Gerade stolperte ich noch mal über einen älteren Kommentar von Nick, den ich gerne noch mal einstellen will:
Es ging in dieser Hinsicht um den „pragmatischen Alltagsfeminismus“ und seine Art, eher auf den konkreten Fall und die persönlichen Erfahrungen abzustellen. Nick meinte dazu:
Hmm. Ich habe auch mit diesem Gedanken gespielt. Bis aus der Ecke der Einwand kam, dass doch schließlich niemand wissen könne wie sie sich in ihrem persönlichen Leben positioniere.
Also darum geht es offenbar: the personal is political. Was sollte “Alltag” in diesem Kontext auch anders bedeuten?
The personal is political, also termed The private is political, is a political argument used as a rallying slogan of student movement and second-wave feminism from the late 1960s. It was a challenge to the nuclear family and family values.[1] It differentiated the second-wave feminism of the 1960s and 1970s from the early feminism of the 1920s, which was concerned with achieving the right to vote for women. The phrase was popularized by feminist Carol Hanisch in her 1969 essay of the same name.
(Diese Sicht auf den 1st Wave ist wohl .. etwas fragwürdig)
http://en.wikipedia.org/wiki/The_personal_is_political
Zu Pragmatismus:
We have not done much trying to solve immediate personal problems of women in the group. We’ve mostly picked topics by two methods: In a small group it is possible for us to take turns bringing questions to the meeting (like, Which do/did you prefer, a girl or a boy baby or no children, and why? What happens to your relationship if your man makes more money than you? Less than you?). Then we go around the room answering the questions from our personal experiences. Everybody talks that way. At the end of the meeting we try to sum up and generalize from what’s been said and make connections.
http://www.carolhanisch.org/CHwritings/PIP.html
Diese Vorgehensweise unterscheidet sich stark von herkömmlicher politischer Theoriefindung. Herkömmliche politische Theoriefindung schaut erstmal, was so alles zu dem Thema schon gedacht wurde und welche Strömungen es gibt, und versucht, dies zu bewerten und sich dazu zu positionieren. Evtl. wird auch alles, was es gibt begründet verworfen. Es wird versucht, Persönliche Erfahrungen (->Alltag) in einen Kontext zu bereits Gedachtem und Praktiziertem zu stellen. Hier wird hingegen versucht, aus gemeinsamen persönlichen Erfahrungen eine Struktur herauszukristallisieren. Man erfindet (scheinbar) das Rad neu.
Wenn man Politik als das Treffen kollektiver Entscheidunden begreift, dann hat man hier also, als wie auch immer geartetes Kollektiv “Feministinnen”, die Entscheidung getroffen diverse persönliche Probleme als Probleme einer Identitätsgruppe in einem gemeinsam herauszuarbeitendem gesellschaftlichen Kontext zu betrachten, und eine Opposition dazu zu formieren.
Grundsätzlich ist das nicht verkehrt: Auch Männerrechtler sehen diverse Probleme in ihrem sozialen Nahbereich als Phänomene eines gesellschaftlichen Kontextes. Allerdings wird bei Männerrechtlern offenbar sichtbarer, was passiert wenn alleine die persönlichen Erfahrungen zum Maßstab gemacht werden und anhand dessen ein Weltbild gestrickt wird.
Eine Neigung, sämtliche persönlichen Probleme in diesen Deutungsrahmen zu stellen ist dabei fast nicht vermeidbar. Da man diese Probleme als Konflikt seiner Identitätsgruppe vs. “der Anderen” deutet, versperrt man sich so den Blick für gegenseitige Bedingtheiten, für individuelle Komponenten und für gesellschaftliche Bedingungen, die auf alle Beteiligten des sozialen Umfeldes einwirken.
Es besteht insbesondere die Gefahr, dass man alles, was irgendwie frustrierend oder verletzend ist, als Symptom eines Interessenskonfliktes der eigenen Identitätsgruppe vs. “der Anderen” deutet. Gruppendynamiken tragen dazu bei, dass man sich darin gegenseitig enorm bestärkt.
Wenn man anhand so entwickelter Theorien dann auch noch Makropolitik entwickelt, ist dann alles zu Spät: Man betreibt eine reine Feindkollektivpolitik.
Das zeigt aus meiner Sicht in der Tat die Gefahr auf, die eine solche Betrachtung mit sich bringt: Wenn man seine eigenen Erfahrungen und Gefühle zugrunde legt und diese nur innerhalb der eigenen Gruppe abgleicht, dann versperrt man sich eben schnell die Perspektive auf die die andere Seite.
Bei radikalen Feministinnen entsteht dann aus dem gemeinsamen Gefühl, dass Männer mehr erreichen können, das Gefühl der Unterdrückung, bei radikalen Maskulisten aus dem Gefühl, dass sie an die Frauen zahlen das Gefühl des Ausgebeutet-Seins etc
Diese Gefühle werden gegenseitig verstärkt und absolut gesetzt, die andere Perspektive kommt dabei schnell zu kurz.
Ein passender Tweet dazu:
https://twitter.com/Mandelbroetchen/status/531376705039241216
„Bewegungen verlieren Realitätsbezug, wenn sie sich mit ihren Zielen gleichsetzen und Kritik an der Gruppe als Angriff auf die Ziele werten.“