In meinem Artikel zu den Theorien von Judith Butler hatte ich auch etwas zu Foucault und wie er von Butler verwertet worden ist geschrieben:
2. Foucault
Den Grundgedanken, dass Geschlecht ein Ausdruck der Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft ist und die zur Erhaltung der Macht errichtenen Geschlechternormen die Geschlechter hervorrufen, hat sie von Foucault.
Dieser geht ebenfalls davon aus, dass unsere Gesellschaft über den Umgang mit Wissen und Macht hervorgerufen wird. Foucault geht davon aus, dass die Mächtigen innerhalb einer Gesellschaft diese so umgestalten, dass sie ihre Macht sichert. Dazu nutzen sie die Möglichkeit Wissensvorsprünge auszubauen und Diskurse zu lenken, indem sie das Wissen kontrollieren. Aus diesem Wissen heraus wird zudem das Gerüst der Gesellschaft aufgebaut. Indem bestimmte Regeln für die Gesellschaft aus der Vergangenheit heraus legitimiert werden, wird den Leuten ein richtiges Verhalten vorgegeben, dass dann von ihnen einzuhalten ist. Dabei stabilisieren sich die Regeln selbst, wenn es gelingt, einen Verstoß gegen die Regeln mit einem gesellschaftlichen Malus zu versehen, eine Befolgung der Regeln aber mit einem Bonus. Sobald das System hinreichend eingerichtet ist, versucht jeder innerhalb dieser Regeln möglichst gut darzustehen und einen Malus nach Möglichkeit zu vermeiden. Dadurch will letztendlich jeder innerhalb der Regeln leben, erkennt dabei aber nicht, dass diese eben reine Kultur sind, keine Basis haben, weil die Zuweisung, was richtig und was falsch ist, beliebig nach den Vorstellungen der Mächtigen gestaltet werden kann. Hier wird der Diskurs wichtig, der bestimmt, was überhaupt vertreten werden darf. Foucault sieht Wissenschaft insofern nicht als objektiv, sondern eben als Teil des Diskurses an: Die Gesellschaft bestimmt, was vertretbar ist und was nicht und was als Meinung präsentiert werden darf und was nicht.
2. Judith Butlers Übertragung
Butler überträgt diesen Gedanken, wie Foucault bereits vor ihr auf das Geschlechterverhältnis, wo nach ihrer Auffassung ebenfalls bestimmte Geschlechternormen errichtet worden sind, die die Errichtung der Geschlechter und deren Verhalten bewirken. Diese knüpfen an die unterschiedlichen Körper von Mann und Frau an, die aber insoweit lediglich das Unterscheidungsmerkmal bilden, dass dann über verschiedene kulturell geschaffene Regeln zur Errichtung der Geschlechterrollen führt. Körper materialisieren sich nie unabhängig von ihrer kulturellen Form, sind also immer an ihre kulturspezifische Wahrnehmung gebunden.
Diese kulturspezifischen Merkmale der Geschlechterrollen werden dann durch beständige Wiederholung gleichsam eingeübt. (…)
Genau wie bei Foucault ist dabei Wissen über diese Normen, dass über Machtfaktoren zu einer Wahrheit erklärt wird (die es aber nicht gibt, sondern nur Diskurse) ein wesentlicher Faktor. Wenn also an bestimmten Merkmalen die Eigenschaft Frau festgemacht wird und das Wissen diskursiv hergestellt wird, dass Frauen schlechter in räumlichen Denken sind und dies noch durch eine entsprechende Geschichtsschreibung historisch abgesichert wird, dann konstituiert dieses Wissen gleichzeitig, was Frauen tatsächlich können. Ein Verstoß gegen dieses Wissen, etwa dadurch, dass eine Frau in einem Bereich tätig sein will, der mit räumlichen Denken zu tun hat, wird dann als Verstoß gegen eine Geschlechternorm verstanden.
Dabei scheint mir Butler die Macht, die die Geschlechternormen konstruiert, als denzentrales, System von Normen zu verstehen, das übersubjektiv aufgebaut wird.
Bei Sanczny gabs einen Kommentar zu einer aufschlussreichen Stelle:
“Macht ist bei Foucault nicht repressiv sondern produktiv. … ist nichts, das besessen werden kann. .. durchdringt Subjekte, Strukturen und ihre Beziehungen. Macht und Wissen sind bei Foucault eng miteinander verbundene Konzepte. Foucault hat z.B. die Wissenschaft als objektiven Ort der Wissensproduktion widerlegt.
Das Zitat von Foucault (“Überwachen und Strafen”) dazu:
“Man muß wohl auch einer Denktradition entsagen, die von der Vorstellung geleitet ist, daß es Wissen nur dort geben kann, wo die Machtverhältnisse suspendiert sind, daß das Wissen sich nur außerhalb der Befehle, Anforderungen, Interessen der Macht entfalten kann. […] Eher ist wohl anzunehmen, daß die Macht Wissen hervorbringt (und nicht bloß fördert, anwendet, ausnutzt); daß Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; daß es keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert. Diese Macht/Wissen-Beziehungen sind darum nicht von einem Erkenntnissubjekt aus zu analysieren, das gegenüber dem Machtsystem frei oder unfrei ist. Vielmehr ist in Betracht zu ziehen, daß das erkennende Subjekt, das zu erkennende Objekt und die Erkenntnisweisen jeweils Effekte jener fundamentalen Macht/Wissen-Komplexe und ihrer historischen Transformationen bilden.”
Mit anderen Worten: Erkenntnis oder Wissen ist nicht möglich. Alle Erkenntnis ist quasi gleichzeitig und notgedrungen Machtpolitik.
Das ist natürlich als Freifahrtschein zu verstehen, wenn man denn will, die eigenen Behauptungen sonstiger Art als “Wahrheit” auszugeben.
Ist ja wirklich peinlich, wenn dieses wilde Rumspekulieren von Foucault die Begründung für Genderleute sein soll, alles sei “sozial konstruiert” …
Nein, es ist so: sie *wollen*, dass alles sozial konstruiert ist, denn sie wollen die Macht.
Das ist die Philosophie des reinen Faschismus, der unbedingte “Wille zur Macht”.
Ich halte ja diese gesamte „Es geht nur um Macht“ Philosophie für viel zu simpel, eben „unterkomplex“. Menschen wollen nicht nur Macht, sie wollen Sicherheit, Anerkennung, Teil einer Gruppe sein, sie wollen Sex, gutes Essen, eine gewisse Position in der Gruppe. Macht für ihre Gruppe interessiert die meisten Menschen nur, wenn sie tatsächlich selbst davon profitieren und es bringt Männern eben nichts, wenn Männer Vorstandsvorsitzende sind. Es bringt viel eher ihren Frauen und Kindern etwas.
Das Macht zu einem gewissen Teil auch Wissen beeinflusst ist sicherlich richtig: Die katholische Kirche hat beispielsweise mit ihrer Macht sicherlich Wissen behindert, weil sie es im Widerspruch zur Religion sah. Und auch zB in China wurde einiges blockiert, einfach weil Kaiser meinten, dass es sich nicht gehört und nicht in die Gesellschaft gehört. Aber das bedeutet eben nicht, dass Wissen beliebig ist und nur durch Macht strukturiert ist.
Wissen schafft eben auch Möglichkeiten, die Vorteile bieten und Fortschritt erzeugen, der wirtschaftlich zu verwerten ist und gerade in der heutigen Zeit mit einer hohen Wissenschaftsfreiheit kann man die Lage nicht mit etwa dem düsteren Mittelalter oder anderen Zeiten vergleichen.
Viele Erkenntnisse der Geschlechterforschung sind schlicht der Medizin entsprungen, etwa zur Behandlung bestimmter Konstellationen wie CAH, cloacal exstrophy oder zum Umgang mit Transsexuellen und entsprechenden Operationen oder etwas zur Wirkung bestimmter Medikamente.
Die „Macht“ ist hier darauf ausgerichtet, funktionierende Produkte zu ermitteln und nicht Frauen zu unterdrücken.
Wer gleich dazu übergeht, dass Wissen immer nur Macht ist und es kein unabhängiges Wissen gibt, der erklärt damit jede Theorie zu einer beliebigen Theorie, auch seine eigene.
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