#ausnahmslos

Als Reaktion auf die Vorkommnisse in Köln an Silvester haben verschiedene (Netz-)Feministinnen eine gemeinsame Erklärung verbundenen mit Vorstellungen, wie man so etwas in Zukunft verhindert, herausgegeben, die auch von vielen Politikern und anderen in der Szene Bekannten mitgezeichnet wurde

Ich finde das eine sehr gut geschriebene Erklärung. Nicht unbedingt was den Inhalt betrifft, sondern von der Ausarbeitung des Textes. Es ist ein Text, bei dem viele Leute zustimmen werden, dass er so der richtige Weg ist. Zwischen einer Vielzahl von Äußerungen, denen man zustimmen kann verstecken sich aber Aussagen, die so tatsächlich durchaus zu beanstanden sind, die aber geschickt in den Text eingegliedert sind. Zudem findet man diverse Zugeständnisse an bestimmte feministische Positionen, etwa den Intersektionalismus.

Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall. #ausnahmslos

In der Silvesternacht auf 2016 waren in Köln und anderen deutschen Städten viele Frauen sexualisierter Gewalt an öffentlichen Plätzen ausgesetzt. Diese Taten müssen zügig und umfassend aufgeklärt werden. Die Schutzlücken im Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung müssen endlich geschlossen werden.

Diese Schutzlücken bestehen allerdings kaum, in Ländern, in denen man bereits rein auf den Willen abstellt, verortet der Feminismus immer noch eine Rape Culture. Und ein Schließen der Schutzlücken hätte hier auch die Taten nicht wirklich verhindert.

Wir fordern, dass den Betroffenen jetzt alle Unterstützung und Hilfe zukommt, die sie benötigen. Wir stehen solidarisch mit all denjenigen, die sexualisierte Gewalt und Belästigung erfahren und erfahren haben.

Das ist ein Satz, dem man kaum widersprechen kann. Er kommt aber natürlich auch, wenn die Taten weit weniger eindeutig sind. Mitverfasserin Wizorek hat meines Wissens auch auf den Höhepunkten der Rollingstones-Affaire noch uneingeschränkte Solidarität verkündet und gefordert.

Wer wir sind
Als Feminist_innen1 aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen setzen wir uns seit vielen Jahren für Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und für eine offene und faire Gesellschaft ein, engagieren uns gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt.

Leider nein.

Dabei haben wir gelernt, wie wichtig es ist, auch gegen Rassismus und andere Formen von Diskriminierung zu stehen.

Wer würde dagegen sein, sich gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung zu stellen? Nur, dass radikale Feministinnen da eben Rassismus und Diskrimierung intersektional sehen und da selbst Kleinigkeiten ausreichen.

Dafür setzen wir uns ein
Der konsequente Einsatz gegen sexualisierte Gewalt jeder Art ist unabdingbar und von höchster Priorität. Es ist für alle schädlich, wenn feministische Anliegen von Populist_innen instrumentalisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen, wie das aktuell in der Debatte um die Silvesternacht getan wird.

Ein klasse Satz. Erst die Forderung, dass man sich konsequent gegen sexualisierte Gewalt einsetzt, dann die Verbindung damit, dass man wenn man das macht, sich nicht gegen feministische Anliegen, die nicht näher ausgeführt werden, stellen darf. „Hetzen“ wäre es dann wohl auch schon, wenn man anführt, dass der Vorfall ungewöhnlich und nicht schlicht Teil der Rape Culture, wie sie auch sonst in Deutschland herrscht, ist.

Sexualisierte Gewalt darf nicht nur dann thematisiert werden, wenn die Täter die vermeintlich „Anderen“ sind: die muslimischen, arabischen, Schwarzen oder nordafrikanischen Männer – kurzum, all jene, die rechte Populist_innen als „nicht deutsch“ verstehen. Sie darf auch nicht nur dann Aufmerksamkeit finden, wenn die Opfer (vermeintlich) weiße Cis2-Frauen sind. Der Einsatz gegen sexualisierte Gewalt muss jeden Tag ausnahmslos politische Priorität haben, denn sie ist ein fortwährendes Problem, das uns alle betrifft.

Der Radikalfeminismus versteht hierunter die Rape Culture und „Oktoberfest ist genauso schlimm und passiert jedes Jahr“. Zudem wird so getan als wäre der Vorfall nicht ebenso dramatisch gewesen, wenn die Frauen, die dort angegriffen worden sind, alle „nicht deutsch“ gewesen wären.

Zudem eben eine etwas verklausulierte Forderung, etwas gegen die eigentlich nicht existente Rape Culture zu machen. Nur, dass man das extreme eben nicht extra betont.

2014 ergab eine Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), dass mehr als die Hälfte aller Frauen bereits sexuell belästigt wurde und ein Drittel sexualisierte und/oder physische Gewalt erlebte.

Aber mit was für einer Definition? Wahrscheinlich der üblichen wesentlich zu weiten. Ich bin gar nicht ganz sicher, ob ich diese Studien hier schon besprochen habe. Ähnliche aber jedenfalls.

Die polizeiliche Kriminalstatistik weist jährlich mehr als 7.300 angezeigte Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen in Deutschland aus3, das sind zwanzig jeden Tag. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher.

Das hingegen sind ja erst einmal realistische Zahlen. „Zwanzig am Tag“ mag dann erst einmal viel erscheinen, ist aber bei 40+ Millionen Frauen keine hohe Quote. Es würde mich interessieren, ob die Vagheit der Dunkelziffer umkämpft war und andere Feministinnen da eine Zahl haben wollten („200fach höher“)

Alle Menschen sollen sich von klein auf, unabhängig von ihrer Ethnie, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Religion oder Lebensweise, sicher fühlen und vor verbalen und körperlichen Übergriffen geschützt sein: egal ob auf der Straße, zu Hause, bei der Arbeit oder im Internet. Ausnahmslos. Das sind die Grundlagen einer freien Gesellschaft.

Das ist natürlich auch eine vollkommen banale Aussage: „Alle Menschen sollten glücklich/reich/schön/intelligent sein, und zwar ausnahmslos“ wäre ähnlich sinnvoll. Denn 100% Sicherheit und das auch noch von „verbalen Übergriffen“ ist schlicht nicht zu erreichen. Aber es ist eine schöne Förderung, wer würde da nicht zustimmen, dass es schön wäre?

Natürlich besteht in der Praxis das Problem, dass mehr Sicherheit immer einer Einschränkung der Rechte des Einzelnen erfordert. Wer absolute Sicherheit will, der braucht eigentlich absolute Überwachung.

Dann die eigentlichen Thesen:

Für diese politischen Lösungen setzen wir uns ein:

1. Die Arbeit der Beratungsstellen muss gestärkt und ihr Angebot ausgebaut werden, einschließlich Therapiemöglichkeiten und besserem, schnelleren Zugang zu Therapieplätzen. Auch die Arbeit von Frauenhäusern muss gestärkt und vor allem finanziell ausreichend abgesichert werden. Alle Beratungsstellen und -angebote müssen barrierefrei sein.

Ein guter Einstieg. Wer wird was gegen Hilfe für Opfer haben? Nur das Frauenhäuser natürlich inzwischen auch Frauen ohne Gewalterfahrung aufnehmen und auch nicht per se ersichtlich ist, dass eine Stärkung notwendig ist. Für die Intersektionalisten noch nachgeschoben: Alles Barrrierefrei.

2. Die Gesetzeslage muss angepasst werden: Sexuelle Belästigung ist in Deutschland immer noch keine eigenständige Straftat. Und ob eine Vergewaltigung als strafbar gilt, wird zum Beispiel auch daran festgemacht, ob sich die betroffene Person ausreichend zur Wehr setzte.

„Sexuelle Belästigung“ ist auch ein schwer zu schaffender Straftatbestand, weil er in dieser Form dem Bestimmtheitsgebot des Strafrechts nicht entspricht. Man darf gespannt sein, wie das in Worte gefasst werden soll.

3. Mehr öffentliche Aufklärungsarbeit hilft, Gewalt zu vermeiden, und signalisiert den Betroffenen, dass sie sich Hilfe holen und mit gesellschaftlicher Unterstützung rechnen können. Wir möchten dafür sensibilisieren, dass die Gefahr, Sexismus und sexualisierte Gewalt zu erleben, im engen sozialen Umfeld besonders groß ist und in allen gesellschaftlichen Gruppen vorkommt.

Also bitte Stellen für intersektionale Feministinnen einrichten, die dann erklären können, dass wir in einer Rape Culture leben. Aber gut verpackt.

4. Auch eine geschlechtersensible Pädagogik kann (sexualisierter) Gewalt vorbeugen. Dazu zählt nicht zuletzt die Aufklärung über Geschlechterstereotype und die Bedeutung von Sprache.

Weil es die toxische Männlichkeit ist, die zu sexualisierter Gewalt führt. Die „Bedeutung von Sprache“ ist dann wohl die These, dass man möglichst PC sprechen soll, eben klassischer Poststrukturalismus. Aber es klingt gut und unproblematisch.

5. Polizei und Justiz müssen geschult werden, damit es überhaupt zur Strafverfolgung kommt und in diesen Prozessen sensibel und respektvoll mit Betroffenen umgegangen wird.

Das ist bis zu einem gewissen Grad ja durchaus eine berechtigte Forderung. Sie darf nur eben nicht zu Lasten des Rechtsstaatsprinzips gehen. Auch hier ist eigentlich nichts gesagt, was man irgendwie belasten kann. Es kann alles oder nichts heißen. Die Schulung der Polizei und Justiz in feministische Hände zu legen wäre aber wohl angesichts der Abkehr von vielen rechtsstaatlichen Prinzipien in dem Zusammenhang eine Katastrophe.

Für diese gesellschaftlichen Lösungen setzen wir uns ein:
6. Die Debatte über sexualisierte Gewalt muss offen, kritisch und differenziert geführt werden. Dazu gehört die Analyse, Aufarbeitung und Bekämpfung von soziokulturellen und weltanschaulichen Ursachen von Gewalt. Dringend muss auch über Auswirkungen gesellschaftlicher Stigmatisierung von Betroffenen sexualisierter Gewalt gesprochen werden.

Das wäre ja begrüßenswert. Aber seit wann möchte man im Feminismus eine offene, kritische Debatte haben? Vermutlich meint man damit „offen für unsere Meinung und kritisch in dem Sinne, dass wir die Gesellschaft kritisieren.

7. Betroffene sexualisierter Gewalt müssen ernst genommen werden. Es darf keine Täter_innen-Opfer-Umkehrung, wie in Form von Verhaltensregeln für Betroffene, und keine Verharmlosung geben.

„Das ist ganz normal, dass passiert täglich in Deutschland“ ist eine Verharmlosung. Aber das ist eine andere Sache.

8. Sexismus und Rassismus sind nicht Probleme „der Anderen”: Wir alle sind von struktureller Diskriminierung geprägt und müssen erlernte Vorurteile erst einmal reflektieren, um sie abzulegen.

Auch hier nur eine Andeutung der üblichen feministischen Theorie. Sie hätten auch schreiben können, dass alle „BioDeutschen“ privilegiert sind und eine zutiefst rassistische und sexistische Gesellschaft produziert haben, von der sie profitieren, aber das hätte eben wesentlich radikaler geklungen

9. Wer Zeug_in von sexualisierter Gewalt und Sexismus wird, sollte nicht wegschauen, sondern eingreifen – von Hilfe und Beistand bei sexualisierten Übergriffen bis zum Einspruch gegen sexistische Sprüche, „Witze“ oder Werbung.

Alles muss politisch korrekt sein und wer nicht widerspricht, der macht sich mitschuldig. Dabei gibt es kaum irgendwas, was nicht sexistisch sein kann.

Für diese medialen Ansätze setzen wir uns ein:

10. Die mediale Berichterstattung über sexualisierte Gewalt darf die Opfer nicht verhöhnen und die Taten nicht verschleiern. Täter sollten nicht als „Sex-Gangster” oder „Sex-Mob” beschrieben – da sexualisierte Gewalt nichts mit Sex zu tun hat – und häusliche Gewalt nicht als „Familien-” oder „Beziehungsdrama” verharmlost werden.

„Sexualisierte Gewalt hat nicht mit Sex zu tun“ ist auch etwas typisch radikalfeministisches. Es geht ja schließlich um Macht, nicht um Sex. Sprachvorgaben lösen da wenig Probleme.

11. Sexismus und andere Diskriminierungsformen müssen als Nährboden für sexualisierte Gewalt verstanden und als reale und bestehende Probleme anerkannt werden. Es muss ernst genommen werden, wie die mediale Darstellung u.a. weiblicher Körper als Lustobjekte mit sexualisierter Gewalt verknüpft ist. Sexismus darf weder im Alltag noch in der Werbung und in den Medien Platz haben.

Hier ist man schon etwas näher am klassischen feministischen Forderungen. Auch das klingt relativ harmlos, aber da die Definition von Sexismus weit ist, kann alles Sexismus sein. Wie radikal eine solche Umsetzung in den Händen des Feminismus wäre klingt hier allenfalls an.

12. Das Problem des Sexismus und der sexualisierten Gewalt darf nicht „islamisiert“ und damit pauschal einer Religion und ihren – häufig vermeintlichen – Angehörigen zugeschrieben werden. Damit werden mindestens 5 Millionen Menschen in Deutschland unter Generalverdacht gestellt. Redaktionen sollen reißerische und stigmatisierende Deutungen vermeiden, denn diese ziehen konkrete negative Folgen für Mitglieder unserer Gesellschaft nach sich.

Was man aber machen darf: Alle Männer unter Generalverdacht stellen.

13. Die Bildsprache ist frei von rassistischen und sexistischen Klischees zu halten. Bilder wirken unterbewusst und können selbst eine differenzierte Berichterstattung torpedieren.

Auch hier muss man wohl den Irrsinn des Radikalfeminismus kennen, um sich bewußt zu machen, was damit alles verboten werden sollte.

14. Redaktionen müssen vielfältiger werden. Nach wie vor sind nur ein Bruchteil der Journalist_innen in Deutschland nicht-deutscher Herkunft und Berufswege stehen vor allem Menschen mit formal hoher Bildung offen. Männlich, heterosexuell und weiß dominierte Chefredaktionen tragen dazu bei, dass Themen, die andere Geschlechter, Ethnien und Minderheiten betreffen, nicht mit ausreichend Raum und Kompetenz behandelt werden.

Die Lösung für alles: Mehr Minderheiten und auch anscheinend auch Leute ohne höhere Bildung. Weg mit den bösen Männern. Unabhängig davon, dass in Deutschland eben überwiegend heterosexuelle und weiße Personen leben.

Das war nur eine sehr kurze Kritik, ich finde den Text eigentlich viel interessanter als Beispiel für Öffentlichkeitsarbeit im Netz, die ja hier gerade Thema war.

Mit diesen Thesen, der Umsetzung auf einer Webseite, der Hinzuziehung einiger prominenter Unterzeichner, haben die dortigen Feministinnen

  • ein erhebliches Medienecho erreicht
  • sich selbst als Verfasserinnen dargestellt ohne das man ihre Radikalität herauslesen kann
  • Sich damit selbst eine weitere Wichtigkeit gegeben („hat mit Frauenministerin und unter Zustimmung vieler Feministinnen weit beachtete Thesen zur Reduzierung sexueller Gewalt veröffentlicht“)
  • anderen Leuten sowohl eine Möglichkeit gegeben sich gegen sexuelle Gewalt zu positionieren als auch selbst davon profitiert, dass diese ihre Petition unterstützen

Es sind also recht einfache Mittel, die abgesehen vielleicht von einem Kleinkrieg um bestimmte Formulierungen, noch nicht einmal sehr viel Arbeit gemacht haben werden.

Vielleicht sollten wir selbst an so etwas arbeiten. Meinetwegen „Thesen zur Gleichberechtigung im Familienrecht“ so windelweich formuliert, dass man radikalere und weniger radikale Forderungen hineinlesen, aber im wesentlichen zustimmen kann. Und dann eben schauen, wen man da an Prominenten mit reinziehen kann.

 

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