Wie sich Trolle und „Krieger für das Gute“ (SJWs) gegenseitig nützen

Mitunter findet man interessantes an ungewöhnlichen Orten, in diesem Fall bei Suey Parks, die Frau, die wollte, dass der Colbert Report gecancelt wird:

https://twitter.com/suey_park/status/635831657392504832

https://twitter.com/suey_park/status/635831910732730369

https://twitter.com/suey_park/status/635832237439631360

Sicherheitshalber noch mal als Text:

There have been 2 concepts tweeted at me this week I can’t shake. In essence, both about the symbiotic relationship between SJWs and trolls.

1) That the campaign against online harassment of marginalized people is a way to allow SJWs to bully without being bullied back.

2) That the culture of trolling, particularly done by white men, is in response to the extremism of SJWs. That exists because of the other.

Dass das Verhalten vieler SJWs selbst häufig Formen des Mobbens annimmt war schon Gegenstand dieses Artikels unter Verweis auf Fefe.

Und natürlich ziehen alle, die leicht zu empören sind auch schnell Trolle an, gerade dann wenn sie 1. jede Kritik als Trollerei ansehen 2. ansonsten kaum zu einem Dialog bereit sind aber ihrerseits kräftig austeilen.

 

 

Judith Butler zu Transsexualität und sozialer Konstruktion der Geschlechter

In einer Diskussion mit Sanczny wurde ich auf dieses Interview mit Judith Butler verwiesen, dass sehr interessant ist, weil sie da um Transfeindlichkeit zu vermeiden, ziemlich um einige wesentliche Konzepte herumeiert.

Sie wird mit einer Ansicht einer Feministin konfrontiert, die darauf abstellt, dass eine Geschlechtsanpassung bei Transsexuellen nur deswegen erforderlich ist, weil die (patriarchale) Gesellschaft überhaupt in Mann und Frau einteilt und entsprechende Normen vorgibt.

Judith Butler dazu:

I have never agreed with Sheila Jeffreys or Janice Raymond, and for many years have been on quite the contrasting side of feminist debates.  She appoints herself to the position of judge, and she offers a kind of feminist policing of trans lives and trans choices.  I oppose this kind of prescriptivism, which seems me to aspire to a kind of feminist tyranny.

If she makes use of social construction as a theory to support her view, she very badly  misunderstands its terms.  In her view, a trans person is “constructed” by a medical discourse and therefore is the victim of a social construct.  But this idea of social constructs does not acknowledge that all of us, as bodies, are in the active position of figuring out how to live with and against the constructions  – or norms – that help to form us.  We form ourselves within the vocabularies that we did not choose, and sometimes we have to reject those vocabularies, or actively develop new ones.  For instance, gender assignment is a “construction” and yet many genderqueer and trans people refuse those assignments in part or in full.  That refusal opens the way for a more radical form of self-determination, one that happens in solidarity with others who are undergoing a similar struggle.

One problem with that view of social construction is that it suggests that what trans people feel about what their gender is, and should be, is itself “constructed” and, therefore, not real.  And then the feminist police comes along to expose the construction and dispute a trans person’s sense of their lived reality.  I oppose this use of social construction absolutely, and consider it to be a false, misleading, and oppressive use of the theory.

Hier bleibt sie noch verhältnismäßig nahe an üblichen Theorie. Während die eine Richtung des Feminismus darauf abstellt, dass alles frei und quasi „natürlich“ sein muss, dass also jemand in einem männlichen Körper schlicht keinen Zwang sehen sollte, sich umoperieren zu lassen und aus jedem Gefühl, dass man sich umoperieren lassen sollte, folgt, dass nicht hinreichend Freiheit besteht, stellt sie darauf ab, dass jeder sich quasi so „zurechtpuzzeln“ können soll, wie er es will. Demnach sollte man also wählen können, ob man sich mit diesem oder jenen Verhalten und diesem oder jenem Körper wohler fühlt. Wichtig wäre demnach lediglich, wie man sich selbst sieht, und wenn an sich eben als anders sieht, etwa eben als jemand, der eigentlich einen weiblichen Körper haben sollte, dann sollte man diesen Weg eben wählen können.

Sie sagt weiter:

I do know that some people believe that I see gender as a “choice” rather than as an essential and firmly fixed sense of self.  My view is actually not that.   No matter whether one feels one’s gendered and sexed reality to be firmly fixed or less so, every person should have the right to determine the legal and linguistic terms of their embodied lives.  So whether one wants to be free to live out a “hard-wired” sense of sex or a more fluid sense of gender, is less important than the right to be free to live it out, without discrimination, harassment, injury, pathologization or criminalization – and with full institutional and community support.  That is most important in my view.

Der erste Satz ist sehr interessant. Er ist auch noch nicht per se ein Umbruch, weil auch bisher im Feminismus vertreten wird, dass man seiner Geschlechterrolle nicht ohne weiteres entfliehen kann, sondern in dieser gehalten wird, weil man in Machtverhältnisse und gesellschaftliche Regeln eingebunden ist. Interessant ist aber ihre Verwendung von Begriffen wie „Hard wired“. Und auch interessant, dass sie darauf abstellt, dass jeder so leben können soll wie er will, und zwar mit der vollen Unterstützung der Institutionen und der Gesellschaft. Es wäre interessant hier nachzufragen, wie sie das bei Konzepten von Männlichkeit sieht. Ich vermute hier würde es durchaus zu einer Einschränkung kommen.

I know that some subjective experiences of sex are very firm and fundamental, even unchangeable. They can be so firm and unchanging that we call them “innate”. But given that we report on such a sense of self within a social world, a world in which we are trying to use language to express what we feel, it is unclear what language does that most effectively. I understand that “innate” is a word that conveys the sense of something hired-wired and constitutive. I suppose I would be inclined to wonder whether other vocabularies might do the job equally well. I never did like the assertion of the “innate” inferiority or women or Blacks, and I understood that when people tried to talk that way, they were trying to “fix” a social reality into a natural necessity. And yet, sometimes we do need a language that refers to a basic, fundamental, enduring, and necessary dimension of who we are, and the sense of sexed embodiment can be precisely that.

Hier spricht sie davon, dass einige Erfahrungen in Bezug auf das Geschlecht sehr fest und fundamental und sogar nicht zu verändern sind. Sie scheint sich mir da aber nach wie vor dagegen zu wehren, da eine biologische Grundlage zu sehen. Sie spricht nur davon, dass sie so fest erscheinen, dass wir sie auf eine bestimmte Weise bezeichnen und das damit teilweise lediglich Begriffe bereit gestellt werden, die bestimmte Sichtweisen auf das Selbst ermöglichen. Ich vermute mal, dass sie damit meint, dass Transsexuelle oft einfach den Bezug zum anderen Geschlecht brauchen, also die Bezeichnung „ich bin eine Frau“ bei einer M->F Transsexuellen, um eine Identität zu haben, in die sie sich einordnen können und das da „Geschlechtslosigkeit“  oder „Mischung aus Mann und Frau“ einfach nicht ausreicht. Natürlich müsste das dann ebenso für Männer und Frauen an sich gelten. Es bleibt aber bei einer gesellschaftlichen Konstruktion, sie sieht anscheinend lediglich ein starkes Bedürfnis nach

Interessanterweise wird sie dann direkt auf Milton Diamond angesprochen, also auf David Reimer, bei dem sie in „Undoing Gender“ noch einfach davon ausging, dass Money da schlicht die Probleme durch seine Art die Zwillinge zu testen verursacht hat.

Judith Butler dazu:

 In the works by Milton Diamond that I have read, I have had to question the way he understands genetics and causality. Even if a gene structure could be found, it would only establish a possible development, but would in no way determine that development causally. Genetics might be yet another way of getting to that sense of being “hard-wired” for a particular sex or gender. My sense is that we may not need the language of innateness or genetics to understand that we are all ethically bound to recognize another person’s declared or enacted sense of sex and/or gender. We do not have to agree upon the “origins” of that sense of self to agree that it is ethically obligatory to support and recognize sexed and gendered modes of being that are crucial to a person’s well-being.

Das ist eine typische Antwort, die ich auch schon häufig erhalten habe: „Warum ist es denn überhaupt wichtig, warum wir uns auf eine bestimmte Weise verhalten, wenn es eigentlich darauf ankommt, dass man jede Form von Geschlecht unterstützen sollte?“ Es ist natürlich gerade dann, wenn sich der Feminismus darauf beruft, dass in bestimmte Formen von Geschlecht Macht eingebunden ist und soziale Regeln daran festmachen, die rein willkürlich sind, weil alles sozial konstruiert ist, von sehr hoher Wichtigkeit. Denn genau an diesem Punkt macht der Feminismus eben unglaublich viel fest, was er sonst so nicht vertreten könnte. Wenn er beispielsweise darauf abstellt, dass Männer risikobereiter sind, weil Mädchen mehr kontrolliert werden und ihnen weniger Platz zum experimentieren gegeben wird und es tatsächlich aber am Testosteron liegt, dann bricht diese Theorie zusammen. Wenn man beispielsweise feststellt, dass sprachliche Fähigkeiten durch Testosteron teilweise beeinträchtigt werden, dann ist es im Gegenzug nicht verwunderlich, wenn Mädchen in dem Bereich bessere Fähigkeiten zeigen etc.

CW: If “gender” includes the way in which we subjectively experience, contextualize, and communicate our biology, do you think that living in a world without “gender” is possible?

JB: Sometimes there are ways to minimize the importance of gender in life, or to confuse gender categories so that they no longer have descriptive power. But other times gender can be very important to us, and some people really love the gender that they have claimed for themselves. If gender is eradicated, so too is an important domain of pleasure for many people. And others have a strong sense of self bound up with their genders, so to get rid of gender would be to shatter their self-hood. I think we have to accept a wide variety of positions on gender. Some want to be gender-free, but others want to be free really to be a gender that is crucial to who they are.

Das ist erst einmal eine sehr spannende Frage. Kann man die Geschlechter abschaffen oder brauchen wir sie, um unser Selbst darzustellen? Hier scheint Butler zumindest in einigen Bereichen für die Erhaltung der Geschlechter, und damit sind dann wohl Mann und Frau gemeint, zu sein (was nicht ausschließt, dass Leute, die das nicht brauchen, sich als andere Geschlechter oder als Queer ansehen). Butler scheint mir hier eine Mittelposition einzunehmen: Mann und Frau sein zu wollen wäre demnach vollkommen okay. Wäre vielleicht interessant, dieses Passagen Feministinnen mal entgegen zuhalten in einer Diskussion.

CW: I have seen where – especially online – people who identify as “gender critical feminists” (TERFs) assert that transwoman are merely mutilated men. What are your thoughts about using “gender critical feminism” to make such assertions?

JB: I do not know this term, but I reject totally the characterization of a transwoman as a mutilated man. First, that formulation presumes that men born into that sex assignment are not mutilated. Second, it once again sets up the feminist as the prosecutor of trans people. If there is any mutilation going on in this scene, it is being done by the feminist police force who rejects the lived embodiment of transwomen. That very accusation is a form of “mutilation” as is all transphobic discourse such as these. There is a rather huge ethical difference between electing surgery and being faced with transphobic condemnation and diagnoses. I would say that the greatest risk of mutilation that trans people have comes directly from transphobia.

Also eine deutliche Abkehr von Transfeindlichkeit. Aus meiner Sicht insofern auch auf der Grundlage ihrer sonstigen Werke zu erwarten.

CW: Many trans people assert that women/females can have a penis and that men/males can have a vagina. What are your thoughts about that?

JB: I see no problem with women having a penis, and men having a vagina. People can have whatever primary characteristics they have (whether given or acquired) and that does not necessarily imply what gender they will be, or want to be. For others, primary sexual characteristics signify gender more directly.

Auch eigentlich zwingend folgend aus dem, was sie bisher gesagt hat: Wenn das einzige, was zählt, ist, wie man sich fühlt, dann ist der Körper in der Tat egal. Und in der Tat wäre für die Frage, welches „Gender“ man hat, der Körper auch egal. Es ist nur die Frage, auf was man für die Bezeichnung dann abstellt. Hier werden die meisten den Körper im Vordergrund sehen, aber den Wunsch einer Person bei entsprechender Aufmachung durchaus akzeptieren.

Es wird dann noch einmal ganz direkt nachgefragt:

CW: Do you think “sex” is a social construct?

JB: I think that there are a variety of ways of understanding what a social construct is, and we have to be patient with terms like these. We have to find a way of understanding how one category of sex can be “assigned” from both and another sense of sex can lead us to resist and reject that sex assignment. How do we understand that second sense of sex? It is not the same as the first – it is not an assignment that others give us. But maybe it is an assignment we give ourselves? If so, do we not need a world of others, linguistic practices, social institutions, and political imaginaries in order to move forward to claim precisely those categories we require, and to reject those that work against us?

Da sagt sie eigentlich so richtig nichts oder verstehe ich das falsch? Die Aussage, die ich daraus noch ziehe ist, dass sie zwischen dem Geschlecht, welches einem bei der Geburt zugewiesen wird und dem, was wir als unser Geschlecht empfinden, unterscheiden will. Und das letzteres eben eine Fremdzuweisung ist. Sie lässt dann offen, ob wir dieses „zweite Geschlecht“ uns selbst „geben“. Einfach verständlich ist es wohl, wenn man hier zwischen dem äußeren und dem inneren Geschlecht unterscheidet und zunächst feststellt, dass beide nicht übereinstimmen müssen. Wenn man unter dem inneren Geschlecht das „Gehirngeschlecht“ versteht, dann wäre es eben gerade nicht konstruiert, was auch Transsexualität sehr leicht verständlich machen würde.

CW: What, if anything, would you like trans people to take from your work?

JB: Gender Trouble was written about 24 years ago, and at that time I did not think well enough about trans issues. Some trans people thought that in claiming that gender is performative that I was saying that it is all a fiction, and that a person’s felt sense of gender was therefore “unreal.” That was never my intention. I sought to expand our sense of what gender realities could be. But I think I needed to pay more attention to what people feel, how the primary experience of the body is registered, and the quite urgent and legitimate demand to have those aspects of sex recognized and supported. I did not mean to argue that gender is fluid and changeable (mine certainly is not). I only meant to say that we should all have greater freedoms to define and pursue our lives without pathologization, de-realization, harassment, threats of violence, violence, and criminalization. I join in the struggle to realize such a world.

Ich finde es erst einmal interessant, dass sie deutlich macht, dass sie „Gender Trouble“ vor langer Zeit geschrieben hat und da verschiedene Punkte noch nicht hinreichend mit einbezogen hat. Sie scheint nunmehr von einer gewissen Festigkeit von Gender auszugehen, die nicht zu ändern ist. Warum dies nicht der Fall sein soll, wenn alles sozial konstruiert ist, dass sagt sie leider nicht.

Es wäre interessant, wie sie diese neuen Erkenntnisse im Bezug auf Mann und Frau verwertet. Würde das dazu führen, dass sie auch insoweit von einer Festigkeit der Identität ausgeht und von einem Recht von Mann und Frau darin nicht gestört, belästigt und bedroht zu werden? Das wäre ja ein interessanter Ansatz, der sich in das Machtschema Mann oben – Frau unten, wie es im Feminismus vorherrscht, quasi nicht einbauen lässt.

Ich vermute, dass sie es allenfalls in Hinblick auf Transsexualität so sieht und eine Übertragung in die sonstige feministische Theorie nicht wirklich geplant ist.

Genderfeministinnen auf Transsexualität anzusprechen scheint mir allerdings immer eine gute Idee. Sofern sie nicht transfeindlich sein wollen bleibt ihnen nichts anders übrig als diese gewünschten Rollen als fest anzusehen. Wie diese dann aber fest sein sollen und wie sie entstehen, wenn die gesamte Sozialisation ansonsten am Körper festmacht oder warum geschlechtsanpassende Operationen in einer „perfekten Welt ohne Geschlechterrollen“ noch erforderlich sein sollten, dass sind dann quasi nicht zu beantwortende Fragen. Umgekehrt tauchen die Probleme auf, wenn sie bei Männern und Frauen von starren rein konstruierten Rollen ausgeht, da dann eben Transsexualität nicht mehr in das Schema passt.

Selbermach Samstag 151 (29.8.2015)

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade?

Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs? (Schamlose Eigenwerbung ist gerne gesehen!)

Welche Artikel fandet ihr in anderen Blogs besonders lesenswert?

Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Ehevertrag – Was kann man regeln?

Wer die gesetzlichen Vorschriften mit ihren weitreichenden Folgen nicht möchte, der kann einen Ehevertrag schließen. Die dafür einschlägigen gesetzlichen Vorgaben finden sich in den §§ 1408 ff BGB. Es hat sich hier allerdings, auch weil das Bundesverfassungsgericht hier bestimmte Vorgaben gemacht hat, eine umfangreiche Rechtsprechung angesammelt, die im wesentlichen den Rahmen ausbildet, nach dem man sich richten muss

1. Grundsätzliches zum Ehevertrag

Wichtig ist zunächst, dass es besondere Formvorschriften gibt. § 1410 BGB sieht vor, dass der Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. Damit soll sichergestellt sein, dass mit dem Notar eine unabhängige rechtskundige  Person vorhanden ist, die beide Parteien über die Risiken eine Vertrages belehren kann. „Gleichzeitige Anwesenheit“ heißt dabei im übrigen nicht, dass beide persönlich bei der Niederschrift dabei sein müssen, sie können sich jeweils durch Vertreter vertreten lassen, die dann aber gleichzeitig dabei sein müssen. Theoretisch kann dabei sogar ein Ehegatte mit entsprechender Bevollmächtigung den anderen vertreten, da er dann ja gleichzeitig als der eine Teil und als Vertreter vorhanden ist. Ansonsten hätte es „persönliche Anwesenheit“ heißen müssen.

Bestimmte Änderungen sind bereits von vorneherein gesetzlich ausgeschlossen. Beispielsweise ist ein Verzicht auf Verwandtenunterhalt und damit auch Kindesunterhalt per Gesetz ausgeschlossen. Ebenso darf der Ehegattenunterhalt und der Trennungsunterhalt nicht ausgeschlossen werden, da dies als wesentlicher Bestandteil der Ehe und der ehelichen Solidarität angesehen wird. Bei der nachfolgenden Rechtsprechung geht es insofern um die Regelungen, die nicht bereits ausgeschlossen sind.

2 Verfassungsrechtliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, Urteil vom 06.02.2001

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil wesentliche Einschränkungen der Vertragsfreiheit vorgenommen, die entsprechend verfassungsrechtlich begründet worden. Die Entscheidung ist durchaus im ganzen interessant, hier die von der Entscheidungssammlung erstellten Orientierungssätze:

1a. Der auf der Grundlage der Privatautonomie aus GG Art 2 Abs 1 zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl BVerfG, 1990-02- 07, 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 <254f>).

1b. Bei besonders einseitiger Lastenverteilung und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner muss das Recht jedoch auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in Fremdbestimmung verkehrt (vgl BVerfG, 1993-10-19, 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214 <232>).

1c. Dies gilt auch für Eheverträge. Der Staat hat der Freiheit der Ehegatten, ihre ehelichen und rechtlichen Beziehungen durch Vertrag zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt.

Zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen in Fällen gestörter Vertragsparität vgl BVerfGE 89, 214 <234>.

1d. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung.

2a. Enthält ein Ehevertrag eine erkennbar einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der Frau und ist er vor der Ehe und im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geschlossen worden, gebietet es auch der Anspruch auf Schutz und Fürsorge der werdenden Mutter aus GG Art 6 Abs 4, die ehevertragliche Vereinbarung einer besonderen richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen.

Zum verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, insbesondere dem Schutz der Schwangeren vor Druck und Bedrängung aus ihrem sozialen Umfeld oder seitens des Kindesvaters vgl BVerfG, 1993-05-28, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 203 <296f>- Schwangerschaftsabbruch.

2b. Die Schutzbedürftigkeit wird offenkundig, wenn der Inhalt des Ehevertrags eine Unterlegenheitsposition der nicht verheirateten Schwangeren zum Ausdruck bringt. Dies ist der Fall, wenn der Vertrag die Schwangere einseitig belastet und ihre Interessen keine angemessene Berücksichtigung finden (vglBVerfG, 1993-10- 19, 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214 <234f>).

Das in dem Ehevertrag enthaltene Eheversprechen wiegt die einseitige Belastung eines Vertragspartners nicht auf.

3. In der angegriffenen Entscheidung hat das OLG weder die besondere Situation der Beschwerdeführerin als Schwangere mit bereits einem Kind bei Vertragsabschluss gesehen noch ist es der Frage nachgegangen, ob der Ehevertrag die Beschwerdeführerin in unangemessener Weise belastet, obwohl der Inhalt des Vertrages hierfür Anlass bot (ua Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, weitgehende Freistellung des Vaters von seiner Unterhaltspflicht).

Das Gericht hat die aus GG Art 2 Abs 1 iVm Art 6 Abs 4 folgende Schutzpflicht dadurch verkannt, dass es die Vertragskonstellation unter Hinweis auf die Eheschließungsfreiheit nicht zum Anlass für eine Kontrolle des Vertragsinhalts genommen hat.

4. Darüber hinaus hat das OLG den Schutz aus GG Art 6 Abs 2 außer Acht gelassen, der vertraglichen Abreden von Eltern im Interesse des Kindeswohls Grenzen setzt.

4a. Das Kind hat als Grundrechtsträger bei nachhaltiger Gefährdung des Kindeswohls Anspruch auf staatlichen Schutz vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts (vgl BVerfG, 1968- 07-29, 1 BvL 20/63, BVerfGE 24, 119 <144f>).

Zur Verantwortung der Eltern gehört auch, für einen ihrem eigenen Vermögen gemäßen und zugleich angemessenen Unterhalt des Kindes zu sorgen und seine Betreuung sicherzustellen (vgl BVerfG, 1984- 11-14, 1 BvR 14/82, BVerfGE 68, 256 <267>).

4b. Soll nach dem Willen der Eltern im Falle der Scheidung ein Elternteil die alleinige Sorge für das gemeinsame Kind tragen sowie dessen Betreuung übernehmen und vereinbaren die Eltern für diesen Fall eine Freistellung des nicht betreuenden Elternteils vom Kindesunterhalt durch den Betreuenden, werden sie ihrer Verantwortung dem Kinde gegenüber nicht gerecht und gefährden dessen Wohl, wenn dadurch eine den Interessen des Kindes entsprechende Betreuung und ein den Verhältnissen beider Eltern angemessener Barunterhalt nicht mehr sichergestellt sind.

Nur wenn dem sorgenden Elternteil ein Einkommen verbleibt, das den angemessenen Lebensunterhalt des Kindes, den eigenen Unterhalt und die Betreuungskosten deckt, ist eine durch die Freistellungsabrede eintretende Beeinträchtigung der Kindesinteressen auszuschließen.

4c. Durch die Nichtberücksichtigung, ob die Mutter den Unterhaltsanspruch des Kindes ohne übermäßige Anstrengungen oder erhebliches Absinken des familiären Lebensstandards erfüllen kann, hat das Gericht Umfang und Bedeutung des Schutzes durch GG Art 6 Abs 2 vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts zu Lasten des Kindeswohls verkannt.

Demnach stellt das Gericht auf folgendes ab:

  • Wenn ein Ehevertrag geschlossen wird, dann darf keine Unterlegenheit eines der (zukünftigen) Ehepartner vorliegen.
  • es darf keine absolut einseitige Lastenverteilung vorliegen
  • bei Schwangeren besteht eine besondere Schutzpflicht des Staates
  • der Vertrag darf das Kindeswohl nicht beeinträchtigen, insbesondere darf die Versorgung des Kindes nicht beeinträchtigt sein
  • Darunter fasst das Gericht auch, dass der Betreuungsperson genug hat, um den Bedarf des Kindes, den eigenen Bedarf und die Betreuungskosten zu decken

3. Kernbereichslehre des BGH, Urteil vom 11.02.2004, XII ZR 265/02

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergehen in Gesetzeskraft. Demnach waren diese Vorgaben von der Rechtsprechung umzusetzen. Ca. 3 Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte dann der Bundesgerichtshof die Gelegenheit, ein entsprechendes Modell vorzustellen, dass den übrigen Gerichten Anhaltspunkte gab, wie dies nunmehr erfolgen soll.

Das Urteil enthält drei wesentliche Punkte:

  • Kernbereichslehre
  • Wirksamkeitskontrolle
  • Ausübungskontrolle

a) Kernbereichslehre

Mit der Kernbereichslehre hat der BGH versucht, die obigen Grundsätze umzusetzen. Es ist eine Liste, welche Ansprüche im Eherecht in welcher Weise schwutzwürdig sind. Das Gericht definiert, welche Rechte den Kern der Ehe und dem dabei erforderlichen Schutz darstellen, und welche eher im Aussenbereich liegen. Man muss sich das Modell wie eine Zwiebel vorstellen, bei der der innere Kern den stärksten Schutz genießt, während man äußere Schalen durchaus „abmachen“ also einschränken kann.

Der Bundesgerichtshof dazu:

2. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf indes nicht dazu führen, daß der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.
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a) Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB), der schon im Hinblick auf seine Ausrichtung am Kindesinteresse nicht der freien Disposition der Ehegatten unterliegt. Freilich ist auch er nicht jeglicher Modifikation entzogen. So lassen sich immerhin Fälle denken, in denen die Art des Berufs es der Mutter erlaubt, Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit miteinander zu vereinbaren, ohne daß das Kind Erziehungseinbußen erleidet. Auch erscheint eine ganztägige Betreuung durch die Mutter nicht als unabdingbare Voraussetzung für einen guten Erziehungserfolg, so daß sich Ehegatten auch darüber verständigen könnten, ab einem bestimmten Kindesalter Dritte zur Betreuung heranzuziehen, um einen möglichst frühen Wiedereintritt der Mutter in das Berufsleben zu ermöglichen.
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Bei der Ausrichtung am Kernbereich der Scheidungsfolgen wird man im übrigen für deren Disponibilität eine Rangabstufung vornehmen können, die sich in erster Linie danach bemißt, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben. So ist die Absicherung des laufenden Unterhaltsbedarfs für den Berechtigten in der Regel wichtiger als etwa der Zugewinn- oder der spätere Versorgungsausgleich. Innerhalb der Unterhaltstatbestände wird – nach dem Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) – dem Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) und dem Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) Vorrang zukommen. Zwar knüpfen diese beiden letzteren Unterhaltstatbestände nicht an ehebedingte Nachteile an. Das bedeutet jedoch nicht, daß sie nicht zum Kernbereich der gesetzlichen Scheidungsfolgenregelung gehören und der uneingeschränkten Disposition der Ehegatten unterstehen. Gerade indem das Gesetz sich hier mit einem bloß zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe begnügt, mißt es diesen Einstandspflichten als Ausdruck nachehelicher Solidarität besondere Bedeutung bei – was freilich einen Verzicht nicht generell ausschließt, etwa wenn die Ehe erst nach Ausbruch der Krankheit oder im Alter geschlossen wird. Die Unterhaltspflicht wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 BGB) erscheint demgegenüber nachrangig, da das Gesetz das Arbeitsplatzrisiko ohnehin auf den Berechtigten verlagert, sobald dieser einen nachhaltig gesicherten Arbeitsplatz gefunden hat (§ 1573 Abs. 4; vgl. auch § 1573 Abs. 5 BGB). Ihr folgen Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2 1. Variante, Abs. 3 BGB). Am ehesten verzichtbar erscheinen Ansprüche auf Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2, § 1575 BGB), da diese Unterhaltspflichten vom Gesetz am schwächsten ausgestaltet und nicht nur der Höhe (vgl. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern auch dem Grunde nach zeitlich begrenzbar sind (§ 1573 Abs. 5, § 1575 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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b) Auf derselben Stufe wie der Altersunterhalt rangiert der Versorgungsausgleich. Als vorweggenommener Altersunterhalt steht er vertraglicher Disposition nur begrenzt offen. Vereinbarungen über ihn müssen deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Als Teilhabe an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen ist der Versorgungsausgleich andererseits aber auch dem Zugewinnausgleich verwandt; das mag – jedenfalls bei deutlich gehobenen Versorgungsverhältnissen – eine weitergehende Dispositionsbefugnis rechtfertigen.
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c) Der Zugewinnausgleich erweist sich ehevertraglicher Disposition am weitesten zugänglich. Das Eheverständnis erfordert, worauf Schwab (aaO S. 16) mit Recht hingewiesen hat, keine bestimmte Zuordnung des Vermögenserwerbs in der Ehe. Die eheliche Lebensgemeinschaft war und ist – auch als gleichberechtigte Partnerschaft von Mann und Frau – nicht notwendig auch eine Vermögensgemeinschaft. Auch die vom Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2002 aaO S. 529) – für das Recht des nachehelichen Unterhalts – betonte Gleichgewichtigkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit hat keine bestimmte Strukturierung der ehelichen Vermögenssphäre zur Folge. Wie § 1360 Satz 2 BGB (vgl. auch § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) verdeutlicht, sind nicht etwa das Erwerbseinkommen des einen und die Haushaltsführung des anderen Ehegatten einander gleichwertig. Für die Erfüllung des Anspruchs auf Familienunterhalt gleiches Gewicht haben nur die Unterhaltsbeiträge, welche die Ehegatten aus ihrem Erwerbseinkommen oder als Familienarbeit erbringen (BVerfG FamRZ 2002 aaO; so auch Gernhuber/Coester-Waltjen Lehrbuch des Familienrechts 4. Aufl. § 34 I 5 S. 495, insbes. Fußn. 4). Zwar sieht der gesetzliche Güterstand eine gleiche Teilhabe der Ehegatten am gemeinsam erwirtschafteten Vermögen vor. Dem liegt die typisierende Vorstellung zugrunde, daß die Ehegatten in ökonomisch gleichwertiger Weise zur Vermögensbildung beitragen. Diese – nur fiktive – Gleichwertigkeit hindert die Ehegatten jedoch nicht, durch Modifizierung oder Abwahl des Regelgüterstandes ihre interne Vermögensordnung einvernehmlich an die individuellen Verhältnisse ihrer konkret beabsichtigten oder gelebten Eheform anzupassen und dabei auch eigene ökonomische Bewertungen an die Stelle der gesetzlichen Typisierung zu setzen. Schließlich fordert auch das Gebot ehelicher Solidarität keine wechselseitige Vermögensbeteiligung der Ehegatten: Deren Verantwortung füreinander (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB) tritt bei konkreten und aktuellen Versorgungsbedürfnissen auf den Plan; ihr trägt – wie gezeigt – das geltende Unterhaltsrecht Rechnung. Das geltende Güterrecht knüpft demgegenüber nicht an Bedarfslagen an; die vom Regelgüterstand verfolgte Gewinnbeteiligung hat keine unterhaltsrechtlichen Funktionen (Schwab aaO). Zwar wird bei einer Gesamtschau die Versorgungslage des nicht- oder nicht voll erwerbstätigen Ehegatten im Einzelfall auch durch das Ehevermögensrecht mitbestimmt. Grob unbillige Versorgungsdefizite, die sich aus den für den Scheidungsfall getroffenen Absprachen der Ehegatten ergeben, sind jedoch vorrangig im Unterhaltsrecht – weil bedarfsorientiert – und allenfalls hilfsweise durch Korrektur der von den Ehegatten gewählten Vermögensordnung zu kompensieren.

Etwas kürzer gefasst und geordnet ergibt sich daraus die folgende Abstufung:

  1. Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB)
  2. Unterhalt wegen Alters und/oder Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB) und der
  3. Versorgungsausgleich (§ 1587 BGB i.V.m. §§ 1 ff. VersAusglG),
  4. Aufstockungsunterhalt und alle anderen Unterhaltstatbestände.
  5. Der Zugewinnausgleich (§§ 1378 ff. BGB)

Unterhalt wegen der Betreuung eines Kindes darf also gar nicht ausgeschlossen werden und ist auch bei der Höhe sehr sensibel, Aufstockungsunterhalt hingegen schon deutlich mehr und der Zugewinn kann beliebig ausgeschlossen werden, da dies ohnehin vorgesehen ist, da man Gütertrennung vereinbaren kann.

b)Wirksamkeitskontrolle, § 138 BGB

Es folgt sodann eine doppelte Prüfung eines Ehevertrages, nämlich zunächst die Wirksamkeitskontrolle und dann die Ausübungskontrolle.

Der Aufhänger für die Wirksamkeitskontrolle ist dabei § 138 BGB, der im wesentlichen aus der Aussage besteht, dass ein Geschäft, welches gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Es handelt sich dabei um eine sehr weit gefasste Klausel, die einer der Gründe ist, warum sich das BGB so gut hält: Man kann diesen Paragraphen stets mit dem aktuellen Moralempfinden füllen, das Gesetz ist insofern systemunabhängig und amoralisch.

In dieser ersten Stufe wird eine Bewertung der Sittenwidrigkeit zu dem Zeitpunkt, als der Vertrag geschlossen wurde, vorgenommen.

Der BGH dazu:

Der Tatrichter hat dabei zunächst – im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle – zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, daß ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, daß an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB).

Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluß abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlaßt und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne daß dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird.

Demnach muss also zunächst geprüft werden, was bei Vertragsschluß für eine Situation vorlag. Dabei ist ein Maßstab, inwieweit Kernbereiche abbedungen werden ohne das man dies entweder ausgleicht oder es durch andere besondere Verhältnisse gerechtfertigt ist.

Wenn also ein Paar jung heiratet und Kinder zu bekommen gedenkt, gleichzeitig aber der nacheheliche Unterhalt komplett ausgeschlossen ist, was bedeuten würde, dass auch der Unterhalt für die Betreuung eines Kindes ausgeschlossen ist und sie den Vertrag hochschwanger einen Tag vor der Hochzeit unterschreibt, wobei sie am Tag der Unterschrift erfahren hat, dass er einen Vertrag will und sie sonst nicht heiratet, dann würde dies dazu führen, dass der Vertrag nichtig ist

Heiraten zwei 60 Jährige, die beide erklären, dass sie ihre Familienplanung abgeschlossen haben und davon ausgehen, dass sie weder weitere Kinder wollen noch bekommen können, beide Arbeit haben und ihre Alterbezüge geregelt haben, dann wäre hingegen ein Ausschluß des Unterhalts wohl eher wirksam, da man dann davon ausgehen kann, dass der Betreuungsunterhalt keine Rolle mehr spielen wird.

Da die Motive zu berücksichtigen sind ist auf die subjektive sowie die objektive Seite abzustellen und beides zu prüfen.

Üblicherweise wird man erst auf der objektiven Seite prüfen, ob eine einseitige ungerechte Regelung vorliegt, die den anderen Benachteilgt und dann überprüfen, ob diese objektiv nachteilige Vereinbarung auf einer ungleichen Verhandlungspositon aufgrund einer einseitigen Dominanz eines der Ehegatten beruht, die zugleich ein Ausnutzen auf dem einer Zwangslage („Vertragliche Disparität“) einer situationsbedingten Unterlegenheit, struktureller Unterlegenheit, Leichtgläubigkeit oder zB Unerfahrenheit beruht.

An dieser Stelle kommt dann auch der Schutz der Schwangeren, den bereits das Bundesverfassungsgericht gefordert hat. Hier wird je mehr oder weniger davon ausgegangen, dass die Schwangerschaft kurz vor der Hochzeit bereits ein deutliches Indiz für eine Notlage ist und damit für den subjektiven Tatbestand. Wenn die Frau zB eigenes Vermögen hat und lediglich ein Zugewinnausgleich modifiziert vereinbart werden soll, dann kann dies unwesentlich sein, da es dann bereits an einer objektiven Sittenwidrigkeit fehlen kann, aber dennoch ist die schwangere hier eine „tickende Zeitbombe“ und sie wird von einigen Notaren als mehr oder weniger unzurechnungsfähig angesehen.

Das liegt insbesondere daran, dass es Aufgabe des Notars ist, nach Möglichkeit einen bestandskräftigen, wirksamen Ehevertrag zu beurkunden und alles andere dazu führen kann, dass er bei einer ungültigen Vereinbarung evtl Schadensersatzpflichtig wird, wenn ihm ein Fehlverhalten nachzuweisen ist. Er wird also nach Möglichkeit über alle Risiken aufklären und möglichst formell vorgehen  um das Risiko einer ungleichen Verhandlungssituation auszuschließen oder jedenfalls evtl bestehende Besonderheiten mit in die Urkunde aufnehmen bzw entsprechende Belehrungen.

Typische Problemfelder sind:

  • die „Überraschungsbeurkundung“: Der Reichere der beiden hat bereits einen Vertrag von seinem Rechtsanwalt vorbereiten lassen, den solle der Notar kurz vor der Hochzeit gerade mal eben direkt beurkunden. Dieses Vorgehen macht den Vertrag sehr angreifbar. Üblicherweise wird der Notar (eigentlich: muss der Notar) zunächst eine Vorbesprechung machen, in der er die Ausgangssituation aufnimmt und einen Entwurf mit beiden Parteien bespricht und sie auf die entsprechenden Risiken hinweist. Dann sollte eine Bedenk- und Prüfungszeit von zumindest zwei Wochen eingehalten werden, bis es zur Beurkundung kommt. In dieser Zeit sollte den Parteien ein entsprechender Entwurf vorliegen, damit sie diesen auch noch einmal mit einem eigenen Rechtsanwalt besprechen können, wenn sie das wollen.
  • „Sprachunkundige“: Ein klassischer Fall ist die Ehefrau aus dem Ausland, die sprachlich den Vertrag bereits nicht nachvollziehen kann. Hier wird der Notar darauf drängen, dass ein Dolmetscher (nicht: der Ehemann, sondern ein neutraler) hinzugezogen wird und sie, wenn sie dies will, eine Übersetzung des Entwurfs zur Prüfung erhält. Hier sollte bedacht werden, dass einem ein unwirksamer Vertrag schlicht nichts bringt. Im Gegenteil, die Gefahr ist hoch, dass er dann insgesamt unwirksam ist.
  • „Berufsunfähigkeit“: Der eine Ehegatte ist erkennbar krank und droht berufsunfähig zu werden. Er ist insoweit von der Unterstützung des anderen im starken Maße abhängig und soll dennoch auf sehr weitgehende Rechte verzichten. Diese Anhängigkeit wird genutzt, um weitgehende Einschränkungen für den Fall der Trennung durchzusetzen
  • „Rettung des nicht zu Rettenden“:  Die Vereinbarung erfolgt um die Ehe zu retten, die eigentlich schon gescheitert ist und die Rettung wird als Karotte genutzt, die man dem stark verliebten anderen vor der Nase baumeln lässt, damit er einwilligt
  • „Umgangs- und Sorgerecht Erpressung“: Unterschreib das, sonst siehst du die Kinder nie wieder. Sorgerecht und Umgangsrecht dürfen in dem Vertrag nicht (erkennbar) als Verhandlungsmasse genutzt werden, sie sind kein „Austauschobjekt“

Das Schließen einer nachteiligen Vereinbarung, auch einer sehr nachteiligen, muss aber nicht zur Sittenwidrigkeit führen, wenn die subjektive Komponente nicht gegeben ist, wenn also der andere sich aus freien Stücken und ohne Dominanz in den für ihn ungünstigen Vertrag einwilligt. Wenn also beispielsweise eine Frau sagen würde „ich als Feministin lehne jede Form der Abhängigkeit von einem Mann ab und betrachte diese als Ausprägung des Patriarchats und benevolenten Sexismus gegen mich, ich will niemals schwanger werden oder ein Kind haben, da dies der Kern der Unterdrückung ist und Frauen in die klassischen Geschlechterrollen drängt, deswegen möchte ich einen sehr weitgehenden Ausschluss aller Rechte“ dann kann das einen sehr weitgehenden Ausschluss rechtfertigen, weil es an dem subjektiven Element fehlt.

Wichtig ist es sich hier auch § 139 BGB bewußt zu machen. Wenn ein Teil nichtig ist, dann ist üblicherweise der gesamte Vertrag nichtig. Wenn ein Gesamtungleichgewicht festgestellt wird, dann wird dies sich meist auf den gesamten Vertrag erstrecken, da nicht anzunehmen ist, dass ein bestimmter Teil herausgenommen werden kann. Meist hilft hier noch nicht einmal eine sog. salvatorische Klausel, da eine Reduzierung eines solchen Gesamtwerks auf ein vernünftiges Maß durch das Gericht kaum erfolgen kann, so etwas auszuhandeln ist vielmehr Sache der Parteien. Die Sittenwidrigkeit ist auf diese Weise nicht zu beseitigen.

c) Ausübungskontrolle (§§ 242, 313 BGB)

Ist die erste Hürde der Wirksamkeitskontrolle mit der schwerwiegenden Folge der Gesamtnichtigkeit genommen, dann folgt noch die Ausübungskontrolle.

Diese wird üblicherweise mit den Normen § 242 BGB („die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“) und § 313 BGB („Wegfall der Geschäftsgrundlage“) begründet.

Der BGH dazu:

Soweit ein Vertrag danach Bestand hat, muß der Richter sodann – im Rahmen der Ausübungskontrolle – prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht mißbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, daß diese durch den Vertrag wirksam abbedungen sei (§ 242 BGB). Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluß der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrundeliegenden Lebensplanung grundlegend abweicht. Nacheheliche Solidarität wird dabei ein Ehegatte regelmäßig nicht einfordern können, wenn er seinerseits die eheliche Solidarität verletzt hat; soweit ein angemessener Ausgleich ehebedingter Nachteile in Rede steht, werden dagegen Verschuldensgesichtspunkte eher zurücktreten. Insgesamt hat sich die gebotene Abwägung an der Rangordnung der Scheidungsfolgen zu orientieren: Je höherrangig die vertraglich ausgeschlossene und nunmehr dennoch geltend gemachte Scheidungsfolge ist, um so schwerwiegender müssen die Gründe sein, die – unter Berücksichtigung des inzwischen einvernehmlich verwirklichten tatsächlichen Ehezuschnitts – für ihren Ausschluß sprechen.

Demnach ist zu prüfen, ob die Eheleute „den Vertrag auch gelebt haben“. Haben sich die Umstände geändert und zu gänzlich anderen Lebensentwürfen geführt, dann muss geschaut werden, ob die Regelungen dem gerecht werden.

Nehmen wir die Feminstin aus dem obigen Beispiel: Sie erkennt, dass sie auf einem Irrweg war und möchte nunmehr Kinder haben und diese versorgen. Ihr Mann stimmt dem zu und schlägt vor, dass sie die Erziehungszeiten nimmt und das ruhig großzügig, dann könne sie ja irgendwann mal wieder eine Halbtagsstelle anfangen, es Eile aber nicht, schließlich verdiene er ja genug und eine gute Betreuung der Kinder wäre das wichtigste. Nach diesem Grundsatz leben sie 20 Jahre in einer von beiden so gewollten Ehe bis die Beziehung scheitert und er sich nunmehr darauf beruft, dass sie alles ausgeschlossen haben, da sie unabhängig sein wollte.

Hier hat er in die geänderte Ehegestaltung eingewilligt. Er hat gemeinsam mit ihr die Ehe in eine andere Richtung entwickelt als damals geplant Der „Gelebte Ehetypus“ weicht damit wesentlich vom „geplanten Ehetypus“ ab und auf dieser Basis ist der damalige Vertrag passt aufgrund der dann auch von ihm gewollten Abhängigkeit und der entsprechenden Einschränkungen, die dadurch bei ihr eingetreten ist nicht mehr zu der jetzigen Situation.

Der BGH gibt dabei das Schema vor, dass derjenige, der selbst nicht solidarisch ist, insofern auch keine Solidarität von dem anderen verlangen kann, dass aber Schuld dann eine geringere Rolle spielt, wenn der anderen in der „gelebten Ehe“ bestimmte Nachteile in Kauf genommen hat, damit die Ehe funktioniert. Das klassische Beispiel ist dabei eben, dass zB beide Doppelverdiener sind, der eine von beiden, meist eher die Frau, aber ihre Stunden zurücknimmt, um bestimmte Aufgaben bezüglich der Kinder zu übernehmen und es sich immer mehr so gestaltet, dass sie ihren Beruf zurückstellt, um Familienaufgaben zu übernehmen.

Ehebdingte Nachteile erfordern im Familienrecht üblicherweise einen vergleich des tatsächlich eingetretenen Lebens mit einem fiktiven Leben, in dem sie die Einschränkungen für die Familie nicht übernommen hätte. Eine Friseurin beispielsweise erlebt kaum Gehaltssteigerungen, sofern man nicht davon ausgehen kann, dass sie noch ihren Master gemacht hätte, sie wird auch nach einem gewissen Aussetzen das gleiche verdienen wie vorher, sie hat dann evtl nur weniger in die Rente gezahlt und weniger Möglichkeiten gehabt, gewisse Ansparungen zu machen. Eine Ärztin, die ihre Stelle im Krankenhaus aufgibt oder gar ihr Studium schmeißt, weil plötzlich Zwillinge da waren, hat hingegen erhebliche Nachteile erlitten.

Auch hier sind die Einschränkungen wieder anhand der Rangfolgen der Kernbereichslehre zu bewerten. Um so höher der Rang des ausgeschlossenen Rechts um so sensibler ist der Vertrag für eine Änderung der Grundlagen.

Zu den Rechtsfolgen führt der BGH aus:

Hält die Berufung eines Ehegatten auf den vertraglichen Ausschluß der Scheidungsfolge der richterlichen Rechtsausübungskontrolle nicht stand, so führt dies im Rahmen des § 242 BGB noch nicht zur Unwirksamkeit des vertraglich vereinbarten Ausschlusses. Auch wird dadurch nicht notwendig die vom Gesetz vorgesehene, aber vertraglich ausgeschlossene Scheidungsfolge in Vollzug gesetzt.

Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der nunmehr eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Dabei wird er sich allerdings um so stärker an der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge zu orientieren haben, je zentraler diese Rechtsfolge im Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts angesiedelt ist.

Auf der zweiten Stufe wird also üblicherweise eine Anpassung des Vertrages vorgenommen. Diese Anpassung wird sich um so eher am Gesetz orientieren, um so größer der Eingriff dem Bewertungssystem der Kernbereichslehre nach ist und um so eher eine andersweitige Anpassung keine Gerechtigkeit schaffen kann. Die Anpassung wird dann auch üblicherweise nur den zeitlichen Bereich betreffen, ab dem die Änderung eingetreten ist, die dazu führt, dass die Ausübungskontrolle anschlägt.

Man kann in dem Vertrag auch Regelungen vorsehen, was für verschiedene andere Fälle vorliegen soll, beispielsweise indem man eine Regelung vornimmt für den eigentlich geplanten Eheentwurf und eine andere falls sich das Leben bzw die Ehe anders entwickelt. Also beispielsweise „I. Wir planen eine Ehe ohne Kinder zu führen, dafür gelten die folgenden Regelnungen… II Sollte sich die Ehe so entwickeln, dass wir doch Kinder bekommen und einer von uns ehebedingte Nachteile erleiden, dann sollen die folgenden Regelungen gelten…“. Aber ein solcher Entwurf ist natürlich schwerer zu planen, wenn er gar nicht der eigentlichen Planung entspricht. Natürlich kann man auch einen Ehevertrag den geänderten Eheverhältnissen anpassen, aber das erfordert eben eine Bereitschaft beider, die dann nicht unbedingt mehr bestehen muss. Zudem erfordert es jedesmal die Konfrontation damit, dass die Ehe enden könnte, was auch nicht die Bereitschaft fördert.

4. Scheidungsfolgenvereinbarungen

Eine besondere Form des Ehevertrages ist die Scheidungsfolgenvereinbarung. Sie liegt dann vor, wenn eine Scheidung bevorsteht und man sich über die Scheidungsfolgen einigen will. Weil er mit einer Scheidung vor Augen geschlossen wird gibt es natürlich keine Zukunftsbetrachtung und keinen Vergleich von „Geplant“ und „Entwicklung“. Die Ehe ist bereits in der Abwicklung und diese Abwicklungssituation ist zu berücksichtigen. Demnach spielt hier die Wirksamkeitskontrolle eine wichtigere Rolle.

Üblicherweise sind im Rahmen des Scheidungsverfahren aufgrund der bestehenden Auskunftsansprüche und der häufigen Vorbereitung und Begleitung durch Rechtsanwälte die jeweiligen Verhältnisse gut bekannt und die bestehenden Ansprüche nach den gesetzlichen Bestimmungen sowie die bestehenden Unsicherheiten und Streitpunkte gut bekannt. Eine Anpassung an fehlerhafte Prognosen muss insofern selten erfolgen. Etwas anderes kann bei sehr frühzeitigen Scheidungsfolgevereinbarungen bezüglich der Folgen, die erst mit der Scheidung in Kraft treten, vorliegen, wie Unterhalt. Hier kann über die Dauer des nachehelichen Unterhalts eine Anpassung und eine Kontrolle erforderlich sein.

5. Benachteiligung Dritter

Eheverträge, die zwar nicht gegen die obigen Grundsätze verstoßen, aber beispielsweise dazu dienen sollen, dass einer der Beiden staatliche Leistungen in Anspruch nehmen muss, dann kann das eine Sittenwidrigkeit begründen. Auch hier muss ein objektiver und subjektiver Tatbestand erfüllt sein. Wenn die Benachteiligung gerade gewünschte Folge ist, dann wird der subjektive Tatbestand meist erfüllt sein.

6. Einige Regelungen

Zwar kann man den Zugewinn komplett ausschließen, dass ist aber meist gar nicht gewollt. Üblicherweise wird daher eine sog. modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart. Diese siehst vor, dass für den Fall, dass die Ehe nicht auf eine andere Weise als durch den Tod beendet wird, die gesetzlichen Regelungen gelten sollen und nur in anderen Fällen zB der Zugewinn begrenzt oder ganz ausgeschlossen werden soll. Hintergrund ist, dass bei einer Beendigung durch Tod die Ehe ja in der Regel gut gelaufen ist und die Ehefrau möglichst weitgehend erben soll. Allerdings setze sich der Erbanspruch aus einem Viertel und einer weiteren Viertel, wenn Zugewinn vereinbart ist, zusammensetzt. Der Rest geht nach der gesetzlichen Erbfolge an die Kinder. Demnach würde mit einem Ausschluss des Zugewinns die Ehefrau nur noch 1/4 statt 1/2 erhalten. Das ist meist für eine funktionierende Ehe nicht gewünscht.

Es können zudem ehebedingte Nachteile auch anderweitig ausgeglichen werden, etwa indem freiwillige Zahlungen in eine Altersvorsorge erfolgen oder beispielsweise Zahlungen in eine Lebensversicherung.

Es können auch Unterhaltszahlungen beispielsweise auf einen nachehelichen Unterhalt der Höhe nach begrenzt werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass nicht mit festen Beträgen gearbeitet wird, sondern mit zeitabhängigen Anpassungen gearbeitet wird. Wenn beispielsweise heute ein Unterhaltsbetrag von 1.000 verabredet wird, mag dies angemessen sein, in 30 Jahren wird dieser Betrag aber unzureichend sein. Es können aber entsprechende Anpassungen gekoppelt an den Verbraucherindex festgeschrieben werden oder andere Formen der Anpassung.

Es bietet sich an, in einen Ehevertrag neuerdings eine Rechtswahlklausel aufzunehmen. Aufgrund einer neuen EU-Verordnung richtet sich das Eherecht nunmehr nach dem Staat in dem man seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Demnach könnten Rentner, die nach Spanien ziehen, plötzlich spanischen Recht unterliegen. Dann wiederum kann sich auch die Wirksamkeit des Vertrages nach dem dortigen Recht bestimmen.

7. Wirksamkeit in der Zukunft

Neulich hieß es in einer Diskussion, dass Eheverträge nichts bringen würden, da sie keine Sicherheit bringen würden. Die Rechtsprechung könne sich jederzeit ändern und dann seien alle Formulierungen nichts mehr wert.

Und man sieht ja auch durchaus an der Rechtsprechung oben, die im Endeffekt gerade mal zehn Jahre alt ist und die Voraussetzungen eher verschärft hat, dass dies durchaus der Fall sein kann.

Natürlich sind auch nicht alle Verträge, die damals geschlossen worden sind ungültig. Ein Zugewinnausgleichsausschluss ist seit etwa Mitte der 50er ohne Einschränkungen möglich, also seit über 60 Jahren möglich. Auch zurückhaltendere Unterhaltsausschlüsse, die nicht den Unterhalt wegen Kinderbetreuung ausgeschlossen haben, sind nicht betroffen.

Und letztendlich bleibt für den, der heiraten möchte, wenig anderes übrig als hier sein Glück zu versuchen. Er wird sich üblicherweise nicht schlechter stellen als mit den gesetzlichen Regelungen (auch wenn natürlich auch ein solcher Ehevertrag zulässig wäre).

Natürlich kann man einen Ehevertrag, sofern beide zustimmen, auch bei einer Rechtsprechungsänderung erneut ändern. Und auch eine Anpassung an geänderte Gegebenheiten kann im Wege der Auslegung erfolgen.

8. Was kostet ein Ehevertrag

Ein Ehevertrag kostet natürlich Geld. Notargebühren sind dabei bei jedem Notar gleich und auch nicht verhandelbar. Die Gebühren richten sich nach dem, was man alles begutachten will. Es wird nach bestimmten Gebührenvorschriften aus dem GNotkG ein Gegenstandswert gebildet, der dann nach einer Tabelle und einem Gebührenverzeichnis eine Berechnung der Gebühren erlaubt.

Es kommt also sehr darauf an, welches vermögen man hat und was man verdient. Andererseits sind Gebühren für den Fall einer Scheidung schon bei einem modifizierten Zugewinnausgleich schnell wieder reingeholt.

„Es ist nicht Aufgabe der Frauen, etwas gegen Diskriminierungen/Nachteile von Frauen zu machen“

Der moderne Feminismus hat eine Vielzahl von Theorien entwickelt, die es ermöglichen, Verantwortung abzugeben. Eines der Mittel ist, dass der Begriff des Victim Blamings sehr weit gefasst wird und eigentlich bereits dann anfängt, wenn man in irgendeiner Form verlangt, dass Frauen etwas machen, um die Umstände für sie zu verbessern.

Danach ist jeder Rat etwas zu tun Victim Blaming, was zu so grotesken Auswüchsen führt, wie etwas Selbstverteidigungskurse für Frauen als sexistisch zu bezeichnen, weil sie die Frauen für die Abwehr verantwortlich machen. Dabei haben sich solche Maßnahmen als sehr sehr effektiv erwiesen.

Dabei wären es natürlich gerade Frauen, die viel machen könnten um im Feminismus ausgemachte Diskriminierungen beseitigen zu können. Nehmen wir den Gender Pay Gap: Das würde eben erfordern, dass Frauen nicht mehr Gender Studies oder Kunstgeschichte studieren, sondern Maschinenbau oder andere Fächer dieser Art. Es würde bedeuten, dass Frauen mehr auf Überstunden setzen müssten und ihre Partnerwahl darauf ausrichten könnten, dass der Mann sich eher um die Kinder kümmert. Es würde bedeuten, dass Frauen eben ihr Leben mehr auf Karriere ausrichten müssten. Man könnte hier mit entsprechenden motiverten Frauen recht schnell etwas ändern.

Im Feminismus ist das erst einmal keine Option. Als ich entsprechendes einmal vorgeschlagen habe hieß es dazu nur:

Klingt ein wenig nach Victim blaming, vielleicht hast du es aber nicht so gemeint. Strukturell und gesellschaftlich müssen sich erst die Gegebenheiten ändern, so auch die Erziehung, Prägung und Chancen für Frauen. DANN kann mit gleichen “Waffen” gekämpft werden. Es studieren heute schon sehr viel mehr Frauen als Männer, alle Fächer, aber sie geben eine hochwertige Ausbildung oft auf, weil ihnen keine andere Chance gelassen wird.

Man will also immer erst die Gesellschaft ändern, damit dann alles irgendwie besser wird. Statt den umgekehrten Prozess zu starten, also durch andere Entscheidungen von Leuten eine aktive Änderung der Gesellschaft herbeizuführen.

Es ist natürlich sehr einfach, alle Verantwortung auf die Gegenseite zu verschieben und sich darauf zu versteifen, dass an meckern und verlangen muss, damit diese sich endlich ändert und einem eine bessere Welt macht.

Matze schrieb in einem Kommentar:

Da habe ich letztens ja eine Diskussion mitgelesen, in der eine Feministin sagt das es nicht die Aufgabe von Feministinnen ist, etwas gegen diese Frauen-sind-besser-/männderhassenden Feministinnen zu machen. Der nichtfeministische Gesprächepartner durfte das aber auch nicht, weil das wäre ja anit-feministisch und sowas ist frauenverachtend.

Auch hier greift der gleiche Grundsatz. Vermutlich würde man dort argumentieren, dass ja die Männer einfach den Grund für die Männerfeindlichkeit abstellen könnten.

 

Männerbewegung: Kleinere, umsetzbarere Ziele vs. Maximalforderungen, die die Gesamtbetrachtung verändern

Eine interessante Frage, die neulich kurz in den Kommentaren angesprochen wurde, ist die Frage, mit welcher Art von Forderungen die Männerbewegung ins Rennen gehen soll:

  • Kleine Ziele setzen, die dann als eigener Erfolg verkauft werden können
  • Maximalforderungen stellen, in der Hoffnung, dass man so zumindest kleine Sachen durchbekommt.

Ich glaube man sollte in seinen Zielen einen gewissen Realismus verfolgen, weil das Stellen von zu großen Forderungen lediglich erleichtert, eine eh schon mit ihrem Ruf kämpfende Bewegung abzuwerten. Ich würde es insofern sehr interessant finden, sich auf ein relativ kleines und möglichst klar gerechtes Ziel zu setzen und darauf eine Kampagne aufzubauen. Und zu versuchen damit einen gewissen Druck aufzubauen und eine Änderung zu erwirken. Nicht gleich die Einführung des Wechselmodells oder so etwas unrealistisches wie „Abschaffung des Unterhalts“, welches aus meiner Sicht keinerlei Chance hat, umgesetzt zu werden.

Ich glaube, dass viele zu radikale Forderungen vertreten („Auflösung des Jugendamtes“) oder ähnliches. Ich würde eher so etwas nehmen wie „Erwerbsobliegenheit der Frau  im Trennungsjahr„. Bei der Mann sich darauf berufen kann, dass es ungerecht und auch nicht mehr zeitgemäß ist, wenn man anführt, dass eine Frau, die vorher nicht gearbeitet hat, auch im Trennungsjahr nicht arbeiten muss. Bei der Mann an die Emanzipation appellieren kann und anführen kann, dass es heutzutage kein Recht auf „Nicht arbeiten“ geben darf. Bei dem man leicht darstellen kann, dass es schlicht ungerecht und nicht mehr zeitgemäß ist. Ich glaube auch, dass so eine Forderung eher aufgegriffen werden könnte und man damit Aufmerksamkeit erzielen könnte. Und sollte man eine Änderung in dem Bereich bewirken können, dann hätte man deutlich gemacht, dass man etwas bewirkt und wird damit auch für eine Mitarbeit interessanter-

Andere werden es vielleicht ganz anderes sehen und eher auf das große Bild abstellen und das schon etwas hängen bleiben wird.

Wie seht ihr es?

„Hart aber fair“, Feminismus, der Frauenrat und der Streisand Effekt

Bekanntlich ist die Sendung „Hart aber fair – Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ vom 02.03.2015 aufgrund einer Beschwerde der „Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros/ Gleichstellungsstellen NRW“ in den „Giftschrank“ gewandert, also aus der Videothek des WDR genommen worden und mit einem Wiederholungsverbot bedacht (werden „Hart aber Fair“ Sendungen wiederholt? wäre mal interessant zu wissen.)

Im Internetzeitalter bedeutet das allerdings nicht viel, das Video ist auf Youtube nach wie vor leicht zu finden:

Es war auch schon einmal hier zur Besprechung eingestellt, Eine teilweise Zusammenfassung findet sich hier in dem Kommentar von Nachtschattengewächs).qfgjdlgjDer Verfahrensgang scheint so gewesen zu sein, dass der WDR selbst der Beschwerde nicht abgeholfen hat und sie demnach dem Rundfunkrat vorgelegt worden ist, der entsprechend entschieden hat.

Das Konzept von „Hart aber Fair“ wird auf der Wikipedia Seite wie folgt dargestellt:

Wie der Name andeutet, sollte die Diskussion offen und kontrovers geführt werden. Statt ideologisch und parteipolitisch geprägter Aussagen sollen dabei sachliche Argumente im Vordergrund stehen. Deshalb gehören neben Politikern auch wissenschaftliche Experten, Vertreter anderer Organisationen und direkt beteiligte oder betroffene Personen zu den Teilnehmern der Diskussionsrunde. Die Gäste werden so ausgewählt, dass unterschiedliche Positionen vertreten werden. Die Redaktion recherchiert Informationen zum Thema der jeweiligen Sendung, um zusätzliche Argumente zu liefern und die Hintergründe für die Zuschauer verständlicher darzustellen

Es ist damit ein Talkshowformat, welches für Feministinnen, wenn man dies ernst nimmt, schlicht nicht geeignet ist. Denn diese wollen ja gerade nicht kontrovers diskutieren, sondern ideologisch und allenfalls untereinander.

Leider habe ich die Beschwerde im Wortlaut nicht gefunden, wenn sie irgendwo im Netz ist, dann wäre ich für einen Linkhinweis in den Kommentaren dankbar. Die Seite des „Deutschen Frauenrates“ zitiert die Zusammenfassung des WDR wir folgt:

Im Schreiben an Tom Buhrow, den Intendanten des WDR, dessen Sender verantwortlich für die Talkshow zeichnet, heißt es:

„Hiermit legt die Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros/ Gleichstellungsstellen NRW förmliche Programmbeschwerde gegen die Sendung „Hart aber fair“ vom 2.3.2015 ein. Die Sendung von Frank Plasberg lief unter dem Titel: „Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ Bereits in der Anmoderation verließ Herr Plasberg den Standpunkt des neutralen Moderators, indem er 190 Genderprofessuren als „Alltagswahnsinn“ bezeichnete.

Die Auswahl der Gäste war nicht dazu geeignet, eine faire Diskussion über Geschlechterforschung zu führen. Fachfrauen bzw. Fachmänner aus Wissenschaft oder Verwaltung fehlten vollständig. Dies war bewusst so geplant, wie Herr Plasberg im Verlauf der Sendung mit Überzeugung vertrat. Manipulativ wurden polarisierende Beispiele ausgewählt.  Ampelmännchen,  Unisextoiletten und brünftige Hirsche werden herausgestellt, um das gesamte Themenspektrum um Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik gezielt lächerlich zu machen.

Das finde ich schon einmal interessant. Ich würde es ja auch gut finden, wenn „Fachfrauen und Fachmänner aus der Wissenschaft“ zur nächsten Sendung geladen werden und einmal ausführlich über feministische Theorie erzählen. Vielleicht könnte Plasberg sie einmal folgende Theorien erläutern lassen:

  • soziale Konstruktion der Geschlechter unter Darlegung inwiefern es biologische Anteile gibt (und wenn ja welche) unter Nennung der Studien, auf die sie sich dazu stützen
  • Rape Culture und wie Männer davon profitieren
  • Die Verantwortung von Männern und Frauen an den Geschlechterrollen
  • Was der Gender Pay Gap eigentlich genau bedeutet
  • etc

Aber weiter in der Beschwerde:

Herr Plasberg stellte seine Fragen ebenso manipulativ. Beispiele: Er fordert Frau Wizorek auf, die Welt über die Nützlichkeit von Unisextoiletten aufzuklären, dabei liegt ihre Fachlichkeit auf dem Gebiet des Alltagssexismus. Sie wird in die Ecke gedrängt und genötigt, Thesen zu vertreten, die sie nicht selbst aufgestellt hat.

Fachlichkeit ist ein schönes Wort. Meines Wissens nach hat Wizorek ein Buch über allgemeinen Feminismus geschrieben und sollte insoweit ohne Probleme in der Lage sein auch etwas zu Unisextoiletten zu sagen. Ansonsten hätte es sich ja auch angeboten, dass Wizorek auf die Anfrage hin, ob sie an Sendung zum Thema „Nieder mit den Ampelmännchen“ teilnehmen möchte einfach angibt, dass das nicht ihre Thema ist und auf andere Fachfrauen im Feminismus verweist. Anscheinend hat sie das aber nicht – verständlicherweise, sie muss ja auch im Gespräch bleiben und ihre Buch verkaufen.

Herrn Kubicki wird die Antwort auf die Frage, ob man Geschlechtergerechtigkeit bei der Hirschbrunft braucht, direkt in den Mund gelegt. Herr Hofreiter wird abgekanzelt und belehrt, als er auf die Unwichtigkeit dieser Beispiele in Bezug auf die Gesamtproblematik hinweisen will. Frau Thomalla wurde anscheinend eingeladen, um Spott und Häme zu verbreiten, die Fragen die sie erreichten, hatten keinen anderen Zweck, als das Thema unbeleckt jeder Fachlichkeit lächerlich zu machen. Frau Kelle wirkte wie die Anwältin des Moderators, bei dem er seine Meinung bestätigt bekam.

Das wäre erst einmal aus meiner Sicht ein Ansatzpunkt für eine Beschwerde, die nicht den Inhalt rügt, sondern eine unfaire Parteinahme. Ich bin allerdings sicher, dass die Gleichstellungsbeauftragten gegen vergleichbare Konstellationen im ungekehrten Fall wenig gehabt hätte. Tatsächlich meine ich nicht, dass Plasberg einseitig war. Er hat eher ein Mittel eingesetzt, welches ich für durchaus zulässig halte: Den Platzhirsch bzw. die herrschende Meinung unter Druck setzen. Der Feminismus ist eben die Meinung, die hier den stärkeren Rückhalt hat, die sich auf „Genderforschung“ berufen können sollte, an der Kritik eher gerechtfertigt werden muss. Also ist es auch die, die für eine kritische Sendung abgeklopft werden muss, bei der man den Druck ansetzt und die hinterfragt wird. Das muss nicht per se unfair sein, wenn man die passenden Argumente zur Hand hat. Beispielsweise wäre es hier ja ein leichtes gewesen zu sagen „Ja, bestimmte Sachen gehen etwas weit und erscheinen als Einzelfall sinnlos, da stimme ich ihnen zu. Aber das ist in vielen Gebieten so. Wir sollten hier auf eine gewisse Kontrolle hinarbeiten, aber gleichzeitig nicht mit extremen Einzelfällen ein wichtiges Thema herunterreden.“

Es handelt sich um einen ungeheuerlichen Machtmissbrauch des „Moderators“, die neutrale Position zu verlassen und auf diese Art und Weise ZuschauerInnen manipulieren zu wollen. Es schien so, als solle der „gesunde Menschenverstand“ beschworen und bedient werden, der sich seit Monaten montags auf der Straße zeigt.

Derart unfaire Sendungen mögen vielleicht im Pay-TV hinnehmbar sein, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dürfen sie unseres Erachtens keinen Platz haben. Die Sendung von Herrn Plasberg hat unseres Erachtens gegen die Programmgrundsätze („Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen“) des WDR verstoßen.

Aus solchen Bagatellen einen Verstoß herzuleiten, der eine Aufnahme in den „Giftschrank“ rechtfertigt, finde ich etwas viel. Wobei es aus meiner Sicht durchaus auch als Beschwerde wiederum nicht unbedingt die Grenzen der Lobbyarbeit verlässt, die dieses Gremium ja letztendlich leistet. Da beschwert man sich eben gegen alles, was gegen die eigene Richtung geht.

Wollen Sie auf diese Art und Weise mehr Frauen und junge Menschen für den WDR begeistern? Als Gebührenzahlerinnen verlangen wir Auskunft darüber, ob diese Art der Sendungsgestaltung prägend für den WDR werden soll.“

So heißt es in der Programmbeschwerde der LAG der nordrheinwestfälischen Gleichstellungsbeauftragten.

Als Lobbyist/Gebührenzahler zu protestieren und ein faireres Diskussionverhalten einzufordern ist erst einmal auch nichts falsches. So erleichtert man zukünftigen Interessenvertretern die Arbeit in weitern Talkshows. Es wäre interessant, ob es ihnen eher darum oder tatsächlich um den „Giftschrank“ ging.

Die Entscheidung, dass die Sendung in den „Giftschrank“ kommt, wurde durch erstaunlich viele Tageszeitungen aufgegriffen (Gute Übersichten auch zu kritischen Stellungnahmen bei Genderama 1, 2, 3)  und löste jedenfalls einen Streisandeffekt aus: Seinerzeit wollte Barbara Streisand nicht, dass Fotos ihres Anwesens veröffentlicht werden und die Berichte über ihren Protest führten dazu, dass die Leute interessiert daran waren, wie ihr Anwesen nun eigentlich aussieht. Ebenso wurden wahrscheinlich viele erst durch die Meldungen über den Giftschrank erst neugierig, was da nun eigentlich schlimmes gesagt worden ist.

Es ist schwer zu sagen, wie oft das Video noch auf Youtube angeschaut worden ist, es gibt ja auch viele Versionen davon. Ich habe mir aber mal die Statistik des obigen Videos angeschaut, die eigentlich recht gut als Paradebeispiel eines Streisandeffekts nutzbar ist.

Hart aber fair Ampelmännchen

Hart aber fair Ampelmännchen

Also ein Rumdümpeln mit geruhsamen Anstieg und dann innerhalb sehr kurzer Zeit von ca. 15.000 auf 90.000 (die Statistik scheint nicht ganz aktuell zu sein, 3 Tage später am Tag des Schreibens, also dem 25.08.2015, war das Video schon bei 138.000)

Meiner Meinung nach sollte an die Kritik an der Entscheidung aber auch nicht vorschnell einer Zustimmung an Feminismuskritik zuordnen: Journalisten sind sehr verständlicherweise häufig Vertreter einer umfassenden Meinungsfreiheit und dagegen, sich Lobbygruppen zu beugen, weil das ihre Arbeit direkt betrifft.

Ein auch bei Genderama zitierter Beitrag stützt sich demnach auch genau darauf:

Mag der öffentlich-rechtliche Rundfunk sonst um den möglichst langen Verbleib seiner Beiträge im Internet heftig kämpfen, vollzieht der WDR in diesem Fall, was Lobbygruppen gerne sehen: Der Sender zensiert sich selbst, um weiteren Ärger zu vermeiden. Er stellt einen prominenten Mitarbeiter bloß und nimmt den Zuschauern die Möglichkeit, sich selbst ein Urteil zu bilden. Ein krasseres Versagen einer journalistischen Institution ist kaum denkbar. Der WDR verzichtet freiwillig auf die Presse- und Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes. (…) Wo die Diskussion beginnen müsste, blendet sich der Sender aus und kniet vor denen nieder, die Andersdenken Sprechverbote erteilen wollen. So sieht ein journalistischer Offenbarungseid aus.

Und auch aus dem feministischen Lager finden sich Stimmen dazu, dass der Beitrag wieder in die Mediathek gehört, zB von Zana Ramadami auf Facebook:

„Dummer Sexismus gehört bekämpft.“ Hofreiter

Die Sendung muss wieder in die Mediathek!!!!

Egal was Frau/Mann von dieser dummen Sendung und einigen dummen Gästen halten mag, es ist lächerlich diese Show verbieten zu wollen?!

In den ersten Minuten hätte ich ebenfalls schon losschreien können!

1. ein Kompliment ist nicht = Sexismus
2. ja, wir sind ALLE unterschiedlich! Die biologischen Unterschiede sind nicht das große Problem, sondern die anerzogenen sozialen Unterschiede!
3. Gender Mainstreaming ist eigentlich ganz gut und einfach verständlich. Leider verstehen das auch sehr viele Feministinnen falsch.
4. Männer sind nicht an allem schuld! Frauen (siehe Kelle) sind auch ganz vorne dabei positive Entwicklung einer Gesellschaft zu verhindern.

Perfekter Start ins Wochenende!

schmerzerfüllt.

Und auch in verschiedenen Parteien finden sich Politiker, die dies kritisieren:

Ziemlich uncool“, nannte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, die Entscheidung des Senders. „Wenn künftig all das entfernt wird, was irgendeinem nicht gefällt, dann haben wir bald leere Mediatheken“, sagte Lischka der „Bild“-Zeitung vom Montag.“

Bei derSendung von Moderator Frank Plasberg im März hatte sich die „Genderwahnsinn“-Fraktion um FDP-Mann Wolfgang Kubicki, Publizistin Birgit Kelle und Schauspielerin Sophia Thomalla mit Grünen-Chef Anton Hofreiter und Feministin Anne Wizorek in die Haare bekommen.Frauenverbände und Gleichstellungsbeauftragte kritisierten später den Sexismus der Sendung.

„Mehr als irritierend“, findet es die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, „wenn ein Fernsehsender daraufhin reflexartig eine Sendung aus der Mediathek löscht“.

Mike Mohring, Parteikollege aus dem Thüringer Landtag sieht das ähnlich. „Mir fehlt jegliches Verständnis für die Zensur durch den WDR“, sagte Mohring der „Bild“ und fügte an: „Auf der Höhe der Zeit scheint beim WDR auch niemand zu sein, denn auf YouTube erfreut sich die Zensursendung größerer Beliebtheit.“

Plasberg hat angekündigt, dass ihn die Kritik nachdenklich gemacht hat und das es eine weitere Sendung zum Thema geben wird. Hier wird es interessant: Wird er ein Rebell sein oder nicht?

Er kann die Sendung neu auflegen und diesmal zurückhaltender in der Moderation sein, aber doch zum gleichen Ergebnis kommen oder er kann einen Kniefall machen und eine Diskussionsrunde starten, bei der es kein echtes Kontra gibt, allenfalls eine Diskussion darum, wie man es richtig bzw. besser macht. Dann hätte die Beschwerde – Streisandeffekt hin oder her – durchaus etwas erreicht: Diese Sendung wäre dann zwar noch einmal kurz im Spotlight, aber zukünftige Sendungen wären sicherer.

Interessant wäre, ob die gleiche Konstellation noch einmal zusammenkommt. Die „Antigender“-Seite hat meine ich bereits angekündigt, dass sie erneut teilnehmen würde, die Frage ist, wie die Bereitschaft auf der anderen Seite wäre.

Wen soll man einladen um die „Fachlichkeit“ auf der Gender-Seite zu erhöhen? Ich vermute mal, dass sich neue Gäste genau versichern lassen, was diesmal in der Sendung passieren soll. Und ob ein Professor aus den Gender Studies Lust hat, sich der Kritik auszusetzen. Interessant wäre es natürlich einmal einen Experten für Geschlechterbiologie auf die andere Seite zu setzen.

Falls das Plasberg-Team erneut eine kritische Sendung machen möchte und zufällig auf diese Seite stoßen sollte, verweise ich hier noch einmal auf meinen Artikel „Diskussionsstrategien mit Feministinnen