Folgt aus den biologischen Theorien, dass soziale Geschlechtergerechtigkeit irrelevant ist?

Elmar kommentiert bei LoMi wie folgt:

Der Biologismus formuliert seine eigene Teleologie. Und die ist für Männerrechte keineswegs gleichgültig, denn sie erklärt, daß Geschlechtergerechtigkeit in sozialen und nicht in wirtschaftlichen Zusammenhänge, politische Macht oder was sonst Status verleihen möge, einfach irrelevant ist.

Was ich und vermutlich zum Teil du auch wollen, eine soziale Realität ohne Ausbeutung, kann der Biologismus einfach nicht verstehen, denn sie ist für ihn unnatürlich und einfach nur eine Folge der Tatsache, daß du und ich irgendwelche Betas, Gammas oder Omegas sind, die sich einfach über zu wenig Status im Vergleich zu den alpha-Männern beschweren.

Deshalb ist Biologismus maskulistisch kontraproduktiv.

Wenn man davon ausgeht, dass „Biologismus“ hier biologische Theorien meint, wie ich sie vertrete, dann erstaunt mich diese Theorie mal wieder.

Richtig ist, dass evolutionäre Prozesse erst einmal keine „Gerechtigkeit“ kennen, ziellos sind (wenn sie auch in eine bestimmte Richtung verlaufen können) und die Theorien keine Rücksicht darauf nehmen, dass sie Männern oder Frauen gefallen.

Das bedeutet aber nicht, dass man diese nicht zusammen mit Geschlechtergerechtigkeit oder anderen maskulistischen Forderungen vertreten kann.

Elmar unterstellt hier schlicht einem naturalistischen Fehlschluss (Die Gleichsetzung von “Natürlich” mit “Gut, Richtig oder schön”).  Ein solcher Fehlschluss wird aber gerade innerhalb der biologischen Theorien abgelehnt.

Wenn es eine Ausbeutung der Betas, Omegas oder Betas gibt, dann kann man die auch dann anprangern, wenn man meint, dass Betas einen geringeren Wert auf dem sexuellen Markt haben. Es gibt aber auch keine biologische Regel, dass Betas, Omegas oder Gammas per se ausgebeutet werden müssen.

Im übrigen gibt es natürlich auch weibliche Betas, Gammas oder Omegas, die einen männlichen Beta, Gamma oder Omega vielleicht schlicht als gleichwertig oder eben sogar höherwertig auf dem Partnermarkt ansehen.

Und männliche Alphas, die an einer weiblichen Beta schlicht nicht interessiert sind.

Aber auch die Feststellung, dass es einen unterschiedlichen Partnerwert gibt rechtfertigt keine Ausnutzung. Genauso lässt es Ausnutzung nicht verschwinden, wenn man davon ausgeht, dass es keinen unterschiedlichen Partnermarktwert sowohl innerhalb der Gruppe der Männer als auch der Frauen gibt. Schon gar nicht kann man gegen eine Ausbeutung angehen, wenn man dabei von falschen Grundlagen bei Männern und Frauen ausgeht. Im Gegenteil: Dann wird man eher entweder Ausbeutung sehen, wo vielleicht keine ist oder falsche Mittel zu deren Beseitigung vorschlagen.

Meiner Meinung nach ist der größte Fehler, den man machen kann, von einer falschen Theorie auszugehen und auf der Basis dieser dann eine Lösung für das Problem zu suchen – ein einfaches Beispiel wäre eine Theorie, bei der die Erde der Mittelpunkt des Universums ist, und sich die Sonne um die Erde dreht. Auf dieser Basis eine Berechnung für einen Weltraumflug durchzuführen ist sicherlich möglich – es gibt ja Modelle der Planetenbewegungen auf dieser Basis, muss aber zwangsläufig dazu führen, dass man sein Ziel nicht erreicht.

Das dies zu Fehlern führt sieht man im Gleichheitsfeminismus. Dort wird eben jeder Unterschied mit Machtstrukturen zugunsten der Männer begründet. Dabei handelt es sich teilweise eher um Unterschiede, die auch ein unterschiedliches Interesse an zB beruflichen Status zur Folge haben oder eine andere Arbeitsverteilung in der Familie begründen.

Auch daraus folgt aber nicht, dass man diese Arbeitsteilung per se als gerecht, weil biologisch bedingt, annehmen muss. Wer sie nicht will, der kann natürlich jederzeit eine andere vornehmen. Und es folgt auch nicht aus der Biologie, dass man die Regelungen im Familienrecht auf die vorgenommene Weise ausgestalten muss, um damit eine Absicherung für den Fall der Trennung herbeizuführen. Im Gegenteil: soziale Netze wie eine Rentenversicherung, einen Krankenversicherung, Unterhaltsregelungen sind insoweit evolutionär vollkommen neue kulturelle Ausgestaltungen, die typische evolutionäre Kostenberechnungen vollkommen umwerfen. Nichts in der Biologie bedingt einen Unterhalt, einen Zugewinn oder einen Versorgungsausgleich. Nichts in der Biologie rechtfertigt die Annahme einer kulturell geschaffenen Rape Culture oder die Einstellung, dass Frauen per se sozial inkompetent sind.

Man kann meiner Meinung nach auch Unterschiede anerkennen, aber dennoch für gleiche rechtliche Regelungen für Männer und Frauen sein. Und man kann gleichzeitig der Auffassung sein, dass in bestimmten Bereichen gleiche Regelungen sich zu ungunsten eines Geschlechts auswirken können (Unterhaltsregelungen sind ja erst einmal geschlechterneutral gehalten, belasten aber üblicherweise eher Männer). Das bedeutet nicht, dass man dann Gesetze nach Geschlechtern verschieden gestalten soll, sondern eher, dass eine gerechtere neutrale Lösung gefunden werden muss und dies dann eher von einem Geschlecht gefordert werden wird.

Aus bestimmten Ansichten mag eine andere Einstellung dazu kommen, was man als Ausbeutung ansieht. Wenn Männer und Frauen im Schnitt andere Interessen und andere Triebe etc haben, dann folgen daraus auch andere Payoffs für bestimmte Verhalten etc. Aber Ausbeutung ist ja gerade weil Werte subjektiv sind, auch ein Punkt, den man außerhalb biologischer Theorien anders beurteilen kann.