dann eben eine reine interne Forschung, die interne Kritik aufgreift, aber in dem geschlossenen System bleibt. Die Theologie wird eben auch nicht abgeschafft, weil es keinen Gott gibt.
In Deutschland gibt es nur einige wenige Lehrstühle, die über eine dezidierte Gender-Studies-Denomination verfügen. In der Regel finden Lehre und Forschung über Geschlecht innerhalb einer Kerndisziplin statt, die sich in der Denomination durch den Zusatz „unter Berücksichtigung von Geschlecht/Gender“ auszeichnet – zum Beispiel „Geschichte der frühen Neuzeit und Geschlechtergeschichte“ oder „Lehrstuhl für Soziologie/Soziale Ungleichheit und Geschlecht“. Hier zeigt sich, dass Geschlechterforschung ein interdisziplinäres Fach ist, welches Theorien und Methoden unterschiedlichster Disziplinen wie Soziologie, Geschichtswissenschaft, Biologie, Politologie, Ökonomie, Medizin, Rechtswissenschaft oder Psychologie vereint.
Allerdings auch nur, soweit es in die Lehren passt. Es ist nicht tatsächlich ein Aufgreifen des Forschungsstandes und ein Hinterfragen der eigenen Lehren. Das Ergebnis wird immer kompatibel sein mit dem Glaubensbekenntnis von der Frau als Opfer.
Das bedeutet aber auch, dass jede Berufung und jeder Forschungsantrag den Gepflogenheiten der jeweiligen Disziplin entsprechen müssen. Wenn also gegen „die Gender Studies“, die „zu einem Großteil den Stand der empirischen Wissenschaften ignorieren“, gewettert wird, betrifft diese Kritik den Kern eines jeden einzelnen Fachs. Geschlechterforschung ist immer mit den methodischen Verfahrensweisen einer Disziplin verstrickt – sei es die empirische Sozialforschung, die historische Quellenanalyse oder die rechtswissenschaftliche Auslegung eines Paragrafen.
„Wir können gar nicht schlecht sein, sonst wären ja alle Fächer schlecht“ ist der zweite bemerkenswerte Rettungsanker neben dem obigen „wir können ja gar nicht schlecht sein, sonst hätte man uns gar nicht zugelassen“. Denn das ist ja ein sehr schwaches Argument. Es ist auch nicht abgesichert, dass die Gender Studies die Kernbereiche des jeweiligen Fachs richtig erfassen. Bei der Biologie oder der Psychologie machen sie es sicherlich nicht.
Daher sind die Angriffe auf ein Fach, das wie jedes andere ständig evaluiert, akkreditiert, peer-reviewed und qualitätsgesichert wird, haltlos.
Wenn Theologen theologische Studien evaluieren und peer-reviewen, dann bedeutet es nicht, dass es deswegen einen Gott geben muss. Es bedeutet, dass man diese Frage innerhalb eines Glaubenssystems nicht erfolgreich kontrolliert.
Willentlich – und keinesfalls aufgrund von Unkenntnis und Informationsdefiziten – wird hier Stimmung gemacht, und dies auf Kosten des gesamten Wissenschaftssystems. Denn wer Gender Studies infrage stellt, kann sich gleich auch Germanistik, Biologie oder Ökonomie vornehmen. Zur Debatte steht nämlich nicht die Unwissenschaftlichkeit einer einzigen Disziplin, sondern die des gesamten Wissenschaftssystems. Geschlechterforschung ist ebenso esoterisch, langweilig, ideologisch, kontrovers und aufregend wie alle anderen Wissenschaften auch. Denn es gelten wie überall die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis: Lege artis arbeiten, Resultate dokumentieren, Ergebnisse konsequent selbst anzweifeln.
Das wäre ja tatsächlich schön. Nur welche der dortigen Studien erfüllen diese Voraussetzungen eigentlich? Wenn ein Voss sich auf einen Lamarckismus berufen kann und dennoch Professor wird, dann kann die Einhaltung der Voraussetzungen nicht so streng kontrolliert werden. Wo bleibt aber vor allem die Kritik an den dann wohl „Schwarzen Schafen“, die im wesentlichen Männerfeindlichkeit propagieren und dann die Gender Studies diskreditieren?