Monat: Dezember 2015
„Dinner for one“
Wie war 2015?
Wie war 2015 für euch?
Welche Artikel in diesem Blog haben euch am besten gefallen oder weitergebracht?
Es würde mich freuen, wenn jeder ein oder zwei Artikel nennen würde, die ihm oder ihr gut gefallen haben.
Was war euer maskulistische/männerrechtliche/antifeministische/pickupbezogene Sternstunde dieses Jahres?
Selbermach Mittwoch 41 (30.12.2015)
Der letzte Selbermach Mittwoch des Jahres.
„Meine Gefühle sind immer richtig!“ – Gruppendenken und Individualisierung
Kommentator Pingpong schrieb:
Das perfide am momentan herrschenden institutionalisierten Feminismus ist aus meiner Sicht, dass er nicht nur am genannten Grupppendenken krankt, sondern in geradezu genialer Weise _gleichzeitig_ auch an seinem Gegenteil: An einer totalen und völlig perversen Individualisierung, die sich in folgendem Grundsatz zusammenfassen lässt: „Meine Gefühle sind immer richtig!“ Die Implikation „Und du hast sie ohne zu fragen zu akzeptieren/abzustellen/verstärken“ wird wohlweislich verschwiegen. Das Gegenüber hat in dieser Konstellation nur eine Aufgabe: Auf die Gefühle einzugehen und zu versichern wie schlimm alles ist, sich zu entschuldigen, und unhaltbare kindliche Versprechungen in vorauseilendem Gehorsam zu machen. Wer es wagt seine eigenen Ansichten ob dieser total enthermmten Gefühlsdiktatur kundzutun, ist Teil des Patriarchats, ein Unterdrücker, ein Schwein. Wenn Frau fühlt, muss Mann… ja was eigentlich? Mitfühlen? Nur solange das Mitgefühl konsistent mit den Gefühlen der Frau ist!
Auch bei Gefühlen ist eine gewisse Verhältnißmäßigkeit angebracht. Wenn das kleine Kind die neue Bluse mit Apfelmus beschmutzt, dann ist das ein bedauerliches Missgeschick. Das Kind zusammenzuschreien, aus Ärger über die Situation Teetassen an die Wand zu werfen hat mit „Gefühlen“ nichts, mit infantiler Unbeherrschtheit sehr viel zu tun. Ein solches Verhalten als fortschrittlich „im Einklang mit seinen Gefühlen sein“ oder „seine Gefühle ehrlich ausdrücken“ zu verkaufen ist nichts weiter als eine Ausrede.
Das ist eine schöne Zusammenfassung. Es ist zum einen ein Gruppenkonflikt, in dem sie aber als Opfer ihre Gefühle voll ausleben kann und jederzeit frei interpretieren kann, wie sich dieser Gruppenkonflikt auf ihre Lage auswirkt und das ohne das man dies hinterfragen darf.
Sie leidet unter der Gruppe und kann sich jede Form der Unterdrückung ausdenken und sich in jeder Form unterdrückt und benachteiligt fühlen. Seine Aufgabe ist, das zu akzeptieren und ihre Welt wieder besser zu machen oder zumindest den Bösewicht abzugeben.
Besuch auf einem Feministischen Festival
„Männliche Feministen sind schlecht und das sollte man ihnen sagen“
Bei Feministing ist ein Comic erschienen, dass auch hier in den Kommentaren schon Thema war:
Der Erste in der Reihe scheint mir Hugo Schwyzer zu sein oder? Sind da andere Prominentere dabei?
Ich finde es ja immer wieder erstaunlich wie sehr viele Feministinnen sogar Männer hassen, die sie eigentlich unterstützen wollen.
Gut finde ich insbesondere den zweiten von unten mit dem Hut:
„ich singe niedliche Lieder und schreibe Poesie über die Befreiung, aber wenn ich der Frauenfeindlichkeit beschuldigt werde, dann halte ich mich zurück und überlasse es Frauen mich zu beschützen und zu verteidigen“
Da ist ja erst einmal die Frage, was er statt dessen machen sollte. Wahrscheinlich sofort zugeben, dass er schuldig sind, sich die Büßerpeitsche über den Rücken ziehen. Denn wenn jemand der Frauenfeindlichkeit beschuldigt wird, dann ist das ja bereits der Schuldspruch. Er darf sich also nicht verteidigen, er darf sich auch nicht verteidigen lassen, er muss bereuen. Das Schwein, dass sich einfach nur zurücklehnt und Frauen gegen einander ausspielt! So geht es wirklich nicht.
Und auch der letzte in der Reihe ist nett: Da hält er sich hauptsächlich unter Feministinnen auf, dabei sollte er doch hart daran arbeiten, die Gruppenschuld der Männer zu verkleinern, es reicht natürlich nicht, dass er ein guter Feminist ist, er muss daran arbeiten ALLE Männer zu bekehren, erst dann ist seine Arbeit getan. So begeht er ein weiteres Verbrechen: Er ist natürlich emotionale Arbeit und das für die anderen Frauen. Auch hier wieder ein mieses Schwein, dass einfach so weibliche Freunde hat. Igitt!
Leider sehen das anscheinen nicht alle Männer ein:
This comic was pretty disappointing. We all have our blind spots, and it’s important to address them, but the underlying message that I got from this comic is „Male feminists: they’re all awful one way or another.“ Again, education is important, but we need to tread a fine line between calling out misogynistic behavior and insulting an entire subset of the feminist community. Dissuading would-be allies or playing the „you’re not a real feminist“ game doesn’t help.
Lustig! Da kann man nicht einfach eine „Untergruppe der feministischen Gemeinschaft“ als Frauenfeinde bezeichnen. Da hat er wohl noch nicht ganz verstanden, dass er ein Mann ist und damit für viele nicht etwa Bestandteil der Community, sondern nur ein Verbündeter, ein Ally. Oder noch eher einer, der gerade vom Feind übergelaufen ist und bei dem Mann sich seiner Loyalität noch keineswegs sicher ist. Man ist im Prinzip immer noch der Feind und gegenüber den eigenen Leuten immer wieder zur Vorsicht gegenüber dem Überläufer zu mahnen ist da nur vernünftig. Genug Feministinnen bauen eben gerne ein „im übrigen bin ich der Meinung, das Männlichkeit zerstört werden sollte“, in ihre Reden ein.
Auch dieser Kommentar ist leider nicht auf der richtigen Linie:
Wie man vorbildlich reagiert zeigt dieser Kommentar:
Die Wahrheit über männliche Privilegien
Label, Gruppenzugehörigkeit, Schuldzuweisung und Lagerdenken
DMJ kommentierte zu „Das Patriarchat schadet auch Männern“
Die ganze Sache zeigt, wie viel wichtiger Label, Gruppenzugehörigkeit, Schuldzuweisung und Lagerdenken in der Diskussion sind, als ein Vorankommen.
Wie gesagt: Auch ich meine, dass Geschlechterrollenzwänge schädlich sind. Für Männer, wie Frauen. Wer diese Zwänge auflösen will, hat meinen Segen (wobei er aber nicht über das Ziel hinausschießen sollte – nicht die Rollen sind schlecht, nur ihr Zwang).
Aber ich sehe eben nicht, dass der Feminismus (zumindest in den Strömungen, die obigen Satz am lautesten sagen), das tut.
Im Gegenteil: Bedingung zur Mitgliedschaft ist ja das absolute und rückhaltlose Bekenntnis zu den festen Rollen von Mann und Frau als Unterdrücker und Unterdrückter, wobei das Individuum nichts und die Gruppe alles ist. Was immer gegen diese beiden klaren Schubladen spricht, wird ignoriert oder umgedeutet (als positiver oder internalisierter Sexismus) und darauf zu verweisen gilt als Blasphemie.Ich erinnere mich noch zu gut daran, wie mir eine Feministin, die weit mehr als ich verdiente erklärte, dass es mir als Mann besser ginge, da die Mehrheit der Aufsichtsratsvorsitzenden und Staatsoberhäupter Genitalien der gleichen Art wie ich hat.
Diese Denkweise ist ebenso bizarr, wie inhuman. Ich lehne alle Ideologien ab, die das Individuum missachten, da sie quasi eine Startrampe für Unmenschlichkeiten sind.
Es ist ja interessant, dass der Feminismus vorgibt, Rollen auflösen zu wollen, aber selbst feste Rollen als Grundlage seiner Ideologie hat, aus denen man kaum entkommen kann: Der Mann hat Privilegien per Geburt, deswegen ist er schuldig und muss Buße zu, in dem er seine Privilegien hinterfragt. Er ist insofern zumindest aus Sicht der radikalen Feministen immer Feind, allenfalls ein Unterstützter, ein Ally, der täglich seinen Wert beweisen muss.
Rauskommen kann der Feminismus oder eine Feministin, die eine menschlichere Betrachtung der Geschlechterverhältnisse will, in der Tat nur, wenn sie neben abstrakten Gruppen, von denen nur eine Macht haben darf, auf eine individuellere Sichtweise umgestellt wird, die berücksichtigt, dass gewisse Unterschiede nur im Schnitt bestehen.
Der Eindruck, für schutzlose Frauen zu kämpfen, ist für viele Männer in ganz besonderer Weise gewaltenthemmend
In einem interessanten Kommentar führt Lucas Schoppe eine interessante mögliche Geschlechtdynamik aus, nämlich den Umstand, dass Männer durchaus bereit sind, Gewalt für Frauen einzusetzen und dann die Gewalt eher als gerechtfertigt ansehen:
Augsburg, wo die Mutter unseres Kindes eine Zeitlang mit ihm lebte, am frühen Nachmittag. Ich gehe allein durch ein Wohngebiet in der Nähe der Innenstadt, durch wenig befahrene Straßen mit drei- bis vierstöckigen Häusern. Plötzlich rennen zwei Jungen Männer in sehr hohem Tempo quer und im Zick-Zack über die Straße, der etwas ältere hinter dem etwas jüngeren her – und gerade zwei Meter vor mir, neben einem Hauseingang, hat er den anderen eingeholt, presst ihn gegen die Hauswand und schlägt auf ihn ein.
Ich sprach ihn sofort an (griff aber nicht körperlich ein, weil ich das Gefühl hatte, das würde die Situation eher eskalieren), versuchte ihn zu beruhigen, sagte ihm, dass er aufhören solle zu schlagen – und er hörte tatsächlich auf, hielt den anderen aber weiter fest und erzählte in etwas gebrochenem Deutsch (ich hielt die beiden für Albaner), was los war. Offensichtlich war der etwas jüngere Mann mit der Schwester des etwas älteren zusammen und hatte sie in irgendeiner Weise schlecht behandelt.
Nun kam ein alter Mann aus dem Haus, in dem die Familie offensichtlich wohnte – er kannte die beiden – und zum Glück beruhigte auch er die Situation, so dass es zumindest nicht mehr danach aussah, dass der eine den anderen zusammenschlagen würde. Dann aber…
…kamen noch zwei Frauen aus dem Haus, und beide verhielten sich ungeheuer aufgeregt. Besonders eine von ihnen, etwas zwanzig Jahre älter als die beiden jüngeren Männer, schrie laut, und es war offensichtlich, dass beide Frauen mit Macht versuchten, die gerade beruhigte Situation wieder zu eskalieren. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich mich über sie ärgerte. —
Natürlich geht es mir hier nicht um die Behauptung, dass etwa Ausländer sich primitiver verhalten würden als Deutsche (die primitivste, nervtötendste Situation, die ich erlebt habe, entstand, als in einem ICE-Großraumwagen einmal eine Gruppe angetrunkener deutscher Männer zufällig auf eine Gruppe angetrunkener deutscher Frauen traf; die Situation war unter anderen sehr übergriffig – nicht von den Männern gegenüber den Frauen, sondern von beiden Gruppen gegen die anderen Passagiere). Wichtig ist aber, dass die Geschlechterrollen in der Augsburger Familie offenbar deutlich traditioneller waren, als die meisten Familien in Deutschland das mittlerweile gewohnt sind.
Es geht mir bei der Geschichte auch nicht darum, dass das alte Klischee von der friedfertigen Frau und dem gewalttätigen Mann einfach umgekehrt werden müsste. Wichtig ist mir aber, dass Männer- und Frauenverhalten, auch im öffentlichen Raum, sehr viel mehr miteinander zu tun hat, als solche Gut-Böse-Gegenüberstellungen suggerieren.
Meine These: Der Eindruck, für schutzlose Frauen zu kämpfen, ist für viele Männer in ganz besonderer Weise gewaltenthemmend. Das heißt nicht, dass die Männer dann schuldlos sind und bloß weibliche Wünsche exekutieren – sie sind ja erwachsen und selbst verantwortlich für das, was sie tun. Aber Männer- und Frauenverhalten spielt eng zusammen und ist nicht unabhängig voneinander zu verstehen.
Das im Blick auf den 2. Weltkrieg formulierte Mitscherlich-Klischee von der „friedfertigen Frau“ macht in diesem Sinne die Welt keineswegs friedfertiger, sondern es reproduziert eher die Geschlechterstrukturen, die es angeblich verändern soll. Gerade im Krieg kann deutlich werden, wie diese Strukturen Verantwortung verwischen. Die männlichen Soldaten im Einsatz müssen sich nicht verantwortlich fühlen, weil sie ja nicht – egoistisch – für sich kämpfen, sondern für sie schutzlosen Frauen und Kinder. Die Frauen wiederum müssen sich nicht verantwortlich fühlen, weil sie ja selbst gar keine Gewalt ausüben.
Das lässt sich so problemlos auf heutige Verhältnisse im Netz übertragen. Die hier fast ausschließlich von Frauen zelebrierte Kultur der Hypersensibilität, der „Trigger Warnings“ und „Safer Spaces“, der extremen Empfindlichkeit noch für de kleinsten Nuancen einer diskriminierenden Sprache – diese Kultur befriedet das Netz nicht, sondern macht es gewaltsamer.
Denn wer dann als Bedrohung identifiziert ist, als Angreifer der Schutzlosen, der hat natürlich keine Rücksicht mehr verdient. Das gilt interessanterweise auch für Frauen selbst, die – sobald sie andere, nämlich feministische Frauen kritisieren – problemlos als „Masturbationsvorlage“ verhöhnt oder gar mit Vergewaltigungen bedroht werden können. (Dazu:http://man-tau.com/2015/10/17/frauenfeindlichkeit-und-feminismus/ ) Eine Frau, die sich als Gegnerin der Schutzlosen geoutet hat, hat sich eben auf die Seite des Feindes geschlagen, ist selber Schuld und dann auch nicht mehr Wert als ein Mann.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Tweets, auf die der oben zitierte Tweet antwortet. (https://twitter.com/Chriss_m/status/678457006047498240). Brianna Wu berichtet dort von einem Mann, der im öffentlichen Raum grundlos schreit – und sie fordert andere Männer auf, einzugreifen.
Das ware nach meiner Einschätzung – soweit sie die Situation schildert – ganz falsch. Es gibt dort außer Wus Unwohlgefühl keinen dringlichen Grund zum Eingreifen, und es ist überhaupt nicht einzuschätzen, ob dadurch die Situation nicht möglicherweise erheblich schlimmer würde. Wus Aufforderung würde also mit einiger Wahrscheinlichkeit zur Eskalation beitragen, wenn ein Mann ihr Folge leisten würde.
Aber das kann Wu egal sein – sie würde ja nicht selbst eingreifen, sondern nur einen Mann zum Eingreifen bewegen.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass da Zusammenhänge bestehen. Kampf von Männern untereinander ist intrasexuelle Konkurrenz und das Ergebnis intrasexueller Konkurrenz bietet sich für sexuelle Selektion an: Wer sich im Kampf gegen andere Männer durchsetzt gilt als besser, attraktiver, stärker. Dazu kommt, dass eine Frau in einer Gefahrenlage anscheinend einen Beschützer braucht und dies einen guten Einstieg bietet: Man präsentiert sogleich die Fähigkeit, die sie braucht. Und sich einer solchen Aufforderung nicht zu stellen könnte eben auch dazu führen das man als schwach wahrgenommen wird, was ebenso den Partnerwert hinabsenken kann.
Insofern ist eine Selektion darauf, dass man einer solchen Aufforderung nachkommt gut denkbar. Sowohl Konfrontation als auch Frauen und wahrscheinlich auch die direkte Beobachtung von Frauen dürften den Testosteronspiegel erhöhen.
Ich würde Schoppe zustimmen, dass dabei aber zunächst der Mann für seine Taten verantwortlich bleibt und man das nicht auf die Frau abschieben sollte und diese als Anstifter überbewerten sollte. Für einige Männern muss auch gar keine Anstiftung, die über das Vorhandensein einer Frau hinausgeht bestehen, damit sie sich beweisen und für die Frau einsetzen wollen.
Aber es gibt eben auch genug Frauen, die sich durchaus nach dem obigen Schema verhalten. Die Fähigkeit, Männer dazu zu bringen, für sie etwas zu ändern, ist ihnen sehr bewusst und einige sehen das entsprechend als Anspruch an. Gerne wird hier auch mit einer Mischung aus „ein echter Mann würde da einschreiten“ bzw abfälligen Blicken gearbeitet. Und dieses „Shaming“, diese Anspruchshaltung bei „macht mir die Welt gefälligst besser, es gefällt mir so nicht“ könnte auch dazu beigetragen, dass die feministische Forderung die Welt besser zu machen, bei einigen Frauen so unproblematisch als Forderung artikuliert wird.