„“Zahlväter“ rebellieren gegen das Unterhaltsrecht“

Die Welt hat einen interessanten Artikel, in dem es um Väter und Unterhalt geht:

Im Kinderzimmer sind sie längst angekommen, die neuen Väter. Sie wickeln, füttern, holen von der Kita ab, helfen bei den Schularbeiten, besuchen Elternabende, lesen Gutenachtgeschichten vor. Sie stellen sich ihrer Verantwortung – auch nach einer Trennung. Dauerauftrag gegen Freiheit? Für immer mehr Väter ist das keine Option. Sie wollen auch nach einer Scheidung mehr für ihre Kinder sein als ein „Event-Daddy“, der alle zwei Wochen mal für ein Wochenende hereinschneit und ansonsten pünktlich den Unterhalt überweist.

Es wäre die Frage, ob es die „Neuen Väter“ sind. Ich denke Väter wollten schon lange mehr Rechte und mehr Zeit mit ihren Kindern, aber inzwischen hört man sie eher, weil sich das Klima gewandelt hat. Wenn die Geschlechterrollen aufbrechen und beide Seiten arbeiten gehen, dann kann man eben auch neue Rechte geltend machen, die man früher gar nicht in Anspruch genommen hat.

Der Gesetzgeber allerdings ignoriert diesen Wertewandel bislang weitgehend. Die gültige Rechtslage orientiert sich noch immer an dem vorherrschenden Familienmodell der alten Bundesrepublik: Die Frau betreut die Kinder, der Mann zahlt. Dass mittlerweile immer mehr Väter einen deutlich höheren Betreuungsanteil übernehmen – und damit auch erheblich höhere eigene Kosten haben –, wird in der Rechtsprechung bislang kaum berücksichtigt.

Lediglich eine Rückstufung in eine niedrigere Gehaltsklasse in der „Düsseldorfer Tabelle“ haben die Gerichte den Aktiv-Vätern bislang zugebilligt – ein Schritt, der allenfalls ein paar Euro im Monat ausmacht. So spart ein Vater mit einem Nettogehalt von 2500 Euro, der nach der Düsseldorfer Unterhaltstabelle eigentlich 419 Euro für sein sechs- bis elfjähriges Kind zahlen muss, bei einer Rückstufung um eine Gehaltsklasse gerade einmal 18 Euro (siehe Grafik) – das ist weniger als ein gemeinsamer Besuch im Spaßbad.

Die Rechtslage ist hier im wesentlichen Richterrecht. Insofern wäre sie eigentlich leicht anzupassen: Die Richter müssten sich nur einig sein, dass man es anders handhabt. Allerdings hat gerade Richterrecht eben auch gerne ein Beharrungstendenz: Wenn keiner deutlich macht, dass eine Änderung erfolgen sollte, dann ändert sich wenig. Dann muss entweder der Bundesgerichtshof die Tendenz vorgeben (durch entsprechende Entscheidungen, obiter dicta oder durch Artikel von Richtern in Fachzeitschriften, in denen sie einen Wandel andeuten, oder es muss der Gesetzgeber selbst seine Verantwortung wahrnehmen und Regelungen schaffen, die von den Richtern beachtet werden müssen.

Eine Höherbewertung der Unterhaltskosten ist dabei eine zweischneidige Sache: Wenn man es vom Unterhalt abzieht, dann geht das nach der bisherigen Betrachtung eben zu Lasten des Kindes, da es auch ein Unterhaltsanspruch des Kindes ist.

„Die bestehende Praxis zementiert die traditionelle Rollenaufteilung und bestraft Väter, die nach einer Trennung mehr als ein 14-Tage-Wochenendpapa sein und den Alltag der Kinder mit erleben und gestalten wollen“, sagt Hans-Georg Nelles. Er ist Vorsitzender des Vereins Väterexpertennetz Deutschland und hat es sich zum Ziel gesetzt, am althergebrachten Bild des Zahlvaters ordentlich zu rütteln. Das Prinzip Betreuung auf der einen und Barunterhalt auf der anderen Seite müsse flexibler gehandhabt werden, fordern Väterlobbyisten wie Nelles.

Das ist zumindest mal etwas, dass hier entsprechende Aktivsten konkret genannt werden.

Im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe von Müttern im Erwerbsleben und Vätern bei der Erziehung ihrer Kinder sei der Gesetzgeber gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass das Wechselmodell einer geteilten Erziehungs- und Versorgungsverantwortung die Regel wird, fordert Nelles, der auch einen Väter-Blog betreibt. „Gegenseitige Ansprüche sollten ab einem 30-prozentigen Erziehungsanteil der Väter berücksichtigt werden, ohne dass der- oder diejenige, die den größeren Anteil an der Erziehungsverantwortung trägt, finanziell Not leiden muss. Trennungen und Scheidungen sind heute normal, und Kinder brauchen auch nach dem Scheitern der Beziehung ihrer Eltern Mutter und Vater.“

Im Wechselmodell den jeweiligen Anteil zu berücksichtigen, der tatsächlich geleistet wird und nicht bis zu der Grenze von 50/50 von einem „gesteigerten Umgang“ auszugehen, bei dem der Andere eben Glück hat, dass er soviel hat, wäre interessant. Es kann aber eben auch erhebliche Streitigkeiten mit sich bringen, wenn dann weil das Geld nicht reicht, eben auch weniger Umgang zugestandent wird und darum gekämpft wird. Aber auch das scheinen mir Probleme zu sein, die man in den Griff bekommen kann und bei denen man entsprechend Regelungen vorgeben kann. Alleine der Perspektivenwechsel könnte dabei schon einiges an Umstellung bringen.

Ähnliche Bedenken werden auch anlässlich eines Urteils in dem Artikel besprochen: Da geht es dann um das Wechselmodell und einen damit verbundenen Unterhaltsverzicht.

Die starre 50:50-Regel beinhalte außerdem „gegenläufige Anreize“ für die möglicherweise noch im Clinch liegenden Ex-Partner, fürchtet Rosowski. „Dann will die eine unbedingt bei über 50 Prozent Betreuung bleiben, um den vollen Betreuungsunterhalt zu bekommen, und der andere will genau das Gegenteil. Das ist für in einem Konflikt stehende Parteien kontraproduktiv.“

Zu den Plänen beim Staat heißt es:

Im von Heiko Maas (SPD) geführten Bundesjustizministerium sieht man das offensichtlich ähnlich. Dort laufen derzeit die Planungen für eine Symposium zum Unterhaltsrecht, das Anfang Mai stattfinden soll. In der Expertenanhörung solle es vor allem darum gehen, wie aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie Patchwork-Familien, Vollzeit arbeitende Eltern und die gleichberechtigte Betreuung nach einer Trennung im Unterhaltsrecht abzubilden sind. Bei dieser Debatte stehe man jedoch noch ganz am Anfang, heißt es aus der AG Recht und Verbraucherschutz der SPD-Fraktion.

Also noch nichts wirklich konkretes.

Von anderer Seite heißt es dazu:

Dass Handlungsbedarf besteht, scheint jedoch inzwischen Konsens zu sein, wie auch der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg, betont. „Für mich stehen immer das Wohlergehen von Familien und ihre Entscheidungsfreiheit im Vordergrund, nicht die Vorgabe bestimmter Familienmodelle. Immer mehr Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsaufgaben, das heißt, sie wollen sich beide um die Betreuung und Erziehung der Kinder kümmern. Und auch nach einer Trennung wollen viele Eltern an dieser Aufgabenteilung festhalten. Diese Lebenswirklichkeit müssen wir in den Blick nehmen.“

Er befürworte daher eine Überprüfung der gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen zur Barunterhaltspflicht, sagte Weinberg der „Welt“. „Wir als Familienpolitikerinnen und Familienpolitiker müssen dieses Thema in Ruhe und mit ausreichender Sorgfalt mit den federführend zuständigen Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern diskutieren.“ Dabei müsse aber auch die finanzielle Situation der Mütter im Auge behalten werden, die in der Regel immer noch die Einkommensschwächeren seien. „Es muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass gegebenenfalls geringere Unterhaltszahlungen zulasten der Kinder gehen.“

Ich halte es ja eine gute Idee, wenn man die strikte Regelung, dass der eine Barunterhalt und der andere Betreuungsunterhalt leistet und derjenige, der Betreuungsunterhalt leistet nichts zahlen muss, bis das Kind 18 ist, zugunsten einer flexibleren Regelung ändert: Wenn man mehr Frauen in das Berufsleben will, warum dann nicht eine anteilige Unterhaltspflicht nach Verdienst und eine Erwerbsobliegenheit (so dass man fiktives Einkommen unterstellen kann)? Das würde bereits eine sehr große Änderung bewirken und beide hätten vermutlich auch ein höheres Interesse daran, dass das Kind auch viel Kontakt zum anderen hat.

Die weiteren Probleme des Wechselmodells werden dort wie folgt besprochen:

Genau da liege aber der Hase im Pfeffer, meint der Sprecher des Deutschen Familiengerichtstages, der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Oldenburg, Heinrich Schürmann. „Das Wechselmodell ist kein Unterhaltssparmodell. Bei einem ausgedehnten Umgangsrecht steigen ja auch insgesamt die Kosten. Allein das zweite Kinderzimmer schlägt mit etwa 90 Euro im Monat zu Buche. Zusammengenommen wird das Ganze erst mal teurer.“ Und dann kämen natürlich die Fragen: Wer ist für die Anschaffung von Klamotten zuständig? Was muss alles angeschafft werden? Und kauft man nun bei Kik oder bei Esprit?

Familienrichter Schürmann hat in der Beziehung schon viel erlebt. Und er weiß inzwischen: „Die wahren Probleme machen die Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern.“ Dass es „Befriedungsinstrumente“ wie die Düsseldorfer Unterhaltstabelle oder Gerichtsurteile zum Unterhalt überhaupt geben müsse, liege im Grunde einzig daran, dass der Streit über Unterhalt und Umgangsrecht das Einzige ist, worüber die Ex-Partner ihre negativen Gefühle noch austragen können. „Das Beste ist eigentlich, ein Paar macht Kassensturz, dann stellt man sehr schnell fest, was gerecht ist und was nicht.“

Wer dazu als Elternpaar in der Lage sei, brauche aber weder Gerichte noch neue Gesetze, meint Schürmann. „Die echten, funktionierenden Wechselmodelle wird ein Gericht ja nie zu Gesicht bekommen – weil die Leute sich untereinander einigen.“

Wenn man alles doppelt vorhält, dann kostet das Geld. Das ist erst einmal eine Einsicht, die man schwer von der Hand weisen kann. Allerdings müssen ja auch so schon viele Väter ein Kinderzimmer für das Wochenende vorhalten. Und auch bei einem Konflikt verändert sich die Lage natürlich, wenn sich auch die Macht verschiebt und beide gleiche Möglichkeiten haben.