Die Angst davor, dass Abweichungen von Geschlechterrollen es unmöglich machen Mann oder Frau zu sein

Eine verbreitete Angst wohl überwiegend aus der konservativen Ecke ist, dass Personen, die sich abweichend von der Geschlechterrolle verhalten, die gesamte Geschlechterrolle zerstören.

Es ist quasi ein „Slippery Slope“- bzw. ein Dammbruchargument:

„Wenn ich akzeptieren muss, dass ein Mann einen Mann küßt, dann küsst bald jeder, wen er will (und bald ist Sex mit Tieren normal/die Ehe nichts mehr wert/das Abendland untergegangen)“

„wenn ein Junge einen Rock trägt, dann müssen bald alle Jungs einen Rock tragen/dann weiß niemand mehr, was er eigentlich tragen soll/dann darf ich auch nichts mehr gegen Transsexuelle sagen, obwohl die krank sind“

Vielleicht übertrieben, aber so in der Art scheinen die Leute ja zu argumentieren.

Eigentlich ist diese Sicht nur vereinbar mit einer Theorie der sozialen Konstruktion der Geschlechter. Sofern man eine biologische Begründung für Heterosexualität, Homosexualität und Transvestiten oder Transsexuelle sieht, bricht der Damm eben nicht so schnell und die Rutsche ist weit weniger glatt.

Ein Homosexueller wird dann eben nicht Heterosexuell und ein Heterosexueller nicht homosexuell. Ein Transsexueller ist dann aus seinen biologischen Gründen so, er wird andere nicht damit anstecken.

Und wenn ein Junge einen Rock trägt, dann wirkt sich das nicht zwangsläufig auf sein sonstiges Verhalten aus. Natürlich könnte man sich auch im Rock als Mann und Frau verhalten.

Die meisten Menschen sind denke ich durchaus in der Lage zwischen etwas, was eine Person macht und der Frage, ob sie das übernehmen wollen, zu unterscheiden. Die meisten werden sich aber schlicht nicht gegen ihre Geschlechterrollen verhalten wollen, weil diese eben eine biologische Grundlage haben.

Insofern kann die Ausgestaltung der Rollen sich verändern, gewisse Grundelemente werden aber bestehen bleiben: Mädchen werden immer noch auf Jungs stehen, die sozialen Status haben und Cool sind, ob sie dies mit Rock machen oder nicht. Jungs werden immer noch auf Mädchen stehen, die schön sind, und ein Bart wird nicht dazugehören.

Deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn auf einer Showbühne ein schwuler, transvestitischer Mann mit Bart in Frauenkleidern auftritt und gewinnt. Es wird allenfalls die beeinflussen, die sich auch ansonsten nicht so sicher sind.

Es hindert aber ansonsten niemanden Mann oder Frau zu sein.

Kurz: Mir ist die Angst davor, dass durch solche Abweichungen von den Rollen die eigene Männlichkeit oder Weiblichkeit bedroht wird, nicht verständlich. Vielleicht kann es mir ja jemand hier erklären. Fürchtet man daraus abgeleitete Regeln, die einem ein bestimmtes Verhalten verbieten? Aber das machen beispielsweise zwei Männer, die sich küssen nicht. Man kann als Mann  seine Freundin/Frau/Geliebte/Mätresse oder Barbekanntschaft trotzdem küssen ohne das jemand auf die Idee kommt, denjenigen aufgrund des Umstandes, dass er jetzt, obwohl sich zwei Personen gleichen Geschlechts geküsst haben, eine Person des anderen Geschlechts küsst anzugreifen.