Tag: 6. November 2015
Berechtigte feministische Anliegen (und warum sie im Feminismus falsch umgesetzt werden)
Leszek hat auf die Frage zu berechtigen feministischen Anliegen einen interessanten Kommentar bei Geschlechterallerlei interessantes geschrieben (danke an Gerhard für den Hinweis):
“Ich hatte gehofft, Du könntest mir von aktuellen, feministischen Standpunkten und Forderungen berichten, die Dir (mir) gefallen. Ich find nämlich keine.”
Das Problem mit feministischen Anliegen, die an sich berechtigt sind, ist oft das Paradigma des Radikalfeminismus, durch das die Themen einerseits missinterpretiert werden, und andererseits, dass männliche Diskriminierungen dabei ausgeklammert werden. Ich zähle einfach mal ein paar Sachen auf, die mir gerade einfallen:
– Die Kritik an traditionellen Geschlechterrollen als Leitbild ist berechtigt, aber sie muss die Nachteile beider Geschlechter umfassen und sie darf kein neues “progressives” Geschlechterrollenleitbild entwerfen, sondern muss jedes Individuum so traditionell oder nicht-traditionell leben lassen, wie es will.
– Häusliche und sexuelle Gewalt sind in der Tat wichtige Themen und deshalb muss der Forschungsstand zu weiblichen Tätern und männlichen Opfern einbezogen sowie die Forschungsergebnisse zu den tatsächlichen Ursachen, diese weichen z.T. deutlich von den Annahmen des Mainstream-Feminismus ab. Bei Forschung zu diesen Themen müssen immer beide Geschlechter nach gleichen Kriterien nach Opfer- und Tätererfahrungen befragt werden.
– Die Kritik daran, dass unsere Gesellschaft Frauen unter Schönheitsdruck setzt ist berechtigt, aber dahinter steht kein Patriarchat, sondern die Ausnutzung weiblicher Instinktdispositionen durch die kapitalistische Konsumgesellschaft. Das männliche Äquivalent zum weiblichen Schönheitsobjekt ist außerdem das männliche Statusobjekt und muss ebenfalls kritisch thematisiert werden.
– Die Forderung die Arbeits- und Lebenssituation von Sexarbeiterinnen zu verbessern ist berechtigt, aber dabei dürfen die Probleme männlicher und transsexueller Sexarbeiter nicht ausgeklammert werden. Außerdem müssen die verschiedenen Kontexte von Sexarbeit (von der Elendsprostitution bis zur Edelprostitution) klar differenziert werden um jeweils angemessene Unterstützungsmaßnahmen zu entwickeln und durchzuführen.
– Die Kritik an der Ausbeutung von Frauen durch die Pornographie-Industrie ist berechtigt (siehe z.B. den Film “Hot Girls Wanted” als gute Dokumentation zu diesem Thema), aber es gibt auch Ausbeutung von Männern in der Pornographie-Industrie:
http://www.sfweekly.com/exhibitionist/2012/02/01/consider-this-the-porn-industry-exploits-men-too
Und wiederum steht dahinter kein Patriarchat, sondern die kapitalistische Konsumgesellschaft.
– Die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen in der Pflege und nach höheren Löhnen für Frauen, die schwere Arbeit in der Pflege leisten, ist berechtigt, aber das gilt natürlich auch für die männlichen Pflegekräfte.
– Engagement gegen die Diskriminierung Homosexueller und für das Recht auf Ehe und das Adoptionsrecht von Homosexuellen ist berechtigt und entspricht auch dem linken Maskulismus wie z.B. Arne Hoffmann und ich ihn verstehen. Das Engagement für die Rechte Homosexueller sollte aber idealerweise frei von gender-theoretischem Blödsinn sein.
– Die Forderung nach besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist berechtigt, betrifft aber beide Geschlechter.
– Die Forderung, dass für schriftliche Bewerbungen anonymisierte Verfahren verpflichtend gemacht werden sollten, ist m.E. berechtigt, damit beide Geschlechter die gleiche Wahrscheinlichkeit haben auch bei eher geschlechtsuntypischen Jobs zu Bewerbungsgesprächen eingeladen zu werden.
– Die Forderung, dass ein Betrieb, der bisher nur männliche Arbeiter hatte, nicht verpflichtet sein sollte, extra eine Frauentoilette einzubauen, um Frauen einstellen zu können, falls es für Bewerberinnen völlig o.k. ist die vorhandene Toilette zu nutzen, ist berechtigt.
– Kritik an Kopftuchzwang und m.E auch an Koptucherziehung und -sozialisation ist berechtigt. Letzteres sollte man natürlich versuchen auf eine Art und Weise rüberzubringen, die keinen pädagogischen Gegenteileffekt erzeugt.
– Kritische Thematisierung von Ehrenmorden ist berechtigt, sollte aber auch männliche Opfer von Ehrenmorden einbeziehen:
– Kritik von Vergewaltigungsmythen ist berechtigt, von Vergewaltigungsymythen sind aber auch männliche Opfer sexueller Gewalt sowie weibliche und männliche Opfer sexueller Gewalt durch Frauen als Täterinnen betroffen. Zudem müssen die Ursachen von Vergewaltigungsmythen unvoreingenommen erforscht werden. Meiner Vermutung nach hängen diese stark mit dem sozialpsychologischen Phänomen des Gerechte Welt-Glaubens zusammen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerechte-Welt-Glaube
– Der Forderung des sex-positiven Feminismus nach sexueller Freiheit und Toleranz bezüglich sexueller Präferenzen solange sexuelle Praktiken “safe, sane und consesual” ausgeübt werden, schließe ich mich an. (Das impliziert bei mir eine klare Ablehnung eines Rechts auf das Ausleben pädophiler oder zoophiler Neigungen, da dies auf ein Recht Kinder oder Tiere sexuell zu mißbrauchen hinauslaufen würde. Solche sex-positiv-feministische Positionen, die eine unkritische Haltung zum Ausleben pädophiler oder zoophiler Neigungen beinhalten, lehne ich radikal ab.)
Das fiel mir jetzt so spontan ein, gibt sicherlich noch Einiges mehr, das erwähnt werden könnte. Ich habe mich hier schwerpunktmäßig auf Frauen und Männer konzentriert, dort wo Intersexuelle oder Transgender von Diskriminierung betroffen sind, gehört dies aber ebenfalls zum Programm des Integralen Antisexismus dazu.
Seht ihr das auch so?