Der Nirvana Trugschluss (Nirvana Fallacy)

Resolute Nuss weigert auf einen interessanten Trugschluss hin, die „Nirvana Fallacy“.
Dazu heißt es in der Wikipedia:

The nirvana fallacy is a name given to the informal fallacy of comparing actual things with unrealistic, idealized alternatives. It can also refer to the tendency to assume that there is a perfect solution to a particular problem. A closely related concept is the perfect solution fallacy.

By creating a false dichotomy that presents one option which is obviously advantageous—while at the same time being completely implausible—a person using the nirvana fallacy can attack any opposing idea because it is imperfect. Under this fallacy, the choice is not between real world solutions; it is, rather, a choice between one realistic achievable possibility and another unrealistic solution that could in some way be „better“.

Es geht also darum, dass man einem realen Zustand eine irreale, idealisierte Alternative gegenüberstellt und damit dann einen Gegensatz aufbaut.

Die eigentlich nicht zu realisierende Version wird als möglich dargestellt und damit die Schlechtigkeit der anderen Lösung belegt, die zwangsläufig dahinter zurückbleibt.
Dies scheint mir etwas zu sein, was man dem Feminismus (und vielen Ideologien) sehr häufig vorhalten kann.

Im Feminismus ist es zB eine Utopie,

  • dass mit dem Überwinden der Rape Culture plötzlich keinerlei sexuelle Gewalt vorkommen wird und die Vergewaltigungen ein Ding der Vergangenheit sind.
  • dass man sozial eine perfekte Welt erschaffen kann, in der niemand mehr irgendetwas sein muss und alle sich einfach nur lieb haben
  • dass man alles biologische hinter sich lassen kann und jeder alles sein kann, was er will

Beispielsweise wurde mir tatsächlich bei Diskussionen zu „#imzugpassiert“ vorgehalten, dass jeder einzelne Fall ein Fall zuviel ist, dass also in der idealisierten Alternative keinerlei blöde Sprüche oder Belästigungen mehr vorkommen.

Dies klar zu benennen und auf den entsprechenden Fehlschluss hinzuweisen scheint mir durchaus ein guter Weg zu sein, mit dem man zeigen kann, dass „der Kaiser nackt ist“.

Resolute Nuss schrieb in dem Kommentar:

Das ist wieder diese typische Vorstellung von “nur wenn alles schön zu 50% aufgeteilt ist leben wir in einer gerechten Gesellschaft”. Davon abgesehen wird ignoriert, dass viele der Dingen die Männer jahrzehntelang vorgemacht haben nicht einfach so vom Patriarchat festgellegt wurden, sondern einen praktischen Hintergrund haben. Die meisten Entscheidungen haben Vor- und Nachteile und man kann eben nicht alles haben. Aber Feminismus wird hier so dargestellt als ob er jeden die Eierlegende Wollmilchsau Nachhause liefert würde. Karriere und Familie für alle und am Ende dann sind auch alle zufrieden. Sieht für mich sehr stark nach dem Nirvanatrugschluss (Nirvana fallacy) aus. Davon abgesehen, dass es der typischen idologische Einstellung folgt nach der nur alle so denken müssen wie man selbst um eine bessere Welt zu erschaffen. Männern und Frauen die sich lieber auf eine Sache konzentrieren verstehen eben nicht wie gut es für sie ist.

Dabei bricht diese ganze Theorie auch schon damit zusammen. Man kann niemanden dazu zwingen diesen Weg zu gehen und für die Arbeitgeber lohnt es sich damit immer auch Leute einzustellen die sich auf ihre Karriere konzentrieren wollen. Selbst Arbeitgeber gezwungen würde jeden gegen den Willen frei zugeben sobald ein Kind da ist wäre das nicht umzusetzen. Dann stellt man eben eher Leute ein die Single sind und in nächster Zeit keine Famile planen. Also selbst in dem Fall wird man Karriere Menschen immer noch bevorugen. Am Ende sind eben immer die Menschen ganz oben die bereit dafür sind andere Aspekte daür zu opfern oder zumindest deutlich unterzuordnen.

Im Prinzip wird an der Stelle vom Feministen versucht hohe Ambitionen mit wenig Aufwand und Risiko in Einklang zu bringen. Das dies nicht geht spielt keine Rolle und hält schon gar nicht davon ab den Staat dahin zu drängen. Im Bestenfall wird jemand anders den Preis dafür zahlen entweder der Staat selbst oder sogar wieder Frauen. Vor ein paar Monaten wurde tatsächlich gefordert, dass man während der Periode frei bekommen soll. Sicher sehr praktisch für viele Damen, nur dass dies dann ein Grund sein kann warum ein Arbeitgeber lieber Männer einstellt wird dabei wieder natürlich nicht berücksichtigt.

Da hat er meiner Meinung nach recht. Es werden im Feminismus beständig die Konsequenzen bestimmten Verhaltens ausgeblendet und statt dessen ein Idealzustand entworfen, in dem man aus ideologischen Gründen keine Konsequenzen haben darf.

Alex ergänzte darunter:

Sieht für mich sehr stark nach dem Nirvanatrugschluss (Nirvana fallacy) aus.”

Oder einfach: Utopie. Der Oberphilosoph denkt sich die perfekte Ordung aus, nach der alles läuft. Eine Ideologie beschreibt den paradisischen Zustand, der eintreten wird, wenn alle den Vorschriften Folge leisten. Nur so kann man dem Jammertal der Existenz (dem Sansara oder dem Patriarchat) entkommen bzw. dem göttlichen Zorn für das Verharren in der gottlosen Ordnung.

“Aber Feminismus wird hier so dargestellt als ob er jeden die Eierlegende Wollmilchsau Nachhause liefert würde.”

Im Rahmen des Feminismus wird doch tatsächlich alles versprochen, gar nicht selten sogar Straffreiheit (kein Gefängnis für Frauen).

“Man kann niemanden dazu zwingen diesen Weg zu gehen ….”

Doch kann man. Das wurde regelmässig von den verschiedensten Staaten versucht. Die Erfahrung zeigt, dass die utopischen Ideale auch tatsächlich durchgesetzt werden, von den Gläubigen, sobald sie die Macht und die Mittel dazu haben.
Dabei spielt die Absurdität der Vorstellungen, die Utopie zu erreichen, offenbar keine Rolle für den Erfolg der Umsetzung solcher Ideen.

“Sicher sehr praktisch für viele Damen, nur dass dies dann ein Grund sein kann warum ein Arbeitgeber lieber Männer einstellt wird dabei wieder natürlich nicht berücksichtigt.”

So läuft das immer. Die vermeintlichen Vorteile sind so teuer erkauft, dass am Ende wieder ideologisches Futter draus gemacht wird. Der Feminismus arbeitet de facto auf jegliche Benachteiligung von Frauen hin. Und das macht auch Sinn für ihn, denn dann kann er wieder auftrumpfen und den universellen Sündenbock verantwortlich machen, das “Patriarchat”.
Wenn es irgendwas gibt, was wirklich diesem “Patriarchat” nahe kommt, dann ist es der Feminismus selbst. Er redet also beständig und ausschliesslich über sich selbst…

 

Das ist in der Tat ein weiterer Vorteil: Bei einem idealen Zustand, der nie erreicht werden kann, kann man auch nie wirklich wiederlegt werden. Genau wie beim Kommunismus ist es nie ein Fehler des Systems, sondern ein Fehler des konkreten Ereignisses und weil sich die Leute nicht genug eingesetzt haben.

Weil der Idealzustand feststeht und dessen Unerreichbarkeit nie eingestanden wird, kann ein Rückschlag nur daran liegen, dass die Kräfte dagegen zu stark waren und man sich mehr anstrengen muss.

10 Gedanken zu “Der Nirvana Trugschluss (Nirvana Fallacy)

  1. Die eigentliche fallacy, der Denkfehler, liegt nicht darin, Utopien zu erdenken, sondern zu glauben man könne sie auch realisieren bzw das Nirwana erreichen.

    Typisch dabei scheint zu sein, auch die Realität nicht angemessen mehr wahrnehmen, bzw beschreiben zu können, die dann als Dystopie hingestellt wird.
    Die Falschheit der Dichotomie dargestellte Realität gegen das entworfene Nirvana besteht dann vor allem in der als dystopisch wahrgenommenen Realität.

    Was aber war zuerst da, die dystopische Wahrnehmung oder das utopische Idealbild? Scheint mir eine „Henne-Ei-Problem“ zu sein, das eine bedingt das andere. Im Masse, wie die Realität als Dystopie verklärt wird, dürfte auch die Erreichbarkeit der anvisierten Utopie als realistisch erscheinen.

    Und dann kommt natürlich noch hinzu, dass die utopischen Vorstellungen genau jene dystopischen Entwürfe der Realität eigentlich bejahen, legitimieren, rechtfertigen. Das Nirwana ist ja nichts anderes als ein letzthinniges Versprechen der *Gleichheit*, um eine auf ewig stratifizierte Kastenstruktur der Gesellschaft zu rechtfertigen und damit nur das unendliche Leid, das damit verbunden ist.

  2. Den Trugschluss kannte ich auch noch nicht und bin auch entsprechend dankbar für seine Erwähnung.
    Denn gerade in der Geschlechterdiskussion taucht er immer wieder auf und wird zu selten hinterfragt. Da wird immer wieder ignoriert, dass es nun einmal immer schlecht bezahlte bzw. unschöne Jobs geben wird (bzw. das nur eine Komplettumkremplung der Gesellschaft durch Robotersklaven hier was machen könnte) und dass es ebenso immer Menschen geben wird, die einfach rücksichtslos und pervers sind.
    Man sollte natürlich versuchen, die Welt so gut wie möglich zu machen, dabei aber wissen, dass die bisherigen Versuche, krampfhaft direkt zur Utopie zu gelangen, meist mit Gulags und Killing Fields geendet haben.

  3. Ich würde mich dem anschließen. Utopien sollten als Idealzustände betrachtet werden, die nur nährungsweise erreichbar sind. Die Welt soll eben so gut werden wie nur möglich. Zudem ist es hilfreich den gesetzten Idealzustand von Zeit zu Zeit zu überdenken, um sich weiterentickeln zu können.

    Ich denke, das Problem beim Hinweisen auf den Nirwana-Trugschluss kann sein, dass man Lösungsvorschläge zu Problemen vorschnell als “zu utopisch” abtut, weil man glaubt den Fehlschluss ausgemacht zu haben.

    Ich selbst glaube an eine Welt, in der niemand mehr arbeiten muss und es morphologische Freiheit gibt. In der Menschen nicht mehr altern und ihre eigene Evolution, wie die der “Natur” um sie herum selbst lenken.

    Das Problem sind nie die Utopien, die ausgemalt werden, sondern immer die Methoden mit denen sie zu erreichen versucht werden.

    • „Ich selbst glaube an eine Welt, in der niemand mehr arbeiten muss und es morphologische Freiheit gibt. In der Menschen nicht mehr altern und ihre eigene Evolution, wie die der “Natur” um sie herum selbst lenken.“

      Die Idee der Unsterblichkeit ist die ultimative Utopie.

      • „Die Idee der Unsterblichkeit ist die ultimative Utopie.“

        Wirklich wünschenswert?

        Seit dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ empfinde ich unsere Sterblichkeit als Gnade.

        • „empfinde ich unsere Sterblichkeit als Gnade“

          Das ist von den Philosophen häufig so gesagt worden! Und dass es die Geschlechtsliebe ist, die der einzige Weg zur Unsterblichkeit ist.

          Deshalb hassen die extremen Utopisten auch immer die „kleine Unsterblichkeit“, die Sexualität, als ihren realitätsverbundenen Oberrivalen.

          Das wird auch sehr schön in Solanas „Scum Manifest“ deutlich, die von der eigentlichen Unsterblichkeit der Menschen ausgeht, die nur durch männliche Niedertracht durchkreuzt wird, um die Unterdrückung der Frau durch den Sexualakt zu ermöglichen!

          Wie ich schon schrieb: die Utopie und die Dystopie gehören komplementär zueinander.

          Das Komplement der Unsterblichkeit ist der zügellose Vernichtungswahn (der sich zB bei Solanas in der Forderung zeigt, alle Männer müssen vernichtet werden).

          Das findet sich überall. So ist es in „Star Wars“ natürlich nur den Bösen vorbehalten, unsterblich zu werden oder Tote aufzuerwecken, die Guten können das nicht.

  4. Tonangebende Feministen sind halt überdurchschnittlich privilegierte Menschen (wohlhabend, studiert, in Zeitungsredaktionen arbeitend – eine einfache Angestellte oder Arbeiterin wird man unter Feministen nicht finden). Jedes kleine Übel oder Hindernis oder einfach nur Dinge, die ihnen nicht gefallen, gelten dann als Zumutung, die es auszumerzen gilt.

  5. Natürlich, das feministische Paradies, die Abschaffung aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein geknechtete Wesen usw. ist, das ist immer alles schöner als die Realität je sein könnte. Und die Realität wird nie an die Vision herranreichen, deshalb kann man immer weitere Forderungen stellen, bis ins Nirvana.

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