Wenn über den Gender Pay Gap gesprochen wird dann entsteht immer wieder der Eindruck, dass das einzige Kriterium der Jobwahl nur das Gehalt sein darf.
Es ist anscheinend nicht vorstellbar, dass auch andere Faktoren neben dem Gehalt, wie beispielsweise die Art der Arbeitsstelle, die Entfernung zur eigenen Wohnung, die Anfälligkeit für Überstunden, der allgemeine Stress sich auf die Wahl des Arbeitsplatzes auswirken.
Finde ich gerade deswegen interessant weil Feminismus üblicherweise von Personen, die eher links sind, vertreten wird. Diese sollten sich eigentlich bewußt sein, das Geld nicht alles ist, dennoch kann sich anscheinend dort kaum eine Frau vorstellen, dass Frauen in diesem Bereich weniger auf Geld fixiert sind und dass das sogar ein mehr an Lebensqualität etc mit sich bringen muss.
Es kann viele Gründe geben, Geld nicht so hoch zu bewerten, etwa weil man mehr Freizeit haben möchte bzw. seine Zeit lieber bei der Familie etc verbringen möchte, weil man Spass an einem Job höher bewertet, weil man für einen besseren Job weiter fahren müsste und das auch weniger Flexibilität und mehr Zeit unterwegs bedeutet, weil mehr Verantwortung auch mehr Stress bedeutet oder kurz: Weil man Karriere gar nicht so wichtig findet.
Das Streben nach Karriere, Status, Geld, ich wäre mir recht sicher, dass viele Feministinnen das durchaus schon unter Patriarchat subsumiert haben, als „typische männliches Verhalten“, welches zu Krieg und Kapitalismus führt.
Bringt man dieses Argument, dann kommen üblicherweise die folgenden Einwendungen:
- „Alles ist Erziehung, Frauen haben keinen eigenen Willen“: Männer und Frauen sind gleich, alle Unterschiede sind anerzogen und Frauen haben verinnerlicht, dass sie eben Geld nicht als so wichtig ansehen sollen
Hier finde ich es immer erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit zum einen Frauen der freie Wille abgesprochen wird, eine eigene Lebensplanung zu entwickeln und bestimmte, ja durchaus auch nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig Männern anscheinend weiterhin die volle Agenda zugestanden wird, dies zu tun, auch wenn Karriere ja keineswegs immer ein Zuckerschlecken sein muss - „Frauen würden wollen, aber die Männer beuten sie aus“ :Frauen haben gar nicht die Möglichkeit, sich für „Geld“ zu entscheiden, weil die Männer ihnen die Zeit dazu nicht lassen, sondern sie in die kostenlose „Care Arbeit“ drängen. Frauen werden in die Abhängigkeit von Männern gedrängt
Auch hier haben wir wieder ein Aberkennen eines eigenen Willens und gerade das Abhängigkeitsargument finde ich da alles andere als klar: Zum einen ist er gerade in einer Ehe genau so abhängig wie er: Lässt sie sich scheiden, dann muss er, wenn seine Frau wenig verdient hat, nahezu die Hälfte seiner Rentenanwartschaften an sie übertragen, das Vermögen wird so aufgeteilt, dass jeder innerhalb der Ehe gleich viel verdient hat und er hat die Gefahr mit erheblichen Unterhaltszahlungen belastet zu sein.
Zudem gibt es genug Ehen in denen sie vollen Zugriff auf sein Gehaltskonto hat und hiervon einkauft etc.
Ich führe dann gerne die Ehefrau des Ministerialrats an, die hauptsächlich Hausfrau war und in einer funktionierenden Ehe sehr gut gelebt hat und finanzielle Sorgen nicht kannte. Sie hat zwar keine eigene Rente, lebt aber später mit ihm von seiner sehr guten Pension. Im Feminismus ist sie unterdrückt, konnte keine Karriere machen, wurde ausgebeutet und befand sich in beständiger Abhängigkeit. - „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“: Ja, Frauen haben andere Vorlieben und sehen wenig Sinn in typischen Karriere kämpfen, aber es ist ungerecht, dass sie nicht trotzdem das Gleiche verdienen. Die Welt sollte so geändert werden, dass dieses Verhalten egal ist und auch Männer das nicht mehr müssen
Hier überrascht mich immer die Lebensfremdheit dieser Ansichten. Ich frage mich dann immer, ob diese Leute dann auch, wenn sie einen Handwerker bestellen gerne etwas länger warten, weil der Handwerker nur weniger Stunden arbeitet um mehr Zeit mit der Familie zu haben oder ob sie dann seinen Kollegen vorziehen und dem lieber den Job geben, weil der am übernächsten Tag da ist. Oder ob sie bei einer Operation die Ärztin in Teilzeit und langen Aussetzen wegen Kindererziehung mit 100 Operationen oder den Arzt mit 400 Operationen, (aber der dritten Ehe, weil er immer so lange arbeitet), nehmen würden. Der Gedanke, dass das Gehalt überall gleich sein muss und die Konkurrenz ignoriert werden muss, ist so lebensfremd und so abseits des Marktgeschehens, dass er mich immer wieder erstaunt.
Welche Argumente habt ihr in entsprechenden Diskussionen gehört? Wie bewertet ihr sie?
Und welche Faktoren sind euch bei einem Job wichtig?
Ein banaler Lakmustest: In welchen Ländern arbeiten mehr Frauen in Teilzeit? https://de.wikipedia.org/wiki/Teilzeitarbeit
Die mit höherem oder niedrigerem Lebensstandard?
Deswegen brauch man ja in diesen Ländern mit hoher Teilzeitquote noch mehr Feminiminimismus.
Es scheint als nähme die Zufriedenheit der Frauen proportional zum Grad ihrer Selbstbestimmung ab?
Keine Kinder während ihrer fruchtbarsten Phase. Ist biologisch nicht vorgesehen. Sorgt für eine innere Leere und Unzufriedenheit.
Das ist biologistischer Unsinn, insbesondere dann, wenn man solche Behauptungen in seinem stillen Kämmerlein und frei von jeder Empirie aufstellt.
Auch sind nicht alle irgendwie selbstbestimmten Frauen Femini-mimi-misten. Der Großteil ist es definitiv NICHT. Ich würde sagen, ein Großteil der Frauen in halbwegs brauchbaren Jobs findet ihr Leben ganz ok.
An der These könnte was dran sein. Für die gesamtgesellschaftliche Lage und die Entwicklung der „Emanzipation der Frau“ kann man das sogar statistisch belegen.
„Ich würde sagen, ein Großteil der Frauen in halbwegs brauchbaren Jobs findet ihr Leben ganz ok.“
Und quasi alle davon finden Frauenquote instinktiv OK und haben das Gefühl, dass am Gender Pay Gap schon was dran ist.
Only me
„Und quasi alle davon finden Frauenquote instinktiv OK und haben das Gefühl, dass am Gender Pay Gap schon was dran ist.“
Das glaube ich allerdings auch. Und es wundert mich nicht. So ganz subjektiv gesprochen: Unsere Kultur fordert seit Jahrzehnten vom Mann, gegenüber Frauen zurückzustecken (beim Sex IHRE Wünsche erfüllen, rücksichtsvoller sein, nicht egoistisch sein, einsehen, dass man ein Patriarch ist, einsehen, dass Frauen es schwerer haben usw.). Gleichzeitig hört man seit Jahrzehnten, dass Frauen benachteiligt sind, aber das Recht auf alles Mögliche haben. Frauen werden also ermutigt, die Welt so zu sehen und lautstark Forderungen zu erheben.
Hatten wir hier nicht neulich ne Umfrage die besagte, dass die Mehrzahl der Frauen eben nicht an den Gender Pay Gap glaubt?
„Hatten wir hier nicht neulich ne Umfrage…“
Daran musste ich auch denken, als ich den Kommentar oben schrieb. Mein Eindruck von den mir bekannten Frauen ist, dass keine sagen würde: „Ja, genau, Frauen bekommen 23% weniger, und ich kann das belegen.“ aber alle sagen würden: „Frauen haben es schon hart und hätten mehr Geld verdient“
Sehe ich auch so. Und wenn man dann sagen würde, dass überall alte Säcke auf den Chefposten sitzen und uns ihre Profilneurosen aufdrücken, würden alle heftig nicken.
Allerdings ist weibliche Zickerei gegenüber Männern normal. Shittests und so. Für Männer nur dann relevant, wenn man einlochen will. Das Problem ist doch, dass das mittlerweile auch außerhalb des Sex ernst genommen wird.
Das stimmt. Man achtet in den Debatten erster LInie oder ausschließlich aufs Gehalt, aufs Geld und nicht darauf, ob die Arbeit einen nicht entfremdet, einen befriedigt und zur Entfaltung der Persönlichkeit führt. Damit entfernt man sich völlig von linken Idealen. Früher wollten die Linken die Entfremdung aufheben, „Karriere machen“ galt als das Schlimmste überhaupt, nach dem Motto „Lieber sterben als eine Karriere zu machen!“ Ich habe zu diesem Thema den Artikel „Frauenpolitik und Karrierismus“ geschrieben. Dort habe ich die Faktoren aufgezählt, die früher für die Linken wichtig waren:
http://www.cuncti.net/geschlechterdebatte/864-frauenpolitik-und-karrierismus
Lieber Herr Ulfig,
das ist meiner Meinung nach nicht korrekt. Zumindest Marx folgend heißt linke Gesellschaftskritik eine Kritik an der Ungleichverteilung, die aufgrund von Besitzverhältnissen folgt. Die von Ihnen angesprochene Entfremdung ist ein wichtiges Thema, wird hier aber vor allem verstanden als eine Frage der Machtverhältnisse: Entfremdet ist der Arbeiter, der nur der Logik des Profitinteresses der Besitzenden folgen kann, aber seine eigenen Bedürfnisse nicht realisiert mit seiner Arbeit. Dabei ging es zumindest Marx nie um persönliche Selbstentfaltung in dem Sinne, dass man einen sinnstiftenden Job macht.
Was Sie dort zitieren, ist eher das Denken der alternativen Szene, der Hippies, der 68er, die in vielen Punkten eher ins Private abgerutscht sind und dabei mehr die Ideale ihrer bürgerlichen Herkunft verfolgten denn genuin linke Vorstellungen.
Nachtrag: Ich selbst bin eher der Selbstverwirklicher jenseits der Karriere, aber ich stamme eben auch aus dem ärmeren Segment eines protestantisch geprägten Bildungsbürgertums. Hier spielte eben der Beruf als Berufung eine zentrale Rolle, also das Arbeiten für den sprichwörtlichen „Gotteslohn“, sofern man eben nur seinen Überzeugungen folgen konnte und auch Anerkennung dafür erhielt. Aus linker Sicht ist das tatsächlich eine eher unpolitische Haltung.
Lieber Herr Lomi,
was bedeutet bei Marx „entfremdete Arbeit“? Wenn wir uns auf seine Frühschriften, in denen der Begriff auftaucht, konzentrieren, so kann man sie folgendermaßen bestimmen: Der Arbeiter entäußert sich in seiner Arbeit; das Produkt seiner Arbeit und auch die Arbeit selbst (die Tätigkeit) werden zu ihm, dem Arbeiter, fremden Objekten oder Kräften, weil sie nicht ihm, sondern einem anderen gehören.
Was bedeutet bei Marx im Gegensatz dazu „nicht-entfremdete Arbeit“? Es bedeutet, dass der Arbeiter über die Produkte seiner Arbeit verfügen kann, dass er um die „Früchte seiner Arbeit“ nicht betrogen wird. Und bedeutet doch, dass er unabhängig, selbstbestimmt (autonom) und frei („Rech der Freiheit“) arbeiten und leben kann. Die Frühschriften von Marx werden im Sinne einer Anthropologie gelesen, in der es um Unabhängigkeit, Selbstbestimmung (Autonomie) und Freiheit geht.
Lieber Herr Ulfig,
„Was bedeutet bei Marx im Gegensatz dazu “nicht-entfremdete Arbeit”? Es bedeutet, dass der Arbeiter über die Produkte seiner Arbeit verfügen kann, dass er um die “Früchte seiner Arbeit” nicht betrogen wird. Und bedeutet doch, dass er unabhängig, selbstbestimmt (autonom) und frei (“Rech der Freiheit”) arbeiten und leben kann.“
Ja, da bin ich bei Ihnen, so würde ich Marx auch lesen. Ich verstehe das allerdings auch so:
Frei und autonom ist der Arbeiter, der das, was er erarbeitet, auch für sich nutzen kann. Das Produkt seiner Arbeit eignet sich kein anderer an. In diesem Sinne arbeitet er für sich selbst, was er leistet, kommt ihm direkt zugute. Hingegen ist das Arbeiten für fremde Interessen eben eine Entfremdung.
Dabei kommt es – nach meiner Lesart – eben nicht darauf an, dass die Arbeit besonders Spaß macht, z.B. indem der Arbeiter seine Lust an künstlerischer Kreativität auslebt. Zwar hat Marx von einer Gesellschaft geträumt, in der alle frei sind, um ihren Neigungen zu folgen. Aber er hat nicht unbedingt behauptet, dass alle ihre Erfüllung in der fürs Überleben notwendigen Arbeit finden müssten. Dieses Ziel ist meiner Ansicht nach erst später eingeführt worden.
Freiheit war doch zunächst eine Freiheit von ökonomischen Zwängen, Freiheit von der Herrschaft der Besitzenden.
Die „linke Szene“ hat daraus aber am Ende gemacht, dass man frei sein solle, seine Neigungen kompromisslos auszuleben und dass man sich vornehmlich dem widmet, was man selber als sinnstiftend ansieht. Das halte ich eben eher für ein bürgerliches Ideal, zumal diese Idee teilweise schon einschließt, Besitzverhältnisse und Lohnarbeit als gegeben hinzunehmen, wenn man denn nur tut, was man gerne tut.
Ich würde abschließend es so sehen: Die Behauptung des Gender Pay Gap ist eigentlich das letzte linke Element am Feminismus, weil hiermit Verteilungsungerechtigkeiten angesprochen werden. Problematisch ist nur, dass diese Behauptung eben nicht stimmt.
„heißt linke Gesellschaftskritik eine Kritik an der Ungleichverteilung,“
Ja, so kann man es formulieren, aber letztlich geht es bei Marx – hier wiederum in seinen späteren Schriften – darum, eine bestimmte soziale Schicht mit Hilfe einer Revolution, also einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft, zu entmachten und zu enteignen.
Ich kenne es nur aus meiner Sicht. Ich muss schauen, dass ich in meinem Rahmen so viel Geld wie möglich bekomme, damit ich VIELLEICHT eine Frau haben kann. Frauen arbeiten nicht, sie spielen nach dem Lustprinzip. Von mir wird erwartet, das Spiel zu finanzieren. Wenn nicht direkt, dann durch den Staat, der die Paygap abschafft.
Du wirst auch mit Geld nicht gut bei einer Frau ankommen. Vielleicht kommt dein Geld an, aber nicht du. Dazu brauchst du nach wie vor ein Änderung deiner Einstellung
Das wäre doch einmal eine schöne Studie: Einmal Mann mit wenig Blin-bling, wenig Geld, kleines Auto, kein Haus, Garten, Boot und einmal derselbe Mann volle Kanne Blingbling mit Haus, Garten, Boot, Ferrari, Rolex Alpha-big-spender, ansonsten dieselbe Person, dieselben Sprüche …
@yeph
Klar wird der mit mehr besser abschneiden. Aber wenn er ein unselbstbewußter Mensch ist, bei dem man merkt, dass er meint Frauen kaufen zu müssen, weil er sonst keinen eigenen Wert hat, dann werden sich dennoch deutlich weniger Frauen für ihn interessieren, allenfalls Gold Digger. Er kommt dann eben von einer 1 auf eine 3, wo ein anderer mann von einer 6 auf eine 8 kommt.
Alles hochgestochen für „Frauen nutzen nur aus“.
@truth
Bei dir ist das sicherlich so. Alle anderen Frauen verschreckst du im Endeffekt
Da magst du Recht haben. Ohne Geld habe ich da aber keine Chance. Dinge wie Persönlichkeit gelten nur, wenn du Geld hast. Mir ist es ja egal, ich bin unten vom Partnermarkt unten. Mir kann nur der Staat Geld nehmen und es Frauen geben.
Though I speak with the tongues of men and of angels, and have not
money, I am become as a sounding brass, or a tinkling cymbal. And
though I have the gift of prophecy, and understand all mysteries,
and all knowledge; and though I have all faith, so that I could
remove mountains, and have not money, I am nothing. And though I
bestow all my goods to feed the poor, and though I give my body to
be burned, and have not money, it profiteth me nothing. Money
suffereth long, and is kind; money envieth not; money vaunteth not
itself, is not puffed up, doth not behave unseemly, seeketh not her
own, is not easily provoked, thinketh no evil; rejoiceth not in
iniquity, but rejoiceth in the truth; beareth all things, believeth
all things, hopeth all things, endureth all things. . . . And now
abideth faith, hope, money, these three; but the greatest of these
is money.
I Corinthians xiii (adapted)
(Autor: George Orwell, „Keep the Aspidistry Flying“)
😉
Der Gag, dass gerade Linke dem Geld soviel Bedeutung beimessen, ist mir auch schon aufgefallen. Meines Erachtens schon bei Marx (Achtung, von mir nur in Auszügen und Zitaten gelesen) angelegt, der ja so ziemlich alles und jeden in Kapital umerklärte und überhaupt keine menschliche Komponente drumherum beachtete.
Und das sehe ich auch als unzutreffend für die Wirklichkeit an. Ein Job muss natürlich an erstere Stelle ausreichend Geld einbringen, dass man keine Not leidet, aber an zweiter Stelle steht dann auch bei mir schon, dass er mir zusagen muss. Richtig Geld machen ist toll, aber für mich Punkt drei: Lieber für wenig (aber ausreichend) Geld meine Arbeit mögen, als mich für viel Geld durch den Tag zu quälen. Denn angesichts des hohen Anteils meines Lebens, den ich bei der Arbeit verbringe, ist unwahrscheinlich, dass ich es auch mit mehr Geld ausgleichen kann, den zu hassen.
„Der Gag, dass gerade Linke dem Geld soviel Bedeutung beimessen, ist mir auch schon aufgefallen.“
Nun, das liegt daran, dass linke Politik ursprünglich sich vorrangig dafür interessiert hat, wie der gemeinsam erarbeitete gesellschaftliche Reichtum verteilt wird. Die extreme Ungleichverteilung zu Marxens Zeiten erschien aus dieser Sichtweise heraus als empörende Ungerechtigkeit. Linker Politik ging es ursprünglich immer darum, diese Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Es ging nie um identity politics oder um Selbstverwirklichung oder dergleichen, was heute gerne zum Thema gemacht wird. Es ging um eine Kritik an Besitz- und darausfolgenden Machtverhältnissen, durch die den Arbeitern unverhältnismäßig viel von ihrer erarbeiteten Leistung vorenthalten worden ist.
Das ist eben nicht „der Gag“. Es ist der zentrale Punkt einer linken Politik.
@lomi
Guter Hinweis
(wobei der Reichtum ja eben gerade nicht gemeinsam erarbeitet wird, sondern in der Regel eher individuell)
„Es ging um eine Kritik an Besitz- und darausfolgenden Machtverhältnissen, durch die den Arbeitern unverhältnismäßig viel von ihrer erarbeiteten Leistung vorenthalten worden ist.“
Das kann man ja als Ansatz der Kritik dann auch gut auf den Feministischen Standpunkt übertragen – Männer haben die Macht und erhalten deswegen in dieser sehr einfachen Betrachtung zu viel von den erarbeiteten Leistungen
@Christian
„(wobei der Reichtum ja eben gerade nicht gemeinsam erarbeitet wird, sondern in der Regel eher individuell)“
Aus linker Sicht wird Reichtum nie individuell erarbeitet: Kein einzelner Mensch erarbeitet einen Reichtum, der sich in Villen, Jachten, Autos und anderen Gütern ausdrückt, alleine. Jemand muss diese Villen, Jachten, Autos bauen. Jemand muss all diese Güter schaffen, die sich der Reiche kaufen kann. Er kauft sich eine große Menge an Arbeitsleistung anderer Menschen.
Es mag sein, dass der Reiche durch eigene Leistung reich wurde. Aber das hat er nie allein gemacht. Das beruhte immer auch auf der Arbeitsleistung Anderer: Seiner Sekretärin wenigstens, seiner Anwälte und Steuerberater, der Angestellten seiner Firma.
Man lese Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“, dort bekommt man kurz und knackig vermittelt, wie die Linke solche Fragen ursprünglich beantwortet hat.
@lomi
„Jemand muss diese Villen, Jachten, Autos bauen. Jemand muss all diese Güter schaffen, die sich der Reiche kaufen kann. Er kauft sich eine große Menge an Arbeitsleistung anderer Menschen.“
Klar, aber dadurch ensteht ja wiederum Einkommen bei denjenigen, die das machen. und auch der Reiche (oder seine Vorfahren) muss irgendwann mal etwas verkauft haben etc.
„Es mag sein, dass der Reiche durch eigene Leistung reich wurde. Aber das hat er nie allein gemacht. Das beruhte immer auch auf der Arbeitsleistung Anderer: Seiner Sekretärin wenigstens, seiner Anwälte und Steuerberater, der Angestellten seiner Firma.“
Deswegen gibt es ja auch eine Bezahlung? Er verschafft ihnen darüber, dass sie ihm zuarbeiten können eben auch einen Mehrgewinn, denn sie ohne ihn nicht hätten.
„Man lese Brechts “Fragen eines lesenden Arbeiters”, dort bekommt man kurz und knackig vermittelt, wie die Linke solche Fragen ursprünglich beantwortet hat.“
http://www.die-linke.de/partei/dokumente/programm-der-partei-die-linke/bertolt-brecht-fragen-eines-lesenden-arbeiters/
ich habe nie verstanden, was zumindest in der heutigen Zeit mit guten Gehältern und guter allgemeiner Ausbildung daran das Problem ist. Ja, einige Leute verdienen wesentlich mehr. Aber wir brauchen diese Leute auch, um damit wir überhaupt zu einem hohen Wohlstand für alle kommen. Wie soll das sonst klappen?
Feminismus ist halt ne linke Ideologie. Die Zusammenhänge sind auffällig: Klassenkampfdenke, Machtverhältnisse, Utopie.
Das ist mitnichten so, Adrian. Klassenkampfdenke ist schon drin, ja. Aber wenn es links wäre, hätte der Feminismus seine Aufmerksamkeit auf Klassen und Schichten richten müssen und auf ökonomische Verhältnisse. Zumindest der Marxismus war immer ökonomisch. Das tut der Feminismus eben nicht (mehr).
Utopien pflegen andere auch. Ebenso die Behauptung von Machtverhältnissen: nicht wenige meinen ja, dass die kleine Clique anstrengender Grüner im Grunde die gesamte deutsche Öffentlichkeit beherrscht und das Paradies dann begänne, wenn man dieser Hydra die Köpfe abschlägt.
„Aber wenn es links wäre, hätte der Feminismus seine Aufmerksamkeit auf Klassen und Schichten richten müssen und auf ökonomische Verhältnisse“
Tut er doch: Die Klasse der Frauen wird durch die Klasse der Männer unterdrückt: Politisch, ökonomisch, sozial.
Sind Frauenquoten in Führungsjobs oder die Forderung nach mehr Geld für weniger Arbeit (für Fauen) etwa nicht ökonomisch?
Adrian
typisch und traditionell links wäre hier die Analyse der ökonomischen Verhältnisse. Nach Marx ist das Problem des Kapitalismus der Privatbesitz an Produktionsmitteln. Daraus folgt, dass die Trennung nach Geschlechtern nur bedingt Sinn macht. Denn es ist überdeutlich, dass die Mehrheit der vermeintlichen Patriarchen nix besitzt außer die zu verkaufende Arbeitskraft. Der zentrale Widerspruch, marxistisch gelesen, bliebe also der zwischen Besitzenden und Arbeitern.
Es war der Marx-Gegner Max Weber, der an der Wende zum 20. Jahrhundert die These aufstellte, dass nicht alle Ungleichheiten ökonomische Ursachen hätten. Es gäbe dagegen auch sogenannte „ständische“ Ungleichheiten, nämlich den Ausschluss von Personen von Macht, Reichtum, interessanten Jobs aufgrund von sozialen Merkmalen wie Herkunft, Kultur usw.
Es war also der erklärt Bürgerliche Max Weber, der dem Feminismus das erste Argument für die Behauptung der Männergesellschaft geliefert hat.
@ Lomi
Du musst der Linken schon ein bisshen Weiterentwicklung zutrauen. Marx ist ja knapp 150 Jahre her. Immerhin hat sich bereits relativ früh herausgestellt, dass marxistische ökonomische Analysen Blödsinn sind. Und seitdem sich Arbeiter iPhones leisten können und lieber CDU als KPD wählen, muss der Fokus der linken Analyse eben woanders hingehen.
Das Problem der heutgen Linken ist ihre absolute Perspektivlosigkeit im Zusammenhang mit einem postkommunistishen Trauma. Ihre Kernideologie Kommunismus hat nicht nur gnadenlos versagt, sondern so nebenbei auch 100 Millionen Todesopfer weltweit gefordert. Eine Aufarbeitung linker Verbrechen hat in der Szene bis heute nicht stattgefunden.
Und so wandert die Linke ruhelos und traumatisiert durch den Nebel der Geschichte, in der verzweifelten Suche nach neuen revolutionären Subjekten und angetrieben von der Sucht, es dem kapitalistischen Westen heimzuzahlen und ihre Idologie doch noch zu rechtfertigen.
Eigentlich ist es ein Trauerspiel.
@Christian
„Deswegen gibt es ja auch eine Bezahlung? Er verschafft ihnen darüber, dass sie ihm zuarbeiten können eben auch einen Mehrgewinn, denn sie ohne ihn nicht hätten.“
Nun, das gilt nur, solange die Bezahlung erträglich ist. Wie wir wissen, müssen sehr viele Menschen in Deutschland sogar zum Jobcenter, weil sie vom Arbeitslohn nicht leben können. Ebenso arbeiten viele Menschen für einen Lohn, der gerade mal so reicht. Dann stellt sich schon die Frage nach der Gerechtigkeit. Es gehört aber freilich zum Kapitalismus dazu, denn es handelt sich ja um einen Arbeitsmarkt und marktförmig verhandelte niedrige Entlohnung.
Davon abgesehen wollte ich Brecht hier nicht als Beispiel einer gelungenen Gesellschaftsanalyse benennen, sondern als exemplarisch für linkes Denken, wie es einst war. Für mich ist das jetzt nicht unbedingt politisch wichtig als Orientierung. Aber als Maßstab dafür, ob Feminismus links ist oder nicht, finde ich es ganz hilfreich.
@lomi
„Nun, das gilt nur, solange die Bezahlung erträglich ist. Wie wir wissen, müssen sehr viele Menschen in Deutschland sogar zum Jobcenter, weil sie vom Arbeitslohn nicht leben können“
Das sind üblicherweise sehr niedrig qualifizierte Leute oder Leute in der Ausbildung. Der Mindestlohn liegt bei 8,50, das sind brutto bei 40 Stunden die Woche 1.450 € brutto.
Ein gut qualifizierter Mitarbeiter ohne Studium in einer größeren Fabrik mit Schichtsystem und Überstunden kommt durchaus auf 5000 brutto
„Ebenso arbeiten viele Menschen für einen Lohn, der gerade mal so reicht. Dann stellt sich schon die Frage nach der Gerechtigkeit. Es gehört aber freilich zum Kapitalismus dazu, denn es handelt sich ja um einen Arbeitsmarkt und marktförmig verhandelte niedrige Entlohnung.“
Selbst wenn man das so sieht: Was bringt es ihnen, wenn man dafür Begrenzungen für Reiche aufstellt?
Was sollte man mit Leuten wie Larry Page machen, damit es „gerecht“ ist?
Sie Zwangsenteignen? Leuten verbieten Unternehmen wie Google zu haben? Google Verstaatlichen? Das alles bringt ja nicht mehr Wohlstand, sondern weniger.
„Davon abgesehen wollte ich Brecht hier nicht als Beispiel einer gelungenen Gesellschaftsanalyse benennen, sondern als exemplarisch für linkes Denken, wie es einst war. “
Und danke dafür. War lehrreich
@Adrian
„Und seitdem sich Arbeiter iPhones leisten können und lieber CDU als KPD wählen, muss der Fokus der linken Analyse eben woanders hingehen.“
Es ändert sich ja, die Ungleichheit nimmt rapide zu und der Massenwohlstand der alten Bundesrepublik stellt sich nach und nach als geschichtlicher Ausnahmefall heraus. Da gäbe es genug Ansatzpunkte für eine traditionelle Linke.
Im übrigen hatten die Arbeiter zu Marxens Zeiten auch wenig Neigung, revolutionär zu sein. Das war schon immer das Problem der Linken, dass nur ihre Akademiker die Revolution wollten.
Dass die Linke insgesamt noch keine Antwort auf den Real-Sozialismus und dessen Scheitern gefunden hat, ja, da bin ich ganz bei Dir.
„Es ändert sich ja, die Ungleichheit nimmt rapide zu“
Das höre ich jetzt seit Jahrzehnten. Global gesehen entkommen immer mehr Menschen der Armut. Durch marktwirschaftliceh Prinzipien.
„und der Massenwohlstand der alten Bundesrepublik stellt sich nach und nach als geschichtlicher Ausnahmefall heraus.“
Der Massenwohlsatnd ist immer noch gegeben. Wer lebt in Deutschland denn nicht im Wohlstand? Selbst Hartz IV-Empfänger tun das.
Das wird sich natürlich ändern, wenn wir weiterhin Massimmigration unqualifizierter Menschen aus Drittweltländern haben, aber gut, das will die Linke ja so.
Im Übrigen haben Linke keine Rezepte zur Generierung von Wohlstand. Sie können immer nur umverteilen. Umverteilung nützt aber nicht viel, wenn der Kuchen immer kleiner wird.
„Wer lebt in Deutschland denn nicht im Wohlstand? Selbst Hartz IV-Empfänger tun das. “
Ich habe selber eine zeitlang Hartz IV bezogen. Das hieß Geldknappheit ab der ersten Woche im Monat. Gegenüber hungernden Kindern in Afrika war ich ein König, natürlich. Aber durch solche Vergleiche verkennt man allzu schnell das Stresspotenzial einer solchen Situation. Hartz IV ist zudem extrem demütigend, weil man von vielen Leuten als Asi betrachtet wird.
Ich finde es auch kein lebenswertes Leben, wenn man für 8 Stunden harter Arbeit nicht mehr als 1000 Brutto bekommt, aber z.B. Berliner Mietpreise damit wuppen muss. Auf solche Art von „Wohlstand“ kann man echt verzichten. Mir ist auch unbegreiflich, warum – die vermutlich besserverdienenden – Leute so wenig Verständnis für die Sorgen derer haben, die in solchen Lagen festklemmen.
@Christian
„Ein gut qualifizierter Mitarbeiter ohne Studium in einer größeren Fabrik mit Schichtsystem und Überstunden kommt durchaus auf 5000 brutto“
Ja. Aber das ändert nichts daran, dass es vielen Leuten eher finanziell schlecht geht, mag das auch an der niedrigen Qualifikation liegen, oder daran, dass sie im Dienstleistungssektor arbeiten. Das ist halt trotzdem ein Problem.
Wie man das löst, weiß ich auch nicht. Ich bin mit aktuellen linken Konzepten nicht vertraut. Mein Anliegen war nur, mal klarzustellen, was „links“ meiner Meinung nach eigentlich heißt und dass dieses Verständnis von „links“ z.B. nicht zu verwechseln ist mit „grün“ (öko, Esoterik, identity politics, Bio- und Kinderläden).
„Ich bin mit aktuellen linken Konzepten nicht vertraut.“
Liebe zum Islam, zum Feminismus, zu Gender und Russland.
@Adrian
„Tut er doch: Die Klasse der Frauen wird durch die Klasse der Männer unterdrückt: Politisch, ökonomisch, sozial.“
Nach Marx gibt es keine „Klasse der Frauen“.
Eine solche Klasse existiert nicht.
PUNKT.
Das ist eine Erfindung bürgerlicher Feministinnen gewesen, die das Privateigentum an den Produktionsmitteln Männern zugeschlagen hat – das marxistische Original ist „genderneutral“.
Im Marxismus ist es völlig egal, welches Geschlecht die *Eigentümerin der Produktionsmittel* hat.
„Im Übrigen haben Linke keine Rezepte zur Generierung von Wohlstand. Sie können immer nur umverteilen.“
Du bist lustig.
Wenn die Masse der Erwerbstätigen in den letzten 20 Jahren keine reale Einkommenssteigerung erfahren hat, obwohl das sozialdemokratische Konzept ursprünglich besagte, diese Erwerbstätigen sollen wenigstens an den Produktivitätssteigerungen teilzuhaben.
Und diese Produktivitätssteigerungen gab es tatsächlich – wo glaubst du ist die Differenz zwischen anteiliger Produktivitätssteigerung und Entwicklung der Reallöhne verblieben?
Dann kann die Antwort doch bloß lauten, sie WURDE UMVERTEILT.
Nämlich VON UNTEN NACH OBEN.
Die RECHTEN haben auch ein Rezept zur Generierung von Wohlstand – aber nicht für die, die diesen erarbeitet haben.
Gruß, crumar
@crumar
„Nach Marx gibt es keine “Klasse der Frauen”.
Eine solche Klasse existiert nicht.“
Okay, aber das hindert ja wiederum nicht, dass man erkennt, dass das von Marx entwickelte Muster hier im wesentlichen Übernommen worden ist, selbst wenn Marx und überzeugte Marxisten diese Übetragung ablehnen würden.
Ein solche Klasse existiert eben im Feminismus. Das Gerüst der entsprechenden Theorien wurde vom Klassenkampf auf den Geschlechterkampf und auch auf die Kategorie Rasse übertragen und der intersektionale Feminismus schafft nach dem gleichen Muster gegenwärtig immer weitere „Klassen“.
(mit Kulturmarxismus hat es dennoch nichts zu tun)
@Christian
„Okay, aber das hindert ja wiederum nicht, dass man erkennt, dass das von Marx entwickelte Muster hier im wesentlichen Übernommen worden ist, selbst wenn Marx und überzeugte Marxisten diese Übetragung ablehnen würden.“
Das ist natürlich möglich. Es könnte aber auch eine falsche Annahme sein. Denn es ist kein Alleinstellungsmerkmal, einen Konflikt zwischen zwei Gruppen anzunehmen, der umfassend ist und alles prägt. Im Gegenteil: Solche Polarisierungen sind offenbar das naheliegendste Rezept, sich die Welt zurechzuerklären.
Konservative z.B. teilen die Welt ein in 68er und sich selbst. Wo sie das tun, schreiben sie den 68ern zu, dass sie für alles Übel verantwortlich sind. Hier operieren sie also auch mit einer Art von „Klasse“.
Es kommt einfach häufig vor, dass solche Feindbildkonstruktionen gemacht werden, egal, welche Ideologie gerade wirksam ist. Das hat also mit „Marxismus“ wenig zu tun.
Im übrigen ist der Begriff „Klasse“ ein dezidiert ökonomisch definiertes Konzept und macht daher in anderen Zusammenhängen gar keinen Sinn. Zum Definitionsmerkmal des Klassenbegriff gehört eben der Besitz bzw. das rein ökonomische Potenzial einer Gruppe. „Klasse“ ist ein abstrakter Begriff: Die so bezeichnete Gruppe muss sich selbst nicht als Klasse wahrnehmen.
Und wie ich schon oben schrieb, operiert der Feminismus letztlich gar nicht so sehr mit „Klasse“, sondern mit „Stand“. Als Stand wurde eine Gruppierung verstanden, die sich aufgrund gleicher Lebensweise und Werten zusammenschließt und die diese Gleichheit zum Kriterium der Aufnahme oder des Ausschlusses von anderen Menschen macht. Das heißt auch, dass Stand den Leuten bewusst sind: Sie empfinden sich als Gruppe von Gleichen.
Stände mögen zuweilen deckungsgleich sein mit ökonomischen Verhältnissen ihrer Angehörigen. Aber es gibt z.B. unter den Reichen Gruppendifferenzen, etwa zwischen Leuten aus reichem Elternhaus und den „Neureichen“, die von den ersteren abgelehnt werden als „Parvenus“.
Die Annahme einer „gläsernen Decke“ ist in diesem Sinne „ständisch“. „Stand“ ist ein Konzept, das wiederum dezidiert gegen Marx entworfen wurde. Die Rückführung des Feminismus auf den Marxismus ist also zumindest brüchig bis inkonsistent.
@lomi
Für mich ist es einfach eine geschichtliche Herleitung, die mir bestimmte Ansätze in der feministischen Theorie deutlicher macht.
Ich finde es ehrlich gesagt immer verwunderlich, wenn da Leute mit Feinheiten die recht offensichtlichen Übertragungen im Groben kleinreden wollen. Es reicht doch eigentlich darzulegen, dass sie das Konzept übernommen haben, aber eben in wesentlichen Punkten etwas ganz anderes vertreten.
Auch die Evolutionsbiologie muss sich zB zurechnen lassen, dass der Sozialdarwinismus dort anleihen gemacht hat und daraus offensichtlich Konzepte übernommen hat, selbst wenn ein Evolutionsbiologe den Sozialdarwinismus ablehnt und dessen Schlüsse für falsch hält, sogar für ein vollkommenes missverstehen der grundlegenden Konzepte.
Er muss sich nicht vorhalten, dass es der Sozialdarwinismus mit ihm im gleichen Boot sitzt, aber deswegen muss man ja nicht abstreiten, dass dort her die Inspiration für bestimmte Konzepte kommt.
@Christian,
„Es reicht doch eigentlich darzulegen, dass sie das Konzept übernommen haben, aber eben in wesentlichen Punkten etwas ganz anderes vertreten.“
Ich habe Dir aber gerade erklärt, dass sie eben NICHT das Konzept Klasse übernommen haben, sondern ein anderes. Eine Gruppe, deren Herrschaft NICHT aus Besitzverhältnissen abgeleitet wird, ist KEINE Klasse. Ganz einfach.
Die Verwandtschaft zu „Stand“ ist deutlich größer, insbesondere auch deswegen, weil die vorgeblich herrschenden Männer sowohl arm als auch reich sein können und trotzdem angeblich ein privilegiertes Kollektiv bilden sollen. Das geht mit einen Klassenbegriff nicht.
Und das hat nun nichts mit Kleinreden zu tun. Es ist umgekehrt vielmehr vollkommen unnütz, hier irgendwelche Verwandschaften mit einem – den meisten hier vollkommen unbekannten – Marxismus zu suchen. Das ist ohne jeden analytischen Vorteil, zumal es auch einfach nicht hinhaut. Der einzige Zweck einer solchen Übung kann es dann wohl nur sein, „links“ und „feministisch“ zu amalgamisieren, um eben seinerseits ein Kollektiv zu konstruieren. Es ist in meinen Augen sehr viel hilfreicher, die Differenzen zwischen traditionellem Linkstum und dem Feminismus aufzudecken und dadurch auch mal die Linken zum Nachdenken anzuregen. Aber diesen Automatismus der Gleichsetzung zu unterstellen, heißt, im Grunde der Propaganda der Feministinnen aufzusitzen, Feminismus sei links.
@lomi
„Ich habe Dir aber gerade erklärt, dass sie eben NICHT das Konzept Klasse übernommen haben, sondern ein anderes. Eine Gruppe, deren Herrschaft NICHT aus Besitzverhältnissen abgeleitet wird, ist KEINE Klasse. Ganz einfach.“
Das sind begriffliche Feinheiten. Etwa so als würde man anführen, dass der Sozialdarwinismus das Prinzip des Auslese nicht aus der Evolutionsbiologie übernommen hat, weil es dort um Gene geht.
@Christian
„Das sind begriffliche Feinheiten. Etwa so als würde man anführen, dass der Sozialdarwinismus das Prinzip des Auslese nicht aus der Evolutionsbiologie übernommen hat, weil es dort um Gene geht.“
Nein, das sind eben nicht einfach nur begriffliche Feinheiten. Klasse und Stand folgen einer unterschiedlichen Logik und beschreiben unterschiedliche Phänomene. Daher ist die Klarheit der Begriffe hier schon wichtig. Umgekehrt ist es geradezu fahrlässig, diese Unterschiede zu verwischen.
Die Feminismuskritik würde dadurch auf der Stelle erblinden. Der begriffsblinde Feminismuskritiker würde nämlich jetzt sagen: Ihr habt gleiche Rechte und es gibt Frauenförderung durch den Staat wie z.B. das Professorinnenprogramm. Die Klassenherrschaft der Männer ist also gebrochen. Warum gibt es jetzt nicht 50% weibliche Profs?
Er würde die Antwort der Feministinnen nicht verstehen, die ihm entgegenhalten:
– es gibt eine gläserne Decke, ein old boys network, dass trotz Einhaltung aller formalen Vorgaben die Frauen subtil ausschließt
– es gibt eine geschlechtsspezifische Sozialisation, die in der Konsequenz zur Selbstselektion der Frauen in dem Sinne führt, dass sie gewissermaßen im vorauseilenden Gehorsam keine Karriere machen
Wenn der Feminismuskritiker hier mit einem allzu schlichten Modell von Klasse operiert, wird er nicht in der Lage sein, die Behauptungen der Feministinnen kritisch zu prüfen, weil er das dahinterstehende Konzept nicht zu erkennen vermag.
@lomi
„Klasse und Stand folgen einer unterschiedlichen Logik und beschreiben unterschiedliche Phänomene“
Das ist aber für die Grundübernahme der groben gleichung „Wir als Gruppe werden durch eine andere Gruppe, die den Mehrwert unser Arbeit abschöpft, ausgebeutet“ vollkommen egal.
„Die Feminismuskritik würde dadurch auf der Stelle erblinden. Der begriffsblinde Feminismuskritiker würde nämlich jetzt sagen: Ihr habt gleiche Rechte und es gibt Frauenförderung durch den Staat wie z.B. das Professorinnenprogramm. Die Klassenherrschaft der Männer ist also gebrochen. Warum gibt es jetzt nicht 50% weibliche Profs?“
du verstehst anscheinend nicht, dass es mir nur um die historische Übernahme bestimmter Konzepte geht und die Feinheiten der Kritik, genau wie beim Sozialdarwinismus im bezug auf die Evolutionsbiologie, dabei keine Rolle spielen?
Aber selbst in deinem Modell: Das kann man dem Kommunismus doch heute genau so entgegenhalten: Jeder kann sich heute selbständig machen und in China produzieren lassen. Produktionsmittel zu besitzen ist inzwischen vollkommen unwichtig, siehe Appel. Das stört Kommunisten genauso wenig.
@Christian
Christian, dann anders herum:
„Gruppenselektion“ ist identisch mit „Selektion“ und wenn du nun herumnöhlst, dann antworte ich dir:
„Okay, aber das hindert ja wiederum nicht, dass man erkennt, dass das von Darwin entwickelte Muster hier im wesentlichen Übernommen worden ist, selbst wenn Darwin und überzeugte Darwinisten diese Übetragung ablehnen würden.“
Und um es noch schöner zu gestalten behaupte ich von jetzt ab, dass du eigentlich „Gruppenselektion“ *meinst*, wenn du „Selektion“ sagst.
Denn genau so gehst du vor:
„Es reicht doch eigentlich darzulegen, dass sie das Konzept übernommen haben, aber eben in wesentlichen Punkten etwas ganz anderes vertreten.“
Entweder du hast „Selektion“ in „Gruppenselektion“ *übernommen* oder NICHT.
Wenn mit „Gruppenselektion“ „in wesentlichen Punkten etwas GANZ ANDERES“ vertreten wird als in „Selektion“, dann verfälscht das, was Selektion „per Definition“ meint und ist.
Man kann nicht blauäugig annehmen, ein Konzept hätte keine Rückwirkung auf die Begriffe, die es selber bilden.
„Die Eigentümer von bloßer Arbeitskraft, die Eigentümer von Kapital und die Grundeigentümer, deren jeweilige Einkommensquellen Arbeitslohn, Profit und Grundrente sind, also Lohnarbeiter, Kapitalisten und Grundeigentümer, bilden die drei großen Klassen der modernen, auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden Gesellschaft.“
K. Marx, MEW 25, 892
Diese Definition des Begriffs „Klasse“ kommt – notwendig – völlig ohne das Geschlecht aus.
Wie habe ich mir vor diesem Hintergrund eine „Klasse von Frauen“ vorzustellen?
Frauen können ebenso Eigentümerinnen von bloßer Arbeitskraft, Eigentümerinnen von Kapital und Grundeigentümerinnen sein.
Was der „feministische Klassenbegriff“ hingegen behauptet, liest sich zwangsläufig so, setzt man sie in die Marxsche Definition ein:
„*Frauen* sind die Eigentümerinnen von bloßer Arbeitskraft, *Männer* die Eigentümer von Kapital und die Grundeigentümer.“
Das ist offensichtlich albern und absurd; es widerspricht der empirischen Realität und der Geschichte.
Ich sehe es nicht ein, den Feministinnen die Definitionsmacht über diesen Begriff zu überlassen.
Darauf läuft dein Vorschlag nämlich hinaus, *ich möge akzeptieren*, Feministinnen hätten ein „Muster übernommen“.
Die Feministinnen haben kein „Muster übernommen“, sie haben den Begriff plagiiert und eine Absurdität aus ihm gemacht, um „irgendwie links“ und glaubwürdig zu klingen.
Das würdest du (s.o.) ebenso wenig hinnehmen.
Gruß, crumar
@Lomi:
Der Ursprung ist mir schon klar und war natürlich auch vollkommen berechtigt (und ich bin auch nicht so blauäugig, die Bedeutung von Geld klein zu reden).
Wobei mir der (wie gesagt, nur wenig bekannte) Marx schon ab und zu über die Stränge zu schlagen schien, wenn er Prostituierte irgendwo mal mit Betrieben verglich, erkenne ich schon, warum man es damals so betrachtete.
Soll auch kein generelles Linken-Bashing sein (da schnitte ich mir auch ins eigene Fleisch), aber es amüsiert mich schon, dass so viele Leute heute eben nur auf diesen engen Bahnen denken, gleichzeitig aber gerade nicht diejenigen sein wollen, denen es nur ums Geld geht.
@DMJ
ich stimme dem letzten Punkt nicht ganz zu. Denn angenommen, es gäbe ein Gender Pay Gap aufgrund von Diskriminierung, wäre das tatsächlich eine horrende Ungerechtigkeit. Gegen so etwas ist es legitim und lohnenswert zu kämpfen. Es wäre sogar ein erheblich sinnvolleres Thema als die Durchsetzung von Verboten „sexistischer“ Werbung oder einer Quotierung von Straßennamen. Schönheitsideale z.B. kann man politisch nicht regeln, deshalb ist die Politisierung von Schönheitsidealen vollkommen sinnfrei. Verteilungsverhältnisse kann man politisch regeln, hier lohnt die Politisierung.
Es ist nur dummerweise so, dass der Gender Pay Gap nicht als Effekt von Diskriminierung zu existieren scheint. Also ist es dann doch ein pseudopolitisches Thema.
Das einzige Argument das ich höre: Das ist unfair, finanziert mich, respektiert mich, privilegiert mich! Ich hab Brüste!
„Es kann viele Gründe geben, Geld nicht so hoch zu bewerten, etwa weil man mehr Freizeit haben möchte bzw. seine Zeit lieber bei der Familie etc verbringen möchte, weil man Spass an einem Job höher bewertet, weil man für einen besseren Job weiter fahren müsste und das auch weniger Flexibilität und mehr Zeit unterwegs bedeutet, weil mehr Verantwortung auch mehr Stress bedeutet oder kurz: Weil man Karriere gar nicht so wichtig findet.“
Es wäre aber schön, wenn die Frauen ein bisschen mehr auf die eigene Karriere achten würden. Dann würde über vielen Männern nicht ständig das Damokles-Schwert des nachehelichen und/oder Betreuungsunterhalts (also, den an die kleinkindbetreuende Mutter) schweben.
Als jemand, der ab und zu mit Berufsberatungsthemen zu tun hat, stehe ich immer wieder fassungslos vor der feministischen Ignoranz in diesem Bereich. Auf die Gefahr hin, Eulen nach Athen zu tragen, habe ich hier die wichtigsten Kriterien bei der Berufswahl, die in Berufsberatungen der Schulen, Arbeitsagenturen usw. immer wieder genannt werden, aufgelistet. Darin ist die monetäre Vergütung nur **eines** von wenigstens 4 wichtigen Kriterien. Diese Kriterien gehen z.T. auch in die Tarifmerkmale ein.
Bei den GPG-Berechnungen werden alle anderen Kriterien ausgeblendet, weil man sie kaum numerisch erfassen kann. Diese prinzipielle Schwäche der GPG-Statistiken wird notorisch übersehen.
Und noch eine bissige Bemerkung zu unseren EPD-Aktivistinnen und deren extrem simplizistisches Modell, wie Berufswahlentscheidungen getroffen werden:
Implizit unterstellen sie regelmäßig, Mädchen bzw. Frauen seien zu dumm, die richtigen Berufe zu ergreifen. Diese Unterstellung ist so sexistisch und politisch so inkorrekt, daß alleine der Gedanke kaum noch denkbar ist. Allerdings ist diese Unterstellung die zentrale gedankliche Basis für die gigantische Maschinerie, die seit Jahrzehnten Frauen fördern und zu „besseren“ Berufswahlentscheidungen überreden will. Wären die Frauen „schlauer“, würden sie die Vorteile von „Männerberufen“ auch ohne Nachhilfe korrekt erkennen und sich für diese Berufe entscheiden. Dumm sind aber leider nur unsere Aktivistinnen, weil sie ein triviales, unrealistisches Modell für Berufswahlentscheidungen unterstellen.
@mitm
Man sollte fairerweise bedenken, dass die Berufswahl junger Frauen a. spätere Erwerbsunterbrechungen durch Kinder bereits antizipiert (oder gleich Berufe gewählt werden, die die Fortsetzung der Aufzucht von Kindern sind).
Was wiederum auf Berufe verweist, die geringer entlohnt sind, da sich b. die Gefahr, dort erworbenes Wissen wird sich schnell entwerten nicht einstellt.
D.h. selbst in den akademischen Berufen gibt es einen solchen „spread“, den Marx prinzipiell als Differenz zwischen „einfacher“ und „komplizierter Arbeit“ gefasst hat.
Und den ich hier so verstehe, dass der wissenschaftliche Fortschritt selbst ein „lebenslanges Lernen“ erzwingt, da die „komplizierte Arbeit“ die permanente Umwälzung ihrer eigenen Grundlagen ausmacht.
Was wiederum die Basis von Produktivitätssteigerungen ist und demnach schafft diese Arbeit höheren Wert und demnach Mehrwert für das Kapital, die sich in den von Frauen dominierten Berufsfeldern nicht einstellt. Die in der Regel ohnehin auf staatlicher Alimentierung beruht.
Es gibt aber nur zwei Möglichkeiten, einer Grundschullehrerin „Mehrarbeit“ abzuzwingen – ihre Arbeitszeit zu verlängern und die Größe der Klasse zu erhöhen. Es gibt keine Revolutionierung des Arbeitsprozesses selbst, d.h. es gibt keine Möglichkeit, einen *relativen Mehrwert* zu erzielen.
Entsprechend – und aus marxistischer Sicht notwendig – ist die Entlohnung eines Informatikers von dem einer Grundschullehrerin verschieden.
Das Marx dieser Form von „Ergebnisgleichheit“ eine klare Absage erteilte, muss ich anscheinend noch einmal deutlich machen (Hervorhebung von mir):
„Ich muss diese Gelegenheit zu der Feststellung benutzen, dass, genauso wie die Produktionskosten für Arbeitskräfte verschiedener Qualität nun einmal verschieden sind, auch die Werte der in verschiedenen Geschäftszweigen beschäftigten Arbeitskräfte verschieden sein müssen.
*Der Ruf nach Gleichheit der Löhne beruht daher auf einem Irrtum, ist unerfüllbarer, törichter Wunsch.* (Anm. Ist das hiermit angekommen?!)
Auf Basis des Lohnsystems wird der Wert der Arbeitskraft in derselben Weise festgesetzt wie der jeder anderen Ware; und da verschiedene Arten Arbeitskraft verschiedene Werte haben oder verschiedene Arbeitsmengen zu ihrer Produktion erfordern, so müssen sie auf dem Arbeitsmarkt verschiedene Preise erzielen.“
K. Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 131
Damit will ich verdeutlichen, dass hier teilweise befremdliche Vorstellungen von Marxismus vorherrschen, die nicht über das hinausgehen, was Feministinnen behaupten, was Marxismus *ist*.
In der Regel handelt es sich dabei um die Wiedergabe eines verlogenen DRECKS.
Was mich ankotzt ist, hier permanent gegen MISSBRAUCH von Marx zu argumentieren. Der Kerl ist tot und kann sich gegen Vereinnahmung nicht mehr wehren.
Gruß, crumar
@crumar „Berufswahl junger Frauen a. spätere Erwerbsunterbrechungen durch Kinder bereits antizipiert“
Das ist auch meine Beobachtung: Bei der Berufs- oder vorgelagert Studienfach-Wahl ist es bei vielen jungen Frauen ein sehr wichtiges Kriterium, die Arbeitszeit reduzieren zu können oder für eine Weile ganz aus dem Job aussteigen zu können. Dies ist eine Erklärung für die enorme Anziehungskraft von Jobs im öffentlichen Dienst für Frauen.
„den Marx prinzipiell als Differenz zwischen “einfacher” und “komplizierter Arbeit” gefasst hat.“
Ich muß zu meiner Schande gestehen, nichts von Marx gelesen zu haben und da ganz ungebildet zu sein – das Zitat von ihm ist erstaunlich marktorientiert. Ich mache nur meine Augen auf und beobachte, scheinbar mit ähnlichen Ergebnissen. Die Unterscheidung „einfache / komplizierte Arbeit“ war bei meiner Liste von Auswahlkriterien unter dem Punkt „Merkmale der Berufstätigkeit: Wie anstrengend / belastend / gesundheitsgefährdend ist die Berufstätigkeit? Wie hoch ist der Leistungsdruck / Streß?“ mitgemeint. Sich ständig weiterbilden zu müssen, oft außerhalb der Arbeitszeit, und entsprechender Erfolgsdruck ist eben stressiger als ein Job, wo man eine ruhige Kugel schieben kann. Das ist aber oft vor allem eine Sache der Person bzw. Persönlichkeit: zwei Leute können formal die gleiche Ausbildung haben und den gleichen Job machen, aber der eine macht Dienst nach Vorschrift und der andere reißt sich bestimmte Körperteile auf und ist mindestens 20% mehr wert als der Kollege. Diese Leistungsbewertung bzw. der Wertunterschied wird aber nach meinem Eindruck nicht durch keinerlei formale Kriterien statistisch erfaßt, das ist einer meiner wesentlichsten Grundsatzkritikpunkte am GPG. Egal ob mit oder ohne Marx 😉
@crumar: Besten Dank für die Zitate!
@mitm: “ zwei Leute können formal die gleiche Ausbildung haben und den gleichen Job machen, aber der eine macht Dienst nach Vorschrift und der andere reißt sich bestimmte Körperteile auf“
Richtig. Der Wert, den ein MA für ein Unternehmen leistet(/hat), ist individuell zu bewerten. Also etwas, was im öfftl. Dienst gerade nicht geschieht, dort wird nach (Aus-)Bildungsabschluß und Dienstalter eingruppiert.
Vor einiger Zeit geisterte einmal durch den Blätterwald, dass irgendwo (Google?) bestimmte Mitarbeiter für ‚die gleiche Arbeit‘ fünfmal so viel Gehalt erhielte wie andere Mitarbeiter. Das lag daran, dass diese Hochverdiener nach Ansicht der Geschäftsführung elementar wichtig für das Unternehmen waren und unbedingt gehalten werden sollten, im Gegensatz zu anderen, die offenbar als leichter ersetzbar eingestuft wurden.
Das genau eine solche Entlohnungsstruktur tatsächlich fair sein könnte, ist irgendwie keinem bei der Qualitätspresse aufgefallen….
Ergänzend zum letzten Punkt des Threadstarters kommt in den Diskussionen zum GPG auch ständig das Argument hoch, dass es zwar schon so sei, dass Frauen eher die (schlechter bezahlten) sozialen Berufe ergriffen, dass man aber die Frage stellen müsse, ob ‚man typische Frauenberufe nicht besser bezahlen‘ müsse. (Aktuell z.B. hier. )
In einem bestimmten Sinne halte ich die Frage für korrekt, in einem anderen nicht. Wenn nämlich die Bezahlung anhand von Angebot und Nachfrage zustande kommt, wäre sie ja fair, da offenbar genug Personen bereit sind, für das gebotene Gehalt zu arbeiten.
NmA ist es aber so, dass (jedenfalls in D) gerade Frauen es sich offenbar eher als Männer leisten können, für die Haushaltskasse nur dazuzuverdienen, welches wiederum den Nachfrage-Markt für typische Frauenberufe kaputtmacht. Anders gesagt: gäbe es keine Ehen/Partnerschaften bzw. gar keine Geschlechter und jede Person müßte für sich selbst sorgen, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in diesen Berufen mehr Gehalt geboten werden müßte, weil weniger bereit wären, zum aktuellen Niveau zu arbeiten.
Lediglich ‚mehr Wertschätzung‘ (=mehr Geld) ‚ für soziale Berufe‘ mit Trillerpfeifen und lustigen ver.di-Schürzen zu verlangen, ohne die Angebot-Nachfrage-Situation (oder solche Kleinigkeiten wie Verletzungs- oder Sterberisiko an der Arbeitsstelle) zu berücksichtigen, halte ich für nur noch grotesk.
„NmA ist es aber so, dass (jedenfalls in D) gerade Frauen es sich offenbar eher als Männer leisten können, für die Haushaltskasse nur dazuzuverdienen, …“
Genau das meinte ich oben mit dem Wunsch, dass Frauen mehr Augenmerk auf die Karriere(aussichten) legen sollten.
Sie fahren von Anfang an mit gebremstem Schaum, weil sie wissen, dass mit ziemlicher Sicherheit irgendwann ein Mann ihren Lebensstil finanziert.
Prinzipiell hat Anne natürlich recht, wenn sie meint, dass jeder den Beruf wählen sollte, in dem er sich am wohlsten fühlt.
Allein, nicht jeder kann sich das leisten. Und wenn ich auf dem Weg zur Arbeit an einer Baustelle vorbei komme, wo Eisenflechter bei 1°C und leichtem Nieselregen den nächsten Betonguss vorbereiten, dann kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sie hier ihren Traumjob verrichten.
Aber die meisten haben eine Frau mit/ohne Kindern zuhause, für die der Schornstein am Rauchen gehalten werden muss.
„Allein, nicht jeder kann sich das leisten.(…) wo Eisenflechter bei 1°C und leichtem Nieselregen den nächsten Betonguss vorbereiten (…)“
Volle Zustimmung. So sehr Anne (und andere) natürlich recht haben damit, dass man mit Neigung wg. intrinsischer Motivation immer besser sein wird als in einem Job, gegen den man Abneigung hat, sollte allen jedoch klar sein, dass die Situation, eine Tätigkeit nach Neigung aussuchen zu können, bereits eine Luxussitiation ist.
Ich empfehle eine Berufswahl nach den persönlichen Interessen und Fähigkeiten, und nicht (nur) nach der erhofften Bezahlung.
Vor Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums ist es meist überhaupt nicht realistisch abzusehen, wie später die Berufschancen oder die Bezahlung sind.
Und oft kommt es anders, als man denkt.
Wer begeistert seinem Beruf nachgeht, wird wesentlich bessere Arbeit leisten als jemand, der nur aus Hoffnung auf eine gut bezahlte Stelle diesen Beruf gewählt hat.
Aktionen wie der Girls‘-Day und Kampagnen wie MINT Role Model führen höchstens dazu, dass vermehrt junge Menschen einen Beruf ergreifen, für den sie vielleicht gar nicht geeignet sind.
„DÜSSELDORF. Gleiche Ausbildung, gleiche Aufgaben, aber ungleiche Bezahlung. Die Besoldung der nordrhein-westfälischen Lehrer verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen das Grundgesetz, urteilt ein Rechtsgutachten der Universität Würzburg im Auftrag der GEW. Die Landesregierung müsse jetzt zeitnah die besoldungsrechtliche Konsequenz aus der Umstellung der Lehrerausbildung im Zuge des Bologna-Prozesses ziehen.“
Haben Lehrer wirklich die gleiche Ausbildung und Berufsanforderungen, egal ob Grundschule oder Gymnasium?
http://www.news4teachers.de/2016/01/rechtsgutachten-nrw-lehrerbesoldung-ist-in-mehrfacher-hinsicht-verfassungswidrig/#comments
„Haben Lehrer wirklich die gleiche Ausbildung und Berufsanforderungen, egal ob Grundschule oder Gymnasium?“
Das betrifft genau den Punkt den ich gerade mit crumar diskutiert habe. Für die Eingruppierung im öffentlichen Dienst zählen Berufsanforderung und individuelle Leistung überhaupt nicht, sondern nur die Länge des „Studiums“.
Grundschullehrer hatten früher ein 6-semestriges Studium und wurden ca. 2 – 3 Gehaltsgruppen unter Gynmasiallehrern eingestuft, die ein 10-semestriges Studium hatten. Im Rahmen der völlig absurden Umstellung auf das Bachelor-/Master-System müssen jetzt alle Lehrämtler 10 Semester studieren. Vom Anspruchsniveau her war das Grundschullehrer-Studium schön früher ein Witz im Vergleich zum einem normalen richtigen Studium (was nicht ausschließt, daß man viele sinnlose Schikanen zu durchlaufen hatte). Das sinnlose Däumchendrehen (man lernt praktisch nichts für den Job Relevantes an der Uni) ist jetzt um 4 Semester verlängert worden und gilt jetzt als äquivalent zu einem wissenschaftlichen Studium. Daher: Gehaltserhöhung.
Ich kann nur jedem männlichen Heranwachsenden dringend raten, Grundschullehramt zu studieren. Schwierigkeitsgrad: geschenkt, jetzt noch bessere Bezahlung als vorher (nicht irritieren lassen von dem ewigen Gejammere über die angeblich schlechte Bezahlung von Grundschullehrern, das ist ein Ablenkungsmanöver!), und man kann auf Männerquote plädieren.
Einziges Problem: dieser Job ist seit langem dermaßen attraktiv, daß man an vielen Unis einen Abi-Schnitt merklich besser als 2.0 braucht. Den hat nicht jeder, und wer in hat, will meistens nicht im Kindergarten arbeiten.
In der Türkei gibt es 5 mal mehr Professorinnen als in Deutschland.
http://www.deutschlandfunk.de/in-der-tuerkei-gibt-es-5-mal-mehr-professorinnen-als-in.680.de.html?dram:article_id=30152
Was hier nicht erwähnt wird, ist der Lohn. Professoren verdienen in der Türkei nicht viel, habe ich im Fernsehen gesehen. Männer müssen auch in der Türkei die Familie ernähren, da können sie es sich nicht leisten, Professor zu werden. Da gibt es dann viele Frauen, die das quasi hobbymäßig machen. Wenn man also mehr Professorinnen will, ist es das einfachste, man kürzt massiv die Löhne.
Das ist wieder mal haarsträubener Unfug vom DLF:
„Und dennoch liegt der Anteil von Professorinnen an türkischen Hochschulen bei 21 Prozent, in Deutschland hingegen nur bei 4 Prozent.“
In 2014 lag der Anteil der Professorinnen in Deutschland bei 22%,
genauer 10.062/(10.062+35.687), s. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/160365/umfrage/professoren-und-professorinnen-an-deutschen-hochschulen/
Kann jemand eine e-mail an den DFL schreiben? Mit höflichem Hinweis auf den aussterbenden Qualitätsjournalismus.
Vielleicht sind bei den 4% schon die rausgerechnet, die nicht „richtige“ Professoren sind?
Also die, die nicht wegen Befähigung, sondern wegen Vagina (Professorinnenprogramm, Genderstudies, etc.) im Amt sind?
Ich sehe gerade, der Artikel ist von 2000, aber auch da war der Frauenanteil schon über 10%. Das mit der Vaginalqualifikation scheint mir aber ein valabler Gedanke.
Das mit den 4% hätte mir natürlich auffallen müssen.
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