Selbermach Samstag XCVIII

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade? Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs oder auf den Blogs anderer? Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Story Telling und „Canned material“

Ein Freund von mir kann wunderbar erzählen, aber er hat auch seine besonderen Lieblingsgeschichten. Wenn wir in einer neuen Gruppe sind und es auf bestimmte Themen kommt, dann erkenne ich mitunter schon seine leichten Überleitungen zu einer der Geschichten und weiß, dass er sie gleich erzählen wird. Sie sind gut und kommen in der Regel gut an, aber ich habe sie auch schon zwanzig mal gehört. Ich habe inzwischen sogar schon eine Anschlußgeschichte parat, die ebenfalls lustig ist. Je nach Stimmung schiebe ich sie nach. Sie gehört zu meinem Fundus von Geschichten, die ich auch ansonsten gern erzähle.

Jeder hat solche Geschichten, die er in bestimmten Situationen gerne erzählt und bei denen die Freund bereits beim Ansetzen schmunzeln, weil sie wissen, was kommt.

Das ist normal.

Neulich war ich auf einer Party und in der Runde, in der ich mich aufhalte stehen Männer und Frauen recht gemixt. Es ist eine WG-Party, Informatiker sind bunt gemischt mit Medienwissenschaftlern, Lehrämtlern und was noch nicht alles. Einer der Gäste flirtet mit einer recht hübschen Frau, sie scheinen sich gut zu verstehen, es ist eine gute Dynamik, in die auch der Rest der Gruppe eingebunden ist. Er erzählt ein paar lustige Geschichten, was zwei andere Gäste daran an eine andere lustige Geschichte erinnert, die ihnen beiden geschehen ist. Der eine von beiden, sagen wir mal erkennbar nicht derjenige, der erfolgreich bei Frauen ist, hatte wohl auf einer Party eine Frau kennengelernt, der andere, der sonst keinen auf der Party kannte, hatte keine Lust alleine zu sein und hat solange schlechte Geschichten über seinen Freund erzählt, bis es der Frau zu blöd wurde und sie gegangen ist. Dabei ist es durchaus lustig, was er über seinen Freund erzählt hatte, er merkt aber gar nicht, dass es ihn selbst und seinen Freund erneut verdammt schlecht aussehen lässt. Denn der eine hat es ihm erkennbar nicht gegönnt, dass er eine Frau kennen lernt und das gibt für beide kein gutes Bild. Weder er noch sein Freund merken es. Sie finden die Geschichte lustig und merken ihre Wirkung gar nicht. Man merkt ihm auch an, dass er sie gerne erzählt.

Das alles erinnert mich an einige Lektionen aus Pickup in denen es darum geht, dass man sich etwas „Füllmaterial“ beschafft, um die erste Zeit mit einer Frau zu gestalten, wenn man diese als neuen Kontakt anspricht. Der Gedanke dabei ist, dass derjenige, der jemanden anspricht, interessant sein muss, damit der andere das Gespräch fortsetzen will. Kommt es zu „Hi, ich bin X, wie heißt du“ Ich heiße Y“ „Achso …. äh…. *grillenzirpen* *einrunderbuschballrolltdurchdasgespräch* … Was machst du so?“ dann wird sie den ersten Kontakt nicht als anregend wahrnehmen und – sofern sie nicht zufällig bereits aufgrund körperlicher Anziehungskraft oder anderen Umständen eh auf einen steht, eher nach Möglichkeiten suchen, einen wieder loszuwerden.

Pickup geht daher davon aus, dass es in dieser Phase, in der man quasi Anziehung generieren muss, am besten etwas material parat hat, was man statt der nutzen kann, dass man also Routinen und Stories entwickelt, mit denen man über die erste Zeit hinwegkommt. Dazu gibt es verschiedene Routinen, Spiele oder sonstiges Material, bei dem man schauen muss, ob es zu einem passt. Am interessantesten fand ich aber die dortigen Ausführungen dazu, wie man sein eigenes Material verbessert und sortiert.

In einer Flirtsituation sollte man danach nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern eine, die einen in einem guten Licht darstellt und die richtigen Gefühle erzeugt. In einem der Bücher war irgendwo das Beispiel, dass einer die Geschichte erzählte, wie er in einem Fastfoodrestaurant in einem Bürger mal auf eine dort enthaltene Schabe gebissen habe. Selbst wenn man diese Geschichte gut erzählt erzeugt sie im wesentlichen Ekel, der dann mit dem Erzähler verbunden wird und den Gedanken, diesen zu küssen, sicherlich eher nach hinten verlagert.

Statt solcher Geschichten wird demnach – da man sich in einer Phase befindet, in der es um sexuelle Anziehung geht – eher dazu geraten, dass man eine Geschichte erzählt, die klassische „Attraction Switches bedient, also:

  • Pre-selected by women (“Von anderen Frauen für gut befunden)
  • Leader of men. (Anführer anderer Menschen)
  • Protector of loved ones (Beschützer von ihm Nahestehenden)
  • Willing to emote (In der Lage gesunde Gefühlsbindungen einzugehen)

Geschichten können ein Bild von einem selbst transportieren und das kann positiv oder negativ sein. Es liegt an einem selbst, da ein gutes Bild darzustellen. Natürlich kann das ein schmaler Grad sein: Wer es übertreibt, der wirkt nicht mehr authentisch, seine Geschichten wirken überkonstruiert. Wer eine Geschichte erzählt, bei der er alle Frauen bekommen hat, alle Männer ihn folgten und er am Ende noch seine Nichte aus dem brennenden Haus rettet, dem wird man in den meisten Fällen nicht glaube.

Man muss also eine Geschichte auswählen, die zu einem passt und nicht einfach irgendetwas aus dem Netz nehmen. Aber es kann sich lohnen, seine bereits bestehenden Lieblingsgeschichten mal daraufhin zu untersuchen, ob sie diese Elemente enthalten. Und die dann vielleicht etwas mehr zu betonen. Und die, die das nicht tun, daraufhin zu untersuchen, was sie eigentlich für ein Bild von einem transportieren.

Pickup rät auch, dann an seinem Stil zu arbeiten. Eine gute Geschichte nimmt einen mit auf eine Reise, sie erzeugt Gefühle. Eine gute Geschichte hat eine Struktur und passend gesetzte Pointen/Höhepunkte. Die gleiche Geschichte wird von einem Erzähler langweilig, vom zweiten super lustig sein. Weil er ihren Rhythmus falsch setzt oder die Pointe vorwegnimmt. Weil er sie zu trocken erzählt oder zu lang und mit zu vielen unwichtigen Details. Weil er nicht darauf achtet, ob seine Zuhörer die tolle Geschichte auch wirklich interessiert – die beste Geschichte ist verloren, wenn das Publikum nicht für sie bereit ist und eigentlich zB gerade den Ort wechseln möchte.

Gegen Canned Material wird häufig eingewandt, dass nichts langweiliger ist, als eine Geschichte immer wieder zu erzählen und man nicht der Typ sein möchte, der das macht. Aber wir alle haben für klassische Gesprächssituationen unserer Standarderwiderungen, wir haben unsere Standardgeschichten und unsere Standardwitze. Es fällt einem nur vielleicht nicht so auf, wenn man es sich nicht bewußt macht. Natürlich: Wenn das Gespräch eh fließt, dann kann man auch gut darauf verzichten. Aber es schadet nichts, ein paar Pfeile im Köcher zu haben, die einen etwas interessanter machen. Und wer daran arbeitet, diese immer weiter zu verbessern oder sich auch nur allgemein damit auseinandersetzt, wie man eine Geschichte besser erzählt, der kann dieses Wissen und diese Geschichten einsetzen, wenn er sie braucht.

Vorbereitet zu sein ist selten ein Fehler.