Schweizer Sorgerecht

Ein interessanter Bericht über Änderungen im schweizer Familienrecht, insbesondere dem Sorgerecht.

Seit dem 1. Juli 2014 tragen die Eltern nach der Scheidung gemeinsam die elterliche Sorge, es sei denn, das Kindeswohl würde dadurch „elementar“ gefährdet. Weil dies aber selten der Fall ist, müssen Mama und Papa fortan alles gemeinsam entscheiden. Egal, wie zerstritten sie sind, und egal auch, wer sich bis anhin im Alltag um die Kinder gekümmert hat. Um die saubere Wäsche, die Begleitung zum Laternenumzug, das Znüni im Kindergartentäschli. In der Schweiz gilt neu: Spätestens wenn die Eltern kein Paar mehr sind, müssen sie jede Frage, die über kleine Alltagsentscheidungen hinausgehen, zusammen regeln. Wo die Kinder zur Schule gehen, ob sie in der Freizeit reiten oder Rugby spielen dürfen und ob ein Schulmediziner oder ein Homöopath sie behandeln soll, wenn sie einmal krank werden. Und auch, wo die Kinder wohnen. Lauter Dinge also, die den Gesetzgeber nicht interessierten, solange die Ehe funktioniert hat. Nun aber, wenn Streit herrscht, greift der Staat im Namen des Kindeswohls ins Privateste ein.

Das scheint eine Form des gemeinsamen Sorgerecht zu sein, wie sie in Deutschland in vielen Fällen für verheiratete bereits länger existiert. Sie klingt etwas weitgehender, wobei man auch in Deutschland wichtigere Fragen wie etwas Fragen der Gesundheitsversorgung und wo die Kinder wohnen bei gemeinsamen Sorgerecht gemeinsam entscheiden darf und auch über die Frage, ob Kinder Reiten oder Rugbyspielen entscheiden kann. Wenn man sich nicht einigen kann, dann kann einer von beiden für diese Frage sich die Entscheidungsbefugnis zuweisen lassen (oder eine Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts beantragen, wenn sich die Fälle häufen).

Interessant ist natürlich auch, dass der dortige erfolg wohl, Väterorganisationen zuordnet:

Väterorganisationen hatten fast zehn Jahre lang für das Gesetz gekämpft, mit dem man in Frankreich, Österreich, Belgien, Polen, Russland und Skandinavien seit Jahren lebt. Sie wollten mehr Gleichberechtigung. Als sich der politische Prozess zu verzögern drohte, trommelten die engagierten Väter: Männer, lasst euch nicht länger von den Müttern eurer Kinder ausbooten und zu bloßen Zahlvätern degradieren! Als Zeichen ihrer Wut und ihres Leides schickten sie Hunderte Pflastersteine ins Bundeshaus. Kurz darauf schafften sie es mit dem Support einiger Politiker, das gemeinsame Sorgerecht im Eiltempo durchs Parlament zu peitschen. Das zweite heiße Eisen in der Rosenkrieg-Juristik, das Kindesunterhaltsrecht, wurde vom Sorgerecht abgekoppelt und auf später verschoben.

Interessant ist hier die Regelung zum Umzug eines der Eheleute, wenn das Kind bei ihm wohnt, was ja auch hier bereits für Diskussionen gesorgt hat:

Schon jetzt zeigt sich, welches die größte Knacknuss ist: der Zügelartikel.

Bis anhin galt, wer die Obhut über die Kinder hatte, durfte entscheiden, wo er mit ihnen wohnt. Egal, ob sie – und selten er – nach Oberlunkhofen, New York oder Vaduz ziehen wollte, sie musste den Expartner nur informieren, brauchte aber nicht sein Einverständnis. Seit dem 1. Juli 2014 ist das nicht mehr möglich, weil jetzt die Aufenthaltsfrage Teil der elterlichen Sorge ist. Der Paragraf, der nun zu so absurden wie tragischen Fällen wie jenem von Del Vecchio führt, ist aber keine juristische Panne, sondern eines der wichtigsten Anliegen der Väterlobby. Väter, die nur in zwei von zehn Fällen nach der Scheidung mit den Kindern unter einem Dach leben, sahen sich den Müttern ausgeliefert. Mit einem Wegzug war es für die Frauen bisher ein Leichtes, ihre Kinder von den Vätern zu entfremden oder den Kontakt gleich ganz zu zerstören. So das Argument von betroffenen Vätern.

Während die Väterlobby das Beste für sich herausholte, verschliefen die Frauenrechtlerinnen die Debatte. Und so nützt es heute wenig, wenn die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga in der Parlamentsdebatte verlangt hatte, dass der Zügelartikel Umzüge von Müttern nicht verhindern dürfe, wenn im Gesetz klipp und klar steht: „Die elterliche Sorge schließt das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.“

Ich kenne die Regelung in der Schweiz nicht, aber ich vermute auch dort wird man in irgendeiner Weise eine solche Frage gerichtlich entscheiden lassen.

Grundsätzlich würde ich deine genaue Regelung dafür im deutschen Recht aber auch für sinnvoll halten. Denn es ist eine Entscheidung mit großer Reichweite für beide: der eine verliert bei zu großer Entfernung den Umgang mit dem Kind. Der Andere verliert einen Teil seiner persönlichen Freiheit.