LoMi nennt drei aus seiner Sicht wesentliche Probleme von „Evolutionisten“
Das Problem der Evolutionisten scheint mir zu sein:
– sie mögen keine systemischen Zusammenhänge
– sie bevorzugen Linearität, nichtlineare Dynamiken sind ihnen suspekt
– Sie meiden Kontingenz wie die Pest
Ich greife mir mal die Kontingenz als erstes heraus:
Kontingenz nach Luhmann
Niklas Luhmann definierte den Begriff wie folgt: „Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (zu Erfahrendes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen.“[1]
Selbst die Wahrnehmung der Welt ist kontingent, ein Individuum kann also beispielsweise den Wald so, aber auch anders wahrnehmen: Einer wird das zu verarbeitende Holz und den Gewinn daraus wahrnehmen, ein anderer die Idylle und das Vogelgezwitscher. Keiner kann von sich behaupten, seine Wahrnehmung sei die einzig mögliche und richtige. Und keiner kann sicher voraussehen, wie der andere diesen Wald nun wahrnimmt aufgrund der Kontingenz des anderen.
Kontingenz beruht also auf Unterscheidungen und Konstruktionen, welche immer so und auch anders sein und gemacht werden könnten. Der Begriff bedeutet insofern eine Negation von Notwendigkeit und Unmöglichkeit. Die prinzipielle Offenheit menschlicher Einstellungen und Handlungen, die zu Komplexität und Unberechenbarkeit führt, soll in manchen Theorien durch eine feste soziale Ordnung überwunden werden.[2] Luhmann hingegen will sie durch Kommunikation überwinden, bei der durch Beobachtung und Versuch und Irrtum im Lauf der Zeit eine emergente Ordnung entsteht. Diese emergente Ordnung nennt Luhmann „soziales System“.[3]
Erkenntnistheoretisch betrachtet ist Kontingenz das (seinerseits kontingente) Wissen darüber, dass jedes Wissen relativ ist. Absolutes Wissen ist prinzipiell unmöglich. „Es kann immer auch ganz anders sein“. Kontingenz hat sich zu einem zentralen Begriff derErkenntnistheorie entwickelt. Er zeigt, dass in sich geschlossene und gleichzeitig universelle Theorien nicht möglich sind. Erkenntnis entsteht vielmehr in selbstreferentiellen Prozessen, auf der Basis vorheriger Erkenntnisse, die bei jeweiligen Wissenschaftsbereichen oder Individuen unterschiedlich sind. Daher kommen verschiedene Wissenschaftsbereiche oder Individuen auf der Basis ihrer bisherigen Erkenntnisse zu verschiedenen neuen Erkenntnissen.
Ein Spezialproblem der Kontingenz ist die doppelte Kontingenz. Sie beschreibt die zunächst scheinbare Unwahrscheinlichkeit von gelingender Kommunikation, wenn zwei Individuen ihre Handlungen jeweils von den kontingenten Handlungen des Gegenübers abhängig machen. Luhmann will die doppelte Kontingenz überwinden durch Kommunikation: Durch Beobachtung des Anderen sowie durch Versuch und Irrtum entsteht im Lauf der Zeit eine emergente Ordnung, die Luhmann „soziales System“ nennt (s.o.).[4]
Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann sieht eine Zunahme der Komplexität des Sozialen im Zuge der funktionalen Differenzierung moderner Gesellschaften. Handlungsoptionen haben zugenommen, somit sind Kontingenzerfahrungen wahrscheinlicher geworden.
Das scheint mir ja im wesentlichen darauf abzustellen, dass man davon ausgeht, dass sich ein Individuum auf sehr viele verschiedene Weisen verhalten kann und eine Vorhersage daher sehr schwierig ist. Es soll also die Komplexität und Unberechenbarkeit des Menschen anführen.
Das steht wohl nach dieser Auffassung biologischen oder evolutionären Erklärungen entgegen.
Aus meiner Sicht erlauben evolutionäre Betrachtungen hingegen eine hohe Komplexität, auch wenn Menschen sich nach bestimmten Regeln verhalten.
Ich möchte einmal die Metapher eines Schachspiels bemühen. Es gibt eine Anzahl von Spielfiguren, die sich alle nur auf eine bestimmte Weise bewegen können. Dennoch ist die Möglichkeit der Spielzüge nahezu unbegrenzt. Dennoch werden trotz dieser unbegrenzten Spielzüge bestimmte Spielzüge nie stattfinden, weil sie sinnlos sind und in bestimmten Spielsituationen werden bestimmte Spielzüge wahrscheinlicher, weil sie sinnvoll sind. Wenn der König bedroht ist, dann wird man ihn schützen, wenn eine wertvolle gegnerische Figur mit geringen Kosten geschlagen werden kann, dann wird man sie (wenn es nicht höhere Kosten unrentabel machen) schlagen etc. Einige Leute werden aus den Regeln und Spielfiguren mehr machen können als andere und ihre Ziele, den König zu schlagen eher umsetzen. Der Gesmatverlauf eines Spiels oder der konkrete nächste Zug ist insoweit nicht exakt zu berechnen, aber man kann dennoch bestimme Züge planen und Reaktionen einschätzen.
Auch beim Menschen besteht eine Gemengelage verschiedener biologisch vorgegebener Wünsche, Triebe und Bedürfnisse, die mit teilweise daraus resultierenden sozialen und vernunftgesteuerten Zielen zur Umsetzung in Konflikt stehen können. Demnach ist auch hier der Mensch nicht planbar, auch wenn wir davon ausgehen können, dass die meisten Menschen bestimmte Ziele haben und in bestimmten Situationen bestimmte Reaktionen zeigen werden um ihre Zeile umzusetzen. Menschen sind vielleicht frei zu tun, was sie wollen, machen aber bestimmte Sachen und insbesondere vernünftige Sachen lieber. Kein Mensch wird einfach so im Zickzack laufen auf dem Weg zur Arbeit, wenn er damit nicht etwas besonderes (etwa den freien Willen) beweisen will.
Wir mögen bezüglich unserer Handlungen auch nicht im konkreten vorhersehbar sein, aber durchaus in Wünschen wie Hunger, Partnerschaft, Sex, Anerkennung, finanzielle Absicherung etc
Andere Betrachtungen ergeben sich unter biologischen Grundannahmen auch aus rationalen Wertungen: Eine 10 auf dem Partnermarkt wird eine 1 auf dem Partnermarkt mit großer Wahrscheinlichkeit uninteressant finden. Weil menschlichen Verhalten zwar nicht im Einzelfall, aber den Motivationen und Überlegungen nach häufig bestimmten Regeln folgt, können wir auch entsprechende gruppenbezogene oder auf Menschen bezogenen Statistiken gewinnbringend auswerten und Handlungsstrategien zB zur Beeinflussung von Menschen erarbeiten, etwa im Verkauf oder in anderen Bereichen, etwa bei der Ermittlung von Gruppenbewegungen bei einer Panik. Wir können auch ansonsten Universalien im Verhalten der Menschen feststellen, auch wenn diese Handlungen des einzelnen Menschen nicht voraussagen.
Ebenso wie Luhmann davon davon ausgeht, dass wir ein „soziales System“ als emergente Ordnung entwickeln kann sich dies auf der Grundlage biologischer Universalien ergeben ohne dabei mit einer Kontingenz in Konflikt zu stehen.
Mein Verständnis von Kontingenz als Konzept ist allerdings sehr eingeschränkt. Insofern bitte ich um nähere Aufklärung zu dem Konflikt (und meinem Mißverständnis des Konzepts)
LoMi nennt drei aus seiner Sicht wesentliche Probleme von „Evolutionisten“
Ich greife mir mal die Kontingenz als erstes heraus:
Das scheint mir ja im wesentlichen darauf abzustellen, dass man davon ausgeht, dass sich ein Individuum auf sehr viele verschiedene Weisen verhalten kann und eine Vorhersage daher sehr schwierig ist. Es soll also die Komplexität und Unberechenbarkeit des Menschen anführen.
Das steht wohl nach dieser Auffassung biologischen oder evolutionären Erklärungen entgegen.
Aus meiner Sicht erlauben evolutionäre Betrachtungen hingegen eine hohe Komplexität, auch wenn Menschen sich nach bestimmten Regeln verhalten.
Ich möchte einmal die Metapher eines Schachspiels bemühen. Es gibt eine Anzahl von Spielfiguren, die sich alle nur auf eine bestimmte Weise bewegen können. Dennoch ist die Möglichkeit der Spielzüge nahezu unbegrenzt. Dennoch werden trotz dieser unbegrenzten Spielzüge bestimmte Spielzüge nie stattfinden, weil sie sinnlos sind und in bestimmten Spielsituationen werden bestimmte Spielzüge wahrscheinlicher, weil sie sinnvoll sind. Wenn der König bedroht ist, dann wird man ihn schützen, wenn eine wertvolle gegnerische Figur mit geringen Kosten geschlagen werden kann, dann wird man sie (wenn es nicht höhere Kosten unrentabel machen) schlagen etc. Einige Leute werden aus den Regeln und Spielfiguren mehr machen können als andere und ihre Ziele, den König zu schlagen eher umsetzen. Der Gesmatverlauf eines Spiels oder der konkrete nächste Zug ist insoweit nicht exakt zu berechnen, aber man kann dennoch bestimme Züge planen und Reaktionen einschätzen.
Auch beim Menschen besteht eine Gemengelage verschiedener biologisch vorgegebener Wünsche, Triebe und Bedürfnisse, die mit teilweise daraus resultierenden sozialen und vernunftgesteuerten Zielen zur Umsetzung in Konflikt stehen können. Demnach ist auch hier der Mensch nicht planbar, auch wenn wir davon ausgehen können, dass die meisten Menschen bestimmte Ziele haben und in bestimmten Situationen bestimmte Reaktionen zeigen werden um ihre Zeile umzusetzen. Menschen sind vielleicht frei zu tun, was sie wollen, machen aber bestimmte Sachen und insbesondere vernünftige Sachen lieber. Kein Mensch wird einfach so im Zickzack laufen auf dem Weg zur Arbeit, wenn er damit nicht etwas besonderes (etwa den freien Willen) beweisen will.
Wir mögen bezüglich unserer Handlungen auch nicht im konkreten vorhersehbar sein, aber durchaus in Wünschen wie Hunger, Partnerschaft, Sex, Anerkennung, finanzielle Absicherung etc
Andere Betrachtungen ergeben sich unter biologischen Grundannahmen auch aus rationalen Wertungen: Eine 10 auf dem Partnermarkt wird eine 1 auf dem Partnermarkt mit großer Wahrscheinlichkeit uninteressant finden. Weil menschlichen Verhalten zwar nicht im Einzelfall, aber den Motivationen und Überlegungen nach häufig bestimmten Regeln folgt, können wir auch entsprechende gruppenbezogene oder auf Menschen bezogenen Statistiken gewinnbringend auswerten und Handlungsstrategien zB zur Beeinflussung von Menschen erarbeiten, etwa im Verkauf oder in anderen Bereichen, etwa bei der Ermittlung von Gruppenbewegungen bei einer Panik. Wir können auch ansonsten Universalien im Verhalten der Menschen feststellen, auch wenn diese Handlungen des einzelnen Menschen nicht voraussagen.
Ebenso wie Luhmann davon davon ausgeht, dass wir ein „soziales System“ als emergente Ordnung entwickeln kann sich dies auf der Grundlage biologischer Universalien ergeben ohne dabei mit einer Kontingenz in Konflikt zu stehen.
Mein Verständnis von Kontingenz als Konzept ist allerdings sehr eingeschränkt. Insofern bitte ich um nähere Aufklärung zu dem Konflikt (und meinem Mißverständnis des Konzepts)