In einer innerfeministischen Auseinandersetzung wirft ein Blog, der eher dem sexnegativen Feminismus angehört der Mädchenmannschaft als aus deren Sicht Vertreterinnen des sexpositiven Feminismus vor, dass sie die Rape Kultur fördern und Victim Blaming betreiben und Vergewaltigungen verharmlosen.
Aufhänger war eine kurze Verlinkung eines Beitrags zum Thema „Blowjob“ in einem Vermischtes-Artikel. Dort hieß es:
Im Essay “How many licks” schreibt Janani Balasubramanian eine kurze Dekonstruktion des Blowjobs, nennt wichtige Akteur_innen (Monica Lewinsky, Linda Lovelace) und Künstler_innen (Nao Bustamante) und weist darauf hin, dass ein Blowjob von allen Körperteilen ausgeführt und entgegen genommen werden kann.
Janani ist übrigens eine transsexuelle PoC, wenn ich das richtig sehe, also jemand, von deren Text sich die Mädchenmannschaft eh nur schwer distanzieren kann.
In der Tat dürfte Linda Lovelace den Deep Throat bekannt gemacht haben, findet also durchaus zurecht eine Erwähnung in einem Artikel über den Blowjob.
Die andere feministische Gruppe führt an, dass Linda Lovelace später angegeben hat, dass sie die Filme nicht freiwillig gedreht habe und demnach alle sexuellen Handlungen in dem Film Vergewaltigungen waren. Demnach dürfe sie nicht als Akteurin bezeichnet werden, weil das eine Verharmlosung ist:
Erzwungener Oralsex ist eine Vergewaltigung, kein Blowjob. Eigentlich ganz einfach. Und im Grunde könnte dieser Satz als Artikel auch ausreichen, wenn nicht die Mädchenmannschaft erstaunliche Schwierigkeiten damit hätte, diese einfache Tatsache anzuerkennen.
Wir sind es von Maskulisten, Antifeministen und anderen Frauenfeinden gewöhnt, dass sie die Grenze zwischen gewolltem und erzwungenem Sex aufzuheben oder zu verwischen versuchen. Und leider ist das auch im Alltagsdenken noch ziemlich stark verankert. Dagegen versuchen Feministinnen üblicherweise anzugehen. Wir als Initiative machen das zum Beispiel mit unserem Medienradar. Jetzt ist allerdings die Mädchenmannschaft in diesen Radar geraten und wir müssen leider innerfeministische Aufklärungsarbeit leisten. Denn die Mädchenmannschaft beharrt darauf, dass das, was Linda Lovelace, mit bürgerlichem Namen Linda Boreman, widerfuhr, Blowjobs waren. Dass Linda Boreman „eine wichtige Akteur_in des Blowjobs“ gewesen sei.
Ich mag hier den im feministischen Texten ja üblichen Ton der Empörung und der Wissensverkündung. Man wird im Folgenden noch etwas deutlicher:
Puhh. Und das soll nun rechtfertigen, dass Gewalt nicht als Gewalt benannt wird? Dass die Vergewaltigungen mit einem Begriff für eine einvernehmliche Sexpraktik unsichtbar gemacht werden? Dass die Geschichte, die Linda Boreman aufgezwungen wurde und ihr die falsche Identität der Blowjob-Ikone – eine Tätererfindung – verschaffte, selbst in feministischen Blogs weiter fortgeführt wird? Linda Lovelace als „Akteurin des Blowjobs” zu bezeichnen – und darauf auch noch zu beharren – führt ein Narrativ der Rape Culture fort, hält es aufrecht und verteidigt es. Die Perspektive der Betroffenen wird zunichte gemacht und die Definition der Täter verbreitet. Es handelt sich dabei um weitere, symbolische Gewalt an Linda Lovelace.
Was die Mädchenmannschaft mit diesen zwei Sätzen ausdrückt, ist: Für sie ist es unwichtig, ob es da Gewalt gab oder nicht. Es wurde am Penis gelutscht, und damit ist es Blowjob. Ob freiwillig oder nicht, tut nichts zur Sache. Sieht von außen ja auch gleich aus.
Wo ein Blowjob ist, gibt es keinen Vergewaltiger und keine Gewaltbetroffene. Nur wo Gewalt als das benannt wird, was sie ist, können auch die Verantwortlichen dafür benannt und zur Rechenschaft gezogen werden. Gewalttaten als akzeptable Handlung darzustellen gehört zum Alltagsinstrumentarium des Patriarchats, um männliche Herrschaft und Machtmißbrauch zu kaschieren und zu normalisieren. Aus patriarchaler Perspektive ja auch völlig verständlich. Nur wie kommt ein bekannter feministischer Blog, der normalerweise ambitioniert und tiefgreifend gegen jegliche Diskriminierung und Machtmißbrauch anschreibt, dazu, solcherart zu argumentieren? Das bleibt eine offene und ziemlich verwirrende Frage. Wir sind allerdings weniger an einer Antwort darauf interessiert, sondern vielmehr daran, dass diese unsägliche Verharmlosung aus der Linksammlung der Mädchenmannschaft verschwindet.
Willkommen, liebe Mädchenmannschaft, beim Patriarchat! Ihr wählt einen etwas umständlichen Weg es aufrecht zu erhalten, aber wir sind ja um jeden Mitstreiter dankbar.
Leider fruchten auch diese Belehrungen nicht, die Mädchenmannschaft stellt sich queer, als sie auf ihrer Facebookseite darauf angesprochen wird entfernt sie nicht etwas den Text oder ändert ihn, sondern löscht kritische Kommentare und lässt weitere Verharmlosungen stehen. So heißt es in den Kommentaren (bzw hier direkt auf Facebook):
“Naja Linda Lovelace hat in ihrem Leben sehr viel widersprüchliche Aussagen gemacht. Die Wahrheit ist, dass sie um ihr Geld geprellt wurde, nach dem Film und sich alles Mögliche einwarf, wie so viele um die Zeit. Posthum etwas hinein zu interpretieren, ohne genaue Quellenrecherche, mit einer Protagonistin, die nicht mehr lebt, ist Facebook-Boulevard.”
Das wäre ja nach feministischer Theorie recht klassisches Victim Blaming. Wenn eine Frau behauptet, dass sie vergewaltigt worden ist, dann ist hat sie ja üblicherweise die Deutungshoheit. Anscheiend fand die Mädchenmannschaft diesen Kommentar aber nicht löschungswürdig.
Es folgen sachlich-kritische Kommetare wie dieser gegenüber der Mädchenmannschaft:
Victim Blaming vom Feinsten – die Prostitutionslobby zeigt ihr hässlichstes Gesicht!
Dagegen kontert eine dortige Kommentatorin:
Liebe Mädchenmannschaft, in dieser Doku hat Linda Lovelace auch was zu ihren Aussagen über Gewalt gesagt. Anti-Porno-Feminist*innen hatten sie dazu gebracht, öffentlich so aufzutreten. Später hat sie sich davon wieder distanziert. Es ist üblich, dass Anti-Porno-Feminist*innen Frauen in der Sexindustrie dazu bringen, immer die gleichen Geschichten von Gewalt zu erzählen. Pornographische Darstellungen sind per se nicht Vergewaltigunge
Auf der Seite der Mädchenmannschaft also die Angabe, dass es Falschbeschuldigungen zum Thema Vergewaltigungen gibt, die von Feministinnen veranlasst werden. Das erklärt das kalte Wetter.
Die Mädchenmannschaft lässt dann Kommentar wie:
Mira, in allen Ehren – aber für Dich ist doch alles Vergewaltigung.”
stehen. Als ob man als Feministin Vergewaltigungen übertreiben könnte! Das ist ja schon fast ein maskulistischer Kommentar.
Die Mädchenmannschaft macht daraufhin dicht:
Bereits bevor die betroffenenbeschuldigende Kommentatorin aktiv wurde, verwies die Mädchenmannschaft auf die entsprechende Kommentarspalte ihres Blogs, weil keine Ressourcen für die Moderation des Facebook-Threads vorhanden seien. Es sind jedoch ausreichend Ressourcen dafür da, um folgenden Kommentar binnen Sekunden aus dem Diskussionsfaden zu löschen
Inzwischen wurden natürlich auch die Kommentare unter dem Artikel geschlossen.
Die „Initiative“ scheint eine erstarkende Richtung im Feminismus zu sein, die klassischen sexnegativen Feminismus vertritt: Pornos, Prostitution etc sind alle schlecht und Ausprägungen des Patriarchats. Zu den dort schreibenden gehören wohl auch die Bloggerinnen unter „Störenfriedas„, die Glaube ich auch eher eine Art „Emma-Feminismus“ vertreten und ich meine auch Femen hatte (was angesichts beiderseitiger Sexfeindlichkeit auch nicht verwunderlich ist) auch schon mal auf sie verwiesen.
Dennoch finde ich es erstaunlich, dass die Mädchenmannschaft anscheinend eher Victimblaming und jemanden, der meint, dass andere Feministinnen zuviel Vergewaltigungen annehmen, stehen läßt.
Allerdings auch mal wieder schön, dass nach feministischer Theorie eben alles in einem Streit enden kann, bei dem der andere das Patriarchat unterstützt. Selbst die Mädchenmannschaft.