Kündigung wegen sexueller Belästigung („Busengrapscher-Fall“)

Gerade sorgt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 – für Schlagzeilen:

Der Leitsatz lautet:

Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob sie im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität.

Die Sachverhaltsschilderung des Landesarbeitsgerichts als Vorinstanz ist etwas länger, dort war folgendes zu finden:

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die seitens der Beklagten unter dem Datum vom 31.07.2012 ausgesprochene fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat
Der am 23.01.1978 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.09.1996 als Kfz-Mechaniker zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.050,00 EUR brutto beschäftigt
Mit Schreiben vom 31.07.2012 hat die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.
Anlass für die Kündigung war ein Vorfall am Freitag, dem 27.07.2012. Nachdem der Kläger an diesem Tag seine Arbeit beendet hatte und sich umziehen wollte, begegnete er in den Sozialräumen der bei einem externen Reinigungsunternehmen angestellten Reinigungskraft M. N., die mit der Reinigung der Sozialräume beschäftigt war. Bei Eintreffen des Klägers lehnte Frau N. in der Tür zwischen Waschraum und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Der Kläger begab sich ebenfalls in den Waschraum, um sich Hände und Gesicht zu waschen. Nachdem seine beiden Kollegen den Waschraum verlassen hatten, führten der Kläger – während er sich wusch – und Frau N., die er zuvor noch nicht kennengelernt hatte, ein Gespräch. Im Verlaufe dieses Gesprächs stellte Frau N. sich zunächst vor das Waschbecken und sodann neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe schöne Brüste und berührte sie dann an einer Brust. Frau N. erklärte, dass sie das nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab, zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau N. arbeitete weiter. Sie hat den Vorfall ihrem Arbeitgeber geschildert, der sodann an die Beklagte herangetreten ist.
Am 31.07.2012 hat die Beklagte mit dem Kläger wegen des Vorfalls vom 27.07.2012 ein Personalgespräch geführt. Der Kläger hat den Vorfall eingestanden und erklärt, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. Der Vorfall tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich dafür und so etwas würde sich nicht wiederholen.
Mit Schreiben vom 31.07.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos.
Der Kläger hat ein an Frau N. gerichtetes Entschuldigungsschreiben zur Akte gereicht, wegen dessen Inhalt auf Bl. 14 – 15 der Akte Bezug genommen wird.
Am 10.12.2012 hat der Kläger über die Kooperationsgemeinschaft für den Täter-Opfer-Ausgleich „Balance“ mit Frau N. einen Täter-Opfer-Ausgleich herbeigeführt und sich mit ihr auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 EUR geeinigt. Ausweislich der Bescheinigung der Kooperationsgemeinschaft „Balance“ vom 10.12.2012 hat Frau N. die Entschuldigung des Klägers angenommen und versichert, die Sache sei mit diesem Gespräch jetzt für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung.
Dennoch ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet worden, das jedoch ausweislich des zur Akte gereichten Schreibens der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
Der Kläger hat vorgetragen, dass es sich bei seinem Verhalten um einen unentschuldbaren Vorfall handele, für den er sich schäme. Wie es dazu gekommen sei, könne er heute selbst nicht mehr verstehen. Er habe den Eindruck gehabt, dass Frau N. ein bisschen mit ihm geflirtet habe und dann sei es irgendwie zu einem plötzlichen Blackout gekommen und er habe sich zu dem Übergriff hinreißen lassen. Sein Fehlverhalten tue ihm leid und er habe sich dafür bei Frau N. schriftlich entschuldigt. So unentschuldbar sein Fehlverhalten gegenüber Frau N. sei, rechtfertige dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus arbeitsrechtlicher Sicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die fristlose Kündigung jedoch nicht. Angesichts des völlig störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses über einen Zeitraum von 16 Jahren sei die Annahme gerechtfertigt, dass es sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt habe. Die Zukunftsprognose sei somit nicht negativ und die Beklagte könne die Kündigung nicht darauf stützen, nach den Umständen sei damit zu rechnen, dass sich so etwas wiederholen werde. Die Interessenabwägung müsse nach den Umständen zu seinen Gunsten ausgehen.

Soweit der Vortrag in der zweiten Instanz. Das Bundesarbeitsgericht fasste den Vortrag für die Revision dann wie folgt zusammen:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese – Frau M. – in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger – während er sich Hände und Gesicht wusch – und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe – subjektiv unstreitig – den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

Demnach kam es also wohl zu einem Gespräch, bei dem er meinte, dass sie mit ihm flirtete. Sie kam ihm dann immer näher, erst in die Nähe des Waschbeckens, dann genau neben ihn. Dann hat er ihr gesagt, dass sie schöne Brüste hat und sie an einer Brust berüht. Sie sagte, dass sie das nicht wollte, und er ließ es sofort. Mich würde ja noch interessieren, wie viel Zeit zwischen dem sagen und dem berühren vergangen sind und was so der Inhalt der Gespräche war, aber das ist anscheinend nicht vorgetragen worden.

Er hat dann in einem Gespräch sogleich den Vorfall gestanden und dargelegt, dass er sich vergessen habe und das es nie wieder erfolgt. Er ist verheiratet, seit 16 Jahren dort eingestellt, ohne das es ähnliche Vorfälle gab.

Zum Verfahrensgang heißt es in dem Urteil des BAG noch:

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Das Arbeitsgericht (1. Instanz) hat die Kündigungsschutzklage demnach abgewiesen, das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben, die Kündigung also als unberechtigt angesehen, das Bundesarbeitsgericht hat es so gesehen, wie das Landesarbeitsgericht.

Zuerst also die Begründung des LAG:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Berufungskammer den mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts belegten Ausführungen des Arbeitsgerichts dazu, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorfall um einen solchen handelt, der an sich geeignet ist, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen, uneingeschränkt folgt. Diese in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen macht die Berufungskammer sich – auch zur Vermeidung von Wiederholungen – ausdrücklich zu eigen.

Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist allerdings abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG, Urteil vom 25.03.2004, 2 AZR 341/03, m.w.N., zitiert nach juris).

Dies berücksichtigend ist die Berufungskammer der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere kann unter den gegebenen Umständen nicht von der zur Rechtfertigung der Kündigung erforderlichen Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung überwiegen die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Interessen der Beklagten an dessen Beendigung. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 16.12.2010, 2 AZR 485/08, zitiert nach juris).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, zitiert nach juris). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, dass die Kündigung des Arbeitgebers wegen des Kündigungsgrundes notwendig und nicht durch für den Arbeitnehmer mildere Mittel zu vermeiden sein muss.
Liegen arbeitsvertragliche Vertragsverletzungen vor, werden sie kündigungsrechtlich relevant, wenn der Arbeitgeber daraus schließen kann, dass das Vertragsverhältnis auch in Zukunft gestört wird. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung gehört daher zur sozialen Rechtfertigung eine negative Prognose, für die die bereits erfolgte Störung der maßgebende Anknüpfungspunkt ist. Der Arbeitnehmer soll allerdings für ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten durch die Kündigung nicht bestraft werden. Vielmehr soll der Arbeitgeber durch die Kündigung von seinem Recht Gebrauch machen können, weitere zu erwartende Vertragsverletzungen zu verhindern.
Die insoweit anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen (vgl. BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris).
Unstreitig liegt auf den Kläger bezogen keine Abmahnung vor, aus der auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden könnte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auf eine Wiederholungsgefahr jedenfalls nicht dadurch geschlossen werden, dass der Kläger – wie die Beklagte wohl meint – gegenüber Frau N. zwei sexuelle Belästigungen begangen haben soll, nämlich zum einen eine verbale und zum anderen eine körperliche Belästigung.
Nach Auffassung der Berufungskammer handelte es sich bei dem Vorfall vom 27.07.2012 um einen Vorgang, der nicht in zwei Vorgänge aufgespaltet werden kann, um damit eine wiederholte sexuelle Belästigung zu begründen. Der Auffassung der Beklagten würde die Berufungskammer sofort und uneingeschränkt folgen, wenn Frau N. sich gegen die anzügliche Bemerkung des Klägers zur Wehr gesetzt und der Kläger sie trotzdem – statt von ihr abzulassen – an der Brust berührt hätte. In einem derartigen Fall wäre zu konstatieren, dass der Kläger zwei sexuelle Belästigungen begangen hat und eine Wiederholungsgefahr schon deshalb besteht, weil er sich trotz einer Abwehr der Frau N. von einer weiteren noch deutlich tiefergreifenden sexuellen Belästigung nicht hat abschrecken lassen. So war es vorliegend jedoch nicht. Die Bemerkung über die Brust und das Berühren der Brust waren nach dem unstreitigen Sachverhalt ein einheitlicher Vorgang, der Frau N. keine Zeit ließ, sich zu der Bemerkung des Klägers zu äußern, andernfalls wäre nicht nachzuvollziehen, warum sie es nicht bereits zu diesem Zeitpunkt getan hätte. Danach geht die Berufungskammer davon aus, dass es sich um einen einheitlichen Vorgang handelte, der ohne wenn und aber schwerwiegend ist, nicht aber in zwei gesonderte Vorgänge aufgespaltet werden kann.
Danach stellt sich vorliegend die Frage, ob dieser einmalige Vorfall so gravierend ist, dass auch ohne vorhergehende Abmahnung und ohne dass ein – wenn auch nicht abgemahntes – wiederholtes Fehlverhalten vorliegt, die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründet bzw. dieser einmalige Vorfall das Arbeitsverhältnis derart auch für die Zukunft belasten wird, dass die Beklagte zur fristlosen Kündigung berechtigt war.
Die Berufungskammer legt Wert darauf zu betonen, dass auch aus Sicht der Berufungskammer ein gravierender Vorfall gegeben ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, die „ohne wenn und aber“ den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigen. Dies berücksichtigend führt das vom Kläger eingeräumte „Augenblicksversagen“ nach Auffassung der Berufungskammer entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu der Annahme, dass der Kläger nach seiner eigenen Einlassung „jeden Augenblick“ wieder versagen kann, sondern rechtfertigt nur die Annahme, dass es sich um einen einmaligen Vorfall unter besonderen Umständen handelte, der nicht geeignet ist, grundsätzliche Zweifel daran zu hegen, dass der Kläger sein diesbezügliches Verhalten steuern kann.
Auch das Bundesarbeitsgericht hält eine einmalige „Entgleisung“ für einen zu berücksichtigenden Umstand. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris, ausgeführt:
„Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt [……]. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.“
Ausgehend von diesen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts stellt sich das Verhalten des Klägers in einem anderen, milderen Licht dar. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es nicht der Kläger war, der sich der Frau N. unerwünscht genähert hat, sondern Frau N. ist auf den Kläger zugegangen. Der Kläger hat sich gewaschen und Frau N. ist – statt im Türrahmen stehen zu bleiben – nicht nur bis vor das Waschbecken getreten, sondern hat sich neben den sich waschenden Kläger gestellt. Nach seinem unwidersprochenen und unwiderlegten Vorbringen hatte der Kläger den Eindruck, dass Frau N. mit ihm flirtete. Für die Berufungskammer ist nachvollziehbar, dass sich dieser Eindruck beim Kläger dadurch verstärkt haben kann, dass Frau N. sich ihm näherte. In dieser Situation kam es zu dem Übergriff seitens des Klägers.
Es bedarf keiner besonderen Betonung, dass es auch in einer derartigen Situation nicht zu einem sexuellen Übergriff kommen darf. Es soll Frau N. als Opfer dieser Situation auch in keinster Weise eine Art „Mitverschulden“ zugewiesen werden. Kündigungsrechtlich ist jedoch nach Auffassung der Berufungskammer zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Klägers unter diesen Umständen in einem „milderen Licht“ zu sehen ist. Zwar kann der Kläger sich grundsätzlich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand (BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris).
Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Kläger Frau N. nicht fortgesetzt und hartnäckig bedrängt hat. Er hat sofort von ihr abgelassen und sich entfernt, nachdem Frau N. ihm zu verstehen gegeben hat, dass sie ein derartiges Verhalten nicht wünsche. Dass Frau N. sich nicht weiter vom Kläger bedrängt fühlte, zeigt sich auch daran, dass sie nach dem Vorfall ihre Reinigungsarbeiten in den Sozialräumen fortsetzte.
Schließlich ist auch das Verhalten des Klägers nach dem Vorfall zu berücksichtigen. Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Frau N. bei dem Personalgespräch sofort eingeräumt und erklärt, dass er sich dafür schäme. Aus diesem Verhalten ist nach Auffassung der Berufungskammer zu schließen, dass der Kläger über sein eigenes Verhalten ehrlich erschrocken war. Schließlich hätte der Kläger den Vorfall auch abstreiten können, denn er war unstreitig mit Frau N. alleine im Waschraum.
Die vorliegende Pflichtverletzung weist danach Besonderheiten auf, die im Rahmen der negativen Zukunftsprognose zu berücksichtigen sind und nicht den Schluss zulassen, der Kläger werde sich eine scharfe Abmahnung nicht zur Warnung gereichen lassen.
Auch die in jedem Fall gebotene Interessenabwägung muss nach Auffassung der Berufungskammer zugunsten des Klägers ausgehen. Auf Seiten des Klägers sind dessen langjährige und unbeanstandete Betriebszugehörigkeit und die Besonderheiten, unter denen der Vorfall sich ereignet hat, zu berücksichtigen. Er hat den Vorfall sofort eingeräumt, sich schriftlich bei Frau N. entschuldigt und sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht. Zu berücksichtigen ist auch, dass Frau N. unter den Folgen der Tat nicht leidet, die Entschuldigung des Klägers ausdrücklich angenommen und versichert hat, die Sache sei mit dem Gespräch im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs erledigt. Dies ergibt sich aus dem zur Akte gereichten Schreiben der Mediatorin H. C., die das Gespräch mit dem Kläger und der Frau N. geführt hat.
Der Beklagten ist als besonders hoch zu wertendes Interesse zuzugestehen, dass sie Schutzpflichten sowohl gegenüber ihren eigenen weiblichen Mitarbeitern als auch gegenüber Mitarbeitern von Fremdunternehmen hat. Die Beklagte hatte gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, das heißt eine Wiederholung ausschließen (vgl. BAG, Urteil vom 09.06.2011, 2 AZR 323/10, zitiert nach juris). Wie bereits ausgeführt kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Kündigung nicht die Bestrafung für einen Vorfall in der Vergangenheit sein darf, sondern dazu dient, zukünftig zu erwartende Vertragsverstöße zu beenden, hätte es vorliegend auch unter Berücksichtigung der der Beklagten obliegenden Schutzpflichten genügt, dem Kläger eine „scharfe“ Abmahnung zu erteilen.
Weitere Interessen, die zu der Annahme führen könnten, dass der in der Vergangenheit liegende, einmalige Vorfall weitere belastende Auswirkungen auch für die Zukunft hat, hat die Beklagte selbst nicht behauptet. Zwar hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Beklagte habe befürchten müssen, dass der Arbeitgeber der Frau N. den Vertrag kündigen werde oder in der Öffentlichkeit ein negativer Eindruck von der Beklagten entstehen könnte, wenn dem Kläger nicht gekündigt würde. Zutreffend hat der Kläger allerdings in der Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass die Beklagte dies selbst nicht behauptet hat. Auch nach dieser Rüge des Klägers hat die Beklagte sich im Berufungsverfahren nicht auf derartige Auswirkungen berufen. Schließlich wäre die Beklagte bei Erteilung einer Abmahnung auch nicht untätig geblieben. Sie hätte den Pflichtverstoß des Klägers „geahndet“, allerdings mit dem nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotenem Mittel. Dies hätte auch gegenüber dem Arbeitgeber von Frau N. klargestellt werden können.
Soweit die Beklagte befürchtet, es könne sich ein erneuter Vorfall mit Frau N. oder einer anderen Reinigungskraft ereignen – wovon die Berufungskammer unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände nicht ausgeht – so könnte dieses Problem dadurch gelöst werden, dass die Reinigungskräfte angewiesen werden, die Wasch- und Umkleideräume nicht zu betreten, wenn sich dort männliche Mitarbeiter aufhalten, die sich waschen und umziehen.Dies dürfte auch grundsätzlich geboten sein. Dafür, dass der Kläger in anderen Situationen nicht dazu in der Lage sein sollte, sein Verhalten gegenüber weiblichen Mitarbeitern der Beklagten oder einer Fremdfirma zu steuern, sind für die Berufungskammer keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr steht zu erwarten, dass der Kläger – gewarnt durch den streitgegenständlichen Vorfall – sein zukünftiges Verhalten so ausrichten wird, dass es zu keinen weiteren diesbezüglichen Pflichtverletzungen kommt.
Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis auch nicht als – ggf. umzudeutende (§ 140 BGB) – ordentliche Kündigung beendet, auf die der Arbeitgeber sich zudem selbst nicht berufen hat, denn auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wäre nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Abmahnung erforderlich gewesen.
Die Kündigung ist danach unwirksam. Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts mithin abzuändern.

Ich habe ein paar Punkte hervorgehoben, die denke ich wichtig sind. Das Gericht stellt hier keinen „Freischein für Belästigung“ auf oder erlaubt das Begrabschen von Frauen. Es prüft einen Einzelfall, und die dortige Wertung scheint mit nachvollziehbar. Es ist hier unstreitig, dass sie mit ihm geflirtet hat und ihm immer näher gekommen ist. Er durfte daher zumindest annehmen, dass sie an ihm interessiert ist. Er hat dann – nach seiner Darstellung durch ein Augenblicksversagen – das Interesse überinterpretiert und ist übergriffig geworden. Er hat dann sofort abgelassen und sie hat sogar noch zu Ende geputzt. Auch ansonsten gibt sie an, dass sie nicht zu Schaden gekommen ist, die Angelegenheit ist zwischen beiden geklärt. Das Gericht geht hier insofern davon aus, dass man ihm deswegen nicht kündigen muss, sondern eine Abmahnung gereicht hätte und das es ggfs geboten ist, den Reinigungskräften mitzuteilen, dass sie den Waschraum nicht putzen sollen, wenn sich da gerade Männer waschen – was ich auch für grundsätzlich geboten halte.

Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung wie folgt:

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 684/13 – Rn. 39; 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 15, BAGE 146, 203).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.
1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 16 mwN).
2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.
a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 18 mwN).
b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes – entgegen der Ansicht der Revision – nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun(zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.
III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.
1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.
a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 47; 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 15 mwN).
b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 47; 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 16).
c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen – wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung – zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 28 mwN).
d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 42 mwN)
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.
a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.
aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.
(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG„ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.
(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer – drohenden – Kündigung und eines – drohenden – Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und – auch ausweislich seiner späteren Bemühungen – seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.
b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und – wie hier – alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 31 mwN).
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 38).
bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 44; 14. Februar 1996 – 2 AZR 274/95 – zu II 4 der Gründe).
c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.
B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 38).
C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen
Hier ist also noch einmal – neben den Punkten, die bereits das Landesarbeitsgericht hervorgehoben hat, darauf abgestellt worden, dass der Mann hier nicht belästigen wollte. Er hat vielmehr fälschlicherweise angenommen, dass sie nichts dagegen haben werde, weil sie sich ihm eben entsprechend genährt hat und mit ihm geflirtet hat. An ihrer Reaktion hat er dann erkannt, dass er sich geirrt hat und die Belästigung sofort eingestellt.

Ich halte das für eine gelungene Abgrenzung. Sie stellt differenziert auf die konkrete Situation ab und macht auch deutlich, dass dies in einem anderen Zusammenhang nicht hinzunehmen wäre und eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Das Gericht hält ihm zugute, dass er sich geirrt hat – er ist nicht „böse“ gewesen, sondern „blöd“. Jemand der einfach nur übergriffig wird, weil er meint das Recht dazu zu haben oder der mit einem „komm, du willst es doch auch“ die Belästigung fortgesetzt hätte, kann sich auf dieses Urteil nicht berufen.

vgl.

Update:

70 Gedanken zu “Kündigung wegen sexueller Belästigung („Busengrapscher-Fall“)

  1. Insgesamt mal wieder etwas lang geworden, aber bei so einem Fall finde ich es gar nicht schlecht, sich die Gedanken, die sich ein Gericht üblicherweise macht, mal durchzulesen, bevor man Sexismus schreit. Es sind aus meiner Sicht keine leichtfertigen Urteile, die da irgendwie vom Patriarchat mal hingerotzt werden, sondern man verfolgt gewisse Schemata, die darlegen, wie Gerichte vorher entschieden haben. Mit diesen ist das Urteil aus meiner Sicht gut in Einklang zu bringen.

    Eine feministische Kritik muss sich denke ich mit Passagen wie dieser auseinandersetzen:

    Liegen arbeitsvertragliche Vertragsverletzungen vor, werden sie kündigungsrechtlich relevant, wenn der Arbeitgeber daraus schließen kann, dass das Vertragsverhältnis auch in Zukunft gestört wird. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung gehört daher zur sozialen Rechtfertigung eine negative Prognose, für die die bereits erfolgte Störung der maßgebende Anknüpfungspunkt ist. Der Arbeitnehmer soll allerdings für ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten durch die Kündigung nicht bestraft werden. Vielmehr soll der Arbeitgeber durch die Kündigung von seinem Recht Gebrauch machen können, weitere zu erwartende Vertragsverletzungen zu verhindern.

    Da könnte man einwenden, dass ein SEXUELLER ÜBERGRIFF das schlimmste ist, was es gibt und damit das Vertragsverhältnis gestört sein muss, irreparabel.
    Oder man greift den Grundsatz, dass es keine Strafe und keine Abschreckung sein soll an, und betont die präventive Wirkung einer Kündigung in diesen Fällen. Dazu könnte man sich dann evtl auf die Schutzfunktion des Arbeitgebers stützen und das als Behinderung ansehen.

  2. Ich bin beruflich viel mit arbeitsgerichtlichen Entscheidungen befasst. Daher kann ich den radikalfeministischen Aufschrei nicht nachvollziehen. Bei jeder verhaltensbedingten Kündigung wird zunächst geprüft, ob das Verhalten „an sich“ zur Kündigung berechtigt. Wird dies – wie hier – bejaht, dann findet eine individuelle Interessenabwägung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Das ist hier geschehen. Dieses ausdifferenzierte und ausgewogene gerichtliche Vorgehen ist Standard.Wenn man die Paschaliät und Undifferenziertheit dieses feministischen Aufschrei z.B. auf Diebstahlsfälle anwendete, würde das bedeuten, dass jeder Diebstahl auch der geringwertigsten Sache sofort zur Kündigung führen würden. Da gab es z.B. den Fall Emmely, der durch die Presse ging…. Ich kenne einen Fall, da lud jemand sein Handy an der Arbeit auf (entspricht vielleicht 2 Cent) und ihm wurde daraufhin gekündigt.

    • @KlausT

      Sehe ich ähnlich; unabhängig vom Ergebnis wünscht man sich doch gerade für Fälle, die weder schwarz noch weiß sind (und welcher Fall ist das schon?) genau solche sorgfältig begründeten und differenzierten Urteile.

      Überdies: Die Richter mussten den beteiligten Personen und dem Einzelfall gerecht werden. Was ist dafür nötiger als (nachgewiesene) Fakten zu Grunde zu legen, sie Verhältnis zu setzen zu anderen möglichen Fallgestaltungen und Sanktionen und beim beurteilen dann möglichst ideologisch unaufgeregt zu bleiben? Ich könnte mir gut vorstellen, dass in einem Fall ähnlicher Intensität in anderen Geschlechterkonstellationen derselbe Maßstab angelegt und im Ergebnis ebenso geurteilt worden wäre.

      • @pluvia

        „Ich könnte mir gut vorstellen, dass in einem Fall ähnlicher Intensität in anderen Geschlechterkonstellationen derselbe Maßstab angelegt und im Ergebnis ebenso geurteilt worden wäre.“

        Wäre die Frage, wie so etwas zu konstruieren wäre. Sie greift ihm in den Schritt?

        • „Wäre die Frage, wie so etwas zu konstruieren wäre. Sie greift ihm in den Schritt?“

          Oder sie stellt sich vor ihn und hält ihm ihre (bekleideten) Brüste entgegen ? Oder sie belästigt ihn z.B. durch das Tragen von Kleidung, die ihre Brüste besonders hervorhebt ?

          Ich wäre aber auch in diesem Fall der Meinung, dass man, wenn sie sich umgehend und glaubwürdig für ihr Fehlverhalten entschuldigt, von einer schwereren Bestrafung absehen und sie vielleicht nicht kündigen sollte. Eine finanzielle Wiedergutmachung, vielleicht auch hier in der Höhe von 100 Euro, die sie ihm übergibt, würde m.E. ausreichen.

        • @Christian:

          Vielleicht das. Spontan hätte ich eine ähnliche Intensität eher bei „eine Person greift einer anderen an den Po“ gesehen. Ob das jetzt ein Mann bei einem Mann macht, eine Frau bei einem Mann, … [hier bitte alle weiteren denkbaren Konstellationen einsetzen], sollte ja rechtlich betrachtet nicht den entscheidenden Unterschied machen.

          Ähnlich wäre vielleicht auch zu beurteilen, wenn jemand den anderen ungefragt umarmt oder die übliche soziale Distanz deutlich unterschreitend. Hier kommt es aber immer auf den Einzelfall an, wie genau das vonstatten geht. Umarmung ist nicht gleich Umarmung, ein flüchtig auf die Wange gehauchter Kuss etwas anderes als ein leidenschaftlicher auf den Mund etc.

  3. Oh ja, Rekordlänge heute…

    Sexuelle Belästigung halte ich nicht für das schlimmste, was ein Mitarbeiter verbrechen kann; intensives Mobbing oder schwerer Diebstahl sind schlimmer.

    Allerdings hätte ich als Chef auch Bedenken, einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, wenn er einer Kollegin in voller Absicht an den Busen greift.
    Wenn die beiden in räumlicher Nähe arbeiten, ist das Betriebsklima nachhaltig gestört. Mh.

    Um der Vollständigkeit willen sollte man aber auch die Gegenseite beachten. Hatte mal auf einer maskulistischen Seite die Klage eines Berliner Angestelten gelesen, daß in seinem Betrieb die Azubinen zumindest im Sommer ihre Brüste bereitwillig ausstellen, indem sie äußerst enge und knappe Kleidung tragen. In Schulen wird das Problem auch diskutiert.

    Der Angestellte hatte zwar nicht gefummelt, aber hingeguckt, was ja von den Mädels durchaus intendiert sein dürfte. Da gab es Probleme mit der Frauenbeauftragten der Firma (intern: Jabba, der Hutte 🙂 ).

    Fazit: Grabschen sollte bestraft werden; aber die Frauen haben gefälligst auf Arbeit neutrale Kleidung zu tragen und nicht ihre Reize auszustellen. Alles andere ist egoistischer einseitiger Radfeminismus.

    • @axel

      „Allerdings hätte ich als Chef auch Bedenken, einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, wenn er einer Kollegin in voller Absicht an den Busen greift.
      Wenn die beiden in räumlicher Nähe arbeiten, ist das Betriebsklima nachhaltig gestört. Mh.“

      Und in der obigen Situation?

        • @axel

          Ich denke du meinst die ersten 232 Seiten der Arbeit. Dazu schrieb ich:

          https://allesevolution.wordpress.com/2011/08/04/besprechung-heinz-jurgen-voss-making-gender-revisited/

          „In diesen ersten zwei Kapiteln legt Voss verschiedenste Theorien zu den Geschlechtern dar, historische Überlieferungen solcher Theorien, die belegen sollen, dass es keineswegs so war, dass es immer zwei Geschlechter gab. Dabei reißt er die meisten Theorien nur kurz an, es erfolgt keine sehr tiefe Beschäftigung mit diesen. Es ist eher die Anzahl der Theorien, die zu dem Umfang des Buches beiträgt. Auch hierbei verkennt er, dass die Herleitung der Geschlechter zB die Auffassung, dass eine Frau nur ein minderbegabter Mann ist, nie dazu geführt hat, dass man die Unterteilung in Mann und Frau aufgegeben hat oder üblicherweise, also von Ausnahmefällen abgesehen, Probleme mit der Abgrenzung hatte.“

          Wäre etwas viel da jetzt alle Quellen rauszusuchen.

        • ät Evochris:
          „verschiedenste Theorien zu den Geschlechtern dar, historische Überlieferungen solcher Theorien, die belegen sollen, dass es keineswegs so war, dass es immer zwei Geschlechter gab. “

          Hat der kein Quellenverzeichnis? Wundern täte es nicht…
          Sind wohl Dutzende. Mh, ja, wenn das so viele sind.

          Auf Amazon ist nur das Personenverzeichnis einsehbar. Zudem der Anfang mit den Theorien eines Kultur“wissenschaftlers“, der wohl als gedanklich-ideologischer Vorläufer von Voß zu sehen ist http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Laqueur. HJ hat sogar seinen Titel von ihm geklaut: Making sex (revisited). Laqueur ist Konstruktivist und lehrt in BERKELEY! Na, was eine Überraschung! .

          Und zwar seit 1973. Man sieht, nix Neues unter der Sonne. Eigentlich müssen Dissertationen ja Neuigkeiten enthalten. Laq denkt nämlich, daß die Zweigeschlechtlichkeit um 1700 erfunden wurde. Jetzt kein allzu großer Unterschied zu 1933.

          Ich kann jedenfalls nicht sehen, welche „Biologen“ seine Thesen der multiplen Geschglechter unterstützen. Kannste nicht mal gucken, wer da besonders prominent sein soll?
          Hab was mit Nef gelesen, der ist aber völlig unbekannt (auch Google).

      • @Christian
        > Und in der obigen Situation?

        Er hats nicht ganz gelesen, das ist doch klar. Ich auch nicht alles bis zum Ende, aber doch die meisten Urteilsbegründungen.

        Die Reinigungskraft hielt sich in den Räumen auf, in denen die körperlich arbeitenden Männer sich umzogen und sich waschen.“ Sie quatschte vorher im Türrahmen stehend mit anderen Männern. Als er sich wusch, kam sie zum Waschbecken, kam auf ihn zu und stellte sich neben ihn. Sie unterhielten sich und er hatte den Eindruck, dass sie mit ihm flirten wollte. Kann mann haben.

        Er entschuldigte sich, sie nahm die Entschuldigung an und auch die 100 EUR, die ein Opferentschädigungsverband per Mediation vermittelt hatte. Damit war der Fall für sie erledigt und sie betonte, dass sie auch kein Interesse an einer Strafverfolgung mehr habe.

        Dennoch ermittelte die SA weiter, stellte dann aber das Verfahren ein.

        Er hatte 16 Jahre lang unbeanstandet bei der Firma gearbeitet. Trotzdem nahm man das zum Anlass für einen _fristlose_ Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Nicht nur das, der AG scheiterte gleich in der ersten Instanz damit und auch in der folgenden. Trotzdem zog er auch noch vor das BAG. Es ist unglaublich! Mich würde nur noch interessieren, was das für eine menschenverachtende Firma ist, die so undankbar mit ihren Mitarbeitern umgeht, von deren Arbeit sie schließlich ihren Gewinn hat.

    • ät Evochris:

      Schwierig. Die Reiningungsfrau ist extern. Aber die Kräfte sind meist eng beim Kunden, weil sie ja immerhin die Arbeitsräume schrubben.
      Daß ein Angestellter beim ersten Gespräch die Brüste lobt und sogar anfaßt, halte ich für mindestens merkwürdig.
      Der Angestellte hat nmM ein echtes Problem. Er dürfte bekloppt, notgeil und aggressiv sein. Außerdem tragen die Reiningungsleute reizlose Dienstkleidung.

      Tendenz: Mitarbeiter rausschmeißen.

      • In dem speziellen Fall wie dem hier entschiedenen mit seinen besonderen Umständen hätte eine Abmahnung des Betreffenden ausgereicht. Eine Abmahnung ist im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das (zunächst) mildere Mittel, Abmahnung heißt, dass man dem Betreffenden unmissverständlich androht, dass er im Wiederholungsfall gefeuert wird.
        In der Regel bedarf es bei einer körperlichen sexuellen Belästigung allerdings keiner Abmahnung, sondern die Kündigung geht bei Gericht „durch“. Anders wäre es z.B., wenn der Arbeitnehmer nur anzügliche Bemerkungen machen würde. Wenn die Frau das nicht will, gilt das auch schon als sexuelle Belästigung. Hier wäre z.B. i.d.R. eine Abmahnung wirkungsvoll und ausreichend.

      • Der Angestellte hat nmM ein echtes Problem. Er dürfte bekloppt, notgeil und aggressiv sein. Außerdem tragen die Reiningungsleute reizlose Dienstkleidung.

        Praktisch kein Mensch ist in einem insgesamt 15-Jährigem Arbeitsverhältnis 100% frei von „Aussetzern“.

        • ät KlausT und Nick:

          Tja, wie gesagt, schwierig. OK, Abmahnung für den Grabscher ist auch nicht falsch. Allerdings braucht es dann drei von denen, um zu feuern (?).

          Was den Aussetzer angeht, würde ich das nicht als solchen ansehen. Erst das unvermittelte Busenlob, dann drangegriffen? Na ja. Würde vermuten, daß der Grabscher in seiner Karriere schon mal aufgefallen ist. Wenn er eine weiße Weste hat, würde das natürlich grundsätzlich für ihn sprechen und nur eine Abmahnung nötig machen.

        • Was den Aussetzer angeht, würde ich das nicht als solchen ansehen. Erst das unvermittelte Busenlob, dann drangegriffen?

          Wir kennen die genauen Umstände nicht, weil wir nicht dabei waren. Es ist durchaus vorstellbar, dass er ihre Signale fehlgedeutet hat. (Objektive Kriterien, wie „es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie plötzlich in der Umkleide Sex wollte“ zählen wenig für den subjektiven Tatbestand)

          Der Begriff „Busengrapscher“ erweckt den Eindruck, er hätte ihr unvermittelt an die Titten gelangt. Das scheint hier so wiederum auch nicht der Fall zu sein, es ging dem ja eine Unterhaltung vorraus. Vielleicht hat sie ja sogar mit ihm geflirtet, aber meinte es dann doch nicht so ernst, oder er war ihr einfach zu forsch.

          Als Regel ist es nmE grundsätzlich okay, dass man Arbeitskolleginnen nicht intim anfasst. Allerdings ist das eine allgemeine Regel, und ein Verstoß dagegen ist ein Regelverstoß – und nicht mehr.

          Man kann aus einem solchen Regelverstoß an sich nicht auf die geistig-seelische Verfasstheit des Regelverstoßenden schließen.

        • @Nick Eine vorausgegangene Abmahnung reicht, wenn es denselben Bereich betrifft. Erst Abmahnung wegen Grabschens, dann Kündigung wegen anzüglicher Bemerkung. Vermutlich ordentliche Kündigung = Kündigungsfrist.

        • „Der Begriff “Busengrapscher” erweckt den Eindruck, er hätte ihr unvermittelt an die Titten gelangt. Das scheint hier so wiederum auch nicht der Fall zu sein, es ging dem ja eine Unterhaltung vorraus.“

          Ja, das stimmt. Wenn ich mich mit Frauen unterhalte, fasse ich irgendwann auch ihre Brüste an. Das ist Teil gepflegten Konversation 😀

        • ..die moralinsaure Aufladung, insbesondere durch den Radikalfeminismus, verhindert leider sehr effektiv die Entwicklung von vernünftigen Kriterien zu diesem Thema.

          „Busengrapschen“ ist eben übehaupt nicht gleich „Busengrapschen“: Ob es eine Intimitätsverletzung mit welcher Schwere ist, hängt eben _sehr_ stark von den Umständen ab.

          Wenn ich meiner Freundin beim Knutschen an den Busen fasse, und sie das gerade nicht mag, ist das etwas völlig anderes als wenn ich einer wildfremden Frau von hinten an die Titten grapsche. Es kommt nmE in erster Linie erstens darauf an, in welchem Intimitätsstatus sich die Beteiligten befinden und zweitens, welche Möglichkeiten (hier:) die Frau hat, sich dem zu entziehen.

          In einer Arbeitssituation ist der Intimiätsstatus in aller Regel die soziale Ebene: Mit Arbeitskollegen möchte man nicht unbedingt privat oder gar intim werden. Man kann sich Arbeitskollegen in aller Regel nicht aussuchen und man kann sich ihnen in aller Regel auch nicht entziehen. Um nun ein für alle erträgliches Klima zu ermöglichen, bedarf es etwas strengerer Regeln als beispielsweise bei privaten Parties. (Da fände ich es allerdings auch angemessen, z.B. allzu freizügige Kleidung zu reglementieren)

          Diese Regeln können naturgemäß schwer auf individuelle Konstellationen rücksicht nehmen. Von daher sind Verstöße dagegen erstmal nur eine Art „Ordnungswidrigkeit“ und auch als solche zu behandeln. Von daher halte ich eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung auch grundsätzlich für unangemessen – es sei denn, der konkrete Einzelfall wiegt so schwer, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist.

          Eine evtl. strafrechtliche Komponente ist davon völlig unabhängig zu betrachten.

        • ät Adrian und Nick:

          „Ja, das stimmt. Wenn ich mich mit Frauen unterhalte, fasse ich irgendwann auch ihre Brüste an. Das ist Teil der gepflegten Konversation“

          Das würde ich gerne sehen. Ein Klassiker!
          Bist Du jetzt schom beim Frauengender angekommen?

        • @Adrian:
          Ja, das stimmt. Wenn ich mich mit Frauen unterhalte, fasse ich irgendwann auch ihre Brüste an. Das ist Teil gepflegten Konversation 😀

          Da hat der radikalfeministische Diskurs offenbar wieder mächtig entgrenzt.

          Es ist eine andere Intensität von Übergriff, einer völlig unbekannten Frau bzw. einer Frau in der öffentlichen Sphäre unvermittelt an den Busen zu grapschen. Das wollte ich damit sagen.

          Wir wissen nicht, wie die Unterhaltung hier konkret verlaufen ist. Wie gesagt, vielleicht sind sie ja bereits auf einer privaten Ebene an der Grenze zu einer Intimen gewesen. Oder der Gekündigte hat das so empfunden – was durchaus zur Bewertung des subjektiven Tatbestandes relevant ist.

        • Er ist halb bekleidet im Sozialraum. Sie quatschen. Sie steht erst in der Tür, dann neben dem Waschbecken, dann direkt neben ihm, Unterschreitung der komfortzone. Klar ist grapschen nicht Bestandteil normaler Konversationen. Andererseits, und das hat das Gericht erkannt, das subjektiv er den Eindruck gehabt haben sie flirten. Die Schilderung eines „Aussetzers“ ist daher für mich schlüssig.

        • Yep. Ich bin ja bekannt für radikalfeministische Diskurse 😀

          Keine Ahnung, warum du hier so eng führst wie man es sonst nur von Radikalfeministinnen kennt.

        • Was mich einmal interessieren würde ist, ob es eigentlich einen Unterschied macht, wenn er sie statt an der Brust an der Schulter berührt hätte. Wäre im letzteren Fall ein Schmerzensgeld, eine Entschuldigung, möglicherweise sogar eine Kündigung etc. ebenfalls angebracht gewesen ? Und wenn nicht, warum nicht ?

        • @Zabalo. Die Berührung (im Beispiel die Schulter) ist eine Belästigung, wenn sie aus der Sicht eines objektiven Beobachtung unerwünscht ist und die Würde der Person verletzt. Bei einer sexuelle Belästigung muss das Verhalten zusätzlich sexuell bestimmt sein, wobei es ausreicht, dass ein objektiv zweideutiges Verhalten („freundschaftlich“ oder „sexuell“) als sexuell aufgefasst werden könnte. Das schreibt u.a. ein Kommentar zu § 3 AGG = Allg. Gleichbehandl.gesetz. Das Gesetz bezieht sich aber im Wesentlichen auf das Arbeitsleben.

        • Forts.: Eine (nicht sexuelle) Belästigung wie das (unerwünschte) flüchtige Berühren einer Schulter dürfte kein Kündigungsgrund sein. Das länger anhaltende unerwünschte Berühren z.B. das längere Ablegen der beiden Hände auf beide Schultern, könnte schon wieder anders zu bewerten sein. Nichts Genaues weiß man nicht – typisch juristisch (sagt der Jurist 🙂

        • @Adrian:
          Vielleicht übertreibst Du auch ja.

          Beschwer dich bei Maren, die hat sich über eine Beißhemmung dir gegenüber beklagt – und als Hete tue ich doch zwangsläufig immer alles, was Frauen von mir erwarten 😀

  4. Die rechtsstaatlichen Verfahren beruhen darauf, dass man bestimmte Dinge nicht weiß bzw. nicht wissen kann. Wenn jemand verdächtig ist, aber es gibt keine Beweise und keine hinreichenden Indizien, dann wird er frei gesprochen. Ob er wirklich schuldig ist, weiß man nicht, vielleicht lässt man einen Schuldigen laufen, aber im anderen Fall würde man vielleicht einen Unschuldigen bestrafen. Was ist schlimmer? (ich meine jetzt nicht konkret den obigen Fall)

    Wenn man allerdings von vornherein weiß, wer der Schuldige ist, auch ohne Beweise gegen ihn zu haben (Mann gegen Frau bedeutet Böse gegen Gut), dann kann man mit solchen Verfahren natürlich nicht zufrieden sein, egal wie der einzelne Fall gelagert ist.

    • @El_Moho Es ist zu unterscheiden zwischen dem Strafverfahren und dem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Es wäre durchaus denkbar, dass der Belästiger in einem Strafverfahren verurteilt würde, in einem Kündigungsschutzprozess wie hier aber seinen Arbeitsplatz behalten dürfte.

  5. Danke für das Herausarbeiten. Ein wichtiger Artikel, dem man jedem Überschriftenschreiber der letzten Tage glühend auf den Rücken brennen sollte.

  6. Vermutlich wollte man den Arbeitnehmer auch nur loswerden. So was ist ja immer ein sehr beliebtes Mittel zum Zweck. Wenn man dann so etwas vorgesetzt bekommt dann nutzt man als AG doch die Gust der Stunde.

  7. Zitat
    Die Beklagte hatte gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor sexuellen Belästigungen zu schützen.
    /Zitat

    aber nicht das männliche? Das nur als zynischer Einwurf.

    Und dann stelle ich mir mal die Situation vor: Ich steh im Umkleide-/Waschraum, zieh mich um, wasche mich und da lehnt eine Frau am Türpfosten, schaut zu, unterhält sich dann mit mir, kommt näher, stellt sich, während ich am Waschbecken, bin neben mich, und nein sie geht im Moment nicht ihrer Reinigungsarbeit nach, sondern konzentriert sich auf mich?
    Wie bitte soll man diese Situation und dieses Verhalten der Frau denn bitte nun verstehen?
    Also ich würde sagen, man hat ihm eine Falle gestellt. Ein an seiner Stelle eingestellter jüngerer Mechaniker hätte nämlich weniger verdient.

    • @Hugh
      > aber nicht das männliche? Das nur als zynischer Einwurf. <

      Eines der drei Gerichte schrieb in sein Urteil:
      Soweit die Beklagte [Firma] befürchtet, es könne sich ein erneuter Vorfall mit Frau N. oder einer anderen Reinigungskraft ereignen – wovon die Berufungskammer unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände nicht ausgeht – so könnte dieses Problem dadurch gelöst werden, dass die Reinigungskräfte angewiesen werden, die Wasch- und Umkleideräume nicht zu betreten, wenn sich dort männliche Mitarbeiter aufhalten, die sich waschen und umziehen. Dies dürfte auch grundsätzlich geboten sein."

      Mann kann sich das Geschrei gar nicht laut genug vorstellen, das aufbrausen würde, wenn bei einer Firma Männer in Räumen herumlaufen würden, in denen sich Frauen waschen und umziehen.

  8. Das Urteil geht völlig in Ordnung.
    Es steht zu vermuten, dass der Inhalt des Gesprächs zwischen den Beiden sich nicht sachlich um die Seife oder die Inhalte der Mülleimer drehte, was ich aus der Nähe der Frau zum – möglicherweise halbnackten – Mann am Waschbecken schließe.
    Das rechtfertigt kein „Busen“-grabschen (der „Busen“ ist die Bucht zwischen den Brüsten, kann als nicht begrabscht werden), rechtfertigt aber die Wertung der Tat als situativ und einmalig.

    Was mir immer wieder aufstößt und Schmerzen verursacht, wie Alufolie auf der Zahnplombe, ist die Aussage, jemand habe „sich entschuldigt“.

    Man kann sich vielleicht entschuldigen, wenn man Jemandem Geld schuldet und den vereinbarten Betrag zurückzahlt.
    Bei einer moralischen Schuld kann man den Gläubiger (wenn ich ihn mal so nennen darf) um Entschuld(ig)ung BITTEN, sich aber nicht eine eigenständige Schuldbefreiung anmaßen.

    Bezogen auf den Fall hat der Busengrabscher (Brust…) die Reinemachefrau um Entschuldigung GEBETEN und sie hat ihn aus der Schuld entlassen, nachdem er ihr 100 € gezahlt hat.

    Entschuldigt bitte, aber soviel Sauberkeit in der Sprache muss sein 😉

  9. Was wirklich interessant ist, das Gericht konnte in diesem Fall gar nicht anders entscheiden. Hätte man eine Befragung unter Juristen gemacht, ich bin mir sicher, etwa 90 Prozent hätten dieses Urteil erwartet. Macht man natürlich nicht, da man Entscheidungen des Gerichts nicht vorneweg nehmen. Es ist kein überraschendes noch ein Skandalurteil. Warum?

    Beschäftigt man sich intensiver mit der Rechtssprechung des BAG zum Thema Rechtmäßigkeit fristloser Kündigungen so fällt die enge Rechtsprechung auf, mit der das Gericht seit einigen Jahren sämtliche Fälle entscheidet. So gehört sexuelle Belästigung genauso zu den wichtigen gründen, wie auch Diebstahl oder die Entnahme von Betriebsmitteln. Aber für die Arbeitsrichter ist angesichts des Kündigungsschutzes wichtig, das es keinen Automatismus gibt. Die fristlose Kündigung, also gegen das Interesse des an an seiner Kündigungsfrist und die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für den ag stehen im Widerstreit. Die unzumutbarkeit ist jedoch vor allem in einer Prognose zukünftigem fehlverhaltens gerechtfertigt. Und da muss eben alles gewürdigt werden, wie lange tadellose Betriebszugehörigkeit, eingestehen des fehlverhaltens, positive sozialprognose.

    Und so hat das BAG richtig entschieden. Richtig im Fall barbara emme, die zwei pfandbons einlöste, sonst aber tadellos Jahrzehnte lang beschäftigt war. Richtig im Frikadellen Fall, als eine Mitarbeiterin zwei Frikadellen aus den betriebsmitteln entnahm. Und auch richtig im vorliegenden Fall, indem der Mitarbeiter weder das vertrauensverhältnis störte und auch keine ungünstige sozialprognose hat. Mit diesem Urteil bestätigt das BAG seine enge Rechtsprechung in Abgrenzung zu der in den 80er Jahren, als es noch auf diesen Automatismus erkannte, siehe bienenstich Urteil.

    Das BAG konnte gar nicht anders entscheiden. Die Empörung liegt hier einfach darin begründet, dass hier ein tätermann zu seinem recht gekommen ist. Und wohl auch darin, dass mittlerweile alles was irgendwie im sexuellen Bereich liegt nur noch total hysterisch kognitiv verarbeitet wird. man hat ja fast das gefühl hier wurde ein trieb täter von einer vergewaltigung abgehalten und darf frecherweise jetzt noch weiterarbeiten. viele verlieren hier völlig die Relationen, ich sehe den Kommentar von der feministin tina groll mit großer Sorge. Wir bewegen uns mit sieben meilen stiefeln in Richtung amerikanischer Verhältnisse. Noch hält das BAG stand, ich hoffe das bleibt so. Ein kluges ein gutes Urteil.

    • Ich hoffe auch auf weitere Kontinuität der Rechtsprechung – trotz der Tatsache, dass (auch) beim BAG die Zahl (der Anteil) der Richterinnen kontinuierlich steigt. Ich habe allerdings nicht den Eindruck dass – anders als beim BVerfG (Baer) – Radikalfeministinnen eine besondere Rolle spielen. Außerdem spielt, anders als bei Frau Baer, die juristische Qualifikation eines wichtige Rolle und wird auch „abgefragt“. Jeder Bewerber/jede Bewerberin um ein Bundesrichteramt muss sich einem Fachgespräch unterziehen, bei dem es ans Eingemachte geht.

      • @ KlausT

        Eigentlich sollten in allen Ressorts die Richter ihre Qualifikation nachweisen. Das dürfte im Arbeitsrecht weniger entscheidend sein, als das enge Korsett, in das die Rechtsprechung durch die Gesetze gezwängt ist. Wie Teardown und andere darlegten, blieb eigentlich gar kein Freiraum für eine andere Entscheidung.

        Dass sich der Feminismus im Familienrecht so austoben kann, liegt daran, dass dort der gesetzliche Ermessensspielraum für die Richter so groß ist, dass auch grundgesetzwidrige Entscheidungen als „ständige Rechtsprechung“ Gesetzescharakter erhalten.

        • Carnofis, ich stimme Dir zu. Allerdings gäbe es auch im Arbeitsrecht „Einfallstore“ für feministische Gesinnungsrechtsprechung durch die unbestimmten Rechtsbegriffe „Interessenabwägung“ und „Verhältnismäßigkeit“, die bei der Kündigungsrechtsprechung eine gewichtige Rolle spielen.

  10. worauf ich noch warte: dass irgendwelche Feministen die Frau verurteilen, dass sie sich mit 100 Euro zufriedengegeben hat und dann auch noch erklärt, für sie sei die Sache damit erledigt und sie wünsche keine weiteren Konsequenzen für den Mann. Letztlich liegt hier ja die Ursache der späteren Entscheidungen, dass das Strafverfahren eingestellt wurde und er nur abgemahnt und nicht gekündigt werden konnte (Betriebsfrieden nicht mehr in Gefahr?). Wäre sie etwas hartnäckiger gewesen, wäre das wünschenswerte Ergebnis einer langjährigen Haftstrafe und der Entlassung aus allen Berufen auf Lebenszeit ja vielleicht erreichbar gewesen?

    • Die Tina hat doch schon reichlich Groll darüber gehegt:

      Im inkriminierten Artikel/Kommentar wurden jedoch keine Sachverhalte wiedergegeben, sondern die Fakten teilweise verfälscht bzw. z.B. suggeriert, man wisse, weshalb die Frau auf eine Strafverfolgung verzichtet hat („Das ist in dem verhandelten Fall besonders schlimm, denn die Betroffene ließ es nach dem bezahlten Täter-Opfer-Ausgleich gut sein und verzichtete auf eine weitere Strafverfolgung. Aus Sicht des Opfers verständlich: Schließlich ist ein Strafprozess für die belästigte Frau überaus unangenehm“), ohne dass es für diese Annahme irgendeinen Beleg gibt. Ferner hat, wie im Urteil ersichtlich, die Frau selbt nicht verlangt (ihr Arbeitgeber auch nicht), dass der Mann aus dem Betrieb entfernt wird. _Das_ ist der kritikwürdige Punkt: dass der Kommentar nicht Fakten kommentiert, sondern Annahmen als Fakten darstellt bzw. Fakten verdreht.

      http://www.heise.de/tp/news/Bundesarbeitsgericht-stellt-k-einen-Freifahrtschein-fuer-sexuelle-Belaestigung-aus-2548065.html

      Feministinnen verurteilen Frauen meistens sehr subtil auf der Beziehungsebene. „Schließlich ist ein Strafprozess für die belästigte Frau überaus unangenehm“ heißt: „Diese Tussie hat keine richtigen Freundinnen und ist auch zu doof, sich professionelle feministische Unterstützung zu holen! Also auf _meiner_ Party würde ich sie nur als Personal einladen. Mit sowas redet man doch nur entweder in einem Personal- oder in einem Beratungsgespräch!

      Jetzt fehlt eigentlich nur noch Maren, die bei ihr glasklar eine Anbiederung aufgrund eines äußerst ungesunden Bedürfnisses nach männlicher Anerkennung analysiert..

  11. Bin ich der einzige, der in der Situation:

    Mann im Waschraum
    Frau geht in Waschraum
    Mann und Frau flirten
    Mann fasst Frau an Brust
    Frau sagt Mann, sie mag das nicht
    Mann entschuldigt sich

    absolut überhaupt nichts falsches, verwerfliches oder sonstwie verurteilenswertes findet?

    Wo leben wir eigentlich? Kommt als nächstes die Scharia-Polizei?

    Und wieso bekommt die Frau 100 Euro für einen Busengrapscher? Auf RTL2 erklärt gerade eine Nutte „20 Euro für Blasen“. Meine Fresse.

    • „Und wieso bekommt die Frau 100 Euro für einen Busengrapscher? Auf RTL2 erklärt gerade eine Nutte “20 Euro für Blasen”. Meine Fresse.“

      Was ist denn das für eine bizarre Logik? Warum sollte der Marktwert einer Prostituierten maßgeblich sein? Wenn sich irgendwo jemand für 1 € anspucken lässt, darf man dich dann anspucken und dir 1€ in die Hand drücken?
      Wenn es klar ist, dass jemand bestimmte Handlungen gegen Geld ausführt, dann kann das billiger sein als das Schmerzensgeld, wenn jemand diese Handlungen sonst nicht freiwillig durchführt.

      • @Christian: Nicht mein Punkt. Meine Kritik ist nicht fokal, wieviel Geld die Frau bekommt, sondern dass überhaupt eine „Schmerzensgeld“-würdige Situation vorbringt.

        Und selbst wenn ist das Schmerzensgeld zu hoch. Schmerzensgeld ist in D üblicherweise lächerlich niedrig. Aber an irgendwas muss es sich bemessen, gerne mit einem Multiplikator, ja. Aber zehnmal Null ist halt immer noch Null:

          • Finde ich genauso entsetzlich, dass es dafür Schmerzensgeld geben soll bzw. de facto gibt. Das ist doch genauso etwas, was zwei Menschen unter sich regeln können und wofür es keine staatliche Intervention braucht. Oder zumindest in einer gesunden Gesellschaft nicht brauchen sollte.

          • @lolli

            „Das ist doch genauso etwas, was zwei Menschen unter sich regeln können und wofür es keine staatliche Intervention braucht. Oder zumindest in einer gesunden Gesellschaft nicht brauchen sollte.“

            Eine solche naive Position hätte ich dir gar nicht zugetraut. Du glaubst an eine „gesunde Gesellschaft“, in der die Leute alles friedlich unter sich regeln können?
            Du alter Romantiker!

          • @Christian: Nein, ich glaube nicht, dass Leute alles oder gar friedlich unter sich regeln können. Ich finde halt, dass bestimmte Sachen den Staat nichts angehen. Wenn die Frau es nicht mag, berührt zu werden, soll sie dem Typen halt eine scheuern. Und wenn dich jemand beleidigt, kannst du das ja einfach reziprok machen, oder?
            Ich finde eine Gesellschaft von Kleinkindern, die für alles zu Mama rennen müssen, entsetzlich. Eine Gesellschaft braucht ein paar grundlegende Regeln, an die man sich zu halten hat, und deren Übertretung sanktioniert wird. Ein paar. Das sind sehr viel weniger, als wir aktuell haben.

            Warum? Weil ich es unproportional finde, wenn man wegen eines missverstandenen Flirts gleich seinen Job verlieren soll. Weil ich finde, dass jemand, der eine Beleidigung als Anlass nimmt, Mimose zu spielen, psychische Probleme hat, mit denen er sich selbst, nicht aber die Gesellschaft beschäftigen sollte. Weil menschliches Miteinander von Männern und Frauen nunmal eine sexuelle Unterebene hat, die man nicht einfach verbieten kann. Wie man sieht. Und ich sehe da auch keinerlei Notwendigkeit. Die Frau hatte ja nach eigener Aussage auch kein Problem. Und wenn, wäre es ihres – sie hätte ja nach dem Kompliment gehen können. Und Sprechen verbieten („sexuell anzügliche Kommentare“) widerspricht dem Grundgedanken einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft mit selbstverantwortlichen Individuen; vielmehr entspricht es einem totalitären System voller Idioten.

            Natürlich gibt es auch Menschen, die es gut finden, dass Beleidigungen wie „Idiot“ verboten sind. Das sind neben den schon erwähnten Mimosen mit psychischen Problemen sicher auch tatsächliche Idioten, die nicht wahrhaben wollen, dass „Idiot“ für sie gar keine Beleidigung ist, sondern zutreffend. Das meine ich mit „gesunde Gesellschaft“ – natürlich ist nicht jeder gesund, aber das ist doch kein Grund, die Gesellschaft so zu gestalten, dass sich diejenigen mit den größten Problemen, die wahrscheinlich auch noch den geringsten Beitrag zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft leisten, am wohlsten fühlen.

            Was jetzt nicht heißen soll, dass ich durch die Gegend laufen, Brüste begrapschen und Leute beleidigen möchte oder würde. Ich möchte aber einem Vollidioten, der behauptet, ein 20 Meter tiefes Loch sei genauso hoch wie ein 20 Meter hoher Turm, sagen dürfen, dass er ein Vollidiot ist, vor allem in der Hoffnung, dass dadurch auch andere Leute merken, dass diese Person ein Vollidiot ist. Und ich finde, meine Frau sollte nicht gleich ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung als Damoklesschwert über sich haben, weil sie irgendeinem Typen, der ihr an den Hintern gefasst hat, eine scheuert und sich dabei versehentlich ein kleiner Kratzer von einem Ring ergibt. Ich finde es krank, ein Consent Law wie aktuell in UK zu machen, was mich quasi dazu zwingt, jedes einzelne Mal, bevor ich mit meiner Frau Sex habe, eine Videokamera anzuschmeißen, mit ihr gemeinsam zu besprechen, was wir machen wollen, zu erklären, dass wir das beide wollen, die Kamera während des Akts mitlaufen zu lassen und das dann in zweifacher Kopie für zehn Jahre aufzubewahren, wenn ich – oder sie – nicht riskieren will, wegen Vergewaltigung verurteilt zu werden. Das ist krank.

            Und nein, ich mache das natürlich auch nicht. Meine Frau und ich sind vernünftige Menschen. Aber das sind halt nicht alle. Dafür muss man aber nicht alle so behandeln, als wären sie kleine Kinder. Wenn erwachsene Menschen finden, sich so benehmen zu können, wie kleine Kinder, sollte man sie auch so behandeln wie kleine Kinder: Stell dich in die Ecke und sei ruhig.

        • „Meine Kritik ist nicht fokal, wieviel Geld die Frau bekommt, sondern dass überhaupt eine “Schmerzensgeld”-würdige Situation vorbringt.

          Und selbst wenn ist das Schmerzensgeld zu hoch. Schmerzensgeld ist in D üblicherweise lächerlich niedrig.“

          Nicht nur das. Es gibt in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung üblicherweise einen Bagatellvorbehalt: Geringfügige Verletzungen, wie z. B. blaue Flecken, kleine Schnitte oder ähnliches (z. B. nach einem Autounfall) lösen regelmäßig keinen Schmerzensgeldanspruch aus. Dann kann man sich schon fragen, ob es angebracht ist, für eine Berührung an den Brüsten 100 € zu zahlen. Ich würde auch bezweifeln, dass ihr ein Zivilgericht dies -insbesondere in Anbetracht ihres Vorverhaltens- zugesprochen hätte.

  12. man, komme leider nicht immer dazu hier alles voll zu lesen, aber schon der Anfang reicht eigentlich.
    Einfach mal umkehren und die Situation vorstellen: Eine männliche Reinigungskraft, kommt in den Frauenwaschraum und will mit den Frauen quatschen, nicht unwahrscheinlich, daß er dann auch dran ist.
    Volle Zustimmung zu lollipop.
    Wollen wir wirklich alle zu kindischen Idioten mutieren ?
    Unsere Gerichte scheinen ja wirklich an Unterlastung und Langeweile zu leiden.

  13. Pingback: Wenn die Guten richtig böse werden (Monatsrückblick Februar 2015) – man tau

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