Theressa Bäuerlein hat für die Krautreporter eine (feministische) Prostituierte interviewt. Einige Passagen finde ich ganz interessant:
Dass es nicht immer nur um Sixpack und Flachlegen gehen kann, dämmert ja bereits einigen Männern, aber die Grundfigur vom Phallus bleibt bestehen. Das ist wie ein Schatten, der den Mann noch lange begleitet, auch wenn er sich sehr darum bemüht, verletzlich, vorsichtig, demütig zu werden. Selbst wenn er lernen will, zum Beispiel über Gefühl zu sprechen oder eine Frau wirklich liebevoll zu befriedigen, klebt da irgendwie immer noch so lange dieses Ding dran, dass er das jetzt gleich supergut machen will, dass er das Feedback braucht, dass er das sofort kann und großartig macht. Und wenn wir wirklich von einem echten Lernen reden wollen, dann ist diese Erwartung natürlich lächerlich
Es ist Wahnsinn, was Männern, was kleinen Jungs passiert, dass sie ihr ganzes Leben so bedürftig bleiben. Wer hat sie so sehr verunsichert, dass sie ihr ganzes Leben lang an der Bestätigung durch Frauen hängen, wie ein Junkie an der Nadel? Die gehen aus dem Puff ja nicht mit einem grandiosen Gefühl raus, sie fühlen sich nur etwas weniger beschissen. Das ist einfach krass. Diese klare Aufforderung an die Prostituierte: Sei von vorne bis hinten die Verkörperung, mir recht zu geben! Und sie bemühen sich im Gegenzug häufig sehr um meine Lust, sind sehr liebevoll. Weil sie wirklich bereit sind, die Frau zu lieben, sie zum Orgasmus zu bringen, sobald dieser Raum für sie sicher ist. Und dazu gehört, dass die Frau ihn nicht durchfallen lässt. Dass sie sagt: Du bist richtig, du bist willkommen.
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Ich würde sagen, wenn sie wüssten, dass sie eine reale Chance haben, die Prostituierte auch ganz einfach sexuell glücklich zu machen, würden sich alle Mühe geben. Die Männer sind sehr darauf bedacht, so angenehm wie möglich zu sein. Und ihre Art von Traurigkeit, ihre Isolation oder Aufregung oder Frust können sie davon ablenken, oder ihr heimlicher Unfrieden damit, überhaupt im Puff zu sein.
Ich muss noch etwas sagen, denn das habe ich wirklich in der Prostitution gelernt: Alle, alle Frauen unterschätzen ihren Wert für Männer. Nicht nur sexuell, sie unterschätzen auch nicht nur ihr sexuelles Potential, sondern sie unterschätzen ihre unersetzbare Rolle, den Mann glücklich zu machen. Der Mann ist glücklich, wenn die Frau glücklich ist. Das wissen so wenig Männer, dass sie sich oft leider komplett andersrum verhalten. Das ist sowas wie eine Ur-Sehnsucht von Männern, offenbar, und die ist so tief vergraben, dass man es am liebsten als Macho kompensiert.
Die Männer sind aber so viel mehr bereit, Abstriche an ihrer eigenen Lust zu machen, wenn die Frau dafür total abgeht. Das ist wirklich der Hammer. Der Mann kann sexuell seinen Frieden nicht finden, wenn die Frau durch den Sex mit ihm nicht blüht. Wahrscheinlich gilt der männliche Sextrieb deshalb als stärker als der von Frauen. Die Männer können einfach nicht aufhören, diese Erfüllung zu suchen, und gehen leider in der Suche ziemlich viel falsch an. Das ist eine tiefe, archetypische Sehnsucht im Mann. Die Männer sind im Puff und im Prinzip könnte sie nichts glücklicher machen, als wenn ich eine halbe Stunde wirklich durch sie leuchte. Und das passiert nicht. Dadurch hat dieses ganze Drama von Frust und Lust und Puff und Orgasmus und Ficken überhaupt erst angefangen. Das ist ein absolut zentraler Punkt .
Ich kann mir das durchaus vorstellen. Denn die Lust der Frau ist etwas geiles, was einem Bestätigung gibt. Und ihr Lust ist dann vielleicht auch noch eine Art Schulderlass, man schläft nicht mehr mit einer Frau, die das über sich ergehen lässt, sondern die Frau hat Sex mit einem, weil sie es will. Das ist natürlich sehr viel befriedigender, denn dann ist es eine gegenseitige Sache. Die Lust der Frau ist ein starkes Aphrodisiakum für den Mann, umgekehrt scheint das weit weniger der Fall zu sein. Was auch der Grund dafür ist, dass die Darstellung weibliche Lust in einem Porno weitaus wichtiger ist als die Darstellung männlicher Lust.
Evolutionär ist weibliche Lust auch kein schlechtes Signal: Wenn sie einen sexuell anziehend findet und ihre Lust echt ist, dann dürfte das ein sehr gutes Zeichen dafür sein, dass sie tatsächlich an einem interessiert ist und nicht etwa Sex mit einem anderen lieber will, was die Vatersicherheit erhöht.
Und auch diese Passage ist interessant:
Diese Männer brauchen einen Kanal, wo sie es irgendwie rauslassen können, und sie lassen es sexuell raus, und in dem, was sie den Prostituierten mitteilen. Die Not ist groß, irgendwem zu sagen: „Ich liebe meine Frau, aber sie will keinen Sex mehr mit mir. Es hat trotzdem nichts mit meiner Frau zu tun, dass ich jetzt alle Frauen in diesem Laden durchprobiere.“