22 Gedanken zu “Postmodernismus

  1. Prima Vorlesung. Schade nur, dass der Störer mit seiner Tröte rumnervt.

    Man könnte den Eindruck gewinnen, „Postmodernismus“ sei etwas Neues. Dies ist aber nicht zutreffend, ganz ähnliche Versuche die „Moderne“ mit Irrationalismus zu bekämpfen sind Legion.

    Die Hauptangriffsziele dabei sind immer Vernunft und Logik. Das Ziel besteht natürlich darin, machen zu können was man will.

  2. Frage an die Hauptfachphilosophen: Der Vortrag hinterlässt den Eindruck, dass die postmoderne Argumentation wesentlich darauf ruht, dass es keine bewiesene, sichere Verbindung zwischen Begriff und Realität gibt. Daraus wird gefolgert, dass es nur den Begriff gibt. Alles ist Sprache.

    Dem Kaninchenbeispiel am Ende konnte ich nicht folgen. Darstellung von Wikipedia:

    In einem Gedankenexperiment führte Quine die These aus: „Wenn ein Sprachforscher die Sprache eines Einheimischen erfassen will, so ist er nur auf Beobachtungen angewiesen, die sowohl ihm als auch dem Einheimischen zugänglich sind. Wenn nun der Einheimische immer dann, wenn beide ein Kaninchen sehen, den Begriff „Gavagai“ verwendet, so weiß der Sprachforscher nicht, ob gavagai nur „Kaninchen“ als Einzelobjekt oder die Klasse aller Kaninchen bezeichnet. Vielleicht sind aber auch nur bestimmte Teile oder Verhaltensweisen eines Kaninchens gemeint.“

    In dem Kontext der Vorlesung (die hier leider abbricht), scheint es so, als sei für den Postmodernisten die Betrachtung damit zu Ende.

    Die Wikipedia fährt aber fort:

    Um den Begriff zu erschließen, bedarf es ergänzender Wörter, die quantifizieren oder Verweise ermöglichen. Erst dann kann durch Kombinationen der Logik die Bedeutung der Sprache anhand von Hypothesen erschlossen werden, deren Wahrheit sich erst aus einer konkreten Lebenssituation ergibt. Wahrheit ergibt sich aus Aussagen, die anhand von unmittelbarer Erfahrung der Welt überprüft werden können. Sprache kann man nur im Zusammenhang der Erfahrungen erlernen und ist dabei auch auf Versuch und Irrtum sowie sich daraus ergebende Korrekturen angewiesen.

    Und das ist der Punkt, der die ganze Vorlesung nicht recht zur Sprache kam, vermutlich, weil er von Postmodernisten nicht gedacht wird/werden darf: Ein Abgleich zwischen Sprache und Wirklichkeit ist möglich.
    Andernfalls wäre es nicht möglich, eine fremde Sprache zu lernen.

    Während der Prof von „Gavagai“ redete, dachte ich, „Vielleicht bedeutet das Wort ja auch ‚Lass und vögeln‘. Dann wird der Linguist sehr schnell Kriterien haben, welche der möglichen Bedeutungen er ausschließen kann.“

    • „Alles ist Sprache.“

      Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Aber dann wird zusätzlich noch jede Erkennbarkeit der Wirklichkeit bestritten.

      Hier liegt der Unterschied zu Wissenschaft: die sagt, wie weit es überhaupt Sinn macht die Wirklichkeit aufzudecken. Die sie prinzipiell annehmen kann, weil ihre Erfolge unzweifelhaft sind. Ebenso die Grundgesetze der Logik und die Systeme der Mathematik.

      Da herzukommen mit einer Wahrheit, die das Ganze grundsätzlich in Frage stellt, die wissenschaftliche Sicht, und dazu noch den Willen ins Zentrum der Ordnung stellt, das ist etwas ganz anderes als Sprache.

    • Die Relevanz des Sprachbeispiels für den Postmodernismus erschließt sich mir nicht recht. Wenn man eine fremde Sprache lernt, dann lernt man andere Bezeichnungen oder sprachliche Symbole für dasselbe Kategoriensystem. Zum Verhältnis zwischen Kategoriensystem und Realität sagt das gar nichts.

      • „für dasselbe Kategoriensystem“
        Das ist nicht richtig.
        Berühmt ist z.B die Beobachtung, dass verschiedene Sprachen nicht die gleichen Farbbegriffe haben.
        https://de.m.wikipedia.org/wiki/Grün_und_Blau_in_verschiedenen_Sprachen

        Es ist eine alltägliche Erfahrung von mir, dass ich einen englischen Begriff nicht 1:1 in einen deutschen übertragen kann -> es gibt genau das Konzept nicht im Deutschen. Das ist subtil aber real.

        Aber der wesentliche Punkt: Ich weiß, was die Begriffe bedeuten, obwohl sie einer fremden Sprache entstammen. Ich konnte sie lernen, weil es eben doch einen Abgleich zwischen Sprache und Welt gibt.

        • Auch wenn sie nicht dieselben Fachbegriffe haben, beschäftigen sie sich mit denselben Phänomenen. Auch wenn grün-blau nicht aufgelöst wird, bedeutet das insoweit nur, dass das eine System das nicht näher differenziert, das andere schon. Ein Farbeindruck liegt gleichwohl beiden zu Grunde.

          Du kannst die Begriffe aus einer fremden Sprache lernen, weil Deine Sprache auch Begriffe dafür hat. Das müssen dafür nicht präzise dieselben sein. Sowohl Du als auch der Fremdsprachler greifen beide auf eine zumindest sehr ähnliche menschliche Erfahrung zurück. Diese Erfahrung (der Realität) ist schon das Kategoriensystem, welches gleichwohl dem Geist entstammt und dessen Beziehung zur Realität nicht ohne weiteres direkt und klar ist.

          • „Du kannst die Begriffe aus einer fremden Sprache lernen, weil Deine Sprache auch Begriffe dafür hat“

            Das, wie gesagt, ist meines Erachtens nicht richtig. Du kannst eine andere Sprache lernen, weil du in der Lage bist, die gleichen Erfahrungen zu machen, wie der Muttersprachler. Weil du in der Lage bist, fremde Begrifflichkeiten, für die es keine deutsche Entsprechung gibt, einer Erfahrung zuzuordnen.

            Hier sagst du es ja auch selbst: „Sowohl Du als auch der Fremdsprachler greifen beide auf eine zumindest sehr ähnliche menschliche Erfahrung zurück.“

            Bei diesem Satz: „Diese Erfahrung (der Realität) ist schon das Kategoriensystem“ aber liegst du meines Erachtens falsch. Eine Erfahrung ist kein Kategoriensystem.

        • @only

          Die Sapir-Whorf-Hypothese sagt aber nichts über die prinzipielle Erkennbarkeit des Designatums/Bezeichneten aus, bloß über die gewohnheitsmäßige Differenzierung von Wirklichkeit durch eine Sprachgemeinschaft.

          Das berühmte Beispiel über die zahlreichen verschiedenen Bezeichnungen für verschiedene Arten und Formen von Schnee durch die Sprachgemeinschaft der Inuit sagt nichts darüber aus, dass diese verschiedenen Erscheinungsformen nicht wirklich existierten bzw. nicht prinzipiell unterscheidbar sind. Das zu klären ist dann ein weiteres Aufgabengebiet der epistemologischen Wissenschaft, die zusätzliche Kategorien einführen wird, um die allgemeine Erkennbarkeit des wirklichen Dings, das durch den sprachlichen Referenten bezeichnet wird, zu prüfen. Damit erzeugt der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn aber keine neue Wirklichkeit, sondern er differenziert sie nur feiner bzw. erschließt neue, oft nicht direkt über die Sinne vermittelte Erkenntniswege zu einer faktischen Wirklichkeit d.h. zu etwas, das wirkt und demnach in Erscheinung tritt (Phänomen). Dass selbst der Beobachter in der Quantentheorie wirkt, heisst aber weder, dass der Beobachter nicht existiert (ganz im Gegenteil), noch, dass die Beobachter-Beobachtetes-Relationalität beliebig wäre.

          Das ist das, was die Postmodernen nicht verstehen wollen, ganz abgesehen davon, dass sie die kategorialen Ebenen der Erkenntnis ständig durcheinanderwirbeln.

        • Bei diesem Satz: „Diese Erfahrung (der Realität) ist schon das Kategoriensystem“ aber liegst du meines Erachtens falsch. Eine Erfahrung ist kein Kategoriensystem.

          Was ist Erfahrung denn sonst? Dass die Erfahrung der Realität nicht gleich der Realität ist, sollte ja einleuchten?

          Für die Feststellung braucht man übrigens auch keinen Postmodernismus oder irgendwas sonst aus dem 20. Jahrhundert.

          • „Was ist Erfahrung denn sonst?“ Erfahrung besteht nicht aus Wörtern. Du gebrauchst Wörter, um Erfahrung zu verarbeiten. Nicht nur Wörter btw. Andere gebrauchen Töne oder Bilder, um Erfahrungen zu bearbeiten.

        • Erfahrungen werden Leuten zur Realität (wer wagt dies zu bezweifeln), zu einer Realität, die völlig an jeder Wirklichkeit vorbeigehen kann, gerade weil sie ein bestimmtes „Kategoriensystem“ ist bzw schafft….
          Dies kann natürlich auch „ins Schwarze treffen“…
          😉

        • Erfahrung besteht nicht aus Wörtern.

          Ich gebe Dir recht, dass es ein Fehler der Postmodernisten ist, diesen Erfahrungs-Layer als Sprache zu begreifen. Dafür braucht man meiner Meinung nach eine Definition von Sprache, die zu weit und zu abstrakt ist, um sinnvoll zu sein.
          Aber das ändert nichts daran, dass es den Erfahrungslayer gibt.

    • Es wäre ja eine metaphysische Wahrheit, dass es keine Wahrheit geben kann. Daher widerlegt sich der Postmodernismus selbst in seiner Grundannahme.

      Also kann es sehr wohl eine Wahrheit geben und auch eine Wirklichkeit.

      Das konkrete Beispiel mit der Sprache: daran ist etwas Richtiges, dass Bedeutungen ganz anders sein können als man je denken würde. Aber das heisst natürlich nicht, dass man diese Bedeutungen niemals erfassen kann.
      Ist so ein halbgarer Vergleich, eine Ablenkung, um zu einem Schluss zu kommen, den man schon vorwegnahm.
      Die „Sophisten“ waren immer die Wortkünstler, die Realität aber keine Wirklichkeit geschaffen haben und schon gar keine Wahrheit.
      Daher ist es klar, dass sie Wirklichkeit und Wahrheit und andere Begrifflichkeiten, die abstrahieren und dabei sinnvolle Zusammenhänge erschliessen, wegreden, wegdiskutieren und verschwinden lassen.
      Der übliche „Magier-Trick“, verschwinden und erscheinen lassen. Illusionen und Ideologien sind die Vorspiegelungen, die das Aussschalten von Wirklichkeit und der Wahrheit ermöglichen.

      Es ist aber noch etwas komplizierter, denn „die Wahrheit“ gibt es nicht. Aber sehr wohl die Idee der Wahrheit. Aber die kann eben nicht verworfen werden, wie es die Postmodernen gerne hätten. Und sie selbst folgen schliesslich auch dieser Idee, wenn sie die Macht als nicht mehr zu Hinterfragendes, was nichts anderes als „die Wahrheit“ ist, setzen. Dabei übergehen sie ihre Voraussetzungen, da sie diesen Begriff und die Idee der Wahrheit radikal in Frage stellten. Besstenfalls sind sie dumm, schlimmstenfalls Lügner.

      Und es gibt doch noch eine echte metaphysische Wahrheit: die Vorstellung, dass es zwei gleiche Dinge gibt oder besser gesagt geben kann. Dies ist die Grundvoraussetzung für das Denken, die Logik. Ohne die Idee des Gleichen.

      Und ist es nicht seltsam, dass die abstraktesten Vorstellungen überhaupt für das ganz reale Leben, also die menschliche Gesellschaft und das Individuum, so entscheidend wichtig und richtungsweisend sind?

  3. Die Auflösung des rationalen Denkens durch weitverbreiteten Irrationalismus begünstigt das Schwelen von Vorurteilen, die in politisch organisierter Form bei der einst neoliberalen, jetzt heruntergekommenen Labour-Partei in UK.

    „Orwell suggested that anti-Semitism was part of the wider sin of “nationalism” that affects even its victims. His exact words were, “Many Zionist Jews seem to me to be merely anti-Semites turned upside-down, just as many Indians and Negroes display the normal colour prejudices in an inverted form.” Yet since 1945, British society has changed dramatically. Those who occupy the “nationalist” end of its political spectrum—particularly those urging withdrawal from the European Union—do not, by and large, succumb to the temptations of Jew-baiting, though there are exceptions.

    Rather, it is those who describe themselves as “internationalists” who are the most vulnerable. This is the direct consequence of a doctrinaire “anti-imperialism” that begins and ends with solidarity with one (and only one) people—the Palestinians—and which regards Jews as an integral component of the superstructure of white, colonial privilege.“

    http://www.jns.org/latest-articles/2016/4/27/anti-semitism-george-orwell-and-the-uks-labour-party

    colonial privilage is a construct thought on the basis of postmodernism.

    So it can clearly be seen, what ends this philosophy serves.

    Yeah, and of course they defend themselves with there is not single philosophy, but coutless or none.

    Of course, they are right there are countless philosophies. And those are curious, they have to say nothing at all that is more than just opinion.

    When then should it matter to get rid of all this postmodernists, they have made clear that you can not exspect anything relating to you, the other!

    And so it is explained easily why they shouldnot be careful, but just brazen.

  4. Der Postmodernismus (u.a.) beschäftigt sich mit den Grenzen und Grenzbereichen unserer Wissens-(Re-)Konstruktionen. Mal mehr über diese Grenzen hinaus, mal deutlicher davor. Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften sind (nach meiner derzeitigen Ansicht) unterschiedlich, weil sich in den Naturwissenschaften Annahmen (Theorien, Techniken, Technologie) praktisch bestätigen oder nicht (manchmal auch dazwischen, jedoch immer kritisch-rational verbesserbar im Sinne von Effizienz oder neuer Ausrichtung).
    In den Sozialwissenschaften gibt es diesen pragmatischen Anker in dieser Form nicht bzw. nur partikularistisch. Lösungen sind damit immer auch Teil des Problems. Auf diese — und andere — Ambiguitäten und Partikularität der jeweils verwendeten Rahmen weisen u.a. Strukturalismus und Postmodernismus hin. Sie sind aber — was sie selbst reflektieren (Postmodernismus ist ja auch Reflexivismus) — Teil dieser Partikularität, also selbst „Erzählung unter Erzählungen“.

  5. Natürlich ist auch aller Aberglauben hoch im Kurs, im Postmodernismus.

    Es ist nicht verkehrt, ihn sogar als sein Wesen ausmachtend zu bezeichnen. ….. leicht erkennbar knüpft Aberglauben umittelbar an die Begründung der völligen Relativität an.

    Dieser Artikel hier trifft den Ton gut:

    http://www.welt.de/gesundheit/article154994909/Zum-Arzt-Viele-vertrauen-heute-ihrem-Heiler.html

    „Esoterik, das war etwas für Hippies, für Spinner. Der Begriff bedeutet so viel wie: eine Lehre für Eingeweihte. Es geht um Methoden der Heilung oder allgemeinen Lebenserleichterung, deren Wirkweise man, wie es oft heißt „nicht genau erklären kann“. Oder mindestens nicht mit wissenschaftlichen Methoden belegen.

    Längst scheint einem, wenn man in einer deutschen Großstadt lebt, die halbe Welt eingeweiht. Eine Freundin geht zum Coach, der mit einer Klopftechnik ihre emotionale Blockaden lösen will. Eine Bekannte bestellt Trinkwasser in blauen Glaskrügen nach Hause, das auf schonende Weise mit positiven Energien aufgeladen sein soll. Eltern tragen Babys zu Osteopathen, die Geburtstraumata lösen sollen. Yogalehrer atmen Energiebahnen frei.“

    Das ist das geistige Klima, welches der Postmodernismus geschaffen hat, auf dem dem auch Weltanschauungen wie der Feminismus gedeihen, in diesem Treibhaus der Irrationalität.

    • Eröffnet aber auch Möglichkeiten für die Wissenschafter, neue Forschungsfelder zu erschließen und sie nach allen Regeln der wissenschaftlichen Methodik zu durchpflügen.

      Schadet nix, auch einmal einen Meditierenden oder Yoga-Lehrer in die fMRI-Röhre zu legen oder entwicklungsphysiologisch zu untersuchen, was es mit dem Geburtstrauma auf sich hat.

      Könnte spannende Ergebnisse bringen. Nur langsam trennt sich dann der Spreu vom Weizen.

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