Schoppe beleuchtet in einem Kommentar die Zielgerichtetheit konventioneller Flirttechniken (in Abgrenzung zu Pickup):
Ein großer Irrtum bei der Bewertung von PU ist vielleicht, dass hier die Kalkuliertheit des Handelns von Pickuppern kritisiert und damit zugleich der Eindruck erweckt wird, das Handeln in romantischen Kontexten sei normalerweise unkalkuliert. Das ist aber ganz gewiss nicht so – unscharfe, verschwommene Vorstellungen davon, was funktioniert, leiten m.E. das Handeln aller, die versuchen, Beziehungen anzubahnen. Nur dass diese mehr oder weniger bewussten Strategien eben oft ziemlich wenig erfolgversprechend sind. Ich hab mal einige zu formulieren versucht:
1. Die Ich-demonstriere-ihr-ihren-unvergleichlichen-Wert-Strategie Es ist ja tatsächlich so: Wenn man verliebt ist, erscheint die Frau – oder auch der Mann – als absolut einzigartig, besonders etc., auch wenn das nicht zwangsläufig zu einer Die-oder-keine-Haltung führen muss. Man hat dann das Gefühl: Wenn ich ihr zeige, wie unendlich viel sie mir wert ist, und wie besonders sie für mich ist, dann kann das für sie doch nur toll sein – wäre es umgekehrt für mich doch auch!
Nach meiner Erfahrung klappt das aber nur dann recht gut, wenn die Frau eh schon sehr interessiert ist – ansonsten kann es sehr schnell abschreckend oder aufdringlich wirken. Oder gar gruselig. Ich könnte mir vorstellen, dass es mir auch ab und zu Spaß machen würde, mal ein bisschen auf einen Sockel gestellt zu werden – aber von dort oben sieht der andere Mensch dann eben eher klein als sexy aus.
2. Die Mut-braucht-Treibstoff-Strategie Alkohol ist nach meiner Erfahrung beim Kennenlernen tatsächlich nur in kleinen Dosen (Dosierungen mein ich, nicht Dosenbier) hilfreich. Ich hab aber ziemlich oft das erlebt, was Gerhard auch beschrieben hat – dass Männer sich erst einmal Mut antrinken, bevor sie eine Frau ansprechen. Das Problem ist dabei nunmal oft, dass Alkohol schnell Selbst- und Fremdwahrnehmung weit auseinander schiebt. Je charmanter und witziger man sich selbst fühlt, desto seltsamer sieht man aus der Sicht anderer aus. Ebenso die Sexualität: Das Gefühl der eigenen Potenz steigt unter Alkoholeinfluss bekanntlich umgekehrt proportional zur Fähigkeit, diese Potenz sinnvoll und für alle Seiten gewinnbringend einzusetzen. Es kommt ja vor, dass ein angetrunkener Mann vom Tisch aufspringt, mutig „Jetzt bums ich die ganze Welt!“ schreit, vorher nochmal kurz zum Klo gehen will und dann auf dem Weg zur Toilette einschläft.
3. Die Ich-öffne-ihr-mein-Herz-Strategie Das hab ich in meiner Jugendzeit erstmal so betrieben, ohne sonderlich großen Erfolg. Verliebtheitsgefühle lange mit sich rumzutragen, sie zu nähren und zu pflegen, bis man das Gefühl hat, sie müssen raus – und dann der Angebeteten irgendwann, und möglichst unangekündigt, das Herz zu öffnen. Man sieht dabei gar nicht, dass die Gefühle, in denen man Tag für Tag gelebt hat, für sie ja möglicherweise unerwartet und ein wenig überfallartig daherkommen. In so einer Situation ist es kein Wunder, wenn sie erstmal sicheres Territorium sucht und sich auf Äußerungen wie „Ich hab Dich gern als Freund, aber…“ zurückzieht.
Eine noch kompliziertere Variante davon ist es, ihr die eigenen Gefühle zu eröffnen, damit man sich endlich von diesen Gefühlen befreien kann – kalkulierend: Wenn sie „Nein“ sagt, zerstört sie meine Hoffnung, und ich komm endlich drüber weg. Das wirkt subjektiv sehr verliebt, ist aber eigentlich sehr egozentrisch – weil ein Mann damit die Frau für sein eigenes Gefühlsmanagement verantwortlich macht (oder umgekehrt). Gibt es aber nach meiner Erfahrung auch noch bei erwachsenen Menschen so.
4. Die Schau-wie-ich-leide-Strategie Auch das gibt es nach meiner Erfahrung wirklich: Dass ein Mann einer Frau regelrecht demonstriert, wie schlimm es für ihn ist, nicht von ihr erhört zu werden. Subjektiv zeigt man ihr damit die Tiefe der eigenen Gefühle – und dass man opferbereit bei diesen Gefühlen bleibt, selbst wenn ihre Erfüllung aussichtslos ist. Von außen betrachtet ist dieses Verhalten manipulativ und insgeheim wohl auch aggressiv.
Wenn ich bei einer Frau landen will, sollte ich natürlich schon dafür sorgen, dass sie sich in meiner Gegenwart einigermaßen wohlfühlt. Wenn ich ihr demonstriere, wieviel sie mir eigentlich antut, wird das für sie eher sehr unangenehm sein – es sei denn, sie ist Sadistin. Diese Strategie wirkt also nur bei Menschen, vor denen man ohnehin besser davonlaufen sollte.
Das lässt sich sicher fortsetzen und ist in PU-Kontexten sicher auch schon viel eingehender beschrieben worden. Worauf ich aber hinauswill: Mit stillschweigenden Kalkülen arbeiten alle, die Beziehungen anbahnen – und gerade romantische Selbst- und Fremdbilder basieren oft darauf, dass diese Kalkuliertheit einfach nicht wahrgenommen wird.
Vielleicht noch wichtiger: Alle Strategien, die ich oben skizziert habe, sind eben deswegen recht sinnlos, weil sie eigentlich egozentrisch sind. Die Überlegung, was das eigene Verhalten jeweils für die Frau bedeutet, spielt bestenfalls eine sehr untergeordnete Rolle. Eben das gefällt mir aber an PU – dass dabei (es sei denn bei solchen seltsamen Gestalten wie Krauser oder Heartiste) die Perspektive der Frau prinzipiell mit einkalkuliert wird.
Provokant dabei ist wohl, dass diese Empathie nicht altruistisch ist, oder romantisch, sondern im Dienste eigennütziger Kalküle steht. Was aber kein gravierender Skandal ist – eigennützig sind andere, „romantischere“ Kalküle eben auch.
All das sind in der Tat „konventionelle Strategien“ des Flirtens, die die meisten Frauen wohl zu einem großen Teil nicht unbedingt begeistern werden. Es sind auch klassische Fehler, die zwar nicht unbedingt verhindern müssen, dass das Ganze schief geht, aber es wesentlich zufälliger machen als bei durchdachteren Konzepten