Emotionale Arbeit

Im „Selbermach Samstag“ wurde ein wirklich hinreißend dämlicher Tweet von Laurie Penny gepostet und aus diesem entstand eine Diskussion über „emotionale Arbeit“

Die Theorie im Feminismus ist dabei, dass Frauen die emotionale Arbeit in allen Bereichen der Gesellschaft aufgehalst wird, und das meist unbezahlt.

Dass kann bei der Betreuung der Kinder anfangen, beim Herrichten des Heims, beim Pflegen von Verwandten, beim „Dasein“ für Freunde und Bekannte.

Hier ein paar weitere Beispiele aus dem Feminismus:

In einer patriarchischen Gesellschaft fällt emotionale Arbeit tendenziell Frauen zu, und diese Situation ist keine Ausnahme. Es ist anstrengend, eine Umgebung zu ignorieren, in der du überall zu spüren kriegst, dass du nicht dazugehörst. Es ist Aufwand, die kognitive Dissonanz, dass Menschen eine Sache sagen aber eine andere Sache tun, unter einen Hut zu bringen. Wenn also ein Typ sagt „sieh darüber hinweg“, und „sei nicht so sensibel“, dann verlangt er im Klartext, dass Frauen (oder andere ohne Cis- oder männliche Privilegien) seine Arbeit für ihn machen.

In einem Reddit-Kommentar wurde ein Typ als „creepy“ bezeichnet; seine Antwort war, dass alle, die seine Kommentare lesen, annehmen sollen, dass es nicht seine Intention ist, creepy zu sein. Das ist ein Beispiel für den dreisten Anspruch, dass andere die eigene emotionale Arbeit machen sollen: Er sagt, dass er nicht daran arbeiten will, nicht creepy zu klingen (oder sich selbst zu bilden, damit er uncreepy kommunizieren kann). Statt dass eine Person einfach uncreepy schreibt, verlangt er, dass jede Person, die seine Sachen liest, ihren „Creepiness“ Alarm ausschaltet und sich die Arbeit macht, eine uncreepy Interpretation zu finden.

Es wäre eigentlich ein gutes Beispiel für klassische weibliche Unterverantwortlichkeit (Female Hypoagency) und männliche Hyperverantwortlichkeit (Male Hyperagency). Sie muss nur ihre Gefühle äußern und wenn die Unwohlsein ausdrücken, dann muss er eben daran arbeiten, dass sie diese Gefühle in Zukunft nicht mehr hat. Die Verteidigung, dass sie ihn falsch versteht, wird direkt als Aufbürdung von emotionaler Arbeit gesehen.

Oder Laurie Penny über Prostitution:

Frauen haben schon immer Emotionalität und Intimität verkauft. Sehen Sie sich die typischen Frauenjobs an. Und es wird mehr: Wir sollen uns mit unserer ganzen Persönlichkeit unserem Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Wir alle verkaufen immer mal wieder Gefühle.(…) Die Sexarbeiterin wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen, weil die promiske Frau ausgeschlossen werden muss. Denn sie stellt das Patriarchat infrage. Emotionale Arbeit der Frauen ist in unserer Gesellschaft nur dann gut, wenn sie unbezahlt ist: Männer und Kinder lieben und all diese Liebesdienste an ihnen verrichten.

Frauen, die Prostituierte ablehnen, haben dann wahrscheinlich wieder nur Sexismus internalisiert. Vergessen wird dabei vielleicht auch, dass die emotionale Arbeit selten unbezahlt ist, denn die Frau, die zB die Kinder betreut oder Verwandte pflegt, wird in dieser Zeit häufig finanziell von einem Mann ausgehalten. Sind sie verheiratet geht ihre Nichterwerbstätigkeit auch bei der Rente und auch bei einer Scheidung deutlich zu seinen Lasten.

Anscheinend ist da bei einigen Feministinnen aber bei Beziehungen die Vorstellung verbreitet, dass dort die Frau nur die emotionale Arbeit für den Mann macht, der dabei nichts zurückgibt.

Dazu schrieb Only me:

Die Vorstellung, dass in erster Linie die Frau emotionale Arbeit mit dem Mann hat widerspricht dermaßen konsequent meinen Erfahrungen, dass ich mich jedes Mal frage, wie jemand so was behaupten kann, ohne rot zu werden.

Aber es gibt ja auch die Möglichkeit, dass meine Erfahrungen (Er hört ihr stundenlang zu, streckenweise lediglich aus einer Art Gefühl von Verpflichtung, behält aber seine Sachen für sich, da sie ja eh schon so viel Probleme hat) nicht repräsentativ sind.

Wie ist es denn hier bei den Männern, die eine dauerhafte Partnerin haben? Verbringt ihr mehr Zeit damit, dass sie erzählen ihren Alltag verarbeitet oder damit, dass ihr erzählend euren Alltag verarbeitet?

Und David ergänzte:

keine Sorge, du bist völlig normal. 😉

Ich erlebe das in meinem Bekannten- wie auch Patientenkreis nahezu nie anders. Es wird zumindest hauptsächlich IHR (Arbeits-)Alltag besprochen, fast ausschließlich wiederum IHRE Probleme, Unsicherheiten, Ängste, Sorgen (Vorsicht, hier einen Ausgleich schaffen zu wollen, dürfte meist schwer ins Auge gehen!).

Sollte mann ihr allerdings nicht übel nehmen, sondern schlicht als serienmäßige Grundausstattung akzeptieren.

Die wirkliche “emotionale Arbeit” besteht aber darin, all die Projektionen, plötzlichen Stimmungswechsel, Wutanfälle und sonstiges Drama aufzufangen, auszugleichen, zu erden, sprich: IHRE Emotionen zu regulieren.
Das macht für den Mann, vor allem die weniger Dauerstress-Resistenten, wahrscheinlich durchaus das eine oder andere Jahr des Life expectancy gaps aus.

Habe schon einige Studien und Vorträge gesehen, die dies nahe legen (beziffern kann man es sicher nicht so leicht).

Man kann das schon lernen. “emotionale Arbeit” bleibt es aber allemal.

 

Dass scheint mir auch durchaus ein häufiger Fall zu sein: Der Mann, der darum bemüht ist, dass seine Frau zufrieden ist. Nicht umsonst ist die Zufriedenheit der Frau ein wichtigeres Anzeichen dafür, wie die Beziehung läuft. Er kommt damit zurecht, wenn er gestresst ist, aber wenn die Frau unglücklich ist, dann geht es eben bergab. Männer sind auch eher geneigt in einer Beziehung zuzustimmen als einen langen Streit zu führen. (Natürlich könnte man auch das als Verlagerung der emotionalen Arbeit auf die Frau ansehen, denn sie will ja die Konflikte austragen und klären und der Mann drückt sich davor).

Wie bewertet ihr den Anteil von Männern und Frauen an emotionaler Arbeit?