Haustyrannenmord – Heimtückische Tötung des gewalttätigen Partner

In der Süddeutschen schreibt Heribert Prantl über die Reform des Mordparagraphen, der sozusagen ein „qualifizierter Totschlag“ ist. Wer einen Menschen tötet und dabei eine der in § 211 StGB aufgeführten Varianten erfüllt, für den ist Lebenslänglich als Folge auszuurteilen.

Diese sehr unflexible Folge wurde in vielen Fällen als problematisch angesehen, insbesondere auch bei den sogenannten Haustyrannenmorden, also den Fällen, wo üblicherweise die Frau ihren Mann umbringt und angibt, dass sie nicht anders handeln konnte, da er sonst ihr und den Kindern Gewalt angetan hätte und sie sich sonst nicht aus seinem Einflusskreis hätte lösen können. Da aus diesen Gründen der Mann meist umgebracht wird, während er schläft, erfüllt die Tat meist das Mordmerkmal der Heimtücke.

Gleichzeitig besteht eben mitunter eine Situation, in der die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als problematisch angesehen wird. Durch die Reform würde das Strafmaß in dieser Hinsicht flexibler. Prantl dazu:

Das hat die Juristen im Rechtsstaat Bundesrepublik vor große Schwierigkeiten gestellt: Was macht man beim sogenannten Haustyrannenmord? Höchststrafe für eine Frau, die ein zehnjähriges Martyrium hinter sich hat? Lebenslange Strafe für eine Frau, die von ihrem Mann, einem Koloss, jahrelang grün und blau und „im Viereck“, wie der sich gebrüstet hat, durch die Wohnung geprügelt wurde? Jeder wusste das, aber auch der Ortspolizist griff nicht ein, er kam nicht auf die Idee, die Frau in einem Frauenhaus unterzubringen.

Die Frau hatte heillose Angst davor, dass der Gatte im Suff nicht nur sie, sondern auch das Kind traktiert. Sie hat ihn im Schlaf mit dem Messer umgebracht. Im Schlaf – das ist Heimtücke. Heimtücke ist Mord. Mord heißt lebenslänglich. Die Gerichte haben zirkusreife Verrenkungen gemacht, um diese Folge zu vermeiden. Darf ein Gesetz eine gerechte Rechtsfolge so erschweren?

Diese zirkusreifen Verrenkungen beschreibt der Wikipediaeintrag zum Haustyrannenmord:

Nach deutschem Recht ist die Tat selbst bei jahrelangen Misshandlungen nicht durch Notwehr im Sinne des § 32 Strafgesetzbuch (StGB) gerechtfertigt. Es mangelt an der Gegenwärtigkeit eines Angriffs. Auch scheitert nach herrschender Meinung ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB daran, dass das Rechtsgut Leben einer Abwägung nicht zugänglich ist. Eine Entschuldigung nach § 35 StGB wird häufig mit der Begründung versagt, dass die Tat im Sinne dieser Vorschrift anders abwendbar war, beispielsweise durch die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe.[1]

Problematisch ist in Haustyrannenfällen die Vereinbarkeit der an sich obligatorischen lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 211 I StGB mit dem Schuldgrundsatz.[2] Daher versucht die Rechtsprechung, auf der Ebene der Strafzumessung eine angemessene, den oft jahrelang vorausgehenden Misshandlungen gerecht werdende mildere Strafe gemäß § 49 I Nr. 1 StGB auszusprechen.[1] Juristen nennen dies die Rechtsfolgenlösung.

Kritik dazu kommt auch aus der Männerbewegung, die üblicherweise anführt, dass in diesen Fällen der Mann tot ist und insofern die Frau erzählen kann, was sie will. Es bleibt ihr immer ungenommen, ihren Mann als Tyrannen darzutstellen und dann mit einer niedrigeren Strafe davonzukommen,

Hierzu muss man klar stellen, dass es in der Beweisaufnahme der Staatsanwaltschaft natürlich frei steht auch andere nahe Bekannte des Mannes zu befragen und dann als Zeuge zu benennen, ebenso wie evtl vorhandene Kinder. Natürlich kann die Aussage der Frau ein hohes Gewicht haben, es ist jedoch nicht richtig, dass sie hier einfach behaupten kann, was sie will.

Zudem ist es eben – und das mag in anderen Rechtsordnungen anders sein – keine Notwehr, da diese eine gegenwärtige Gefahr erfordert, sondern es kommt nur eine Milderung der Strafe in Betracht.

Ich denke es ist interessant, in solchen Fällen einmal einen tatsächlichen Fall zu lesen, wie ihn das Gericht nach seiner Beweisaufnahme sieht (BGH NJW 2003, 2464-2468)

Nach den Feststellungen des Landgerichts erschoß die Angeklagte am 21. September 2001 gegen Mittag ihren schlafenden Ehemann M. F. mit dessen Revolver. Dieser hatte sie über viele Jahre hinweg durch zunehmend aggressivere Gewalttätigkeiten und Beleidigungen immer wieder erheblich verletzt und gedemütigt. Als sie die Tat beging, sah sie keinen anderen Ausweg mehr, um sich und auch die beiden gemeinsamen Töchter vor weiteren Tätlichkeiten zu schützen.
Die Angeklagte lernte M. F. im Jahre 1983 kennen und freundete sich mit ihm an. Dieser war bereits damals Mitglied einer Rockergruppe. Er wurde alsbald gegenüber der Angeklagten tätlich, indem er sie ohrfeigte. Gleichwohl heiratete die Angeklagte ihn 1986. Später, nach der Geburt der ersten Tochter J., versetzte er ihr auch Faustschläge ins Gesicht oder in die Magengegend und trat sie, wenn irgendetwas im täglichen Ablauf nicht seinen Vorstellungen entsprach oder die Angeklagte seinen „Befehlen“ nicht mit der erwarteten Schnelligkeit nachkam. Zudem ging er immer mehr dazu über, bei jeder alltäglichen Verrichtung die Hilfe der Angeklagten in Anspruch zu nehmen. Auch mußte sie sämtliche Gegenstände wegräumen, die er irgendwo liegen ließ. Als die Angeklagte schließlich mit der zweiten Tochter T. schwanger war, nahm er hierauf keine Rücksicht und versetzte ihr auch jetzt Fußtritte und Faustschläge in den Bauchbereich. Hierauf führte die Angeklagte zurück, daß T. mit einer Lippen-Gaumen-Spalte zur Welt kam.
Die Gewalttätigkeiten nahmen schließlich solche Ausmaße an, daß die Angeklagte im Mai 1988 den Entschluß faßte, sich von ihrem Mann zu trennen. Sie begab sich in ein Frauenhaus. Ihre Eltern waren nicht bereit, sie aufzunehmen, weil sie Furcht vor den Nachstellungen M. F.’s hatten. Nachdem dieser jedoch Besserung gelobt hatte, kehrte die Angeklagte nach vier Wochen zu ihm zurück. Im Jahr 1993 kam es zu einem weiteren Übergriff, bei dem er sie so lange schlug, bis sie auf dem Boden liegen blieb. Danach trat er auf die am Boden Liegende mit seinen Springerstiefeln mehrfach ein; dabei erlitt sie eine Nierenquetschung. In der Klinik täuschte die Angeklagte zur Verschleierung indessen einen Sturz vor. Ein anderes Mal stieß M. F. den Kopf der Angeklagten mehrfach mit solcher Heftigkeit gegen eine Zimmerwand, daß diese großflächig mit Blut verschmiert wurde und die Angeklagte bewußtlos zu Boden fiel. Er selbst nahm an, er habe sie getötet. Seit Mitte der 90er Jahre schlug er sie, wann immer er meinte, sie habe etwas falsch gemacht. In einem Falle versetzte er ihr mitten in der Nacht während des Schlafes einen Faustschlag ins Gesicht, weil sie ihm nach seiner Auffassung Anlaß zu eifersüchtigen Träumen gegeben hatte; die aufgeplatzte Lippe mußte chirurgisch versorgt werden.
Nachdem die Eheleute schließlich ein Hausgrundstück gekauft hatten und M. F. selbst Hand im Garten anlegte, erwartete er, daß die Angeklagte auf seinen Wink notwendige Werkzeuge oder Hilfsmittel herbeiholte; dabei titulierte er sie regelmäßig als „Schlampe“, „Hure“ oder „Fotze“ und bedachte sie mit Ohrfeigen oder Fußtritten. Registrierte er, daß diese Handlungsweise von Nachbarn beobachtet werden konnte, schickte er die Angeklagte ins Haus, folgte ihr und verabreichte ihr dann dort weitere Faustschläge und Fußtritte.
In der neuen Umgebung wurden seine Gewalttätigkeiten noch intensiver und häufiger. Es kam vor, daß er seine Frau mit einem Baseballschläger oder sonstigen Gegenständen schlug, die gerade für ihn greifbar waren. Schließlich mißhandelte und demütigte er sie auch vor seinen Freunden in seinem Motorradclub: Weihnachten 2000 schlug er sie in Anwesenheit der versammelten Vereinsmitglieder, zwang sie vor ihm niederzuknien und ihm nachzusprechen, sie sei eine „Schlampe“ und der „letzte Dreck“.
Die Angeklagte nahm die ständigen Beleidigungen und Körperverletzungen ohne Widerworte oder gar Gegenwehr hin; sie meinte, daß ihr Mann sich sonst noch mehr erzürnen und noch kräftiger zuschlagen würde.
Nachdem M. F. sich im April 2001 als Gastwirt selbständig gemacht hatte, steigerten sich seine Gewalttätigkeiten weiter. Er schlug nicht nur die Angeklagte. Auch die Töchter J. und T. bekamen jetzt Schläge „ins Genick“, wenn sie sich seiner Auffassung nach aufsässig oder unbotmäßig verhielten. Die Angeklagte, die M. F. in jeder freien Minute für Handreichungen bei allen alltäglichen Verrichtungen zur Verfügung zu stehen hatte und ihn bedienen mußte, fand seit der Eröffnung der Gaststätte kaum mehr Schlaf. Durch die fortgesetzten Beleidigungen und Tätlichkeiten geriet sie an die Grenzen ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit. Körperlich magerte sie immer mehr ab. Im Sommer 2001 war sie ein drittes Mal von M. F. schwanger, erlitt aber im August, also etwa einen Monat vor der Tat, eine Fehlgeburt.
In den letzten beiden Tagen vor der Tat hatte M. F. außergewöhnlich heftige Wutanfälle. So regte er sich auf, weil er fürchtete, nicht rechtzeitig zur Öffnung seiner Gaststätte zu kommen. Er machte die Angeklagte dafür verantwortlich, weil sie ihn nicht früher geweckt habe. Als er sich über eine im Windzug klappernde Tür erregte und die Angeklagte versuchte, ihn zu beschwichtigen, gab er ihr mehrere wuchtige Ohrfeigen, die sie zu Boden warfen. Daraufhin trat er barfuß auf sie ein. Kurze Zeit später versetzte er ihr unvermittelt einen so starken Faustschlag in den Magen, daß sie sich vor Schmerz zusammenkrümmte. Anschließend ohrfeigte er sie heftig. Er war nun wütend, weil die Angeklagte dabei gegen eine Tür gestoßen war; er hielt ihr vor, daß die Tür hätte beschädigt werden können. Sodann trat er, der nun Springerstiefel trug, mindestens zehnmal auf die schließlich am Boden liegende Angeklagte ein, kniete sich auf sie und schlug ihr mit den Fäusten ins Gesicht. Er zog sie an den Haaren zu sich heran und biß ihr in die Wange. Infolge der Verletzungen konnte die Angeklagte an diesem Tag nicht das gemeinsame Lokal aufsuchen und mußte auch einen Zahnarztbesuch absagen.
Als M. F. am Tattag gegen 3.30 Uhr aus seinem Lokal nach Hause kam, stritt er erneut mit der Angeklagten. Eine halbe Stunde lang beschimpfte er sie, bespuckte sie und schlug ihr ins Gesicht, so daß sie aus dem Mund blutete. Schließlich ging er zu Bett, während die Angeklagte wach blieb, weil sie die Kinder um 6.00 Uhr für die Schule fertig machen mußte. Später, gegen 9.00 Uhr, stieß sie beim Aufräumen in der Wohnung auf den von M. F. illegal erworbenen achtschüssigen Revolver „Double Action“ der Marke Arminius, Kaliber 22 Magnum, nebst Munition. Diesen verwahrte ihr Mann normalerweise in der Gaststätte, um sich gegen Racheakte verfeindeter Rockergruppen und Überfälle zu schützen.
Die Angeklagte hielt ihre Situation für vollkommen ausweglos, seit sie einige Wochen zuvor wahrgenommen hatte, daß sich ihr Allgemeinzustand wegen der Doppelbelastung im Haushalt und in der Gaststätte sowie aufgrund der Beschimpfungen und Tätlichkeiten ihres Mannes erheblich verschlechtert hatte. Sie glaubte daher, den sich steigernden Gewalttätigkeiten bald „nicht mehr Stand halten zu können“ und befürchtete, daß die Tätlichkeiten auch gegen die Töchter schlimmere Ausmaße annehmen könnten und sie selbst dann aufgrund ihres schlechten Allgemeinbefindens dagegen immer weniger würde unternehmen können. Nach drei gescheiterten Selbstmordversuchen mittels Tabletten in zurückliegender Zeit war in ihr die Einsicht gereift, daß ein Selbstmord keine Lösung sei, weil dann ihre Töchter den Gewalttätigkeiten des Mannes schutzlos ausgesetzt wären. Spätestens seit Sommer 2001 hatte sie sich deshalb verstärkt mit dem Gedanken befaßt, dem Leben ihres Mannes ein Ende zu setzen. Sie sah in ihrer Situation keinen anderen Ausweg, den Gewalttätigkeiten M. F.’s zu entkommen und ihre eigene sowie die Unversehrtheit ihrer Töchter für die Zukunft zu garantieren, als ihn zu töten. Eine Trennung von M. F. meinte sie auch mit Hilfe staatlicher oder karitativer Einrichtungen nicht bewerkstelligen zu können. Für diesen Fall hatte er ihr – nachdem sie aus dem Frauenhaus zurückgekehrt war – wiederholt angedroht, daß er den Töchtern etwas antun würde. Auch sie selbst könne er jederzeit ausfindig machen. Selbst wenn er ins Gefängnis käme, sei sie nicht vor ihm sicher. Er werde schließlich irgendwann „wieder herauskommen“. Überdies könne er auch aus dem Gefängnis heraus seine Freunde aus den Rockergruppen beauftragen, ihr etwas anzutun. Die Angeklagte nahm diese Drohungen ernst. Tatsächlich waren M. F. und die Rockergruppen, denen er angehörte, gerichtsbekannt äußerst gewalttätig.
Nachdem die Angeklagte nach dem Auffinden des Revolvers längere Zeit mit sich gerungen hatte, ob dies die Gelegenheit sei, die von ihr bereits seit einiger Zeit in Aussicht genommene Tat zu begehen, entschloß sie sich, den Schritt zu wagen und ihren Ehemann zu töten. Sie sah darin die „einzige Lösungsmöglichkeit“, um die für sie ruinöse Beziehung zu ihrem Mann zu beenden. Sie betrat das Schlafzimmer und feuerte aus einer Entfernung von rund 60 cm den Inhalt der gesamten Trommel des achtschüssigen Revolvers in Sekundenschnelle auf ihren schlafenden Ehemann ab. Zwei der Geschosse trafen und führten umgehend zu seinem Tod.
Nach der Tat versandte sie zwei SMS-Nachrichten an ihre Töchter, daß sie sogleich nach der Schule nach Hause kommen sollten. Später nahm sie telefonisch Kontakt mit einem Rechtsanwalt auf, der kurz darauf im Haus der Angeklagten eintraf. Dort erschienen ca. 40 Minuten später auch die Mutter der Angeklagten und andere Verwandte. Wenig später wurde die Polizei benachrichtigt.

Das ist sicherlich kein einfacher Sachverhalt und es erstaunt vielleicht einerseits, dass sie überhaupt so lange mit ihm zusammen war und sich so hat demütigen lassen (Sie wird insoweit vielleicht einen gewissen Hang zu Bad Boys gehabt haben), gerade gegen Ende kann man denke ich aber auch nachvollziehen, dass sie sich, wenn es sich so zugetragen hat, in einer ziemlichen Ausnahmesituation befunden hat, in der sie vielleicht tatsächlich keinen anderen Ausweg sah, als ihn zu erschießen, auch um ihre Tochter zu schützen.

Was andererseits rechtfertigt die Tötung eines Menschens? Hätte sie dann dann entweder das Risiko eingehen müssen und sich mit ihren Kindern in staatlichen Schutz begeben müssen oder eben erst bei einer konkreten Gefahrensituation schießen dürfen?

Auch wenn er zweifellos ein Mistkerl war kennt unsere Rechtsordnung eben kein Recht auf Selbstjustiz, sondern ein Gewaltmonopol des Staates. Auch wenn man erpresst oder bedroht wird darf man nur innerhalb der Grenzen des Notwehrrechts handeln. Insofern könnte man sicherlich überlegen, ob hier gerade weil diese Konstellation üblicherweise Frauen betrifft, ein Frauenbonus gewährt wird, der ihr aufgrund seiner Schlechtigkeit ein geringeres Strafmaß zugesteht als das Gesetz dies vorsieht. Natürlich würde allerdings diese Rechtsprechung auch einem Mann zugute kommen, wenn er in einer vergleichbaren Situation wäre. Es wäre interessant, ob es einen entsprechenden Fall gibt und ob das Gericht dort die gleichen Maßstäbe anlegen würde. In dem oben genannten Fall hat das Gericht ein Urteil des Landgericht mit einer Freiheitsstrafe von neun Jahren aufgehoben und den Fall an das Gericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Welche Strafe letztendlich dabei rausgekommen ist, kann ich nicht sagen.

Wie seht ihr die Haustyrannenfälle?